Protokoll der Sitzung vom 16.11.2017

Herr Senator! Ist Ihre Einschätzung möglicherweise nur eine persönliche? Anwohner des Görlitzer Parks haben mir gestern noch einmal eindeutig auf den Weg in die heutige Sitzung mitgegeben, dass die Drogenkriminalität im Görlitzer Park in den letzten 14 Tagen, drei Wochen wieder massiv zugenommen hat. Die Drogendealer haben sich darauf eingerichtet. Sind Sie mit mir der Meinung, wir sollten alles unternehmen, um die Drogendealer zu bekämpfen? Wenn Sie einmal in die Augen dieser Kinder schauen, die am Görlitzer Park, am Kottbusser Tor stehen, denen ihre Zukunft von den Drogenhändlern zum Teil schon genommen wurde, dann ist Ihre Antwort für einen Innensenator dieser Stadt bedenklich.

[Beifall bei der AfD]

Herr Wansner, Sie hatten die Gelegenheit, eine Frage zu stellen, und nicht dazu, polemisch zu werden. – Herr Geisel, Sie haben die Möglichkeit, auf die Frage zu antworten.

Lieber Herr Wansner! Ich bin mit Ihnen der Auffassung, dass es intensiver Polizeiarbeit bedarf, um Kriminalität einzuschränken, so auch gegen die Drogendealer und Begleitkriminalität am Görlitzer Park und an anderen Stellen der Stadt vorzugehen. Ich sage Ihnen aber auch: Ich habe mich sehr sorgfältig um die Situation im Görlitzer Park gekümmert. Ich bin beispielsweise eine Nachtstreife am Kotti mitgefahren und habe mir die Situation nachts am Görlitzer Park angeschaut. Ich habe dort gesehen, wie Drogendealer kontrolliert werden, und intensiv mit den Kolleginnen und Kollegen der Polizei, die dort tätig sind, gesprochen. Ich habe sie gefragt: Was müssen wir tun? Deshalb ist es übrigens zu dieser personellen Verstärkung und der Sondereinsatzgruppe gekommen. Wir wollten dort intensiver als bisher arbeiten und durch mehr Personal Überstunden reduzieren. Ich habe auch intensiv mit dem Parkmanager und den Parkläufern gesprochen und gefragt: Was müssen wir tun? An welchen Stellen brauchen Sie noch Unterstützung?

Ich danke Ihnen ausdrücklich für den Hinweis, dass es dort Anwohner gibt, die sagen, in den letzten 14 Tagen sei es wieder schwieriger geworden. Das gebe ich gerne an die Polizei weiter, damit dort noch einmal die Aufmerksamkeit erhöht wird. Aber wir haben immer ein Auseinanderfallen zwischen subjektivem Empfinden und objektiver Statistik. Die Kriminalität am Görlitzer Park ist rückläufig, weil unsere Maßnahmen zum Erfolg führen. Das heißt nicht, dass es keine Schwankungen geben kann. Ich will nicht in Abrede stellen, dass Anwohner so etwas berichten. Dem gehen wir nach. Ich sage aber: Die Null-Toleranz-Politik hat ausdrücklich nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt. Man muss auch einmal aus seinem Verhalten lernen, die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen und nicht einfach so weitermachen wie bisher.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die kriminalitätsbelasteten Orte der Stadt, zu denen der Görlitzer Park leider immer noch gehört, brauchen wir individuelle Lösungen. Jeder kriminalitätsbelastete Ort unterscheidet sich vom anderen. Überall gibt es andere Ursachen für Kriminalität und unterschiedliche Symptome. Jedes Symptom muss individuell und intensiv bekämpft werden, damit wir Erfolg haben. Es wird am Görlitzer Park sicher nicht in wenigen Wochen oder Monaten eine ideale Situation eintreten. Wir müssen an dem Thema dranbleiben. Dafür stehe ich!

Herr Dregger hat das Wort für eine weitere Nachfrage.

