Protokoll der Sitzung vom 15.11.2018

Zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 18/102 empfehlen die Ausschüsse einstimmig – bei Enthaltung von CDU und FDP – die Annahme mit geändertem Berichtsdatum „28. Februar 2019“. Wer dem Antrag mit dem geänderten Berichtsdatum „28. Februar 2019“ gemäß der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Sport zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Das sind die Koalitionsfraktionen, die AfD-Fraktion und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Wer enthält sich? – Das sind die Fraktionen der CDU und der FDP. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Zum Antrag der AfD-Fraktion auf Drucksache 18/0599 empfiehlt der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen die AfD – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Das sind die AfD-Fraktion und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das sind alle anderen Fraktionen; die Koalition, die CDU und die FDP. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Zum Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 18/1232 – Stichwort: Live-Informationen des Bildergeschehens – empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen CDU, bei Enthaltung AfD und FDP – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Das ist die Fraktion der CDU. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich zu diesem Antrag? – Das sind die FDP, die AfD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Zu dem Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 18/1311 – Stichwort: Strandbad Wannsee – empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen die CDU, bei Enthaltung AfD – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Das ist die CDU-Fraktion. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das sind die FDP-Fraktion und die drei Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich zu diesem Antrag? – Das sind die AfD-Fraktion und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 3.5:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 43

Bundesratsinitiative zur Änderung der Sanktionsregelungen im SGB II

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1407

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat hier der Abgeordnete Herr Ziller. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Artikel 1 des Grundgesetzes beginnt mit den Worten: Die Würde des Menschen ist unantastbar. – Das Bundesverfassungsgericht leitet daraus in Verbindung mit Artikel 20 ein Grundrecht auf die Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums ab.

Seien wir ehrlich: Hartz IV ist zum Symbol für Abgehängt-Sein geworden. Ich finde, es kann nicht sein, dass Jobcenter immer mehr zu Sicherheitstrakten werden, weil Menschen den Staat nicht mehr als Unterstützung, sondern als Bedrohung erleben. Wie, bitte schön, soll da Vertrauen entstehen?

Mit dem vorliegenden Antrag setzt sich Rot-Rot-Grün für den Einstieg in ein Ende von Hartz IV ein. Wir wollen die bestehenden Sanktionen für Bedarfsgemeinschaften mit Kindern und Jugendlichen sowie für unter 25-Jährige streichen. Dazu wollen wir die Kosten der Unterkunft grundsätzlich vor Sanktionen schützen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Warum wollen wir das? – In einer Anhörung des Deutschen Bundestags haben sieben von zehn Sachverständigen dafür plädiert, das harte Sanktionsregime zu entschärfen, abzuschaffen oder zumindest auszusetzen. Es gibt einen sehr breiten Konsens, mindestens die Kosten der Unterkunft und Heizkosten von Sanktionen auszunehmen.

Es gibt zu Sanktionen inzwischen diverse wissenschaftliche Studien; einige Ergebnisse möchte ich Ihnen gern nahebringen: Die Studien sagen, die Sanktionen führen zu einem Rückzug aus dem sozialen Leben. Menschen, die von Sanktionen betroffen sind, geraten in soziale Isolation oder, anders gesagt, sie vereinsamen. Sanktionen führen auch dazu, dass sich Menschen vom Jobcenter zurückziehen. Es sei eine Art lähmende Wirkung, ja eine Demotivation zu beobachten.

Mit Blick auf die Arbeitsmarktsituation wirken die Sanktionen kontraproduktiv. Sie befördern dazu Existenznot,

denn wenn eine Sanktion greift, kann das zu ungenügender Ernährung, Mietschulden bis hin zu drohendem Wohnungsverlust, auch zum Verlust von Krankenversicherungsschutz führen. Auch Kinder sind von Hartz-IVSanktionen betroffen: Bundesweit wurden über 300 000 Sanktionen gegen Familien mit Kindern verhängt, und wenn in Familienkassen das Geld fehlt, dann geht es auch um Kindeswohlgefährdung.

