Protokoll der Sitzung vom 15.11.2018

Die AfD begreift also den Grundrechtsschutz für Wanderarbeiter als einen gewaltsamen Versuch, die deutsche Bevölkerung zu durchmischen, als ein Umsiedlungsprogramm mit dem Ziel, die Identität zu zerstören. Und die AfD stellt allen Ernstes die deutsche Bevölkerung als ein autochthones Volk dar.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Völlig bescheuert!]

Völkerrechtlich sind damit ethnische Minderheiten gemeint, die vor Vertreibung, Zwangsumsiedlung und Genozid geschützt werden sollen. Das ist mit diesem Menschenrechtspassus gemeint. Die Behauptung, der deutschen Bevölkerung drohe durch Migration ein solches Schicksal, ist nichts anderes als die Rede vom Volksmord. Und damit ist die AfD ganz unverhüllter Stichwortgeber von Nazis und Rechtsextremen. Und ich neige nicht dazu, Ihnen diesen Vorwurf zu machen. Ich habe bisher immer sehr sachlich auf Ihre Anträge reagiert, aber diese Begründung finde ich wirklich so entlarvend wie nichts anderes, was Sie bisher in diesem Haus präsentiert haben.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Anja Kofbinger (GRÜNE): Bravo!]

Herr Pazderski! Herr Hansel! Wie viele von Ihnen aus der AfD-Fraktion, von Ihren Familien und Ihren Partnern oder Partnerinnen wären nicht hier, wenn es keine Migranten in Deutschland geben würde und wenn nicht immer schon Menschen nach Deutschland gekommen wären, um hier ein neues Leben zu beginnen?

Dieser Global Compact verleiht kein Recht auf Migration, wie Sie es behaupten, aber er stärkt Menschenrechte

von Migranten. Und die Haltung zu dieser Frage ist allerdings eine Grundsatzentscheidung über die Menschlichkeit einer Gesellschaft. Im Dritten Reich wurden Menschen systematisch entrechtet. Es wurden ihnen systematisch erst ihre Rechte und dann ihre Würde entzogen. Erst das hat es möglich gemacht, dass Millionen Menschen in den KZs vernichtet worden sind, ohne dass es dagegen Massenproteste gab, ja ohne dass ein Großteil der ehemaligen Nachbarn und Kollegen das auch nur als Unrecht empfunden hätte.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Richtig!]

Deshalb ist die zentrale Erkenntnis aus den Gräueltaten des Nazi-Regimes: Alle Menschen haben Menschenrechte. Wenn wir die Menschenrechte aller Menschen verteidigen, dann sagen wir damit: Nie wieder!

[Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

Deshalb stehen Sie von der AfD mit diesem Antrag tatsächlich an einem Scheideweg. Herr Pazderski! Wenn Sie diesen Antrag so abstimmen lassen, können Sie auf Ihre bürgerliche Fassade endgültig verzichten.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Und dann ist es auch gleichgültig, ob Sie Herrn Wild jetzt wegen seiner offenen rechtsextremen Entgleisungen auch noch aus der Partei ausschließen, denn dann ist es offenkundig, dass Sie auch seine völkische Ideologie teilen. Aber ganz offensichtlich haben Sie sich bereits entschieden.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für eine Kurzintervention hat der Kollege Hansel das Wort.

Sie haben sich mit Ihrer Nazi-Schelte ja gerade wieder selbst übertroffen. Das ist wirklich grotesk. Wir wollen nur eines: dass auch das Selbstbestimmungsrecht der Völker gilt und – wenn solche großen Fragen von Regierungschefs oder anderen geklärt werden – dass darüber erstens gesprochen wird, das ist nicht passiert, und zweitens man darüber nicht nur redet, sondern möglicherweise auch die Menschen abstimmen lässt. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist Teil des internationalen Rechts. – Erstens!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Zweitens: Alles, was Sie zum Nazi-Regime und den Schergen gesagt haben, ist richtig, nur, es hat mit uns

überhaupt nichts zu tun, denn Israel, meine Liebe, lehnt das auch ab. Auch Israel hat ein Selbstbestimmungsrecht.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Und das wird auch durch den Global Compact, und zwar ganz massiv von Leuten wie Ihnen, wenn das so weitergeht, beeinträchtigt. Das ist die Wahrheit. Und wir haben andere Länder in Europa – und das sind nicht alles, wie Sie sagen würden, eurofaschistische Diktaturen –, ganz normale Länder – Österreich, Schweiz, Dänemark, von Sozialdemokraten mitregiert. Gehen Sie doch mal in sich!

Wir wollen Ordnung und Freiheit in diesem Land. Und wir bezweifeln schlichtweg, dass das mit einer Massenmigration, die dadurch legalisiert werden soll – nichts anderes sagen Sie jeden Tag –, das wollen wir nicht. Und ich empfehle Ihnen auf der rechten Seite, von der Mitte rechts bis rechts, links von der Regierung, ist ja alles relativ, das nicht mitzumachen. Das ist einfach alles. – Danke!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Zur Erwiderung hat Frau Jarasch noch mal das Wort. – Bitte schön!

Ich weiß schon, Sie würden sich gerne mit all den anderen Ländern in eine Reihe stellen, die jetzt überlegen, ob sie diesen Global Compact ablehnen, und sich damit flankieren. Das funktioniert aber nicht, denn ich werfe all diesen Staaten nicht vor, dass sie irgendwie rechtsextrem und Nazis sind, weil sie diesen – –

[Karsten Woldeit (AfD): Haben Sie aber gerade gemacht!]

