Protokoll der Sitzung vom 17.05.2018

Damit machen Sie deutlich, wofür Sie stehen.

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Sie sind die Letzten, mit denen wir gegen Antisemitismus auf die Straße gehen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von der AfD: Sollen Sie gar nicht!]

Jetzt hat der Kollege Krestel für die FDP-Fraktion das Wort.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Die Hälfte der Rede ist Ihnen gerade heruntergefallen!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, die Debatte wieder auf das übliche Maß zurückzuführen. Die oder der eine oder andere in diesem Haus, der wie ich im vorigen Jahr auf der Anti-al-QudsDemo war, fragt sich vielleicht auch: Wie? Ist es jetzt schon wieder soweit? – So schnell geht ein Jahr vorbei, und die Feinde der freiheitlichen Demokratie, die Feinde Israels, diverse Antisemiten warten wieder darauf, unter anderem hier in Berlin eine Israel- und letztlich judenfeindliche Demonstration abhalten zu können. Wie jedes Jahr sagen aber auch die Mitglieder der FDP-Fraktion dieses Hauses deutlich nein zu diesem verderblichen Tun und fordern die Berlinerinnen und Berliner auf, dieser Demonstration nicht etwa nur fernzubleiben, sondern sich aktiv an den geplanten Gegenaktionen zu beteiligen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dr. Susanne Kitschun (SPD) und Benedikt Lux (GRÜNE)]

Die AfD ist hier geschickt in eine zeitliche Lücke gesprungen und hat die Verurteilung der Demonstration judenfeindlicher Gruppen zum al-Quds-Tag beantragt. Das machte nun wieder einen Änderungsantrag der FDP im Hause notwendig, denn es kommt nicht nur darauf an, „schnell mal einen herauszuhauen“, vielmehr muss so ein Antrag mit klaren Handlungsanweisungen an die Verwaltung – sprich: die Exekutive, hier also die Polizei – verbunden sein. Näheres dazu werden wir im Ausschuss behandeln. Deswegen haben wir in diesen geplanten Änderungsantrag auch konkrete Maßnahmen geschrieben,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Wo ist er denn?]

da wir zum Beispiel keine politische Kundgebung an sich verurteilen wollen. Wir wollen vielmehr den Missbrauch des Demonstrationsrechts sowie natürlich den Missbrauch des Rechts, seine Meinung öffentlich, frei in Wort, Schrift und Bild zu äußern, verhindern. Deswegen fordern wir, gerade weil wir das Demonstrationsrecht als demokratisches Recht an sich schützen wollen, umso klarer gegen die vorzugehen, die dieses Recht unter dem Rubrum des sogenannten al-Quds-Tages missbrauchen.

[Beifall bei der FDP]

Wenn es bei dieser Demonstration wieder zu Ausschreitungen in Form von antisemitischen Äußerungen kommt – es hat in der Vergangenheit Sprechchöre mit Wörtern gegeben, die sich z. B. auf Hamas reimen, die so widerlich sind, dass ich sie heute nicht wiederholen werde. Es hat bei diesen Kundgebungen aber auch die Un

sitte des Flaggenverbrennens, insbesondere der israelischen Fahne, gegeben –, dann sage ich: Wir dulden es nicht, dass in Berlin und in Deutschland jemals wieder die israelische Fahne brennt!

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir möchten, dass keine Fahne eines fremden Staates hier verbrannt wird. Das ist der Ausdruck höchster politischer Kulturlosigkeit.