Von Hartz-IV-Sanktionen sind aber auch all jene betroffen, die nicht selber eine Sanktion bekommen, sondern die Sanktionen wie ein Damoklesschwert über sich fühlen. Wenn Sie sich einmal einen Bescheid anschauen und die Rechtshilfebelehrung lesen, dann ist es kein gutes Gefühl, das man mit seiner Eingliederungsvereinbarung hat.

All das zeigt: Die aktuelle Sanktionspraxis wird den Maßstäben unseres Grundgesetzes nicht mehr gerecht.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Daher begrüßen wir die Debatten, gerade auch hier aus Berlin, über die Zeit nach Hartz IV. Klar ist dabei auch, dass nicht jeder Vorschlag, der gemacht wird, am Ende auch umgesetzt wird. Aber man muss die Debatte einmal beginnen, und das ist es für alle wert, die sich früh in die Debatte einbringen.

Es geht in meinen Augen auch darum, sich die Frage zu beantworten, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Wir Grünen wollen in einer Gesellschaft leben, die inklusiv ist, in der niemand ausgegrenzt wird und in der jeder Mensch ein Recht auf selbstbestimmte gesellschaftliche Teilhabe hat.

Wir alle kennen den Berliner Wohnungsmarkt. Selbst wenn es früher einmal vertretbar war oder Sie es für vertretbar hielten, Menschen durch Sanktionen dem Risiko von Wohnraumverlust auszusetzen – heute ist das völlig unverhältnismäßig. Kein Meldeverstoß ist es wert, auf der Straße zu landen, wenn der Weg zum eigenen Wohnraum so schwer ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Lassen Sie mich den Satz zu Ende bringen, dann gerne! – Aber 80 Prozent aller Sanktionen werden wegen Meldeverstößen ausgesprochen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Herr Wild! Sie haben das Wort – bitte!

Schönen Dank! – Herr Ziller! Sind Sie denn auch dafür, dass die Deutschen in Deutschland eine Teilhabe am Leben haben dürfen, auch einsame Frauen nachts auf der Straße z. B.?

[Oh! von links]

Genau dafür sind wir da und machen Politik: dass alle Menschen in Berlin, ob Mann oder Frau, auch nachts auf den Straßen teilhaben können. Das ist in Berlin in meinen Augen auch so, und da, wo es noch Nachholbedarf gibt, werden wir das tun.

Ich will zu unserem Antrag zurückkommen, um den es ja heute geht. Die Frage, die in einigen Vordiskussionen immer einmal im Raum stand, war, ob man nicht wenigstens junge Menschen mit Drohungen von Obdachlosigkeit disziplinieren sollte. Das machen ja sozusagen die U25-Stationen, die besonders für junge Leute schwierig sind. Ich sage Ihnen: Der Grünen-Weg ist, junge Menschen auf ihrem Weg in die Gesellschaft zu unterstützen und ihnen zu einer selbständigen Existenzgrundlage zu verhelfen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Sie mit Drohung von Obdachlosigkeit erziehen zu wollen, lehnen wir ab.

Noch ein Argument für ein Ende der Hartz-IVSanktionen und ein neues Garantieversprechen unseres Sozialstaats. Die Sanktionspraxis frisst viel Zeit und Energie auch des Personals in den Jobcentern. Gerade heute, wo die Chance auf einen neuen Job so groß ist wie lange nicht, sollen sich Jugendberufsagenturen und Jobcenter darauf konzentrieren, Menschen zu unterstützen, zu befähigen und Wege in den Arbeitsmarkt zu bauen. Bündnis 90/Die Grünen stehen dafür, die Potenziale der Menschen zu sehen, darin zu investieren und Menschen auf Augenhöhe zu unterstützen. Hierfür brauchen wir einen Einstieg in eine menschenwürdige Garantiesicherung ohne Sanktionen, und wir müssen das Hartz-IVSystem hinter uns lassen!

