Protokoll der Sitzung vom 11.01.2018

Nein, der ist hier!

Ja, bitte!

Ganz herzlichen Dank! – Freut mich, dass ich Ihrer Irritation durch körperliche Anwesenheit entgegenwirken konnte. Übrigens warne ich jemanden davor zu behaupten, ich sei entlassen worden. Das ist eine falsche Tatsachenbehauptung.

[Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]

Herr Kollege! Sie stellen jetzt bitte Ihre Zwischenfrage.

Herr Kollege! Können Sie sich vorstellen, dass bei der Suche nach Schwachstellen im Zusammenhang mit den skandalösen Ausbrüchen ein Blick in die erste Reihe der Senatsbank hilfreich wäre?

[Vereinzelter Beifall bei der AfD – Udo Wolf (LINKE): Ist der Mann aus dem Bundestag entwichen?]

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Berg! – Natürlich stellen wir die Frage der politischen Verantwortung. Rot-RotGrün übernimmt politische Verantwortung für diese Stadt, auch für die bestmögliche Sicherheit der Berlinerinnen und Berliner. Dafür arbeiten wir jeden Tag hart, der Justizsenator, der Innensenator. Dass Sie unsere Erfolge nicht würdigen können, das war mir von vornherein bewusst, aber es ändert nichts daran, dass wir tagtäglich hart arbeiten, und die Erfolge werden sich zeigen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Es sind doch insbesondere die strukturellen Fragen, die politisch zu lösen sind. Wir sind nicht Ermittlungsbehörde. Wir sind nicht Polizei. Rechtsstaatsprinzip! Es gibt einige strukturelle Fragen, die wir auch kurzfristig angehen können und müssen. Die meisten werden einige Jahre dauern. Da gilt es, jetzt eine kluge Analyse zu liefern. Kurzfristig kann eine Sicherheitsanalyse helfen. Kommissionen und Untersuchungen wurden schon genannt. Wir müssen uns die anderen Arbeitsstätten anschauen. Es kann nicht sein, dass Gegenstände, die konkret zum Ausbruch geeignet sind, den Gefangenen unbeaufsichtigt überlassen werden.

Mittelfristig brauchen wir natürlich mehr Personal und besser bezahltes Personal. Das fällt nicht von den Bäumen. Ich konnte gestern mit der Personalratsvertretung der JVA Plötzensee reden, die geschildert hat, wie sehr so ein Ausbruch, über den man deutschlandweit, meinetwegen europaweit redet, ins Kontor schlägt und welche Verunsicherung es da gibt. Wenn ich mir hier Bezichtigungen der Opposition angehört habe, da gebe es möglicherweise Komplotte und man könne dem nicht trauen, dann kann ich mir auch vorstellen, dass es für diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwierig ist, tagtäglich ihren guten Dienst weiter zu tun. Umso dankbarer können wir Ihnen sein.

Wir müssen auch die Fehler der Vergangenheit korrigieren. Es steht schwarz auf weiß, dass 2012/13 keine Justizvollzugsbediensteten ausgebildet worden sind. Ich zitiere aus der Drucksache 13925 der letzten Wahlperiode. Das hat der damalige Justizsenator vergessen wie einiges andere auch. Aber Schnee von gestern! Rot-RotGrün macht es besser. Wir bilden mehr aus. Wir müssen

natürlich auch die Grundlagen für mehr Investitionen in diese alten Berliner Anstalten setzen. Da müssen wir nachbessern. Aber auch das wird kurzfristig nicht mehr Erfolg bringen. – Ich habe eine Zwischenfrage. Die würde ich drannehmen.

Frau Kollegin Seibeld wollte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. – Keine?

Da freut sich Herr Kohlmeier, dass ich doch keine bekomme.

Entschuldigung, Herr Lux! Ich habe es jetzt nicht verstanden. Lassen Sie die Zwischenfrage der Kollegin Seibeld zu?

Das muss ich doch nur hören. – Frau Kollegin Seibeld, bitte schön!