Nein, habe ich nicht gemacht, hören Sie wenigstens jetzt zu, dann verstehen Sie es, Herr Woldeit! – Also ich habe keinem dieser Länder vorgeworfen, dass sie rechtsextrem sind, weil sie diesen Pakt ablehnen, auch wenn ich es falsch finde, wenn sie ihn ablehnen. Ich habe Ihnen in der Begründung, die Sie hier liefern, warum wir diese Resolution heute beschließen sollen, eine völkische Ideologie belegt und nicht nur unterstellt.

[Zuruf von der AfD: Quatsch!]

Das ist ein großer Unterschied, und dabei bleibe ich.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Zu diesem Tagesordnungspunkt hat die antragstellende Fraktion die sofortige namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte den Saaldienst, die vorgesehenen Tische aufzustellen, und zwar an den Seiten des Stenografentisches. Ich bitte auch die Beisitzerinnen und Beisitzer nach vorn. Eine namentliche Abstimmung ist mit Namensaufruf durchzuführen gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung. Kollege Buchner wird die Namen der Kolleginnen und Kollegen aufrufen. Die Stimmkarten werden Ihnen durch die Präsidiumsmitglieder ausgegeben. Ich weise darauf hin, dass die tatsächliche Stimmabgabe erst nach Namensaufruf möglich ist. Nur so ist ein reibungsloser und geordneter Wahlgang möglich. Sie finden hier vorne dann die Urnen vor, die eindeutig gekennzeichnet sind, eine Urne für die Ja-Stimmen, eine Urne für die Nein-Stimmen und eine Urne für die Enthaltungen sowie für die nicht benötigten restlichen Karten und Umschläge.

Ich eröffne also die Abstimmung über den Antrag der AfD-Fraktion auf Annahme einer Entschließung Drucksache 18/1426, und ich bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

[Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmkarten]

Hatten alle anwesenden Mitglieder des Hauses die Möglichkeit abzustimmen? – Das ist noch nicht der Fall. Dann warten wir solange.

Ein neuer Versuch! Hatten alle anwesenden Mitglieder des Hauses die Möglichkeit abzustimmen? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Präsidiumsmitglieder, die Auszählung vorzunehmen. Für die Dauer der Auszählung wird die Sitzung unterbrochen.

[Auszählung]

Meine Damen und Herren! Dann können wir in der Sitzung fortfahren. Ich bitte, wieder Platz zu nehmen beziehungsweise den Plenarsaal zu betreten.

Ergebnis der namentlichen Abstimmung, Thema „Global Compact for Safe“ – Drucksache 18/2426 –: Abgegebene Stimmen: 139, Ja-Stimmen 19, Nein-Stimmen 119, Ungültige Stimmen: eine. – Damit ist der Antrag auf Drucksache 18/1426 abgelehnt.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich komme zur

lfd. Nr. 4:

Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/1398

Erste Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/1398-1

Änderungsantrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/1398-2

Ich eröffne die erste Lesung. – Ich habe die Vorlage auf Antrag des Senats vorab federführend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und mitberatend an den Ausschuss für Kommunikationstechnologie und Datenschutz sowie an den Hauptausschuss überwiesen – und darf Ihre nachträgliche Zustimmung hierzu feststellen. Zu der Vorlage liegen Ihnen die zuvor genannten beiden Änderungsanträge der AfD-Fraktion als Tischvorlage vor. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke und hier die Kollegin Kittler. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es war das Jahr 2008, da hatte Rot-Rot den Mut, das dreigliedrige Schulsystem abzuschaffen, und neben der ISS und dem Gymnasium das Pilotprojekt Gemeinschaftsschule auf den Weg zu bringen. Elf Berliner Schulen begaben sich damals auf diesen Weg, mittlerweile sind es 24, und aus den Bezirken werden uns neue Interessenten und Interessentinnen gemeldet. Die Schulkonferenzen hatten dies mit großer Mehrheit beschlossen, weil die Kollegien gemeinsam mit den Eltern und auch Schülern und Schülerinnen nicht mehr hinnehmen wollten, dass der Bildungserfolg in erster Linie von der sozialen Herkunft abhängig ist.

In den zurückliegenden zehn Jahren hat sich die Gemeinschaftsschule als Erfolgsmodell erwiesen, das Schule macht. 2016 legte die wissenschaftliche Begleitung der Pilotphase ihren Abschlussbericht vor, der belegte, dass es Gemeinschaftsschulen wirklich gelingt, den Bildungserfolg ihrer Schülerinnen und Schüler von der sozialen Herkunft abzukoppeln und sich zu Schulen für alle zu entwickeln, in denen alle erfolgreich lernen können, hochbegabte Kinder genauso wie Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Es war übrigens die allerletzte Rederunde in der 17. Legislaturperiode in diesem Haus vor der Wahl im September 2016, als wir über die Gemeinschaftsschule als Regelschule diskutiert haben, für die sich neben Stefanie Remlinger und mir, auch Lars Oberg und Martin Delius – beide nicht mehr in unserem Haus – ausgesprochen haben. R2G war schon in Sicht und wurde dann nach der Wahl mit dem Koalitionsvertrag Realität, in dem die Gemeinschaftsschule als schulstufenübergreifende Regelschule als ein Ziel verankert worden ist. Dieser Kreis wird sich nun schließen. Das wird ein großer Tag für mehr Bildungsgerechtigkeit.