Protokoll der Sitzung vom 30.11.2017

Sie treiben ein leichtfertiges Spiel mit den Gefühlen der Menschen. Sie fordern in Ihrem Antrag, alle ausreisepflichtigen Personen sofort in Haft zu nehmen, weil das Gesetz dies angeblich verlange.

[Karsten Woldeit (AfD): Quatsch!]

Das steht in Ihrem Antrag drin!

[Karsten Woldeit (AfD): Da kommt ein Nachsatz!]

Und das ist nachweislich falsch, Herr Woldeit.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Woldeit?

Keine Zwischenfragen! Die quaken ja sowieso die ganze Zeit dazwischen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Leider ist es auch notwendig!]

Das Aufenthaltsgesetz geht von dem Grundsatz der Rückführung ohne Haft aus.

[Marcel Luthe (FDP): Immer schwächer!]

Erst wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht – so der Bundesgerichtshof –, dass der Ausgewiesene seiner Ausreisepflicht nicht nachkommt, kommt die zwangsweise Durchsetzung ins Spiel. Herr Woldeit! Das nennt man Verhältnismäßigkeit der Mittel. Sie müssen mal zuhören.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Nicht wir handeln gegen das Gesetz, Sie fordern in dem Antrag, es zu verletzen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Karsten Woldeit (AfD): Falsch!]

Ihr Antrag ist nicht nur gesetzeswidrig, sondern er ist auch völlig kontraproduktiv. Es ist nämlich effektiver, die Rückkehr zu unterstützen, wie wir das machen und wie es die Praxis auch belegt. Wenn Sie erst einmal alle in Haft nehmen, erschweren Sie doch die Rückkehr, anstatt sie zu befördern.

(Karsten Woldeit)

Herr Woldeit! Hier sind die Zahlen, die zeigen, dass die AfD ein lediglich instrumentelles Verhältnis zur Wahrheit hat.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der AfD: Ach was!]

Wir haben dieses Jahr in Berlin bis Ende Oktober rund 1 500 Abschiebungen gehabt. Das sind rund 150 im Monat. Das Mittel der Wahl ist die Direktabschiebung, die wir vornehmen. Mit diesen Fallzahlen liegen wir im oberen Drittel aller Bundesländer. Herr Woldeit! Ihr Vorwurf der Untätigkeit löst sich in Luft auf.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Darüber hinaus sind in diesem Jahr bereits mehr als 2 000 Personen im Rahmen unseres Rückkehrmanagements zurückgeführt worden. Es werden also bis Ende des Jahres mehr als 3 500 Personen aus Berlin in ihr Heimatland zurückgekehrt sein. Das ist verantwortliche Politik, die genau die Instrumente einsetzt, die im Aufenthaltsrecht vorgesehen sind.

Sie von der AfD stellen mehr oder weniger offen einen Zusammenhang zwischen der Nichtinhaftierung aller Ausreisepflichtigen und dem schrecklichen Mord im Tiergarten her. Dass der Täter vorher nicht in Abschiebungshaft genommen werden konnte, hat der Senator vorhin in der Fragestunde schon dargestellt. Sie wollen, dass wir sicherheitshalber vorsorglich alle einsperren, weil unter ihnen ein schlimmer Straftäter sein könnte.

[Marcel Luthe (FDP): Weil sie illegal da sind!]

Meine Damen und Herren! Wir sind ein Rechtsstaat.

[Karsten Woldeit (AfD): Ja, ein Rechtsstaat! – Frank-Christian Hansel (AfD): Ja, eben, deswegen!]

Herr Kollege Woldeit! Mindestens die Bundeswehrleute unter Ihnen sollten davon schon mal etwas gehört haben, was ein Rechtsstaat und Rechtsstaatlichkeit bedeuten.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir bekämpfen Kriminalität mit rechtsstaatlichen Mitteln und nicht mit Massenverhaftungen. Besonderes Augenmerk legen wir natürlich auf terroristische Gewalttäter und Gefährder.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Im Nachhinein vielleicht!]

