Protokoll der Sitzung vom 19.10.2017

Die Stärkung der Gemeinschaftsschule ist mit diesem Antrag nicht abgeschlossen. Wir haben einen langen Weg vor uns. Gemeinschaftsschulen sind dann richtig gut, wenn sie tatsächlich von der 1. bis zur 13. Klasse gehen. Es ist wichtig, dass wir alle bestehenden Gemeinschaftsschulen auf dem Weg dorthin begleiten.

(Regina Kittler)

Gemeinschaftsschulen müssen weiterhin evaluiert und begleitet werden, um die bisher vorliegenden Ergebnisse auszuweiten und zu festigen. Es muss auch anderen Schulformen möglich sein, dass sie eine Gemeinschaftsschule werden, wenn sie es für sich für richtig erachten. Dies gilt ausdrücklich auch für Gymnasien.

Vereinzelte Bezirke, die sich aufgrund der politischen Färbung gegen die Weiterentwicklung der bestehenden und jegliche Neugründung von Gemeinschaftsschulen stemmen, müssen überzeugt werden, denn es ist reiner Blödsinn, sich aus rein politischen Gründen dagegen zu stemmen, wenn die Schulen diesen Weg für sich wollen. Da hat parteipolitisches Kalkül nichts verloren.

Gemeinschaftsschulen müssen sich aber auch den Pflichten stellen, die durch die Überführung zur Regelschulart einhergehen. Bei der Änderung des Schulgesetzes erwarte ich vom Senat, dass sich darin eine sinnvolle Regelung zu den Einzugsgebieten findet. Auch wenn es sehr wichtig ist, dass sich viele Eltern zu der Schule freiwillig und einzugsgebietsübergreifend bekennen, ist es ebenfalls wichtig, dass sich die Schulen der Schülerschaft vor Ort widmen, egal welche Zusammensetzung dort vorliegt. Genau das ist der Geist der Gemeinschaftsschule und muss sich in dem Gesetzesentwurf auch wiederfinden.

Ich schließe ab mit einer Absage an jegliche Behauptung, dass die Einführung der Gemeinschaftsschule die Wiedereinführung einer dritten Säule mit sich bringt. Nein, die Gymnasien werden nicht geschwächt, und die Sekundarschulen werden nicht zu Resteschulen degradiert. Der Vorschlag des Senats muss die Regelung beinhalten, die auch in den Koalitionsverhandlungen festgehalten wurde. Berlin wird auch in Zukunft ein Zwei-Säulen-System haben, die beide gleichwertig zum Abitur führen, der eine Weg nach zwölf Jahren, der andere Weg nach 13 Jahren. Die Gemeinschaftsschule wird mit ihrem besonderen binnendifferenzierten und schulstufenübergreifenden Einsatz einen Platz in diesem System finden und auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag für die Bildung unserer Kinder beitragen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Kollege Kerker das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Im Grunde genommen ist der Antrag der CDU eine Selbstverständlichkeit, die man zwangsläufig unterstützen muss. Es ist eines der am schlechtesten gehüteten Geheimnisse, dass linke Bildungspolitik vor allem geprägt ist von Gleich

macherei und Wohlfühlpädagogik. Gemeinsames Merkmal Ihrer Politik scheint Ihre Abräumlaune zu sein. Ich nenne hier nur einmal einige Beispiele: Gymnasium – elitär, muss weg, Hauptschule ist eine Resteschule – muss weg, Förderschule – diskriminierend, muss weg. berufliche Schule – gibt es doch sonst nicht auf der Welt, muss weg, Noten und Zeugnisse – beleidigend, muss weg,

[Zuruf]

Sitzenbleiben – Zeitverschwendung, muss weg, Hausaufgaben – stressig, muss weg, Frontalunterricht – mittelalterlich, muss weg, Auswendiglernen – überflüssig in Zeiten von Google und Wikipedia, muss weg,

[Beifall bei der AfD]

Anstrengung – ist ja eine Spaßbremse, muss weg, Rechtschreibung – ein Herrschaftsinstrument, muss weg.

