Protokoll der Sitzung vom 31.05.2018

entstehen immer mehr stressige Situationen in den Klassen, die eben auch schnell eskalieren können – zum Nachteil von allen. Ich glaube, dass wir über das Thema verhaltensauffällige Kinder, die vielleicht auch zu Stresssituationen beitragen, noch einmal gesondert sprechen müssen. Wir müssen auch darüber sprechen, ob es richtig ist, Kinder, die aus Krisengebieten zu uns flüchten, ohne jegliche Vorbereitung sofort in Regelklassen aufzunehmen – auch das ist eine politisch gewollte Entschei- dung –, und ob es richtig ist, ohne Vorbereitung sprachlicher und kultureller Art Kinder und Eltern aus Hintergründen aufzunehmen, wo Gewalt noch einen anderen Stellenwert hat: In Krisengebieten wurde Gewalt täglich erfahren. Gewalt ist teilweise noch legitimes Mittel der Erziehung, Gewalt ist auch Teil der Kommunikation.

[Christian Buchholz (AfD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte gern zu Ende ausführen. – Wir müssen uns wirklich fragen, ob diese Entscheidung, die Vorbereitung in Willkommensklassen abzuschaffen, richtig ist.

Zuletzt eine Sache, die den VBE und auch mich sehr ärgert: Lehrer, die von Gewalt an ihrer Schule berichten und auch mit ihr umgehen, müssen ernst genommen werden. Ich kann einfach nicht anders, als dazu ein absolutes Negativbeispiel aus meinem Bezirk zu zitieren, und zwar die Spreewaldschule, die nachgewiesene Gewaltvorfälle hat und die Entscheidung der Schulkonferenz, der Schulleitung hat, dass sie Wachschutz haben möchte, die die SPD-geführte Bezirks- und Senatsverwaltung aber auflaufen lassen hat. Der Wachschutz ist wieder weg, der Sozialarbeiter ist nicht da. Das Problem ist wieder zurück. Das ist das Gegenteil von Ernstnehmen, das ist Imstichlassen, und zwar auf breiter Basis.

[Beifall bei der CDU]

Und es ist auch Imstichlassen, wenn ich ein Programm mit 200 Hausmeisterstellen, die auch zur Sicherheit der Schule dienen sollen, einfach auslaufen lasse, wenn ich es so stricke, dass es kaum anzuwenden ist oder dass so viele Hürden aufgebaut werden, dass es nicht richtig angewendet werden kann. Auf dem Papier mag hier in Berlin das eine oder andere richtig sein. Aber es gibt noch sehr viel Luft nach oben bei der echten, tatsächlichen Bekämpfung des Problems. Und ich hoffe sehr, Herr Buchner, dass für die SPD das Thema nicht heute erledigt ist, sondern dass wir uns darüber ausführlich im Ausschuss unterhalten und wirklich überlegen, wo Lücken sind, wo wir noch nachsteuern müssen. Ich bin mir sicher, da gibt es welche.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Kittler das Wort.

Vielen Dank! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Gewalt in Schulen ist leider kein neues Thema. Das betrifft sowohl die Gewalt gegen Pädagoginnen und Pädagogen als auch die Gewalt gegen Schülerinnen und Schüler. Es beschäftigt uns zunehmend seit mehreren Jahrzehnten und spiegelt insbesondere soziale Konflikte der Gesellschaft wider. Es muss also die Hauptaufgabe sein, die soziale Lage zu verbessern, dann werden auch die Konflikte geringer.

Ich möchte gern etwas zum Antrag der FDP sagen. Es verwundert mich zunächst, dass Sie die bestehenden Probleme erst über einen AfD-Antrag mitkriegen. Ich kenne sie schon lange, nicht nur aus der Literatur – ich sage mal, beispielsweise Wilhelm Busch, Max und Moritz, Lehrer Lämpel, ja? –, sondern auch aus meiner eigenen Schulzeit, sowohl als Schülerin als auch als Lehrerin, als Mitglied im Personalrat und als Abgeordnete aus Petitionen an das Abgeordnetenhaus. Zu Mobbing haben Schülerinnen und Schüler einer Berliner Grundschule sogar in der letzten Legislaturperiode im Bildungsausschuss eine Anhörung durchgesetzt. Darüber hinaus befassen sich sowohl die GEW – da muss ich Sie enttäuschen, Frau Bentele – als auch der VBE seit Jahren intensiv mit dieser Thematik. Die Presse hat das auch entsprechend begleitet und dokumentiert.

Nun kurz zu einigen Antragspunkten des FDP-Antrags, den Rest dann im Ausschuss. Zu 1.: Die Pflicht zur Meldung von Gewaltvorfällen besteht für Schulleitungen. Dazu gibt es unter anderem eine Information für Schulen, in der es unter „Das Hilfe- und Meldeverfahren“ heißt:

Nach Gewaltvorfällen und Notfallsituationen sind die Schulen verpflichtet, die Vorfälle, die sich in der Schule ereignen oder die einen direkten Bezug zur Schule sowie ihren Schülern haben, zu melden.

