Protokoll der Sitzung vom 17.05.2018

Ich komme nun zu

lfd. Nr. 18 C:

Unentgeltliche Übertragung der Grundstücke „Park an der Spree“ und „East-Side-Park“ mit Elementen der ehemaligen Mauer („East-SideGallery“) aus dem Eigentum des Landes Berlin in das Eigentum der Stiftung Berliner Mauer – Gedenkstätte Berliner Mauer und Erinnerungsstätte Notaufnahmelager

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 9. Mai 2018 Drucksache 18/1041

(Andreas Wild)

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Der Dringlichkeit hatten Sie bereits eingangs zugestimmt. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Hauptausschuss hat der Vorlage einstimmig – mit allen Fraktionen – zugestimmt. Wer der Vorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen, und der fraktionslose Abgeordnete hatte auch zugestimmt. Damit ist die Vorlage so angenommen.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 19:

Honorarmindeststandards für freie Musiker

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0898

In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion – und hier der Abgeordnete Dr. Neuendorf. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sicherlich werden viele von Ihnen öfter mal in Konzerte gehen, denn Berlin ist bekannt für seine vielfältige Musikszene. Aber wer Musik mag, dem dürften auch die Musiker nicht egal sein. In unserem Antrag geht es um die freien Musiker und deren schwierige Situation. Gerade bei öffentlich geförderten Institutionen oder Projekten ist es nicht hinnehmbar, dass in der Regel nicht einmal Honorarmindeststandards eingehalten werden. Genauso wie die festangestellten haben die freien Musiker unvergleichlich viel Zeit in ihre Ausbildung investiert. Vom Erlernen eines Instruments in der Kindheit führt eine lange und intensive Ausbildung hin zum Studienabschluss. Eine entbehrungsreiche Zeit mit täglichem Üben und in der Regel keinen freien Wochenenden!

Als studierte, hochspezialisierte Fachkräfte können Musiker eine für akademische Berufe angemessene Vergütung beanspruchen. Freiberufliche Musiker leisten einen großen Beitrag zur kulturellen Ausstrahlung und zur touristischen Attraktivität unserer Stadt. Dies reicht von der Begleitung von Choraufführungen, Aushilfstätigkeit in Orchestern, Mitwirkung bei Festivals über Veranstaltungsumrahmungen bis hin zur Unterrichtstätigkeit. Ein großer Teil des Konzertbetriebs wird von freien Musikern – Instrumentalisten, Dirigenten, Sängern – abgedeckt. Freischaffende Musiker erhalten im Vergleich zu festangestellten Musikern aber eine deutlich niedrigere Bezahlung. Nach derzeitiger Praxis werden Musterverträge verwendet, die für Anfahrt, Probe und Konzert erbärmliche 80 bis 120 Euro brutto vorsehen. Das ist eine Schande!

[Beifall bei der AfD]

Zudem müssen freischaffende Musiker ihre Ausstattung selbst finanzieren. Dazu gehören die Instrumente, Repa

raturkosten, Generalüberholung, Konzertkleidung. Bei fest angestellten Musikern in tarifgebundenen Orchestern werden solche Kosten vom Arbeitgeber getragen.

Dazu kommt die Unsicherheit der Beschäftigung: saisonale Schwankungen mit Zeiten ohne Einkünfte, wirtschaftliche Zwänge im Krankheitsfall und nicht zuletzt eine Rente unterhalb des Grundsicherungsniveaus. Eine familiäre Planung ist unter diesen Bedingungen nur sehr eingeschränkt möglich.

Wir fordern vom Senat die Durchsetzung von Honoraruntergrenzen für freie Musiker in Berlin ein.

[Beifall bei der AfD]

Richtschnur sollen die bereits von den Berufsverbänden formulierten Mindeststandards sein. Der deutsche Tonkünstlerverband gibt konkrete Honorarrichtlinien für Konzerte, freie Unterrichtstätigkeit und Veranstaltungsumrahmungen vor. Bei der Plattform „Art but fair“ gibt es bereits eine Selbstverpflichtung. Die Deutsche Orchestervereinigung hat konkrete Empfehlungen für Mindesthonorare formuliert – wohlgemerkt: für Mindesthonorare, nicht für Honorarstandards.

Welche Perspektiven gibt es? – Erste Option: mehr Gelder akquirieren über Ländermittel, Eintrittsgelder, Kultursponsoring.

Zweite Option: das Kulturangebot reduzieren. – Das wäre schade.

Dritte Option: weiterhin die Honorare der freien Musiker drücken.

Der letzte Punkt: die Kulturknechtschaft der freien Musiker fortsetzen. – Das ist für die AfD keine Option.

[Beifall bei der AfD]

Wer mit Musikern spricht, kommt ganz schnell zu der Erkenntnis. Sie arbeiten mit großer Leidenschaft. Sie identifizieren sich mit ihrer Musik und ihrem Job. Leider bedeutet das auch, dass sie anfällig sind für Ausbeutung. Wir fordern deshalb: Dort, wo öffentliche Gelder für Kulturschaffende ausgegeben werden, müssen Honorarmindeststandards eingehalten werden. – Danke!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Jahnke das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die AfD hat einen Antrag vorgelegt, der vordergründig darauf abzielt, dass Honoraruntergrenzen für

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

freischaffende Musikerinnen und Musiker eingehalten werden, insbesondere dadurch, dass bei der Zuweisung öffentlicher Mittel an Kulturprojekte die Einhaltung von Honorarmindeststandards zur Bedingung gemacht und überwacht wird. Als Begründung führt die AfD-Fraktion an, dass so der hohe Qualitätsstandard der Berliner Kultur erhalten werden soll. Außerdem solle – man höre und staune! – der die gesamte Gesellschaft belastenden Altersarmut entgegengewirkt werden.