Lieber Kollege Lux! Ich wollte nur fürs Verständnis nachfragen: In den Jahren 2012 und 2013 gab es keine Ausbildungslehrgänge im Justizvollzug?

Ich stelle nur fest, dass keine Justizvollzugsbediensteten eingestellt und auch keine ausgebildet worden sind und Ihr Justizsenator damals die Verantwortung dafür trug. Das war in den Medien ein bisschen Pingpong und Hin und Her.

[Heiko Melzer (CDU): Was stimmt denn nun aus Ihrer Sicht!]

Ich will das gar nicht zu sehr ausexerzieren. Es war ja nicht alles schlecht unter Herrn Heilmann. Damals ist ein Gefangener von zwei, die ausgebrochen sind, auch wieder zurückgekehrt. Das waren 50 Prozent. Heute sind es 100 Prozent. Darüber sollten wir uns gemeinsam freuen. Ich weiß Sie an meiner Seite für einen grundsätzlich liberalen Strafvollzug,

[Heiko Melzer (CDU): Sie antworten gar nicht auf die Zwischenfrage!]

der eben nicht macht, was viele Ihrer Kollegen machen, nämlich Gefangene unter Generalverdacht zu setzen,

Resozialisierung nicht zu wollen, am besten wegschließen für immer.

Das ist auch das Problem in dieser Debatte. Das möchte ich jetzt kurz schildern, denn ein liberaler, effektiver, moderner und guter Strafvollzug, der vor allem die Sicherheit im Blick hat, aber auch die Einzelnen, stellt uns vor sehr hohe Herausforderungen, die man sich viel zu selten politisch, aber auch gesellschaftlich vor Augen führt, wenn ein schlimmes Verbrechen passiert, wenn es Videobilder gibt oder so, dann wird jeder Fall in Berlin berichtet, das ist auch okay, mit Bildern usw. Aber was danach mit den Leuten passiert, wenn wir sie beweissicher festgenommen haben, in einem fairen rechtsstaatlichen Verfahren zu einer Haftstrafe, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wird, verurteilt haben, diese Frage stellen sich erstaunlich wenig Leute. Es müssen immer Ausbrüche und schlimme Vorfälle sein, die eine öffentliche Debatte anregen. Natürlich stellen wir uns dieser Verantwortung, schwierige Debatten zu führen, aber dann eben auch realistisch zu sehen, die allermeisten dieser Verbrecher kommen wieder raus. Wenige, die zu Sicherungsverwahrung verurteilt werden, wenige, die lebenslang im Knast sitzen müssen! Wir können auch nicht jeden Dieb, Einbrecher, Räuber, auch nicht jeden Gewalttäter sofort ein Leben lang einsperren. Die allermeisten Menschen kommen wieder raus.

[Paul Fresdorf (FDP): Das ist in der Regel nach Ende der Strafe!]

Ehrlich gesagt, auch wenn das unpopulär ist, dass sie nach der Strafe rauskommen, lieber Kollege, selbstverständlich nach der Strafe. Sie dürfen nicht ausbrechen. Die Regeln müssen eingehalten werden. Aber was tun wir denn dafür, dass diesen Menschen danach wieder ein Leben möglichst straffrei ermöglicht wird? –

[Paul Fresdorf (FDP): Das ist die Frage!]

Da sage ich, Arbeit und Ausbildung in Justizvollzugsanstalten, auch Drogenentzug, soziale Betreuung, das ist wichtig. Die Leute müssen sich von ihrem früheren Umfeld lösen. Sie müssen möglicherweise die Einsicht im Justizvollzug bekommen, dass sie etwas Falsches gemacht haben. Dafür muss es Angebote geben. Es ist gesetzlich festgeschrieben, dass die Personen arbeiten müssen. Dann muss man natürlich auch zusehen, dass die Leute, die sich im Justizvollzug bewähren, noch besser auf ihre Freiheit vorbereitet und dafür belohnt werden.