Hier kann in der Tat Abschiebungshaft angeordnet werden, ohne dass schon etwas begangen wurde, wenn nämlich die Überwachungsmaßnahmen Anhaltspunkte dafür liefern, dass es gefährlich werden könnte. Das ist der Fall, den meinen Sie auch, aber der wird natürlich von den Innenministern verfolgt. In der Innenministerkonferenz ist das alles besprochen worden, dass in diesen Fällen des § 58a Aufenthaltsgesetz tatsächlich aufgrund einer Gefährdung auch Haft zur Abwehr von Gefahren für die

öffentliche Sicherheit und Ordnung angeordnet werden kann. Diesen Paragrafen wenden wir in Berlin auch an.

[Karsten Woldeit (AfD): Wann?]

Ich fasse zusammen: Wir setzen alle zur Verfügung stehenden Mittel für eine effiziente und rechtsstaatliche Rückführungspolitik ein. Sie verdrehen die Rechtslage, pflegen einen extrem flexiblen Umgang mit der Wahrheit und brauchen dringend Nachhilfe in Sachen Rechtsstaatlichkeit. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Dregger das Wort. – Entschuldigung! Ich hatte die Zwischenbemerkung, die in der Tat schon von der AfDFraktion angemeldet worden war, vergessen. – Herr Woldeit hat das Wort.

[Zuruf von der LINKEN: Unnötig!]

Doch, das ist sehr, sehr nötig! – Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Zimmermann! Ich glaube, wir waren schon einmal weiter. Wir waren schon einmal weiter in einer inhaltlichen Debatte

[Frank Zimmermann (SPD): Wo haben Sie denn Inhalte gebracht?]

und in einem inhaltlichen Austausch. Herr Zimmermann! Wenn Sie uns fehlende Rechtsstaatlichkeit vorwerfen, aus unserem Antrag zitieren und sagen, er sei widerrechtlich, dann muss ich zweifeln, dass Sie den Antrag überhaupt gelesen haben. Wie können Sie widerrechtlich finden, dass der Senat von Berlin aufgefordert wird, für das Land Berlin gemäß geltenden Bundesrechts zu agieren? Wie kann das denn widerrechtlich sein, Herr Kollege Zimmermann?

[Beifall bei der AfD]

Es steht genauso, wortwörtlich, darin, „gemäß geltenden Bundesrechts“. Herr Zimmermann, wenn wir Ängste schüren, ist das doch ein Vorwurf, der komplett infam ist.

[Daniel Buchholz (SPD): Ist doch Ihr Hobby, Ängste zu schüren!]

Es gehört dazu, dass wir Tatsachen benennen. Ich schüre schon Ängste, wenn ich die polizeiliche Kriminalitätsstatistik auswerte, Herr Zimmermann? Ich schüre schon Ängste, wenn ich sage: Googeln Sie einmal den Begriff Joggerin, und schauen Sie einmal nach, was für Suchergebnisse kommen? Das sind schlicht und ergreifend Fakten.

Herr Zimmermann! Sie sagten, wir hielten uns nicht an Zahlen. Die Zahl 1 500, die Sie genannt haben, habe ich

(Frank Zimmermann)

vorher auch genannt. Es ist nun auch einmal eine Tatsache, dass Anis Amri ein abgelehnter, nachvollziehbar Ausreisepflichtiger war, dass der Mörder vom Tiergarten ein nachvollziehbar Ausreisepflichtiger war. Sie sind beide nicht abgeschoben worden. Das ist ein Fakt.

[Beifall bei der AfD]

Lieber Herr Zimmermann! Kommen Sie zurück zur Rechtsstaatlichkeit. Legen Sie sich nicht gemeinsam mit den Menschen in das Bett, die diese Rechtsstaatlichkeit außer Kraft setzen wollen, indem Sie sagen: Jede einzelne Abschiebung ist eine zu viel. Ist das übrigens auch Ihre Meinung? Ich bin mir gar nicht sicher, ob Sie an der Stelle in der Koalition mit einer Sprache sprechen. – Ich danke Ihnen, Herr Kollege!

[Beifall bei der AfD]

Zur Erwiderung hat der Kollege Zimmermann das Wort.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das Prinzip der Verantwortungsethik, nicht Gesinnungsethik, das ist das Problem!]