Die Kollegin Seibeld hat gesagt, man könne das Flaggenverbrennen derzeit strafrechtlich nicht verfolgen. Ich habe da eine andere Auffassung; ich glaube, dass das Verbrennen einer Flagge auf einer öffentlichen Demonstration den Tatbestand der Beleidigung und möglicherweise auch den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen kann. Insofern habe ich den Wunsch, dass man da noch mal genau hinschaut, wenn so etwas auf einer Versammlung passiert.
Was bleibt also? – Es bleibt die rechtliche Diskussion, die wir zu führen haben, ob wir eine Änderung von § 104 wollen, und dann auch die Frage, inwieweit wir § 104 entsprechend ändern wollen. Dann muss man auch darüber reden, wie die CDU-Fraktion es möchte, ob zum Beispiel religiöse Symbole mit umfasst werden sollen oder nicht. Das steht nämlich bisher nicht in § 104. Ich kann mir durchaus vorstellen, zu diesem Thema eine Anhörung im Rechtsausschuss durchführen und dort die Fragen miteinander zu erörtern und rechtlich anzuschauen.
Aber ehrlicherweise, liebe Freunde von der CDU, gehört der Antrag eigentlich nicht in das Berliner Abgeordnetenhaus, sondern in den Bundestag. Wir können mal schauen, wie die Sondierungsgespräche in den nächsten Tagen laufen. Möglicherweise können unsere beiden Fraktionen dann im Deutschen Bundestag den ersten Antrag in dieser Richtung einreichen. – Ich bin offen für ein Gespräch und eine Diskussion im Rechtsausschuss und freue mich darauf. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der 17. Sitzung des Rechtsausschusses am 13. Dezember letzten Jahres fragte die AfD in der Aktuellen Viertelstunde, ob im Zuge des öffentlichen Verbrennens israelischer Flaggen und Skandierens antisemitischer Parolen vonseiten der Berliner Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts gemäß § 130 und § 104 StGB ermittelt werde und wie viele Strafverfahren eingeleitet wurden. Der Justizsenator Dr. Behrendt beantwortete die Frage in seiner uns recht bekannten flapsigen Art, führte aber immerhin zutreffend aus, dass § 104 hier nicht einschlägig sei. Auf meine Nachfrage, inwieweit er hier möglicherweise einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sehe und diese Gesetzeslücke im StGB durch eine Bundesratsinitiative geschlossen werden sollte, antwortete der Senator, dass die Mittel des Demonstrationsrechts ausreichen würden, um derartige Vorfälle in Zukunft zu verhindern.
Erfreut nehme ich nun zur Kenntnis, dass die CDUFraktion meinen Vorschlag wahrgenommen hat und diese Forderung nun erneut im Plenum bekräftigt.
[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Das glauben Sie doch selbst nicht, dass die CDU Ihre Hilfe braucht! Arme Frau Seibeld!]
Der Standpunkt des Senators hingegen, dass das Verbrennen ausländischer Flaggen nicht in den Bereich des Strafrechts aufgenommen werden sollte, ist beschämend. Flaggen sind ein Symbol der Zugehörigkeit, eine Idee, ein Abbild der Identität einer Nation. Sie sind ein Zeichen der Freude und des Stolzes. Flaggen führen Menschen zusammen.
Sie schaffen ein Gemeinschaftsgefühl und Identität. Sie werden mit Ehrerbietung behandelt, wenn sie gehisst werden. Und sie symbolisieren Trauer, wenn sie auf Halbmast gesetzt werden.
Zu Recht ist das Verbrennen der deutschen Flagge in Deutschland unter Strafe gestellt. Zu Unrecht wird dieser Straftatbestand viel zu selten verfolgt, insbesondere wenn ich einen Blick auf die antideutsche Linke werfe. Leider gibt es Teile in dieser Welt, in denen das Verbrennen von Flaggen anderer Nationen zum Ritual geworden ist, um sich gegenseitig im Hass auf eine fremde Nation anzustacheln. Mit dem symbolischen Akt des Verbrennens einer Flagge wird Volksverhetzung ohne Worte betrieben. Die symbolische Haltung ist oftmals in ihrer hasserfüllten Wirkung sogar noch viel stärker, als es jedes Wort je sein könnte. Wir erleben es regelmäßig z. B. bei den Mohammedkarikaturen aus Dänemark. Es folgten weltweit Flaggenverbrennungen dänischer Flaggen. Fast ununterbrochen werden israelische Flaggen oder US-Flaggen verbrannt, und sei der Anlass noch so klein und unbedeutend. Wellen des puren Hasses vor allem gegenüber der westlichen Welt ergießen sich in regelmäßiger Abfolge weltweit, vor allem Dingen aber im arabischen Raum. Neben Versammlungen der Empörung gibt es aber auch Jubelversammlungen, auf denen ebenfalls Flaggen brennen, wenn im Westen mal wieder erfolgreich ein Terrorakt verübt wurde und ausreichend Ungläubige in Namen Allahs der gerechten Strafe zugeführt wurden, weil sie z. B. Mohammedkarikaturen gezeichnet haben. – Zuerst brennen Flaggen, doch dann brennen irgendwann Menschen. Es mag sein, dass wir hier in Deutschland das Verbrennen von Flaggen im Ausland nicht verhindern können, aber auf unserem eigenen Territorium können wir es sehr wohl.
