Protokoll der Sitzung vom 30.11.2017

dass es dort ein großes, wenn auch nicht das einzige Potenzial an Nachverdichtungen und Wohnungsbau für diese Stadt gibt, ist nichts mehr passiert.

[Beifall von Stefan Evers (CDU)]

Wir haben auf der einen Seite den Berliner Einzelhandel, der vor einer im Übrigen auch stadtentwicklungspolitisch sehr wichtigen Frage steht. Er steht vor einer unglaublichen Umwandlung, und zwar werden der demografische Faktor als auch die Digitalisierung natürlich im Einzelhandel mit voller Härte und Wucht zuschlagen und das Segment des Handels dieser Branche komplett verändern. Die Wettbewerbsbedingungen – da sind über Parteigrenzen hinweg sicherlich nicht alle einer Auffassung, das ist auch in meiner Fraktion so – sind beim Einzelhandel auf keinen Fall gleich gegeben. Der Internethandel kann heute 24 Stunden an sieben Tage in der Woche öffnen, und natürlich kaufen auch die Berlinerinnen und Berliner sonntags im Internet ein. Im Einzelhandel können sie das ja nicht.

Auf der anderen Seite wollen wir in dieser Stadt funktionierende Kieze haben, funktionierende Ortsteile und Bezirke mit urbanen und lebendigen Zentren, deswegen brauchen wir den Einzelhandel, und deswegen möchten wir selbstverständlich auch den Wohnungsneubau in dieser Stadt vorantreiben. Deswegen ist es für uns ein sehr interessanter Austausch gewesen, den wir auch nachhalten wollen. Die Unternehmen haben uns von verschiedenen Perspektiven aus – diejenigen, die Wohnen in dieser Stadt entwickeln wollen, aber auch diejenigen, die Einzelhandel entwickeln und betreiben – viele Punkte mit auf den Weg gegeben. Da fragen wir uns in der Tat schon, warum diese von der derzeitigen Landesregierung nicht angegangen werden.

Das Thema Baunutzungsverordnung sollte beispielweise auch auf Bundesebene bewegt werden. Wir haben auch über Thema der Lärmemissionen zu sprechen. Herr Lütke Daldrup – er ist heute schon des Öfteren erwähnt worden – hat eine Bundesratsinitiative angeregt. Ich weiß nicht, ob es dann noch dazu gekommen ist. Wir haben Dutzende von Bebauungsplänen, die durch die Senatsverwaltung nicht festgesetzt werden, weil sie nach bundesdeutscher Regelung aufgrund der emissionsschutzrechtlichen Bestimmungen nicht festgesetzt werden können. Und es geht um das Thema Klagerechte. Natürlich haben wir in dieser Stadt immer mehr Menschen, die sich darüber Sorgen machen, ob wir genug Grünflächen, genug Flächen zum Verweilen und genug Flächen für die soziale Infrastruktur haben. Insofern müssen wir uns auch die Frage stellen: Ist an jeder einzelnen Stelle Klagerecht notwendig und berechtigt?

Und es muss – das ist, glaube ich, der wichtigste Punkt – bei den Potenzialen, die bei der sogenannten Supermarktbebauung unstreitig vorhanden sind, und zwar nicht nur in der äußeren Stadt – da natürlich viel mehr –, sondern auch in der inneren Stadt, eine Abarbeitung der einzelnen

Projekte erfolgen. Und es muss nachgehalten werden und der politische Wille da sein: Ja! Das ist ein Thema. Da ist ein Potenzial für Wohnungsbau in dieser Stadt. – Das muss man aufnehmen. Das muss man aber auch im Alltagsgeschäft abarbeiten. Aber da haben wir überhaupt nicht den Eindruck, dass nach dieser ausgesprochenen Einladung der Senatorin dieses Thema wichtig ist, dass sie etwas treibt, etwas tut und etwas macht. Da ist nichts passiert.

[Beifall bei der CDU]

Deswegen kann ich mir gar nicht vorstellen, dass die Koalitionsfraktionen diesen Antrag skeptisch sehen, insbesondere nicht die Kolleginnen und Kollegen der SPD. Wir fordern Sie auf, diesem Antrag zuzustimmen. Auch wir haben gelesen und gehört, dass Sie da bei der Senatorin das eine oder andere Verbesserungspotenzial sehen und sie vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch treiben werden. Das wäre genau eine dieser Stellen, um ein Zeichen zu setzen, dass Ihnen Wohnungsbau in dieser Stadt wichtig ist. Die Senatorin braucht hierbei einen Anschub. Es ist nichts passiert seit dem Zusammentreffen bei ihr. Deswegen werben wir um Unterstützung für diesen Antrag. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Abgeordnete Daniel Buchholz das Wort. – Bitte

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Damen, meine Herren! Lieber Kollege Gräff! Es kommt sehr selten vor, dass ich sagen kann: Was die CDU hier inhaltlich vertritt, das vertrete ich auch.

[Heiko Melzer (CDU): Immer schön üben, dann geht es besser!]