Ich bitte Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Verbessern Sie die Arbeit der Jobcenter, schaffen Sie Anreize statt Bestrafung! Ich prophezeie Ihnen: Sie werden sehen, wie viel Potenzial in den Menschen unserer Stadt steckt. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Penn. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mein Bedauern darüber ausdrücken, dass der Regierende Bürgermeister nicht im Raum ist, der für ein solidarisches Grundeinkommen eintritt. Leider ist auch die Sozialsenatorin nicht im Raum. Vielleicht hören sie von irgendwoher zu. Insoweit setze ich meine Ausführungen fort.

SPD, Linke und Grüne haben uns einen Antrag zur Abschaffung von Hartz IV-Sanktionen vorgelegt. Zwei Punkte irritieren in diesem Zusammenhang. Erstens: Der Antrag richtet sich an den Bundesrat und insoweit im weiteren Verfahren auch an den Bundestag. Dieser, der Bundestag, hat genau eben diese Anträge im Juni dieses Jahres bereits, im Übrigen mit Stimmen der SPD, abgelehnt. 138 SPD-Bundestagsabgeordnete stimmten gegen diesen Antrag. Was soll dieser Antrag nun im Berliner Landesparlament? Er mutet eher an wie ein Schaufensterantrag.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Carsten Ubbelohde (AfD): So ist es!]

Zweitens: Der Antragstext und die Begründung zum Antrag sind nicht konsistent. Im Antragstext ist die Rede vom Ziel der Streichung von Sanktionen. In der Begründung wiederum heißt es, das Sanktionssystem soll zumindest auf den Prüfstand gestellt und überarbeitet werden. Was denn nun? Gilt die klare Aussage der Abschaffung oder die Aussage, das System auf den Prüfstand zu stellen? Da müssen Sie sich schon entscheiden.

Ja, das SGB wurde und wird fortlaufend überarbeitet. Das war und ist gut, richtig und notwendig, auch weil das Image von Hartz IV schlecht ist, wie wir wissen. Hartz IV ist aber auch ein Erfolg. Wir sind von fünf Millionen Arbeitslosen gestartet und sind bei fünf Prozent Arbeitslosigkeit angekommen. Dies führte zu Rekordeinnahmen in Sozialkassen und bei der Lohnsteuer, im Übrigen nicht nur auf Grundlage des Niedriglohnsektors, wie es uns auch der Bundesarbeitsminister, SPD, bestätigt.

[Zuruf von Katina Schubert (LINKE)]

Sie, SPD und Grüne, sind nicht stolz auf diese Leistung, obwohl wir es gemeinsam im Bundestag und Bundesrat beschlossen haben? Stattdessen distanzieren Sie sich von Ihren eigenen Erfolgen. Wie wollen Sie eigentlich Wähler überzeugen, wenn Sie sich von Ihren eigenen Erfolgen bei Hartz IV distanzieren?

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Zuruf von der FDP: Recht hat er!]

Für mich gibt es einige Grundsätze, auch in der sozialen Marktwirtschaft. Erstens: Wir leben in einem Sozialstaat.

Jeder hat Anspruch auf soziale Grundsicherung. Zweitens: Wer Rechte hat, hat auch Pflichten, gerade bei Mitteln aus der Solidargemeinschaft. Drittens: Wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet.

[Beifall bei der CDU und der AfD]

Viertens: Vom Einkommen einer Vollzeitbeschäftigung muss man leben können. Lassen Sie es mich an der Stelle persönlich sagen: Ich war jahrelang ein Gegner des gesetzlichen Mindestlohns, weil es für mich Sache der Tarifpartner war. Allerdings darf ein Staat keine – ich sage es einmal so – asozialen Löhne zulassen, wenn letztlich im Alter zugezahlt werden muss. Insofern war die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns richtig und ist auch eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns richtig, wobei es ein Stück weit auch immer ein Lohnabstandsgebot zu denjenigen geben muss, die über eine entsprechende Ausbildung, Verantwortung und Qualifikation verfügen.