Sehr geehrter Herr Innensenator! Ich finde es richtig, dass Sie sagen, wir sollten aus Fakten lernen. Ist Ihnen bekannt, dass in den anderthalb Jahren der Null-ToleranzZone von März 2015 bis September 2016 6 194 Straftaten am Görlitzer Park erfasst worden sind, 5 764 Personenüberprüfungen durchgeführt worden sind, 561 Freiheitsentziehungen durchgeführt worden sind, gegen 2 735 Personen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde und 511 Verurteilungen stattgefunden haben? Gehen Sie auf der Grundlage dieser Fakten nicht auch davon aus, dass nicht Parkläufer zum Rückgang der Kriminalität führen, sondern eine konsequente, repressive Strafverfolgung, und wollen Sie diese nicht fortführen? – Herzlichen Dank!

Herr Senator, bitte schön, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Dregger! Sie bringen mich in die Situation, mich wiederholen zu müssen.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Ja, repressives Vorgehen gehört zum Erfolg, und ja, der verstärkte Polizeieinsatz im Gebiet des Görlitzer Parks hat zum Erfolg geführt, indem Begleitkriminalität zurückgedrängt wurde. Genau deshalb setzen wir diese Politik auch fort. Der Polizeieinsatz ist nicht reduziert worden, sondern wird in vollem Umfang, wie im Sommer 2016 in CDU-Verantwortung, fortgesetzt. Das führt zu Überstunden bei den Kolleginnen und Kollegen der Polizei. Deswegen haben wir die Polizisten vor Ort verstärkt, damit wir diese Präsenz der Polizei und das repressive Eingreifen fortsetzen können. Aber Repression bekämpft Symptome und nicht die Ursachen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Ich begreife Innenpolitik nicht als reine Repression, sondern das ergänzende Element der Prävention und der Sozialarbeit gehört dazu. Deswegen brauchen wir einen ganzheitlichen, ressortübergreifenden Ansatz. Das ist unsere Politik.

Vielen Dank! – Sehr verehrte Damen und Herren! Die Fragestunde ist damit für heute beendet.

Ich komme nun zu

lfd. Nr. 3:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.1:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 31

Hohe Qualitätsstandards bei der Unterbringung von Geflüchteten sicherstellen

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/0632

In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke, und hier hat das Wort die Abgeordnete Frau Schubert. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jeder Mensch braucht ein Dach über dem Kopf. Vermutlich alle Menschen sehnen sich danach, ein richtiges Zuhause zu haben, das sie selber gestalten, wo sie auch für sich sein und mit ihren Liebsten zusammen sein können.

Für viele geflüchtete und auch für viele obdachlose Menschen ist es nicht so. Das müssen wir ändern. Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum in Berlin für Menschen mit wenig oder Transfereinkommen – ganz gleich, welchen Status sie haben, woher sie kommen und warum das so ist. Daran arbeitet dieser Senat mit Hochdruck.

Solange wir aber Geflüchtete in Not- und Gemeinschaftsunterkünften unterbringen müssen, muss es auch dort Mindeststandards geben. Der alte Sozialsenator, der ja ein erstaunlich kurzes Gedächtnis in seiner Rede vorhin bewiesen hat, hat es viel zu lange versäumt, Strukturen und Unterbringungskapazitäten zu organisieren, auch als längst absehbar war, dass die Flüchtlingszahlen steigen. Es ist vor allem den Ehrenamtlichen, den vielen Kiez- und Bezirksinitiativen wie „Friedrichshain hilft“, „Willkommen in Reinickendorf“, „Moabit hilft“ und vielen, vielen anderen zu verdanken, dass die Flüchtlinge Kleidung und Hygienemittel, Unterstützung im Kampf mit Bürokratie, um gesundheitliche Versorgung, um Zugang zu Kitas und Schulen bekommen haben. Dafür auch jetzt noch einmal vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Heute haben wir zum Glück bessere Zustände. Die Turnhallen und etliche weitere prekäre Unterkünfte sind geräumt. Die ersten MUFs konnten bezogen werden; die Situation entspannt sich dank engagiertem Handeln von Senat und Bezirken.

