Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Trefzer?

Nein, jetzt rede erst mal ich. – Die Mobilisierung bei Volksbegehren und in Wahlkämpfen ist mit sehr viel Arbeit verbunden, wie wir alle wissen. Wir müssen vor Ort sein, wir müssen Formate für Diskussionen und Deliberation entwickeln. Das ist der demokratische Mehrwert, der in dem Antrag, der einfach eine Abstimmung von oben vorsieht, fehlt. Meine Partei steht Volksbefragungen aus diesem Grund sehr kritisch gegenüber. Sie sind ein Instrument, mit der sich die Politik ein Votum abholt, um ohne fundierte Auseinandersetzung, wie sie hier im Parlament und in gut organisierten Debatten auch außerhalb stattfindet, bequem zu entscheiden. Auf die Manipulationsmöglichkeiten hat Herr Kollege Efler schon hingewiesen.

[Martin Trefzer (AfD): Was haben Sie denn vorgeschlagen im Senat, Frau Dr. Kahlefeld?]

Zweitens kann das Abgeordnetenhaus gar nicht per Antrag die Durchführung einer Volksbefragung beschließen. Auch das ist hier schon erläutert worden. Das verstößt schlicht gegen die Berliner Verfassung. Sie haben nicht einmal ein Gesetz zur Durchführung einer Volksbefragung vorgelegt. Aber auch das wäre nicht verfassungskonform gewesen. Es ist nämlich nach unserer Auffassung nicht gleichgültig, ob der Entscheid verbindlich ist oder nicht, denn das Ergebnis ist in jedem Fall politisch bindend. Ein Entscheid ist schließlich keine Umfrage. Auch das ist schon gesagt worden.

[Beifall bei der FDP – Sebastian Czaja (FDP): Aha!]

Laut Verfassung übt das Volk seine Staatsgewalt durch Wahlen und Abstimmungen aus. Die Abstimmungen sind aber alle in der Verfassung geregelt. Da können wir als Parlament nicht einfach, je nachdem, wie es uns gerade passt, noch einen neuen Abstimmungsmodus durch einen Antrag beschließen. Wir werden diesen Antrag daher als verfassungswidrig ablehnen. Vielleicht wäre ein Feiertag für die Verfassung gar kein schlechter Vorschlag.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung und mitberatend an den Ausschuss für Bürgerliches Engagement und Partizipation und an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung empfohlen. –

Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.3:

Priorität der Fraktion der FDP

Tagesordnungspunkt 10

Biotopverbund und Vernetzung der Grünflächen gesamthaft bei der Stadtplanung absichern

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen vom 13. Juni 2018 Drucksache 18/1145

zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0740

In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP und hier der Kollege Schmidt. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns geht es in diesem Antrag um zwei Dinge. Auf der einen Seite brauchen wir Berlinerinnen und Berliner deutlich mehr Wohnungen, um Wohnungsnot zu vermeiden, Mietsteigerungen bremsen zu können. Deshalb muss Berlin in großem Maßstab bauen, bauen und noch einmal bauen.

[Beifall bei der FDP]

Auf der anderen Seite darf Wohnungsbau aber nicht auf Kosten der Lebensqualität und der Natur gehen. Bauen heißt eben nicht, alles rücksichtslos irgendwie zuzupflastern. Wir Berliner brauchen genauso auch unsere Grünflächen und Biotope, denn Grünflächen und Biotope sind zentraler Bestandteil einer nachhaltigen, zukunftsfähigen und lebenswerten Stadt.

[Beifall bei der FDP]

Wir müssen vor allem heraus aus dieser Kleinteiligkeit, dass bei jedem Bauprojekt um jeden Rasen, jeden Grashalm, jeden Baum gekämpft wird, dieser Guerillakrieg im Einzelnen. Wir brauchen stattdessen endlich eine gesamthafte, über die ganze Stadt gehende Betrachtung, die den Biotopverbund als Ganzes und die Versorgung mit Stadtgrün dauerhaft, das heißt zuverlässig und für immer sichert.

[Beifall bei der FDP]

Das gab es in der Stadtgeschichte schon einmal. Genauso ist der Grunewald gesichert worden. So etwas brauchen wir auch wieder.

Jetzt sagt wahrscheinlich wieder die Koalition: „Das machen wir sowieso alles.“ Aber ganz offensichtlich reichen die bisherigen Planungsinstrumente und -ansätze allein nicht aus. Die Naturschutzverbände haben viele schöne Beispiele, die mich auch erschüttern, wie mitten

im Biotopverbund, der definiert ist, plötzlich einzelne Gebäude hineingeklotzt werden und so die Funktion des Biotopverbundes gefährden. Bedauerlich ist auch, dass der Senat bei diesen Themen ständig hin- und herschwappt. Wir hatten die Situation, dass die Stadtentwicklungssenatorin untersagt hat, Bäume zu kappen, um Fluchtwege für Dachgeschosse frei zu machen, und damit den notwendigen Dachgeschossausbau komplett zum Stoppen gebracht hat.

[Beifall bei der FDP]

Das musste sie dann bald wieder in ihrem Rundschreiben zurückziehen und für ersatzlos aufgehoben erklären. Nun kommt dieselbe Stadtentwicklungssenatorin auf die Idee, die Bebauung von Friedhöfen zu fördern. Ich lehne das ab, nicht, weil ich jetzt Angst vor Poltergeistern in Wohnungen hätte, sondern weil Friedhöfe ganz besonders wertvolle Biotope und Naturflächen sind, die wir schützen müssen. Das, als frühere Umweltsenatorin, Frau Lompscher, sollten Sie wissen.

