Protokoll der Sitzung vom 16.11.2017

Bitte, Herr Altug! Sie haben das Wort

Danke, Herr Kollege Gräff! – Ich nehme an, dass Sie darüber informiert sind, dass wir, wenn wir von Urban Gardening sprechen, Kleingärten nicht direkt ansprechen. Da gibt es eine Unterscheidung. Ich meine nicht damit, dass die Kleingärten keinen Beitrag zu der Bekämpfung der Folgen des Klimawandels usw. leisten, aber wenn wir von Urban Gardening reden, reden wir in erster Linie von Gemeinschaftsgärten.

Herr Dr. Altug! Sie haben die Möglichkeit einer Nachfrage. Kein weiteres Statement, bitte!

Vielen Dank! – Aber ich glaube, Herr Dr. Altug, die Frage bzw. der Kommentar macht auch deutlich, dass man eben nicht das eine gegen das andere ausspielen sollte. Deswegen gehört es in der Tat dazu. Ich würde mir wünschen, dass Sie bei dem Thema Kleingartenentwicklungsplan auf jeden Fall einen Zahn zulegen, denn das gehört genauso dazu wie die Frage, wie wir mit Dachflächen, wie wir mit Urban Gardening, wie wir mit anderen Flächen in der Stadt umgehen.

Ich kann das nur für einige Projekte sagen, die Sie auch richtigerweise beschrieben haben – Prinzessinnengärten: Wir haben, vielleicht wissen Sie es, die Prinzessinnengärten auch an den vermeintlichen Rand der Stadt geholt –

für die vielen schönen Projekte, bei denen Sie auch immer gesagt haben: Da sind wir dagegen. – Das war und ist nach wie vor eine supererfolgreiche und total interessante Zusammenarbeit mit den Anwohnerinnen und Anwohnern, übrigens auch mit Unternehmen, mit Gewerbetreibenden, auf dem Gelände des ehemaligen Gutshofs Hellersdorf. Sehr, sehr interessant! Wir haben die Prinzessinnengärten dafür beauftragt. Insofern bin ich nahe bei Ihnen.

Wir werden deshalb diesem Antrag zustimmen. Ich würde mir allerdings wünschen, dass die anderen Aspekte, die auch zu diesem Thema gehören, vielleicht noch in den nächsten Monaten gemeinsam miteinander diskutiert werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Georg Kössler (GRÜNE)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt die Abgeordnete Frau Radziwill das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Berlin blickt auf eine sehr lange Tradition städtischen Gärtnerns, also Urban Gardening, zurück. Schon vor 150 Jahren entstanden in Berlin die ersten urbanen Gärten, die Kleingärten. Es waren Arbeiterfamilien, die im industrialisierten Berlin damit begannen, auf ungenutzten Flächen kleine Gärten anzulegen, um sich einerseits selbst zu versorgen und andererseits ein Stück Natur genießen zu können. Städtisches Gärtnern, also Urban Gardening, ist in Berlin somit eine alte, traditionsreiche Bewegung, die eng mit der Arbeiterbewegung verknüpft ist und auch in Teilen ein Stück weit mit der Geschichte der Sozialdemokratie. An diese Tradition möchten wir als Koalition sehr gerne anknüpfen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Anne Helm (LINKE)]

In den letzten Jahren sind in Berlin viele neue und vielfältig gestaltete Gärten abseits der Kleingärten entstanden. Die Gärten entstehen auf Dächern, in Brachen, in Hinterhöfen oder auch auf ungenutzten Flächen. Diese urbanen Gärten, die wir bei Urban Gardening meinen, unterscheiden sich von Kleingärten, da sie in der Regel frei für alle zugänglich sind, und besonders in einer wachsenden Stadt mit vielen Neubauvorhaben ist es kein Widerspruch – Herr Gräff, Ihren Dank an unseren Staatssekretär Gaebler kann ich mich an der Stelle nur anschließen. Urban Gardening ist keine Modeerscheinung mehr, sondern ein fester Bestandteil Berlins. Zusammen mit den vielen Kleingärten, die wir hier in Berlin haben, können wir mit Stolz sagen, Berlin ist die grünste Großstadt in Deutsch

land. Als rot-rot-grüne Koalition wollen wir das weiter wachsen lassen – im doppelten Sinne des Wortes.