Und weiter heißt es:

Die Meldungen von Gewaltvorfällen und Notfallsituationen dienen der Anmeldung von Unterstützungsbedarf durch die Schulen, der statistischen Auswertung und der Planung und Gestaltung von Maßnahmen zur Gewaltprävention.

Damit ist auch klar und abrufbar, dass Statistiken geführt werden, und diese wurden in der Vergangenheit auch veröffentlicht. So viel zu Punkt 7 des FDP-Antrags.

Zum Punkt 3: Meldeverfahren sind eindeutig in den überarbeiteten Notfallplänen beschrieben und festgelegt. Wahrscheinlich haben Sie sich die überarbeiteten Pläne

(Hildegard Bentele)

gar nicht angeschaut, sondern die alten Notfallpläne. Aber auch dort gab es schon eine Regelung. Dazu gehört übrigens auch ein Ergänzungsblatt, falls Ihnen das entgangen ist, zu Hilfen bei Gewalt gegen Schulpersonal. Dort heißt es u. a. sinngemäß, dass mit den vorgesetzten Behörden zusammengearbeitet werden muss und diese im Rahmen der Fürsorge Anzeige oder Strafantrag stellen. Und wenn Sie hier Strafanträge in jedem Fall, auch gegen minderjährige Schülerinnen und Schüler, fordern, dann haben Sie von Pädagogik, Psychologie und noch vielem anderen keine Ahnung, auch nicht vom Strafrecht,

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

mal ganz abgesehen davon, dass Kinder von 7 bis 13 Jahren zwar auf Unterlassung haftbar gemacht werden können, aber erst Schülerinnen ab dem 14. Lebensjahr strafverfolgt werden können. Es reicht oftmals schon die Androhung dessen ihnen und ihren Eltern gegenüber.

In erster Linie schützen wir Pädagoginnen und Pädagogen, indem langfristig ein Klima an Schulen geschaffen wird, in dem Gewalt nie als Lösung von Konflikten angesehen wird. Und wenn es trotzdem zu Gewalt kommt, dann muss klar sein, dass die Betroffenen Solidarität erleben müssen durch das Kollegium, durch die Schulleitung und durch die übergeordneten Behörden. Da darf nichts unter den Teppich gekehrt werden, aber auch hier wird im eben schon erwähnten Ergänzungsblatt zum Notfallplan eine klare Sprache gefunden.

Ich könnte da noch viel zu Ihrem Antrag sagen, das schenke ich mir jetzt mal, mache ich gerne noch im Ausschuss. Ich begrüße aber ausdrücklich noch den Weg, den die Senatorin jetzt gehen will, nämlich einmal über die Bildung von Krisenteams und zum andern, den Fachtag mit Schulleiterinnen und Pädagoginnen durchzuführen, um über das Ausmaß von Gewalt zu diskutieren und auch neue Lösungsansätze zu finden, und selbstverständlich auch darüber, dass viele Instrumente längst da sind, die aber nur konsequent genutzt werden müssen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Fresdorf das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben zu diesem Punkt einen Änderungsantrag eingebracht, und wir werden diesen dann im Ausschuss beraten. Wir werden zu diesem Punkt auch eine Anhörung beantragen, Frau Kittler, damit wir auch noch mal darüber sprechen, ob es tatsächlich so ist, wie Sie es wahr

nehmen, oder ob es bei den Lehrerinnen und Lehrern eine andere Wahrnehmung gibt zu diesem Punkt.

Für uns ist festzuhalten: Gewalt hat in der Schule nichts zu suchen.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Jede Gewalttat in einer Schule ist zu ahnden und ggf. zur Anzeige zu bringen. Und die Senatsverwaltung hat die Schulen, die Schulleiter, die Lehrerinnen und Lehrer zu unterstützen, um das Thema Gewalt an Schulen einzudämmen und abzuschaffen. Alles Weitere dann im Ausschuss. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat die Abgeordnete Burkert-Eulitz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Erst mal einen schönen Gruß aus der Genderwahn-Ecke.

[Beifall von Regina Kittler (LINKE)]

Liebe AfD! Auch Lehrerinnen und Lehrer sind Opfer von Gewalt. Vielleicht können Sie das nächstes Mal ja auch mit einbauen. – Ich gehe hier auf den AfD-Antrag ein. Die AfD unterstellt gern Fake-News. Sie behaupten, R2G hätte die Lehrkräfte nicht im Blick. Wie kommen Sie eigentlich auf diese Märchen? – Mit Ihrem Forderungskatalog suggerieren Sie Aktion. Mehr als Aktionismus ist das nicht. Die AfD mal wieder vermeintlich als Schutzgöttin der Armen und Schwachen! Als Erstes fordern Sie, das Engagement zum Schutz der Berliner Lehrerinnen und Lehrer zu verstärken, ein schöner Satz. Aber wenn Sie den Aluhut einmal absetzen würden und nicht rechtspopulistisch verbrämt durch die Welt liefen, wüssten Sie: Es gibt bereits ein bestehendes konkretes Verfahren. Also hören Sie zu; Wiederholung, da kann man ja auch lernen.

