Protokoll der Sitzung vom 19.10.2017

hat die AG Schulraumqualität auch hier höhere Ansprüche formuliert.

In der Ausschussdebatte forderte Frau Bentele sogar, dass sich die besonderen Lernkonzepte der Gemeinschaftsschule auch in der Lehrkräftebildung niederschlagen müssen. Unserer Meinung nach ist das bereits der Fall – z. B. in den Schwerpunkten des Umgangs mit Heterogenität und Inklusion. Wenn der CDU hier noch etwas fehlt, dann hätte sie das auch in dem Beschluss zum neuen Lehrkräftebildungsgesetz einbringen können. Das haben Sie nicht getan. Oder wollen Sie das Zwei-Säulen-Modell der Berliner Schulen um eine dritte Säule erweitern? – Es ist schön, dass Kollegin Bentele mir nicht zuhört, es würde mich aber dann sehr erstaunen. Schön, dass Sie an der Debatte gar nicht interessiert sind!

Da die CDU die allgemeinen Charakteristika der Gemeinschaftsschule laut Begründung gar nicht kennt, möchte ich Sie hier noch mal aufklären. Vielleicht lesen Sie das auch noch mal nach. Es gibt dazu von der Senatsverwaltung Handreichungen, einen Praxisleitfaden und Materialsammlungen. Der CDU-Antrag ist also – um es zusammenzufassen – überflüssig. Die erfolgreiche Gemeinschaftsschule endlich als Regelschule anzuerkennen, ist allerdings überfällig und der richtige Schritt in die pädagogische Zukunft. Stimmen Sie dem bitte zu!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Bentele das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Gemeinschaftsschule ist das bildungspolitische Steckenpferd, das von Linken und Grünen und mit mal mehr oder weniger Enthusiasmus auch von der SPD immer wieder hochgejazzt wird.

[Regina Kittler (LINKE): Da brauchen Sie uns gar nicht auseinanderdividieren!]

Das kann man in den von Ihnen regierten Bundesländern in schöner Regelmäßigkeit beobachten. In BadenWürttemberg, wo die Gemeinschaftsschulen von den Grünen mit der Brechstange eingeführt wurden, gab es nur drei Jahre danach einen Rückgang der Anmeldungen um 8 Prozent. Die Entzauberung hat also ganz schnell eingesetzt, und eine CDU-Ministerin darf wieder reparieren. Same old, same old!

Seit letztem Jahr regiert in Berlin wieder eine Linkskoalition, und deshalb muss nun natürlich auch in Berlin die Gemeinschaftsschule als Regelschule unter Dach und Fach gebracht werden.

(Präsident Ralf Wieland)

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Dr. Susanne Kitschun (SPD) – Regina Kittler (LINKE): Genau!]

Das ist alles sehr vorhersehbar. Unsere Forderungen nach einer soliden Datenbasis und nach einem ausreichenden Beobachtungszeitraum – dass man also beispielsweise zumindest einen Schülerdurchlauf von Klasse 1 bis 13 abwartet und auswertet – stören da nur. Die wissenschaftliche Begleitung liefert uns keine Informationen zur Grundstufe und zur Oberstufe. Das schreiben die Wissenschaftler selbst. Daher ist der Titel „Abschlussbericht“ über dem letzten Bericht völlig irreführend.

Die Anregung von Frau Kittler im Ausschuss, harte Fakten beispielsweise über Abschlüsse könne man sich ja über Schriftliche Anfragen zusammensuchen, zeigt, wie wenig ernst die Koalition die wissenschaftliche Begleitung nimmt. Sie war und ist eben nur ein Alibi.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kittler?

Nein, danke! – In Berlin brauchen wir gute Gründe, um eine neue Schulform zur Regelschule zu erklären. Wir haben ein funktionierendes Zwei-Säulen-System, in dem die integrierte Sekundarschule ausdrücklich als Schule für alle gedacht ist. Wenn wir daneben eine neue Schulform mit gleichem Ziel etablieren, dann gibt es selbstverständlich Konkurrenz um Lehrkräfte, Räume, Geld und konzeptionelle Aufmerksamkeit. Ich mache es ganz konkret: Da gibt es integrierte Sekundarschulen, die sich seit Jahren eine gymnasiale Oberstufe wünschen und auch entsprechende Schülerzahlen liefern. Aus politischen Gründen sollen die Mittel aber nun in den Aufbau dreizehnjähriger Gemeinschaftsschulen fließen, die weder genügend geeignete Schüler noch geeignete Räumlichkeiten noch geeignete Lehrer an Bord haben.