[Regina Kittler (LINKE): Was erzählen Sie für einen Blödsinn? Das glauben Sie doch selbst nicht! – Beifall bei der AfD – Heiterkeit bei der CDU]

Frau Kittler! Sie müssen nicht alles glauben, was Sie denken.

[Beifall bei der AfD – Heiterkeit bei der CDU]

Fakt ist, dass die um sich greifende Wohlfühl-GuteLaune-Spaß- und Gefälligkeitspädagogik unseren Kindern schadet. Je niedriger die Hürden in der Schule sind, desto schwerer fällt es den jungen Leuten später, die Hürden im Leben zu überwinden. Das sehen wir auch mittlerweile. Wir haben die höchste Zahl an Studienabbrechern. Wir haben die höchste Zahl an Ausbildungsabbrechern. Ihre Ergebnisse sprechen doch Bände. Was wollen wir denn da noch großartig diskutieren, bitte schön?

[Beifall bei der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kittler?

Nein, generell nicht! Danke schön! – Die Forderung der CDU ist eine Selbstverständlichkeit. Natürlich muss es Ziel einer jeden Pilotphase eines Projektes sein – egal, ob in der Bildung, egal, in welchem Bereich –, nach Beendigung der Pilotphase ein unzweifelhaftes Ergebnis zu erhalten, um den Erfolg bzw. Misserfolg klar zu identifizieren. Das ist genau das, wovor Sie sich scheuen. Das ist gerade so, als würde ich mir einen spannenden Krimi im Fernsehen anschauen und kurz vor der Aufklärung den Fernseher abschalten. – Ein Fall für zwei, bzw. die Bildung in Berlin fällt mit hinein.

(Dr. Maja Lasić)

Wenn Sie von Rot-Rot-Grün tatsächlich so überzeugt von Ihren Bildungskonzepten sind, frage ich Sie, warum Sie es nicht auf einen ehrlichen Vergleich ohne Wenn und Aber ankommen lassen. Das hatte die Kollegin Bentele hier auch schon ganz klar betont.

[Beifall bei der AfD]

Die Antwort liefern Sie eigentlich selbst.

[Zuruf von Dr. Maja Lasić (SPD)]

Sie wissen selbst, dass die Gemeinschaftsschule nicht zu einer Verbesserung der Leistung von Schülern führt. Gerade deswegen scheuen Sie eine offene Analyse wie der Teufel das Weihwasser.

Die Gesamtschule hat in Deutschland Jahrzehnte durchschlagende Erfolglosigkeit hinter sich. Deswegen gibt es keinen Grund, sie im Gewande der Gemeinschaftsschule jetzt wieder neu aufzulegen. Seit den 1970er- und 1980erJahren hat diese Schulform in allen Studien schlecht abgeschnitten. Besonders eindrucksvoll ist hier die Studie des Max-Planck-Instituts. Bloß zwei Beispiele an dieser Stelle: In NRW haben am Ende der 10. Klasse die Gesamtschüler in Mathematik im Vergleich zu Realschülern

[Zurufe von Dr. Maja Lasić (SPD) und Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

um zwei Jahre und im Verhältnis zu Gymnasiasten um mehr als zwei Jahre schlechter abgeschnitten. Das sagt doch alles. Und auch hier war übrigens die Schülerklientel hinsichtlich sozialer Herkunft und intellektueller Fähigkeiten quasi identisch.

Positive Beispiele gibt es natürlich auch. Die Länder Bayern und Sachsen lagen bei PISA im internationalen Vergleich ganz oben, auch das wissen Sie. Aber davon kann Berlin nur träumen. Wie schon so oft erwähnt: 22 Jahre SPD-Bildungspolitik übersteht kein Bundesland unbeschadet.