Flaggenverbrennung gefährden die öffentliche Sicherheit und Ordnung und den inneren Frieden unseres Landes. Wenn wir sie zulassen, gefährden wir aber auch das Ansehen Deutschlands bei anderen Nationen in der Welt, wenn hier ihre Flaggen ungeahndet verbrannt werden können. Dies muss uneingeschränkt auch unter Strafe gestellt werden. Diese Gesetzeslücke ist unverzüglich zu schließen. Gerade weil es am häufigsten die Flagge Israels trifft, haben wir auch eine historische Verantwortung wahrzunehmen und hier eine klare Haltung einzunehmen.
Jedes Programm gegen Antisemitismus ist nutzlos, wenn Sie nicht die Täter und die Antisemiten selbst unter Strafe stellen wollen.
Wer Judenhass in Deutschland effektiv und ehrlich begegnen will, kann sich dieser Gesetzesinitiative nicht verschließen. – Vielen herzlichen Dank!
[Beifall bei der AfD – Anne Helm (LINKE): Keine Ahnung von nichts! – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Herr Vallendar! Manchmal frage ich mich schon, wo Sie Staatsrecht, Grundrechte oder Strafrecht gehört haben, bei den Ausführungen, die Sie hier machen. Aber so viel nur als Vorbemerkung.
Lassen Sie mich damit beginnen, auch für Die Linke ganz klar und deutlich zu sagen, dass die Verbrennung von israelischen Flaggen zu verurteilen ist und dass sie keine geeignete Form der Kommunikation in der politischen Auseinandersetzung ist.
Besonders hier in Berlin zeugen solche Taten von Geschichtsvergessenheit und einem erschreckenden Mangel an Verständnis für das Ausmaß des Menschheitsverbrechens der Shoah, die in dieser Stadt geplant und von hier aus gesteuert wurde.
Doch so sehr man das Verbrennen von Flaggen im Allgemeinen und auch in diesem konkreten Fall ablehnen mag, so wenig sollte man diese Auseinandersetzung mit den Mitteln des Strafgesetzbuchs führen. Es handelt sich letztlich – und das werde ich gleich ausführen – immer um eine politische Auseinandersetzung, die auch politisch geführt werden muss. Und aus diesem Grund lehnt Die Linke diesen Antrag der CDU ab.
Dieser Antrag ist dabei nicht nur in seiner prinzipiellen Herangehensweise problematisch, sondern auch in seiner konkreten Ausformulierung in der Rechtsfolge. In ihrem Bemühen, politische Konflikte juristisch zu befrieden, ist die CDU dabei leider deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Bereits in seiner bestehenden Form wird der § 104 Strafgesetzbuch von der Fachliteratur unter dem
Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots als bedenklich eingeschätzt. Diese Unbestimmtheit würde deutlich ausgeweitet werden, sollte die CDU mit ihrem Anliegen Erfolg haben. Der Antrag ist gespickt mit unbestimmten Rechtsbegriffen, ein Beispiel:
heißt es in Ihrem Antrag. Mit dieser neuen Einbeziehung von Religionen würde die Norm nicht nur noch unbestimmter, sondern auch ihr Charakter erheblich verändert. Darauf sind Sie leider nicht eingegangen. Bisher zielte der § 104 lediglich darauf ab, die Ehre ausländischer Staaten zu schützen. Hier, also im Begriff der Ehre, zeigt sich auch der doch eher anachronistische und vormoderne Charakter dieser Gesetzesnorm, den die CDU leider perpetuieren möchte und sogar noch ausweiten will.
Und es stellt sich ebenso die Frage, wie sich die CDU die notwendige Neufassung des § 104a vorstellt. Für diejenigen, die es nicht wissen – und ich weiß nicht genau, ob die Antragsteller das wissen –: Ein Verstoß entsprechend § 104 StGB wird bisher nur verfolgt, wenn neben grundsätzlichen Bestimmungen ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt. Hier frage ich die CDU, auch mit Ihrer Religionserweiterung: Wer soll dieses Strafverlangen denn formulieren, wenn das von Ihnen so geforderte religiöse Symbol mit aufgenommen würde? Wäre das z. B. die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters, die es gibt, oder auch der Jedi-Orden? Wären die antragsberechtigt?
Für noch problematischer halte ich allerdings die von der CDU angestrebte Streichung der Einschränkung der Strafbarkeit darauf, dass
Hier verlässt die CDU dann gänzlich den Rahmen des bisherigen Rechtsguts, und dies war schon jetzt mehr als zweifelhaft. Damit verliert sie auch gänzlich die Abwägung konkurrierender Rechtsgüter, Kollege Kohlmeier hat es gesagt, wie der Meinungs- oder Kunstfreiheit aus dem Auge.