[Regina Kittler (LINKE): Das ist doch unglaublich, was Sie hier erzählen! Unfassbar!]

Sozusagen als Wette auf die Zukunft in meinem Bezirk, Frau Kittler! Gleichzeitig sollen sich Eltern im Neubaugebiet mit der Gemeinschaftsschule arrangieren, die ihnen vor die Nase gesetzt wird, obwohl das Konzept des selbstständigen Lernens Schüler sehr wohl auch überfordern kann und es sich damit für manche, aber nicht für alle Schüler eignet.

Wir haben in Berlin eine große Bandbreite an Gemeinschaftsschulen. Diejenigen, die gut laufen, stützen sich dabei bisher auf ein außerordentliches Engagement der Lehrer und Eltern und darauf, dass die Schule pädago

gisch an einem Strang zieht. Ich bin mir sicher, dass jede Schule, an der motivierte und innovative Lehrer nach einem gemeinsamen Konzept arbeiten, zur bestmöglichen Förderung ihrer Schüler kommen kann. Dafür brauchen wir keine Schulgesetzänderung. Das können wir auch so umsetzen. Außerdem gehe ich auch stark davon aus, dass die gleiche Personalausstattung der Gemeinschaftsschulen wie die an anderen Schulen nur in der Anfangsphase gelten wird und die Koalition schon bald mit Personalverstärkungen kommen wird – angesichts der vielen Zusatzaufgaben, die die Lehrer an den Gemeinschaftsschulen übernehmen müssen und die sie auf Dauer auch verschleißen.

Meine Damen und Herren! Sie sehen uns beim Thema Gemeinschaftsschulen wirklich gelassen. Bei den freien Trägern gibt es sie schon lange. Sie gehören zu einer vielfältigen Schullandschaft, und wenn sie bestimmte bildungspolitische und soziale Probleme lösen helfen können, dann soll uns das recht sein. Aber Sie müssen dieses Projekt seriös, transparent und nicht zulasten des Leistungsniveaus zu Ende bringen. Das schulden Sie den Eltern, den Schülern und auch den Regelschulen in der Stadt, die alle dringend zusätzliche Ressourcen brauchen. Wir haben in unserem Antrag formuliert, was für eine seriöse und transparente Beendigung dieses Schulversuchs notwendig ist. Bitte folgen Sie uns auf diesem Weg, und lassen Sie sich nicht einseitig von der Koalition blenden! – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für eine Zwischenbemerkung hat jetzt Frau Kollegin Kittler das Wort.

Auf meine Frage, Frau Bentele, warum Sie eigentlich die Fortsetzung der wissenschaftlichen Begleitung in Ihrer Regierungszeit blockiert haben, sind Sie eben nicht eingegangen. Das können Sie gern noch einmal erklären.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE) – Zurufe von der FDP]

Zum Zweiten: Hier zu behaupten, dass in den Gemeinschaftsschulen ungeeignete Schülerinnen und Schüler sind, um bis zum Abitur zu kommen, finde ich unglaublich. Ich nehme Sie gern einmal mit zum Elternnetzwerk der Gemeinschaftsschulen, weil ich Sie dort noch nicht gesehen habe. Dort können Sie es den Eltern erklären und ihnen ins Gesicht sagen. Vielleicht sagen Sie es den Schülerinnen und Schülern auch noch. Das wäre auch einmal eine Idee. Hier zu sagen, dass die wissenschaftliche Begleitung und das, was wir hier an Erkenntnissen haben, nicht seriös ist, ist eine Beleidigung für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die die Schulen

(Hildegard Bentele)

über Jahre begleitet und mit den Kolleginnen und Kollegen zusammen diese Schulen entwickelt haben. Sie können es gern hier noch einmal erklären, wie Sie zu solchen Aussagen kommen. Ich finde es unglaublich. Ich erwarte von Ihnen auch eine Berichtigung und eine Entschuldigung.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von der FDP – Christian Gräff (CDU): 25 Jahre im Container halten Sie für souverän?]