Deswegen sage ich im ersten Satz: Es ist völlig richtig, dass endlich die Zeiten in Berlin vorbei sein sollten, wo man, wenn man durch die Stadt läuft, nur eines sieht: die Einzelhandelsunternehmen, die großen Ketten von den billigen Discountern bis zu den teuren Supermärkten, die ihre eingeschossigen Einheitsgebäude irgendwo abwerfen – wie die Aliens, die mal vorbeigeflogen kommen –, und dazu noch mehrere Hundert Parkplätze. Sie verschwenden damit tatsächlich unser schönes Berlin, die Fläche, die wir in der Stadt haben und die wir viel besser gebrauchen und wertvoller nutzen könnten. Herr Gräff! Da haben Sie grundsätzlich recht, und ich freue mich, dass Sie dieses Thema jetzt entdecken.

Ich muss Ihnen aber eines sagen: Es ist schon ein bisschen spät. Sie sind ja neu in dieser Legislatur in das

(Christian Gräff)

Abgeordnetenhaus gekommen. Wir haben bereits in der letzten Legislatur – – Herr Gräff! Da haben Sie übrigens noch mitregiert.

[Christian Gräff (CDU): Ich nicht!]

Nein, Sie nicht, aber Kollegen von Ihnen. Die waren da schon dabei. Die hätten Sie vielleicht mal dazu befragen sollen. Kollege Brauner ist nicht mehr da, aber Kollege Evers, der gerade hereinkommt, kann es, glaube ich, auch bestätigen: Seit vielen Jahren habe ich allen SPDStadtentwicklungssenatoren, als wir sie noch hatten, immer in den Ohren gehangen und habe gesagt: Leute, es muss aufhören, dass wir eingeschossige Supermärkte in Berlin bauen! Mit diesen Flächen können wir etwas Besseres anfangen, und das sollten wir jetzt endlich umsetzen!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Heiko Melzer (CDU): Was hat denn Ihr Stadtentwicklungssenator damals gesagt?]

So, und jetzt wollen wir doch mal genau schauen, was Ihr Antrag sagt und was bisher passiert ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Czaja?

Kollege Czaja, bitte schön!

Herr Buchholz! Sie haben zu Recht eben bemängelt, dass die SPD jetzt nicht mehr den Stadtentwicklungssenator stellt.

Da sind wir einer Meinung. Ich hätte es auch gerne.

Die Frage ist aber: Warum haben Ihnen denn die anderen Stadtentwicklungssenatoren bei diesem wichtigen Thema nicht zugehört?

Herr Czaja! Sie haben mir tatsächlich zugehört,

[Heiko Melzer (CDU): Aber nicht wirklich!]

und ich habe ihnen über Jahre in den Ohren gelegen, aber es kam immer die erste grundsätzliche Antwort: Wir können es mit dem Baurecht, mit irgendwelchen gesetzlichen Veränderungen in Berlin leider nicht erzwingen. Das ist die erste große Antwort, die ein bisschen enttäuschend ist. Darum ist es richtig, was die Senatorin

Lompscher jetzt auch richtig gemacht hat. Kollege Gräff! Es gibt eine fertige Broschüre zum Supermarktgipfel, der hier in Berlin stattgefunden hat. Da können Sie das alles, was Sie hier in Ihrem Antrag fordern, schon haarklein nachlesen. Da können Sie sogar die Anzahl nachlesen. Es gibt in Berlin rund 330 Standorte mit eingeschossigen Supermärken, Biosupermärkten, Lebensmittelläden, die wunderbar geeignet wären, dort jeweils 50 bis 100 Wohnungen auf dieser Fläche – praktisch in den Luftgeschossen – darüber entstehen zu lassen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Gräff?

Einen kleinen Moment, bitte. – Wenn man das einmal multipliziert, kommt man auf rund 20 000 neue Wohnungen für Berlin. Wir sollten alle Kraft daran setzen, dass wir das umsetzen. Ja, die SPD ist für Wohnungsneubau. Diese Koalition hat Priorität, dass tatsächlich echte bezahlbare neue Wohnungen in der Stadt entstehen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Dafür sollten wir auch zusammen kämpfen.

Jetzt komme ich aber einmal zu den Realitäten, Herr Gräff. Das kann ich Ihnen jetzt nicht ersparen. Ich bin Spandauer Abgeordneter. Glauben Sie mir, ich verfolge das, was in meinem schönen Heimatbezirk passiert, auch ziemlich intensiv. Sie haben dort 15 Jahre den Stadtentwicklungsstadtrat für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung gestellt. Nun fragen Sie einmal, was der Kollege dort getan hat? – Er hat auf der grünen Wiese in Spandau überall eingeschossige Supermärkte genehmigt. Nichts war ihm wertvoll genug, dass dort Wohnungen entstehen sollten. Nein, es sollten eingeschossige Supermärkte mit am besten mehreren Hundert Parkplätzen vor der Tür sein. Herzlichen Glückwunsch, Herr Gräff, Sie sollten sich als CDU-Fraktion an die eigene Nase fassen, wenn Sie hier solche Forderungen aufstellen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ich könnte Ihnen da leider sogar aus der dicht bebauten Berliner Innenstadt diverse Beispiele von CDUStadträten nennen. Aber Spandau ist ein ganz tolles Beispiel. Nehmen Sie sich einmal die Zeit. Wir führen Sie auch gern herum. Das ist gar nicht das Problem. Das Taxi zahlen wir. Dann schauen wir uns einmal die ganzen eingeschossigen Supermärkte an. Sie werden negativ beeindruckt sein. Deswegen ist es leider ein bisschen spät, jetzt hier den Neunmalklugen zu spielen und im Jahr 2017 zu sagen, dass Sie jetzt alles besser wissen: Herr Lehrer, Herr Lehrer, ich weiß etwas.