Mit dem Antrag wollen wir das Gärtnern insgesamt in Berlin stärken. Urban Gardening gehört für uns genauso dazu wie Kleingärten und interkulturelle Gärten und wird in das Konzept mit einbezogen. Mit dem Ansprechpartner wollen wir es schaffen, möglichst mehr Berlinerinnen und Berliner in die Lage zu versetzen zu gärtnern, denn gärtnern soll in Berlin jede und jeder können, der es möchte, unabhängig davon, ob man ein Haus mit Garten am Stadtrand, einen Kleingarten oder ein Ferienhäuschen vor den Toren Berlins hat.

Von den entstehenden Gärten profitieren wir alle. Das Mikroklima verbessert sich. Die Biodiversität nimmt zu. Die Stadt wird grüner, und auch bedrohte Arten wie Bienen können so neue Lebensräume finden. Apropos Bienen – zu denen kommen wir nachher auch noch einmal in der Debatte in Bezug auf einen anderen Antrag: Ich will Herrn Czaja, der jetzt im Raum ist, kurz ansprechen. – Als Ex-Sozialsenator lade ich Sie sehr herzlich ein, mit mir einen interkulturellen Garten zu besuchen. Herr Buchholz und ich würden uns freuen, denn Ihre Bemerkung vorhin über die Anträge zu Bienen und Urban Gardening war sehr abfällig und aus sozialpolitischer Sicht nicht hinnehmbar.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Sowohl Bienen als auch urbane Gärten sind für die Zukunft von Städten, von Metropolen, für eine lebenswürdige Stadt enorm wichtig. Kahle Bäume helfen keinem und nur Beton auch nicht.

Die oft gemeinschaftlich gestalteten städtischen Gärten fördern den Zusammenhalt in den Kiezen. Die Gärtner übernehmen Verantwortung für die Stadt. Die Gärten sind Räume zum Austausch unter den Nachbarn und dienen der gemeinsamen Erholung. Es ist also ein soziales Thema. Es ist ein stadtgestalterisches Thema, und die Ökonomie des Teilens und Selbst-Ermächtigens ist dabei auch nicht zu unterschätzen.

Urban Gardening verändert die Wahrnehmung einer Stadt. Obst und Gemüse kann überall wachsen, ist die Botschaft. Obst und Gemüse und Großstadt sind kein Widerspruch. Das ist eine gute Entwicklung, die wir mit einem Konzept und einem Ansprechpartner fördern wollen. Die Nahrungsmittelerzeugung ist eine zentrale Frage auch in den Metropolen, und damit können wir auch einen Beitrag in Berlin leisten, denn unsere Kinder sollen nicht lernen, dass Obst und Gemüse in Plastik in Supermarktregalen wächst, sondern aus der Erde wächst. Sie müssen und sollen das lernen und auch mitmachen können. Das hat also auch einen bildungspolitischen Bezug. Sie müssen auch einen Bezug zu den eigenen Lebensmitteln aufbauen können.

(Christian Gräff)

Ein weiterer Aspekt ist mir wichtig. Weltweit nimmt die Urbanisierung zu. Deshalb ist es wichtig, dass wir als Metropole eine Vorreiterrolle übernehmen und auch Vorbild für andere Städte in Deutschland und Europa sein können. Wachsende Stadt und essbare Stadt ist kein Widerspruch. Stadt, die Natur und Großstadt vereinbaren zu können, ist etwas Wunderbares. Daher lade ich Sie herzlich ein: Arbeiten Sie mit daran! Berlin kann viel mehr – auch schmecken! Berlin ist lecker und zum Reinbeißen. Arbeiten wir daran! Gärtnern wir gemeinsam! Stimmen Sie unserem Antrag zu! – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Christian Gräff (CDU)]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Scholtysek das Wort.

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Und meine Herren, vor allem Herren!

[Mario Czaja (CDU): Ja, Frau Präsidentin!]

