Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

Sie haben völlig zu Recht angemerkt, dass das Grundrecht auf Asyl ein Individualrecht ist, dass genau aus diesem Grund jeder Einzelfall geprüft werden muss.

[Beifall von Holger Krestel (FDP)]

Genau da setzt die Kritik des Kollegen Dregger und auch der AfD-Fraktion mit an. In der jetzigen Situation ist die Justiz in weiten Fällen wegen völlig aussichtsloser Klagen durch viele Instanzen damit überfordert, für jeden Einzelnen tatsächlich effektiv zu prüfen. Der wirklich Berechtigte geht in der Vielzahl der unberechtigten Anträge unter. Und das ist ungerecht.

[Beifall bei der FDP]

Wenn Sie ansprechen, dass in einigen dieser Herkunftsstaaten, die Sie, um einmal den Umkehrschluss zu bedienen, als unsicher bezeichnen, die in der Tat, wie wir auch schon gehört haben, Urlaubsländer sind, in denen viele Menschen gut leben können, in denen es aber in der Tat Verfolgung gibt – wir sprachen in diesem Zusammenhang heute auch schon über die Situation in der Türkei, die leider von Ihnen nicht angesprochen wird –, aber wenn Sie beispielsweise die Todesstrafe dort kritisieren, dann muss ich mich doch sehr darüber wundern, dass Ihr Senat auch heute wieder bei entsprechenden Gesprächen mit Vertretern aus anderen Ländern, in denen es die Todesstrafe gibt, und eben auch für Leute, die Recht auf Religionsausübung fordern, ganz still ist. Wenn, dann doch bitte nicht mit zweierlei Maß, sondern gleichermaßen, Frau Schubert!

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Herr Zimmermann! Sie haben vorhin zu Recht angesprochen – wo ist er denn? –

[Frank Zimmermann (SPD): Hier!]

wie gut! –, dass wir nicht das Urteil anderer dort übernehmen sollten. Jetzt frage ich mich allerdings, woher Sie die Annahme hergeleitet haben, dass es sich bei den

(Katina Schubert)

Maghrebstaaten und bei Georgien um unsichere Staaten handele.

[Frank Zimmermann (SPD): Habe ich nicht behauptet!]

Das ist genau ebenfalls die Übernahme des Urteils anderer. Der Vorschlag, insbesondere der CDU-Fraktion an dieser Stelle, ist völlig richtig.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Wenn wir tatsächlich dem permanenten Missbrauch unserer rechtsstaatlichen Prinzipien begegnen wollen, dann erfordert das eben auch, dass wir einige Verfahren entschlacken, beschleunigen und damit erleichtern. Wenn Sie aus einer empirischen Erfahrung feststellen können, dass ein Bruchteil der Asylanträge berechtigt ist, und zwar, nachdem auch unter anderem all die falschen Angaben – wir haben das im Amri-Untersuchungsausschuss schließlich auch erlebt – mal durch Gerichte aussortiert wurden, dann sollte man auch daraus den richtigen Schluss ziehen und dann wird schlichtweg niemandem sein Individualrecht genommen, sondern es wird nur ein Verfahren entschlackt. Wer dort vorträgt, dass er tatsächlich verfolgt ist, der wird auch den entsprechenden Schutz weiterhin erfahren.

Damit aber gerade derjenige Gehör findet, Frau Schubert, müssen wir an dieser Stelle dafür sorgen, dass nicht mehr Tausende und Abertausende Anträge durch viele Instanzen beschieden werden müssen, die letztlich aussichtslos sind, sondern derjenige, der einen Asylantrag stellt, sollte von vornherein wissen, dass er dafür entsprechend wichtige Gründe anführen muss und nicht pauschal jeder in dieses Land kommen und dableiben kann.

[Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Zum Thema der staatspolitischen Verantwortung, die Sie auch vorhin für Ihre Partei, die Nachfolgepartei der SED, reklamiert haben, gehört auch, dass man gerichtliche Entscheidungen umsetzt. Ich habe jetzt zum siebten Mal in Folge die Zahl der vollziehbar Ausreisepflichtigen in Berlin abgefragt. Sie setzen genau diese Entscheidungen, die mühsam in Verfahren erstritten wurden, nicht um, indem Sie das Instrument der Duldung missbrauchen. Und auch das gehört zur Wahrheit, deshalb unterstützen wir diesen Antrag.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD]

Herr Kollege Luthe! Gestatten Sie – – Sie sind durch, dann hat sich das erledigt. – Dann haben wir jetzt Frau Kollegin Jarasch von den Grünen. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem 2017 die damalige Bundesregierung

im Bundesrat damit gescheitert war, die drei Maghrebstaaten als sicher einzustufen, legt jetzt die große Koalition im Bund erneut einen Gesetzentwurf vor, der die Maghrebstaaten und nun auch Georgien zu sicheren Herkunftsländern erklären will. Wir haben diesen Gesetzentwurf 2017 für falsch gehalten. Und ich frage mich, weshalb sich das jetzt geändert haben sollte.

Gerade die drei Maghrebstaaten, aber auch Georgien sind eben nicht sicher. Menschenrechtsverletzungen aus allen vier Ländern werden immer wieder von Nichtregierungsorganisationen dokumentiert. Wir haben heute schon einmal darüber gesprochen, liebe AfD, dass man diese Belege der Menschenrechtsorganisationen entweder ernst nimmt oder nicht ernst nimmt, aber nicht einmal selektiv zitieren und beim nächsten Mal beiseite wischen kann.