[Beifall bei der FDP, der CDU, der LINKEN und der AfD]

Wir schützen aber nicht nur generell den Staat Israel

[Mario Czaja (CDU): Da rührt sich keine Hand von der Linkspartei!]

und sind mit ihm solidarisch, sondern wir möchten auch mal ganz klar bekunden: Diese unverbrüchliche Solidarität mit Israel beruht nicht nur auf der Vergangenheit, sie beruht auch auf der Gegenwart, damit wir die Zukunft in einer freiheitlich-demokratischen Welt gemeinsam gestalten können. Wir alle sind solidarisch mit Israel, weil das auch einfach ein tolles Land ist,

[Beifall bei der FDP und der AfD]

eine Demokratie, die sich jederzeit an den Maßstäben der Europäischen Gemeinschaft messen lassen kann, mit tollen Leuten, über 8 Millionen Menschen, die dort Einwohner sind und bei denen man nebenbei gesagt ja auch noch superlehrreiche Urlaube verleben kann.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Man muss die Dinge auch mal von der positiven Seite sehen. Wenn nicht der israelische Staat die Ordnung z. B. rund um den Tempelberg gewährleisten würde, sondern irgendein Despot, wie wäre es dann um die Regelung des Zuganges auf den Tempelberg für die drei Weltreligionen bestellt? Wir sehen im Fernsehen immer nur die Bilder, wenn es dort zu Auseinandersetzungen gekommen ist. Tatsächlich sind dort jeden Tag im Jahr ganz viele Menschen unterwegs, um ihr jeweiliges religiöses Bekenntnis, und zwar in der Regel ungestört, zu feiern. Wir sollten es daher schaffen, den Israelis für die rund 350 Tage im Jahr zu danken, wo das möglich gewesen ist und auch in Zukunft wohl möglich sein wird.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD]

Dass sie das tun, das ist für uns ein weiterer Grund, solidarisch mit Israel und seinen Menschen zu sein. Deswegen lehnen wir diese al-Quds-Tage aus tiefstem Herzen ab.

[Beifall bei der FDP, der CDU, der LINKEN, den GRÜNEN und der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat nun der Abgeordnete Lux das Wort.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Schöner blauer Anzug!]

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz der aufgewühlten Debatte freue ich mich festzustellen, dass wir eine große Einigkeit haben, nämlich dass wir pro Israel stehen und dass wir dankbar sind für das jüdische Leben in dieser Stadt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Das jüdische Leben, die lebendigen jüdischen Gemeinden in unserer Stadt sind in der Tat ein Geschenk von Jüdinnen und Juden, die mittlerweile wieder größtenteils gerne in Berlin leben, die wiedergekommen sind und die uns als den Vertretern und Nachkommen des Tätervolks die Gelegenheit geben, heute Mitbürgerinnen und Mitbürger, Freundinnen und Freunde, Nachbarinnen und Nachbarn zu sein. Diesen Schatz müssen wir für immer bewahren.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir verteidigen diesen Schatz gegen antisemitische Übergriffe, die gestiegen sind. Wir zeigen das natürlich auch am al-Quds-Tag. Ich finde, wenn man in die Berliner Geschichte guckt, dann muss man dieser Demonstration von ein paar Hundert Israelhassern auch nicht zu viel Aufmerksamkeit geben, dann muss man hier über diese Frage auch nicht zu stark im parteipolitischen Clinch liegen,

[Paul Fresdorf (FDP): Man muss auch nicht relativieren!]

sondern dann sollte man die Einigkeiten rausarbeiten und auch sehen, wer noch ein Geschenk ist, nicht nur die jüdische Community, die wieder in Berlin lebt, sondern natürlich auch die iranische Community, von der viele Iranerinnen und Iraner nach der sogenannten Islamischen Revolution im Iran geflohen sind, die nach Berlin gekommen und übrigens auch ein Grund dafür sind, dass wir hier viele Ärztinnen und Ärzte, Mitarbeiterinnen in Kindertagesstätten, viele Nachbarn haben, die vor der Islamischen Revolution geflohen sind und hier authentisch Zeugnis geben können, dass der islamistische Israelhass falsch ist, dass er dazu führt, dass auch der Nahe Osten implodieren kann, dass er nicht zu Wohlstand führt, dass er zu weiterem Hass führt. Deswegen ist es auch richtig, die eingewanderten Iranerinnen und Iraner gerade aus der Zeit hier herzlich in Berlin willkommen zu heißen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LINKEN und der AfD]

(Holger Krestel)

Das sind nämlich deutlich mehr, als der Kollege Dregger meinte, die man nicht willkommen heißen will. Aber ich glaube, ich bin da mit ihm grundsätzlich einig.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fresdorf?

Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Kollege Lux! – Sind Sie mit mir der Auffassung, dass – selbst wenn drei oder vier Leute im Sinne des al-Quds-Tages demonstrieren – es immer noch drei oder vier zu viel wären und wir uns in diesem Hause dagegen klar positionieren sollten?

Ja, ich bin dafür! Ich bin aber auch dafür, dass man mit Maß und Mitte, Augenmaß und zielgenau schaut. Ich sage Ihnen, bei etwa 5 000 Demonstrationen, die wir jährlich in Berlin haben, wage ich mal die Vermutung, dass es da noch ein paar andere Demonstrationen gibt, die uns ähnlich schlecht schmecken, die wir aber in Berlin seit Jahren – es wurde keine Demonstration verboten – dulden, obwohl wir die Meinung und die Haltung ablehnen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass sie hier – wie die SPD-, CDU-, Links- und meine Fraktion, die Grünen – dazu aufrufen, gegen diesen al-Quds-Tag am 9. Juni zu demonstrieren und – wie in den letzten Jahren auch – mehr zu sein als diejenigen, die glauben, sie können Israelhass in Berlin aussprechen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wir hatten heute eine Aktuelle Stunde zu null Toleranz. Hier hat der Antragsteller ja noch mal deutlich gemacht, es gibt diese Toleranz, die Sie auch in Ihrem Antrag adressieren. Sie wollen in Ihrem Antrag die Demonstration nicht verbieten – auf die Haltung kann man kommen, die Forderung ist legitim –, sondern Sie wollen auch den Weg der Auflagen gehen. Die Auflagen sind richtig. Jetzt sind leider die Polizistinnen und Polizisten hier auf der Zuschauertribüne nicht mehr an Bord. Denn die Polizei macht dort eine tolle Arbeit. Sie hat die Auflagen viel schärfer gestellt, aus den Erfahrungen gelernt, Flaggen verbrennen wird nicht geduldet, sondern mit Auflagen unter Strafe gestellt. Hassbotschaften, Gewaltverherrlichung und auch die Fahnen der Hisbollah und verwandter Organisationen sind auf dieser Demonstration verboten. Das ist ein sehr scharfes Auflagenrecht, aber ich begrüße

das ausdrücklich, dass die Versammlungsbehörde und die Berliner Polizei hier einen schärferen Maßstab anlegen. Vielen Dank dafür!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Es ist im Ergebnis richtig, wie die Koalition mit Ihrem Antrag umgeht. Wir teilen viele politische Ansichten im Ziel. Wir verurteilen die Haltung, die dort auf der alQuds-Demonstration vorgetragen wird. Und wir werden – am besten nach dieser Demonstration – vielleicht im Innenausschuss über Ihren Antrag reden, aber jetzt noch nicht im Vorfeld Ihren auch leicht wirren Antrag unterstützen. Deswegen würde ich mich freuen, wenn Sie – gerade nach diesen Klarstellungen, die Sie hier erzählen mussten – unserem Antrag zustimmen und nicht eine namentliche Abstimmung machen, sondern der Überweisung an den Ausschuss zustimmen. Ich denke, das ist nach Ihrer Umkehr, die Sie gerade beschrieben, schon ein einmaliger Vorgang, dass der Abgeordnete, der hier den Antrag eingebracht hat, im Kern eine dreimal weitergehende Forderung hat, wie es in dem Antrag Ihrer Fraktion steht. Deswegen hielte ich es für angemessen, aber stecke da nicht in Ihrer Haut, wenn Sie hier auf eine namentliche Abstimmung verzichten würden, sondern konsequenterweise der Überweisung an den Innenausschuss zustimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.