Die mangelnde Abwägung dieser wichtigen Rechtsgüter wird deutlich, wenn man den § 104 StGB ins Verhältnis zur Rechtsprechung zu § 90a setzt oder sich auch die einschlägige Kommentierung von Artikel 22 Grundgesetz anschaut. Die Bundesflagge ist dort geregelt: schwarzrot-gold. Die einschlägigen Kommentare gehen aber gerade davon aus, dass die so bestimmte Flagge, also die geschützte Flagge, im StGB kein Rechtsgut von Verfassungsrang ist. Das lässt sich dann eben auch nicht zur Rechtfertigung von Grundrechtseinschränkungen heranziehen. Das wurde wiederholt vom Bundesverfassungsge
Somit würde die von der CDU angestrebte Verschärfung des § 104 Symbole anderer Staaten und von Religionen nicht nur unter einem deutlich schärferen Schutz als die Symbole der Bundesrepublik stellen, sondern es ist bereits jetzt fraglich, ob diese Verschärfung vor dem Bundesverfassungsgericht so Bestand haben würde. Deswegen habe ich gesagt, Frau Seibeld, dass das bestehende Versammlungsrecht ausreicht. Es ist eine Frage seiner Durchsetzung. Daran sollten wir ein Interesse haben, aber nicht versuchen, im Kern politische Konflikte mit einer an der Stelle rechtspolitisch bedenklichen Verschärfung des Strafrechts zu begegnen. – Vielen Dank!
Die CDU-Fraktion hat eine Kurzintervention angemeldet. – Frau Seibeld! Sie haben das Wort, bitte schön!
Vielen Dank! – Herr Kollege Schlüsselburg! Ich würde gerne wissen, welche Güter von Verfassungsrang es abzuwägen gilt gegen das Verbrennen von israelischen Flaggen oder von Davidsternen oder auch der französischen Flagge oder der österreichischen. Ich kann mir kein Gut von Verfassungsrang vorstellen, mit dem dieses Verbot kollidiert. Das hatte ich, glaube ich, in meiner Rede hier ziemlich deutlich gesagt. Man kann sicherlich über viele Möglichkeiten nachdenken, wie man es ändert, aber ich finde, man kann nicht den Eindruck erwecken, als habe es Verfassungsrang, derartige Taten auf deutschen Straßen durchzuführen.
Vielen Dank, Frau Seibeld, für die Zwischenintervention! – Vielleicht haben Sie mir in dem Moment nicht aufmerksam zugehört. Ich habe auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die sogenannte Schwarz-RotSenf-Entscheidung, verwiesen. Das ist eine Rechtsprechung gewesen, bei der bis hin zum Oberlandesgericht – wie bei dem bereits von Ihnen jetzt auch für ausländische Flaggen gewünschten Schutz, von diesem bis hin zu Oberlandesgerichtsinstanzen – die spezifische Wirkung, in dem Fall von Artikel 5 Grundgesetz, der Meinungsfreiheit, verkannt wurde. Warum ist das so? – Sie wissen als Juristin auch, dass wir insbesondere dann, wenn wir
Grundrechte haben, die nicht unter Gesetzesvorbehalt stehen, die praktische Konkordanz durchführen müssen, also gucken müssen, dass wir einen schonenden Ausgleich finden, und das geht dann wiederum von der Einschränkbarkeit nur mit anderen Gütern von Verfassungsrang und anderen Grundrechten. Wir haben es in der Praxis, die für die deutsche Flagge und für die deutsche Nationalhymne besteht, die Sie jetzt nicht nur angleichen wollen, sondern dann auch noch auf Religionssymbole ausweiten wollen, die Situation, dass wiederholt Gerichte bis hin zu Oberlandesgerichten bei der Anwendung dieses Paragrafen ins Schlingern geraten und vergessen, Artikel 5 Grundgesetz, Meinungsfreiheit oder auch die Kunstfreiheit, spezifisch zu würdigen.
Das macht doch genau das Problem deutlich, das wir an dieser Stelle haben, dass bei der bereits bestehenden Grundlage, die wir für die deutsche Flagge und Nationalhymne haben, erhebliche Rechtsunsicherheiten bestehen. Ich finde, wenn wir das rechtspolitisch wissen, sollten wir sehr, sehr vorsichtig sein, diese Unsicherheiten dann auch noch auf andere Bereiche zu übertragen oder auch noch auszuweiten. Insofern müssen Sie meine Ausführungen verstehen. Ich habe an keiner Stelle gesagt, das ist am Anfang meiner Rede deutlich geworden, dass ich hier in irgendeiner Art und Weise gutheißen kann, was da passiert ist. Im Gegenteil, ich habe das verurteilt. Aber die Wege, die Sie vorschlagen, sind aus meiner Sicht rechtspolitisch nicht geeignet. Wir sollten andere Wege gehen. – Vielen Dank!