Ich nehme es der AfD-Fraktion aber nicht ab, dass sie es damit ehrlich meint. Mein Eindruck ist, dass es bei dem Antrag gar nicht um die soziale Lage freischaffender Musikerinnen und Musiker geht, sondern darum, diese Gruppe für die billige Propaganda der Partei zu instrumentalisieren.

[Georg Pazderski (AfD): Lassen Sie sich doch mal was Neues einfallen!]

Ähnlich ist in der Antragsbegründung von der Sorge um die Qualität der Berliner Kultur die Rede. Auch das nehme ich der AfD nicht ab. Das Gorki-Theater finden die AfD-Politiker zu postmigrantisch. Mit dem Deutschen Theater und dem Friedrichstadt-Palast stehen sie ebenfalls auf Kriegsfuß. Auch dürfte die Abneigung zwischen der AfD einerseits und den Berliner Kulturschaffenden andererseits auf Gegenseitigkeit beruhen. Die Behauptung, die AfD sorge sich um die Qualität der Berliner Kultur oder um die Renten prekär Beschäftigter, ist lediglich gut abgeschrieben; ernst gemeint ist das nicht.

[Zurufe von der AfD]

Nun ist es in der Tat so, dass im Bereich der Berliner Musikschulen Nachbesserungsbedarf besteht. Die Koalition findet die im Masterplan Musikschule des Landesmusikrats vorgetragenen Argumente nachvollziehbar und hat daher 20 Prozent Festanstellungen zugesagt. Im Kulturausschuss wurde im Rahmen einer Anhörung aber auch klar, dass es im bekannten komplexen Feld der Zuständigkeiten und unterschiedlicher Berechnungen zu Friktionen und Reibungsverlusten kommt, die dringend der Nachregulierung und des Feintunings bedürfen. Hier müssen sich die Beteiligten zusammensetzen, um dieses 20-Prozent-Ziel möglichst rasch umzusetzen.

Darüber hinaus haben verschiedene Interessenverbände wie die Deutsche Orchestervereinigung, der Landesmusikrat und der Tonkünstlerverband Baden-Württemberg Forderungen zu Honorarmindeststandards veröffentlicht, die wohlbegründet sind und auch von Verdi unterstützt werden. Als Orientierung für die Berliner Fördermittelvergabe sind die Forderungen der Fachverbände in Bezug auf Honorarstandards im Prinzip sinnvoll. Dass dabei über die Mindeststandards im Einzelnen zu verhandeln ist, versteht sich von selbst.

Darüber hinaus wäre es sinnvoll, eine Förderung für die Arbeit der instrumentalen Amateurmusik zu etablieren. Im Moment gibt es zwar eine Chorförderung durch die

Kulturverwaltung und durch den Chorverband, die zuletzt aufgestockt wurde, aber keine Förderung der instrumentalen Amateurmusik.

Herr Kollege! Gestatten sie eine Zwischenfrage von Herrn Woldeit?

Nein, danke! – Wir sollten daher die Frage der Honorarverträge und der Beschäftigungssituation von Musikerinnen und Musikern im Kulturausschuss in gewohnter Sachlichkeit erörtern und uns um eine Lösung bemühen.

Wir sollten auch nicht vergessen, dass in den prekären Arbeitsmärkten seit Anfang des Jahrzehnts leider fast 40 Prozent der Beschäftigten tätig sind. Honorarverträge gibt es im Übrigen nicht nur im musikalischen oder künstlerischen Sektor. Hier liegen die Probleme, und die müssen angefasst werden. Sie werden für uns angefasst, und da brauchen wir keine Propaganda mit Begriffen wie „Kulturknechtschaft“ oder was sie hier vorgetragen haben, sondern das werden wir im Ausschuss in gewohnter Sachlichkeit diskutieren und auf dem Weg bringen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Juhnke das Wort.

Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem mein Vorredner sich hauptsächlich mit dem Verfasser des Antrages beschäftigt hat, will ich mich mit dem Antrag beschäftigen.

[Beifall von Heiko Melzer (CDU) und Stephan Standfuß (CDU) – Beifall bei der AfD]

Sie haben durchaus ein wünschenswertes Ziel formuliert. Wer wäre tatsächlich dem Gedanken einer fairen Bezahlung abgeneigt?

Trotzdem ist auch hier letztendlich das Prinzip von Angebot und Nachfrage gültig. Wir haben Vertragsfreiheit. Und wenn ich Ihren Antrag zu Ende lese und auch die Begründung lese, dann geht es hier um jede Form von Freie-Musik-Vereinbarung. Da geht es um das Tanzvergnügen im Kleingartenkasino oder die Mucker, die zur Goldenen Hochzeit eingeladen werden. Sie erwarten nicht ernsthaft, dass man dafür als Staat Honorargrenzen vorgeben kann! Ich glaube, das ist illusorisch.

(Frank Jahnke)

[Beifall bei der CDU und der FDP]