Die Zeiten, in denen windige Unternehmen glaubten, auf Kosten der Flüchtlinge den schnellen Euro zu machen, sind vorbei, und ich bin froh, dass sich der Senat nicht mehr von dubiosen Firmen auf der Nase herumtanzen lässt.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Doch wir brauchen auch für die engagierten und seriösen Betreiber Kriterien und Mindeststandards, die für alle nachvollziehbar sind und die regelmäßig überprüft werden. Das betrifft die Einrichtung und die Sauberkeit der Häuser genauso wie die soziale Anbindung und die Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Unterstützerinnen und Unterstützern. Die Häuser müssen in der Lage sein, auf die Bedürfnisse von besonders schutzbedürftigen Menschen wie schwangere oder kranke, traumatisierte Flüchtlinge und natürlich Kinder einzugehen. Es muss ausreichend qualifiziertes Personal da sein, das für die Geflüchteten ansprechbar ist und sie unterstützt. Dazu gehört, dass es sich mit darum kümmert, dass die Kinder in Kitas und Schulen gehen können, dass der Zugang zu Sprachkursen organisiert wird und dass die Menschen sich selbst vernünftig verpflegen können.

Die Einrichtungen müssen Teil ihrer Kieze werden, das heißt, sie müssen offen sein für neue Nachbarschaftsnetzwerke, für die Bildungsverbünde in etlichen Bezirken. Sie sollen die hohen Potenziale von zivilgesellschaftlichem Engagement nutzen, die wir hier in der Stadt zum Glück haben, um die schnelle Integration und Teilhabe von Geflüchteten zu fördern. Und das heißt auch, dass die Geflüchteten sich selbst an der Gestaltung ihrer Einrichtungen beteiligen können.

Das gilt auch für die Überprüfungen, die in den Unterkünften regelmäßig stattfinden müssen. Wir möchten, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner der jeweiligen Einrichtung an diesen Überprüfungen genauso beteiligen wie die Senatsverwaltung, der Integrationsbeauftragte, die Bezirke und die Flüchtlingsorganisationen – gemeinsam und auf Augenhöhe.

Das ist ein Grundanliegen unseres Antrags. Ich freue mich, dass sich die neue Flüchtlingskoordinatorin auf den Zettel genommen hat, hier in Kooperation und im Austausch mit vielen anderen Akteuren ein tragfähiges Konzept zur Sicherstellung und Überprüfung hoher Qualitätsstandards bei der Flüchtlingsunterbringung zu entwickeln. Und ich bin sicher, dass der Senat dem Auftrag dieses Antrags gerecht wird, wenn wir ihn denn beschließen. Dafür werbe ich sehr vehement. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt die Abgeordnete Frau Seibeld das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nur um es noch einmal in Erinnerung zu bringen: Der Antrag heißt „Hohe Qualitätsstandards bei der Unterbringung von Flüchtlingen sicherstellen“. – Das klingt gut. Es klingt vor allem nach klassischer Aufgabe der Exekutive, also des Senats. Erschreckend, dass die Koalition der Auffassung ist, hierzu einen Parlamentsantrag stellen und den Senat auffordern zu müssen. Aber so ist es vielleicht, wenn die Kommunikation zwischen Fraktionen und Senat gestört ist.

Offenbar hat es der Senat ja nötig, denn in den vergangenen zwölf Monaten hat es außer dem zu begrüßenden Freizug der Turnhallen und der Großunterkünfte kaum eine Verbesserung bei der Flüchtlingsunterbringung und -betreuung gegeben. Lassen Sie uns kurz den aktuellen Sachstand betrachten: Es ist so, dass ein Vertrag zwischen dem LAF und dem Träger der Flüchtlingsunterkunft geschlossen wird. Darin werden Regelungen über Leistungen vereinbart. Wenn entsprechende Leistungen und Standards nicht eingehalten werden, gibt es die Möglichkeit, Vertragsstrafen zu vereinbaren oder sonstiger Strafzahlungen. Es gibt auch jetzt schon Jahresprüfungen bei den Betreibern, in der Regel angemeldet, anlassbezogen, aber auch unangemeldet.

Noch immer ist es allerdings so, dass etwa für 20 der insgesamt rund 100 Flüchtlingsunterkünfte in Berlin keine Betreiberverträge existieren. Der Betrieb wird, so berichten es zahlreiche Träger, teilweise schon seit zwei Jahren auf der Grundlage von Absichtserklärungen und vorläufigen Vereinbarungen aufrechterhalten; oft ist nicht einmal eine Laufzeit vereinbart. Das bedeutet eine große Unsicherheit für die Bewohner, die Mitarbeiter und die Betreiber – Die „Morgenpost“ berichtete darüber am 4. November dieses Jahres.