[Heiterkeit und Beifall bei der AfD]

Auch die aktuellen Vergleiche des IQB – die kennen Sie sicherlich auch – haben es mal wieder deutlich gemacht, wo wir in Wirklichkeit stehen. Deswegen ist es wirklich traurig, aber dieses Fazit bleibt bestehen: Willst du Berlin oben sehen, musst du auch weiterhin die Tabelle drehen. – Vielen Dank!

[Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Zuruf von der LINKEN: Herrgott, schmeiß Hirn runter!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Burkert-Eulitz das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kerker hat wieder gezeigt, wie inhaltsleer die Debattenkultur der AfD im Bildungsbereich ist.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Beifall von Frank-Christian Hansel (AfD) und Ronald Gläser (AfD)]

Ich kann daran erinnern: Bei der ersten Lesung des Haushalts waren Sie nicht anwesend. Bei der zweiten haben Sie auch mit Nichtstun, mit keinem Beitrag, mit null Inhalt der Debatte wahrscheinlich geholfen, indem sie sich da herausgehalten haben.

[Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Zumindest ist Ihre Beteiligung es nicht wert, dieses Haus zu einer Lachbude zu machen. Ich schlage vor, dass Sie wieder oder überhaupt mal zur Sacharbeit kommen.

Frau Bentele ist sehr konsequent in dem, was sie sagt. Wenn man sich die Presselandschaft vom April 2016 noch mal anschaut – da haben wir die entsprechende Begleitstudie zum Projekt der Gemeinschaftsschulen, die heute auch schon genannt wurde, auch debattiert. Sie wurde vorgestellt. Die damaligen Überschriften lauteten – und es waren durchaus als kritisch bekannte Journalistinnen und Journalisten –: „Die Gemeinschaftsschule schneidet überraschend gut ab“, „Der Tagesspiegel“: „Gemeinsam lernt sich‘s besser“. Damals hatten die Bildungsforscher der Berliner Gemeinschaftsschule nach acht Jahren Pilotprojekt ein gutes Zeugnis ausgestellt, dass eine gute Integration von Kindern vor allem mit sonderpädagogischem Förderbedarf gelingt. Auch damals haben Sie schon gesagt, dass Ihnen das nicht ausreiche, dass Sie das nicht weiterführen wollten. Keine Angst! Das Gymnasium muss nicht weg. Die Hauptschule ist Gott sei Dank weg. Das Gute an der Gemeinschaftsschule ist, dass sie gerade Heterogenität und Vielfalt als Gewinn ansieht.

Frau Bentele! Ich weiß gar nicht, woher Sie das nehmen, das haben Sie schon öfter gesagt, dass die Kinder dort einzeln lernen müssen. Nein, da geht es gerade um individuelle Förderung. Für jedes Kind ein individuelles Paket zu packen und jedem weiterzuhelfen, wünsche ich mir eigentlich für die gesamte Schullandschaft in Berlin.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Ich bin froh, dass ich Mutter eines Kindes an einer Schule bin, die sich auf den Weg gemacht hat, Gemeinschaftsschule werden zu wollen. Sie machen das alle freiwillig. Das wird dann auch so im Gesetz stehen. Die Überschrift dieses Jahres ist „gemeinsam“. Und dieses „gemeinsam“ ist sehr wichtig, damit wir die Segregation, die in vielen Schulen – ob in einer freien oder einer öffentlichen Schule – vorherrscht, endlich überwinden. Gerade die Gemeinschaftsschule bekommt das Zeugnis, dass gerade da

(Stefan Franz Kerker)

der Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler weit weniger stark davon abhängt, welche soziale Herkunft die Jugendlichen haben, als an vielen anderen Schulen.

[Georg Pazderski (AfD): Die Ergebnisse sehen wir ja in Berlin! – Zuruf von Regina Kittler (LINKE) – Weiterer Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

Nein, es ist bestätigt, dass der Fortschritt des Lernerfolges an der Gemeinschaftsschule sehr gut ist.

[Zurufe von der LINKEN und der AfD]

Ich darf um Ruhe bitten.