Zur Widerrede hat Frau Kollegin Bentele das Wort.

[Unruhe]

Ich weiß überhaupt nicht, wofür ich mich entschuldigen sollte.

[Zurufe]

Einen kleinen Moment, Frau Bentele. – Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

Ich kann Ihnen aber gern etwas erklären. Es ging darum, weshalb wir Mittel zusätzlich in Gemeinschaftsschulen hineingeben sollen, wenn wir daneben integrierte Sekundarschulen haben, für die es hohe Anforderungen bei der Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe gibt. Dafür brauchen Sie 60 gymnasialempfohlene Schüler. Warum sollen diese Regeln nicht für die Gemeinschaftsschule gelten? Sie werden einfach ausgesetzt. Das ist unfair. Darauf habe ich mich bezogen.

Was die wissenschaftliche Begleitung angeht, weiß ich wirklich nicht, was Sie meinen. Wir haben immer gesagt, dass wir sie brauchen. Aber so, wie Sie die auflegen, dass Sie irgendwelche Wohlfühlfragen stellen, wie sich die Schüler oder die Eltern dort fühlen, interessiert am Rande, sind aber nicht die Kernthemen.

[Beifall bei der AfD]

Sie haben selbst gesagt, dass wir keine Informationen haben. Wir haben Informationen zur Klasse 7 und zur Klasse 9. Wir haben keine Informationen zur Grundstufe. Wir haben keine Informationen zur Oberstufe.

[Regina Kittler (LINKE): Beantworten Sie meine Frage!]

Deshalb ist eine solche wissenschaftliche Begleitung nicht ausreichend. Deshalb muss sie so aufgesetzt werden, dass wir auch Ergebnisse haben, mit denen wir etwas anfangen können. Dafür haben wir immer gestritten. Wir

haben nie gesagt, dass diese Begleitung beendet werden soll.

[Regina Kittler (LINKE): Warum haben Sie nichts dazu gesagt?]

Wir haben vielleicht höchstens gesagt, dass wir sie anders ausrichten müssen, sodass wir auch Ergebnisse haben, mit denen wir etwas anfangen können. Das war immer meine Rede und nichts anderes. Deshalb werde ich mich auch nicht entschuldigen und auch nicht berichtigen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Dr. Lasić das Wort.

Ich werde es wahrscheinlich nicht schaffen, mit dem Enthusiasmus in der Debatte so sehr mitzuhalten, aber ich versuche es. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Koalition hat durchaus Punkte, in denen wir nicht einer Meinung sind.

[Stefan Evers (CDU): Was? – Christian Gräff (CDU): Nein!]

Das passiert. Das ist normal. Gerade das Ziel, die Gemeinschaftsschule zu verstetigen, zeigt auch unsere Gemeinsamkeiten und die Stärke unserer Koalition. Wir haben gemeinsam das Ziel, den Bildungserfolg unserer Schülerinnen und Schüler, soweit es geht, von der sozialen Herkunft abzukoppeln. Jede qualitative Maßnahme, die wir ergreifen, muss sich an diesem Anspruch messen lassen. Die Überführung der Gemeinschaftsschule in die Regelschule ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit im Bildungssystem.

Anders, als es Frau Bentele gerade geschildert hat, hat die bisherige Evaluation der Gemeinschaftsschulen gerade mit Blick auf die soziale Gerechtigkeit wichtige Ergebnisse geliefert. Es sind gerade die Schülerinnen und Schüler aus benachteiligten Familien, die stark davon profitieren, eine Gemeinschaftsschule zu besuchen. Damit leisten die Gemeinschaftsschulen einen entscheidenden Beitrag zur Schließung der sozialen Schere beim Bildungserfolg. Daher ist es endlich an der Zeit, dass Gemeinschaftsschulen ein fester Bestandteil unseres Schulsystems werden.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Beifall von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): ]