Ziel ist doch – an der Stelle treffen wir uns dann tatsächlich wieder –, es endlich einmal Realität werden zu lassen, dass es damit aufhört. Es ist genau der Impuls, den wir haben. Es war die IHK mit dabei, es war die Handwerkskammer dabei, es waren die Handelsverbände, Projektentwickler, die Immobilienwirtschaft dabei – es ist genau das richtige –, wie auch die Senatorin zusammen mit der Senatsbaudirektorin. Ich habe es jetzt nur schwarzweiß ausgedruckt, aber ich zeige es Ihnen auch gern noch einmal. Auf diesem hübschen Bild sieht man, dass alle bei dem Supermarktgipfel vor Ort dabei waren. Da können und müssen wir tatsächlich besser werden, um das umzusetzen. – Jetzt gibt es eine Frage?

Herr Gräff, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Buchholz! Es ist alles völlig richtig.

[Daniel Buchholz (SPD): Auch Spandau!]

Ich will es übrigens auch für Marzahn-Hellersdorf sagen. Auch da sind Fehler gemacht worden. Es ist gar keine Frage. Die Zeiten ändern sich auch. Meine Frage an Sie ist: Ist Ihnen auch bekannt – das ist in der Runde bei uns moniert worden –, dass seit dieser schicken Broschüre und dem sogenannten Supermarktgipfel nichts, aber auch gar nichts mehr passiert ist, um diese Trendwende einzuleiten, die Sie jetzt beschrieben haben?

Ich glaube, da haben Sie nicht ganz zugehört. Ich war persönlich nicht beim Supermarktgipfel. Es war ein Fachforum für die Betroffenen, für alle, die damit zu tun haben.

[Stefan Förster (FDP): Da gab es aber gutes Essen!]

Wenn Sie nur wegen des Essens hingegangen sind, Herr Kollege?

Verehrte Abgeordnete! Geben Sie ihm doch die Chance, zu antworten.

Es gibt diese achtseitige Broschüre. Die kann man sich im Internet herunterladen. Sie ist für alle verfügbar. Man sollte an der Stelle einmal nachschauen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir das nicht nur verfolgen werden. Wir werden da auch intensiv nachhaken. Das können wir auch gern zusammen tun. Sie haben auf eigene Versäumnisse Ihrer Partei hingewiesen. Dann müssen wir uns aber alle ehrlich machen, als Land Berlin mit den Bezirken reden

und sagen, dass es mit eingeschossigen Gebäuden auf unseren wertvollen Flächen in der Stadt vorbei sein muss. Da kämpfen wir gern mit Ihnen zusammen oder Sie mit uns. Ich sehe Sie bei uns mit im Boot, bei Rot-Rot-Grün. Das ist wunderbar. Das haben wir nicht so oft. Dann lassen Sie uns gemeinsam schauen, wie wir da, wo immer noch Leute eingeschossige Supermärkte mitten in die Stadt pflanzen wollen, das auch gemeinsam verhindern, die Landes- sowie die Bezirksebene. Dann wird Berlin erstens lebenswerter, denn es entstehen tatsächlich auch schöne gebaute Stadträume, nicht nur diese AlienSupermärkte, die überall abgeworfen sind, der Einheitsbrei, den wir schon aus allen anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland kennen, sondern wir erhalten zweitens auch vielen neuen, bezahlbaren Wohnraum. Dafür können wir gern gemeinsam kämpfen. –Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der AfD hat jetzt der Abgeordnete Laatsch das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der CDU! Kann es sein, dass es bei Ihnen Fleißkärtchen für Anträge auch ohne jeden Inhalt gibt? Es ist mir schon des Öfteren aufgefallen, dass Sie Anträge stellen, die inhaltlich zu nicht mehr taugen, als die Tagesordnung zu verstopfen. Wir konnten diese Strategie der Tagesordnungsverstopfung bereits seit Beginn der Legislaturperiode bewundern. Wir sehen das an der Unerledigtenliste, als die CDU aus sämtlichen Parteiprogrammen der anderen Parteien, nicht nur von uns, die Themen in eigene Anträge gefasst hat. Wenn es sein muss, kapern Sie auch die Ehe für alle oder, wie wir heute Morgen bei Herrn Evers erlebt haben, den Flughafen. Sie haben überhaupt keine Hemmungen, sich die Themen aller Parteien anzueignen und eben mal etwas zusammenzuschreiben, was ohne jeglichen Inhalt ist. Das ist für Sie überhaupt kein Problem.