Diese Personen, die ausgebrochen sind, aber auch Ihre Debatten erweisen diesem guten und sicheren Strafvollzug, dem liberalen Vollzug, einen Bärendienst.

[Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

Ich appelliere trotzdem noch einmal: Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr und verdammen Sie nicht die Errungenschaften des modernen Strafvollzugs nach der Aufklärung und nach den Sechzigerjahren.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Ich möchte noch eines sagen: Das ist die erste Aktuelle Stunde, die von der Regierungskoalition und auch von der CDU und – ich weiß nicht – von irgendwem noch zum Thema Justiz beantragt worden ist. Ist das richtig, oder habe ich eine übersehen? – Das zeigt doch eines: Anderthalb Jahre hat der Justizvollzug ordentlich funktioniert.

[Lachen bei der CDU und der AfD – Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Er musste sich keiner Kritik aussetzen. Und das liegt daran, dass Dirk Behrendt gut ins Amt gekommen ist, dass er als erfahrener Verwaltungsrichter, als Abgeordneter seit über zehn Jahren den Justizvollzug kennt wie niemand anderer. Ich wette, er ist 2006, wo CDU und Grüne gemeinsam in der Opposition waren, zehnmal mehr in die Gefängnisse gegangen als Frau Seibeld und Herr Rissmann zusammen. Und das weiß auch Herr Rissmann.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von Cornelia Seibeld (CDU)]

Deswegen sind seine Angriffe gegen diesen guten Justizsenator unglaubwürdig, der erstens seinen Bau machen lässt, die Leute, die da gut arbeiten, und sich natürlich um weitere wichtige Themen kümmert.

[Zurufe von der CDU]

Sie haben heute erneut gesagt, dass Sie Verbraucherschutz und Antidiskriminierung einen feuchten Kehricht angehen. Aber ich sage Ihnen, die Berlinerinnen und Berliner schätzen diese Arbeit des Justizsenators.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Lachen bei der AfD und der FDP – Zurufe von der AfD und der FDP]

Wir werden es ja sehen. Wir haben noch vier Jahre Zeit. Sie wollen sehen, dass er sich mehr um das Kerngeschäft kümmert.

[Zuruf von Holger Krestel (FDP) – Georg Pazderski (AfD): Ich dachte, wir wollen heute keinen Klamauk machen!]

Sie werden sich noch wundern, wie ein strenger, beflissener, an Sicherheit orientierter Mensch, der aber auch das Ganze sieht, noch darauf wirken wird. Da ist mit nicht bange um die Bilanz, die wir in vier Jahren haben werden.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Verzweifelt ist das, was Sie machen. Herr Rissmann hat sich gestern noch nicht mal getraut – früher war die Opposition noch anständig –, ihm im Rechtsausschuss seine Rücktrittsforderung, die kurz nach dem Ausbruch fest

stand, ins Gesicht zu sagen. Da hat er 40 Fragen vorgestammelt, die größtenteils auch berechtigt sind. Aber das mal einer Person ins Gesicht zu sagen, dass man sie für nicht geeignet hält, das hat er sich im Rechtsausschuss nicht getraut.

Er hat vor einer Woche sein Urteil gefällt, gemeinsam mit Florian Graf. Herzlichen Glückwunsch! Sie können ja mal eine Doktorarbeit über den Ausbrecherkönig schreiben. Wir korrigieren dann die Fußnoten. Mal gucken, welcher Einsicht Sie unterlegen sind.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Sie könnten es ja hier auch noch mal direkt sagen. Und Sie, Herr Rissmann, haben Ihr Urteil gefällt. Gestern klappern 40 Fragen nach, die Sie verstammelt vortragen. Und heute muss er wieder zurücktreten. Ja, da ist doch an Einsichtsfähigkeit gar nichts mehr zu erwarten bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seien Sie froh, dass Sie nicht gefährlich sind für andere Leute, dann müsste man auch bei Ihnen über Maßnahmen nachdenken.