Die Notfallpläne für Berliner Schulen enthalten Handlungsempfehlungen, Hinweise und Informationen für Schulleitungen und Krisenteams bei Übergriffen auf Schulpersonal. – Keine Zwischenfragen! Danke! – Die Vorfälle sind gemäß dem Informationsschreiben „Gewalt und Notfälle“ aufzuarbeiten. Unterstützung bei der Aufarbeitung bzw. dem Umgang mit dem Vorfall in der Schule kann beim schulpsychologischen und inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentrum sowie der zuständigen Schulaufsicht eingeholt werden. Das SIBUZ bietet dann Coaching, Supervision, Mediation, Fallberatung usw. an. Die Schulaufsicht berät und unterstützt hinsichtlich der Umsetzung Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen aus den §§ 62 und 63 Schulgesetz. Der Opferschutz hat auch hier hohe Priorität.

(Regina Kittler)

Dann fordern Sie zweitens, ein für Schulleitungen verpflichtendes Meldesystem für Angriffe gegen Lehrer zu etablieren – Lehrerinnen können ja auch dazugehören –, gegliedert nach Übergriffen. Nicht Fake, sondern Fakt ist – es besteht bereits ein Meldesystem: Im Rahmen des Hilfe- und Unterstützungsverfahrens melden Schulleitungen gewalttätige Übergriffe gegenüber Lehrkräften; hier sind Mehrfachnennungen möglich. Die Meldungen werden an das SIBUZ, die Schulaufsicht, an den Schulträger und an die Fachgruppe Schulpsychologie der Senatsverwaltung geschickt und ggf. erforderliche Unterstützungsmaßnahmen eingeleitet.

Darauf sollen dann drittens in Ihrem Antrag regelmäßige Statistiken erarbeitet werden. Sorry, aber das wird auch schon gemacht! Die Meldungen der Schulen zu Übergriffen auf Schulpersonal wurden bis zum Schuljahr 2015/16 statistisch erfasst, ausgewertet und veröffentlicht. Seit dem Schuljahr 2016/17 wird das Hilfe- und Unterstützungsverfahren evaluiert. Ergebnis der Evaluation sollen Empfehlungen für Anpassungs- und Änderungsbedarfe des Verfahrens sein.

Und viertens soll den Betroffenen von der Behörde ein Rechtsbeistand gestellt werden. Haben Sie vom Rechtsberatungsgesetz schon einmal etwas gehört oder gelesen? – Es darf nicht einfach jeder andere rechtlich beraten; da geht es auch um Haftung usw. Zulässig ist lediglich eine finanzielle Beteiligung an den Kosten für Rechtsdurchsetzung. Insoweit bestehen aber bereits Regelungen gemäß Abschnitt 3 der Ausführungsvorschrift über Rechtsschutzmaßnahmen in Zivil- und Strafsachen für Bedienstete des Landes Berlin.

Zum Schluss sagen Sie, die Verwaltung solle geltendes Recht anwenden. Schön! Aber davon gehe ich erst einmal aus.

[Beifall bei der LINKEN und von Antje Kapek (GRÜNE)]

Schon einmal vom Verfassungsgrundsatz der Bindung der Verwaltung an geltendes Recht als absolutem Kern des Rechtsstaats gehört? – Die Regelungen des Schulgesetzes werden in der Praxis adäquat angewandt; dazu bedarf es keines AfD-Antrags. Wenn Sie andere Regelungen im Schulgesetz wollen, dann nehmen Sie Ihre Rolle als Legislative an und machen hier Gesetzesänderungsvorschläge!

Auch was eine richtige Ermessensausübung ist, weiß die Berliner Verwaltung von alleine. Wenn sie Fehler macht, ist der richtige Weg das Widerspruchsverfahren oder das Verwaltungsgericht. Was machen Sie als Nächstes? Es gibt das Verwaltungsverfahrensgesetz und die Verwaltungsgerichtsordnung. Welche Anträge stellen Sie als Nächstes? Das OVG soll die VwGO richtig anwenden? Oder die Berliner Polizei das ASOG?

[Beifall bei der LINKEN]

Stellen Sie doch für alle Gesetze oder Vorschriften des Landes Berlin einen entsprechenden Antrag! Dann sind Sie bis zum Ende der Legislaturperiode gut beschäftigt.

Den wichtigsten Punkt nämlich, den Bereich der Prävention, gehen Sie wieder einmal nicht an, denn der ist am schwierigsten. Wie werden Übergriffe verhindert? Welche Gelingensfaktoren müssen vorliegen, damit es einen Grundkonsens an jeder Schule gibt, dass Gewalt nicht geduldet wird und dass Konflikte nur friedlich geklärt werden dürfen? – Wir als R2G arbeiten daran, denn hier ist noch sehr viel Luft nach oben. Vielleicht macht sich ja auch die AfD einmal einige sinnvolle Gedanken. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags der AfD-Fraktion sowie des Änderungsantrags der Fraktion der FDP an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. Widerspruch höre ich nicht – dann verfahren wir so.

Wie zu Beginn der Sitzung beschlossen, rufe ich nunmehr vorgezogen auf