[Beifall bei der FDP]

Zu Recht kommt auch Gegenwind von der Umweltsenatorin, die am liebsten alle Friedhofsflächen gleich für grüne Nutzungen aufkaufen will. Auf diese chaotische Weise bekommt der Senat weder den Wohnungsbau noch den Biotopflächenschutz wirklich auf die Reihe.

[Beifall bei der FDP]

Die Bürgerinnen und Bürger brauchen aber eine klare Linie für die zukünftige Entwicklung unserer Stadt. Nicht alles, was sich die Naturschutzverbände gern wünschen, ist tatsächlich mit den Bedürfnissen des notwendigen Wohnungsbaus vereinbar. Wesentliche Forderungen, die auch aus den Verbänden kommen, sind völlig berechtigt. Vor allem erscheint es uns Freien Demokraten wichtig, ein Netz aus wesentlichen, niemals zu bebauenden Biotopen und Grünflächen der Stadt festzulegen und auf Dauer abzusichern.

[Beifall bei der FDP]

Dazu gehören auch zum Beispiel Gewässerufer. Das sind einzigartige Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Dazu gehören auch aufgegebene Friedhöfe. Denn diese sind wichtige Rückzugsgebiete für gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Bauen und dabei gleichzeitig eine lebenswerte grüne Stadt erhalten, das ist kein Widerspruch. Das geht tatsächlich auch in der Realität.

[Beifall bei der FDP]

Der Umweltausschuss war letzte Woche in Paris und hat dort gesehen, wie es geht. Wir haben besichtigt, dass höheres Bauen in Form von Hochhäusern Platz schafft, den man dann gut für Biotope und Grünflächen nutzen kann. Wer höheres Bauen zulässt, kann damit auch Biotopflächen und Grünflächen schaffen und ausweiten.

[Beifall bei der FDP]

Wohnungsbau, Grünflächen und Biotopschutz sind also kein Widerspruch, sondern gehören zusammen, wenn eine Stadt zukunftsfähig geplant wird. Unser Antrag legt dafür Eckpunkte vor und fordert den Senat zum Handeln auf. Ich finde es schade, dass die beiden befassten Ausschüsse den Antrag noch nicht einmal diskutiert haben. Deshalb hoffe ich, dass wir jetzt heute im Plenum noch zu einer vernünftigen, ernsthaften Debatte kommen, denn dieses Thema hätte das auf jeden Fall verdient. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Abgeordnete Radziwill das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, Herr Schmidt von der FDP, dass Sie sich einmal um das Stadtgrün sorgen.

[Holger Krestel (FDP): Das hat er schon immer gemacht!]

Oft sind Sie es in den Bezirken, die sich zuallererst für Baugenehmigungen auf Grünflächen stark machen. Als Beispiel will ich hier den geplanten Westkreuzpark in Charlottenburg nennen. Aber es freut mich, dass Rot-RotGrün nicht nur Berlin sozialer, weltoffener und eben nachhaltiger macht, sondern anscheinend unsere Politik auch erfolgreich auf die FDP abfärbt. Wer hätte das gedacht? Trotzdem schaffen Sie es nicht, unsere Zustimmung für diesen Antrag zu bekommen.

Erst einmal: Wir haben schon in den Koalitionsvertrag geschrieben – Frau Präsidentin, ich zitiere –:

Bei der langfristigen Stadtplanung ist dafür zu sorgen, dass eine stadtweite, übergreifende Planung und nachhaltige Absicherung miteinander vernetzter Grünflächen und des Biotopverbundes stattfindet. Dazu ist ein Netz der zentralen nie zu bebauenden Grünflächen der Stadt festzulegen und dauerhaft abzusichern.

Ihr Antrag heißt „Biotopverbund und Vernetzung der Grünflächen gesamthaft bei der Stadtplanung absichern.“ Man könnte meinen, liebe FDP und Herr Schmidt, Sie haben Ihren Antrag aus unserem Koalitionsvertrag abgeschrieben.

[Henner Schmidt (FDP): Das machen Sie aber nicht!]

Wenn Sie denken, Sie können uns mit einer Abschrift unseres Koalitionsvertrages nachweisen, dass wir unsere Hausaufgaben nicht machen, muss ich Sie leider enttäuschen und Ihnen stattdessen ein bisschen Nachhilfe geben, denn Grund zur Kritik können Sie nicht haben. Hier nenne ich ein paar Beispiele, welche Planungsverfah

(Henner Schmidt)

rensinstrumente diese Koalition nutzt. Wir nutzen zum Beispiel den Flächennutzungsplan, das Landschaftsprogramm, den Kleingartenentwicklungsplan, den Friedhofsentwicklungsplan, die diversen Stadtentwicklungspläne und auch Stadtentwicklungsplan Grün, Infrastruktur oder Stadtentwicklungsplan Sport und Bewegung, und, und, und. Wohnungsbau- und Biotopsicherung ist in jedem Fall machbar. Was Sie uns hier vorwerfen, stimmt nicht. Wir setzen das um.

Das alles sollte Ihnen eigentlich auch bekannt sein. Doch damit nicht genug: Der Senat hat vor vier Wochen die Erarbeitung einer Charta des Stadtgrüns beschlossen. Das scheint an Ihnen vorbeigerauscht zu sein. Mit der Charta soll das Stadtgrün als grüne Infrastruktur der Stadt langfristig gesichert und sollen Biotopverbünde identifiziert werden.