[Zurufe von Karsten Woldeit (AfD) und Thorsten Weiß (AfD)]

Dabei geht es insbesondere um die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit, aber auch um Folter und die weitgehende Schutzlosigkeit von Frauen angesichts von sexueller Gewalt. Ein Herkunftsstaat ist aber erst dann sicher, wenn der Staat dort weder selbst Menschenrechtsverletzungen begeht noch Menschenrechtsverletzungen duldet oder einfach straflos lässt, sprich: Auch ein Staat, der einzelne Bevölkerungsgruppen nicht vor Verfolgung schützt oder auch in einzelnen Landesteilen keinen Schutz gewährleisten kann oder will, ist eben kein sicherer Herkunftsstaat.

Der Antrag der AfD macht deutlich, was der Antrag der CDU-Fraktion eher verschämt verbirgt. Es geht gar nicht um die tatsächliche Sicherheit oder Menschenrechtslage in den vier Ländern, es geht um das, was die AfD eine „Auswanderungsdynamik“ nennt, sprich: völlig egal, wie es tatsächlich um die Menschenrechte in diesen Ländern steht, sobald die Zahlen steigen oder man das befürchtet, kommt der Ruf nach der Deklaration als sicheres Herkunftsland. Aber selbst wenn man dieser Logik folgen wollte, gibt es keinen Grund, die Maghrebstaaten und Georgien im Jahr 2018 zu sicheren Herkunftsländern zu erklären.

[Maik Penn (CDU): Sieht Kretschmann aber anders!]

Nicht einmal 5 Prozent der Asylanträge im ersten Halbjahr stammen von Schutzsuchenden aus diesen vier Ländern. Der Anteil der Asylsuchenden aus den drei Maghrebstaaten ist im letzten Jahr sogar deutlich zurückgegangen.

[Heiko Melzer (CDU): Baden-Württemberg schätzt die Lage aber anders ein!]

Gleichzeitig hat sich die Schutzquote aber verdoppelt. Herr Dregger! Das bedeutet dann eben auch: Für so komplett „offensichtlich unbegründet“ halten die Entscheider im BAMF diese Asylanträge offensichtlich nicht.

(Marcel Luthe)

Eine Einstufung als sicherer Herkunftsstaat würde die Abschiebungen in solche Länder aber auch nicht vereinfachen, das ist jetzt schon mehrfach betont worden. Tatsächlich scheitern die Rückführungen in Wahrheit daran, dass die Herkunftsstaaten nicht bereit sind, ihre Bürger zurückzunehmen und entsprechende Dokumente auszustellen.

[Georg Pazderski (AfD): Dann machen wir sie!]

Allerdings wird diese Bereitschaft auch nicht weiter steigen, wenn man die Länder nötigt, außer ihren eigenen auch noch andere Staatsbürger aufzunehmen. Wenn die CDU also abgelehnte Asylbewerber und -bewerberinnen schneller zurückführen will, sollte sie lieber mal mit der CDU-geführten Bundesregierung reden und sie dazu bringen, faire Rückübernahmeabkommen abzuschließen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Asylverfahren zu beschleunigen ist zweifellos wichtig und richtig. Ausschlaggebend dafür ist aber die Qualität der Verfahren. Statt die Rechte von geflüchteten Menschen weiter einzuschränken, sollte die Opposition hier im Haus sich für faire und effiziente Verfahren und für eine unabhängige Asylverfahrensberatung vor der Anhörung für alle Antragsteller einsetzen.

[Beifall von Katina Schubert (LINKE)]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin?

Vielen Dank, nein. – Dies würde der Situation von verfolgten Flüchtlingen gerecht werden. Es beschleunigt die Verfahren dank gut informierter Antragsteller, auf die übrigens das BAMF großen Wert legt, und es reduziert die Zahl der Klagen vor Verwaltungsgerichten, Herr Luthe, von denen übrigens viele erfolgreich sind. Also auch hier würden bessere Verfahren und eine bessere Beratung sehr viel mehr bringen als das, was Sie hier vorgeschlagen haben.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Einen Punkt noch: Herr Dregger! Da Sie heute so sehr auf die Realpolitik Wert gelegt haben: Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Entscheidungen über sichere Herkunftsstaaten und darüber, wer überhaupt noch nach Europa kommen kann, um hier in Europa sein Asyl zu beantragen, soeben auf europäischer Ebene verhandelt werden. Und insofern betreiben Sie hier keine Realpolitik, sondern Symbolpolitik.

Ich sehe also keinen Grund, von unserer bisherigen Haltung abzuweichen. Berlin wird dem Gesetzentwurf im Bundesrat nicht zustimmen, ebenso wenig wie wir hier

im Abgeordnetenhaus Ihren beiden Anträgen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Beide Antragsteller beantragen die sofortige Abstimmung ihres jeweiligen Antrags. Die Koalitionsfraktionen beantragen die Überweisung des Antrags der Fraktion der CDU sowie des Antrags der AfD-Fraktion an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung.

Gemäß § 68 GO lasse ich zunächst über die Überweisung des CDU-Antrags abstimmen. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke! Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das Erstere war die Mehrheit. Damit ist der Antrag an den Innenausschuss überwiesen.

Nun kommen wir zum Antrag der AfD-Fraktion. Wer der Überweisung des Antrages zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Auch das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Die AfD-Fraktion. Enthaltungen? – Bei CDU und FDP. Damit ist auch dieser Antrag an den Innenausschuss überwiesen. Die Anträge auf sofortige Abstimmung haben damit Ihre Erledigung gefunden.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 6:

Dreiundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 25. Juni 2018 Drucksache 18/1207