Die Zielstellung dieses Antrags ist vor diesem Hintergrund vermutlich durchaus sinnvoll. Aber jede Forderung nach neuen Standards muss am Ende auch umgesetzt werden, und das bedeutet, dass die Verwaltung so sinnvoll ausgestaltet werden muss, dass einheitliche Kontrollen auch gewährleistet werden können. Dafür braucht es vor allem Personal in der Senatsverwaltung, aber auch in den Bezirken.

Frau Senatorin Breitenbach hat zum diesem Thema im Jahr 2014 hier im Parlament gesagt: Dieser Senat hat die letzten drei Jahre nicht viel gemacht im Bereich der Flüchtlingspolitik. – Ich muss Ihnen sagen: Sie haben in der Opposition große Forderungen gestellt und Ankündigungen gemacht, davon aber bislang wenig umgesetzt.

Das Personal im LAF kriecht auf dem Zahnfleisch – den Brandbrief haben Sie in den letzten Tagen alle gesehen -, es ballen sich nach wie vor Millionen unbezahlter Rechnungen. Die Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen funktioniert faktisch gar nicht. Die Vermittlung funktioniert nur dank der Zwischenschaltung des EJF, und auch Gemeinschaftsunterkünfte sind im Großen und Ganzen weder fertig noch bezogen.

Und damit nicht genug! Sie wundern sich über die teilweise mangelnde Akzeptanz der Flüchtlingspolitik. Wie soll diese auch hergestellt werden, wenn Turn- und Sporthallen in vielen Fällen immer noch nicht übergeben sind und dem Schul- und Breitensport nicht zur Verfügung stehen? – In all diesen Bereichen ist Rot-Rot-Grün im vergangenen Jahr kaum einen Schritt nach vorne gekommen.

Aber nun inhaltlich zu dem, was Sie in Ihrem Antrag fordern: Die Ziffer 2 des Antrags setzt Flüchtlingseinrichtungen, was die Anforderungen an die Kontrollen angeht, quasi mit psychiatrischen Einrichtungen gleich. Sie übersehen dabei allerdings, dass in psychiatrischen Einrichtungen oftmals starke Einschnitte in die Freiheitsrechte und daher strengere Kriterien anzusetzen sind und große und ausgewogen zusammengesetzte Kontrollkommissionen erforderlich sein mögen. Dies ist bei Flüchtlingsunterkünften ganz sicher nicht der Fall. Insofern sind die Forderungen schlicht überzogen.

Das Gremium ist auch deutlich größer, als es im Übrigen in Obdachlosenunterkünften oder bei der Besichtigung von Kinder- und Jugendeinrichtungen ist, um vergleichbare Prüfungen durchzuführen.

Auch die Ziffer 3 zeigt, dass der Antrag nicht zum Ausdruck bringt, was die Koalition politisch offenbar eigentlich möchte: Der Ausgangspunkt bei der Forderung bestimmter Leistungen ist der Vertrag zwischen dem LAF und dem Betreiber. Aber ein Gutteil der Forderungen, die Sie darin zum Ausdruck bringen, sind gar keine Pflichten, die Sie Betreibern auferlegen können. Ich nenne nur einige Beispiele: Die Sicherstellung des Schulbesuchs schulpflichtiger Kinder sowie der Zugang zu den Kindertagesstätten ist keine Aufgabe, die der Betreiber einer Unterkunft realisieren kann. Das Angebot an Sprachkursen – dafür sind das BAMF, möglicherweise auch die Volkshochschulen zuständig. Die Lage und die Anbindung an die städtische Infrastruktur ist die Aufgabe des Landes Berlin. Wie sollte ein Betreiber darauf Einfluss nehmen können? – Die gesellschaftliche Einbindung und Förderung des ehrenamtlichen Engagements – das dürfte nichts sein, was ein Betreiber erzwingen kann. Da ist man auf die Freiwilligkeit des Ehrenamts angewiesen.