Wir haben hier vorne Podium, und ich hätte gerne die Chance, den Redner zu verstehen und nicht die Zurufe. Vielen Dank!

[Ülker Radziwill (SPD): Die Herren sind besonders bei Damen besonders laut, wenn ich mir das zu sagen erlauben darf!]

Herr Scholtysek! Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst einen kleinen zeitlichen Rückblick. Urban Gardening, also urbanes Gärtnern, entstand ja in den USA im ursprünglichen Sinn aus dem sogenannten Guerilla Gardening, wobei dort die heimliche Aussaat von Pflanzen vorrangig in Großstädten oder auf öffentlichen Grünflächen als subtiles Mittel politischen Protests und zivilen Ungehorsams im öffentlichen Raum im Vordergrund stand.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Georg Kössler (GRÜNE): Guerillakrieg!]

Gerade bei den Grünen ist das ja nach wie vor ein beliebtes Mittel, um plötzlich besonders schützenswerte Pflanzenarten wieder auf Flächen entstehen zu lassen, die z. B. für ein Bauprojekt vorgesehen sind.

[Beifall bei der AfD]

Und aus dem reinen Protest erwuchs im Laufe vieler Jahre aber auch der Gedanke, insbesondere den ärmsten Bevölkerungsschichten in New York oder auch Detroit

durch urbanes Gärtnern zu einer Selbstversorgung mit Obst und Gemüse zu verhelfen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Leider auch mit anderem!]

Urbanes Gärtnern, Urban Gardening ist grundsätzlich eine tolle Sache, aber wie so oft wandelt sich der eigentliche Sinn des urbanen Gärtnerns schnell hin zu einer hippen Beschäftigung für eine, nennen wir sie mal hedonistische Bevölkerungsschicht.

[Heiterkeit bei der AfD]

Auch politischer Aktivismus lässt natürlich nicht auf sich warten. Es dauert in der Regel nicht allzu lang, bis gewisse politische Vorfeldakteure und Organisationen auf den Plan treten. 2014 entstand das Urban-Gardening-Manifest, in dem die politische Zielrichtung, verabschiedet von über 100 Gartenaktivisten, verortet wurde. Wohin die politische Vereinnahmung von privaten Initiativen und Vereinen führt, sehen wir aktuell an der Diskussion um das Fahrrad bzw. am Mobilitätsgesetz, wo dem Parlament und dem Senat von einer Handvoll Aktivisten die Pistole auf die Brust gesetzt und versucht wird, die parlamentarische Demokratie gänzlich auszuhebeln. Der Senat spielt in gewisser Weise mit. Dieser Antrag dient also keinesfalls in erster Linie dem Gedanken der Selbstversorgung, sondern ist ein weiterer Schritt auf dem Weg des Neuverteilens der Stadt und der geplanten Transformation der Gesellschaft im Sinne der sozialistischen Lehre.

[Beifall bei der AfD]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kössler?

Nein, danke!

[Georg Kössler (GRÜNE): Angsthase! – Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Den Gedanken des Anlegens von Schulgärten in geordneter Form tragen wir durchaus mit und sehen hierin auch einen Sinn. Das Anbauen von Obst und Gemüse auf innerstädtischen Flächen, die für Investoren uninteressant sind und um die sich der Senat und der Bezirk nicht kümmern wollen, sehen wir jedoch angesichts der Problematik von ohnehin schon vorhandenen Wildtieren in der Stadt sehr kritisch.

[Lachen bei den GRÜNEN]

Wie viele Wildschweine, Füchse, Marderhunde und Waschbären wollen wir uns eigentlich noch in die Stadt holen? Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht?

[Beifall bei der AfD – Anja Kofbinger (GRÜNE): Jetzt sind die schon gegen Tiere! Wie bescheuert! Die armen Tiere!]

(Ülker Radziwill)

Davon abgesehen widerspricht der Wunsch nach einer koordinierten Versorgung der Berliner Bevölkerung mit Gemüse aus städtischen freiflächigen Gärten doch völlig Ihrer bisherigen Argumentation.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Laatsch?