Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um mit dem Schluss zu beginnen: Die FDP wird diesen Antrag unterstützen.
Wir denken, dass Wahlrechtsausschlüsse heute einfach nicht mehr zeitgemäß sind. Es ist viel von der UN-Behindertenrechtskonvention gesprochen worden. Es gibt aber noch andere Dinge. Bereits 1992 hat sich das Betreuungs
recht geändert. Seitdem gibt es eben keine Entmündigungen mehr. Auch das hat an dieser Stelle sehr konkrete Konsequenzen. Und ein Blick auf den Betreuungsgerichtstag zeigt, dass auch aus dieser Richtung einfach Handlungsbedarf besteht.
Es ist vieles von meinen Vorrednerinnen und -rednern gesagt worden. Es wurde bereits gesagt, dass es eben keine Benachteiligung wegen Behinderung geben darf und dass Teilhabe ermöglicht werden muss, und das gilt natürlich auch für Personen, die wegen Schuldunfähigkeit in psychiatrischen Einrichtungen sind – auch dazu hatten meine Kolleginnen schon vieles gesagt –, sei es die Ungleichbehandlung gegenüber denen, die erst innerhalb der Justizvollzugsanstalt erkrankt sind, oder ganz generell Menschen in geschlossenen Einrichtungen.
Deswegen ist ja Berlin an der Stelle auch nicht die absolute Avantgarde. Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg haben ihre Wahlrechte schon entsprechend geändert, wobei ich es – die Zahlen wurden schon ein paarmal genannt – schon interessant finde, dass in Berlin so relativ wenige betroffen sind – mit 680, 690. Wenn man die Debatte verfolgt, liest man, dass die Zahl bundesweit weit in die Zehntausende geht. Das scheint also in anderen Bundesländern ein sehr viel größeres Problem zu sein.
Ein Problem gibt es aus unserer Sicht mit diesem Antrag: Es ist leider eine Trockenübung, denn das Ganze wirkt sich natürlich nur direkt auf Berlin aus. Die Kollegin Topaç sprach es an. Es gibt auch einen Antrag der FDP im Bundestag. Der Versuch einer Einigung noch in diesem Jahr ist leider gescheitert. Wenn das aber erst im nächsten Jahr passiert, heißt das, dass es eben keine Regelung zur Europawahl geben wird. Es wäre also insofern schön, wenn insbesondere die SPD sich an der Stelle mal ehrlich macht und einfach im Bundestag für eine Mehrheit sorgen würde.
Denn so bleibt das Ganze letztlich ein Schaufensterantrag, der vermutlich erst 2021 zieht – immer vorausgesetzt, der Koalition gehen bis dahin nicht die Staatssekretäre aus, die man beurlauben kann. Dann könnte es natürlich auch sein, dass wir früher wählen. Aber wann auch immer die nächste Wahl ist, es wäre sinnvoll, dass dann alle Berlinerinnen und Berliner an diesen Wahlen teilnehmen können – auch die knapp 700, die es beim letzten Mal nicht konnten. – Vielen Dank!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und
mitberatend an den Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, und dann verfahren wir so.
Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen vor weiterem Schaden bewahren: Hubertus Knabe wieder einsetzen und Aufklärung in unabhängige Hände legen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße auch ganz herzlich unsere Gäste und die Vertreter der Aufarbeitungsinitiativen.
In knapp elf Monaten jährt sich der Jahrestag des Mauerfalls zum 30. Mal. Mit Bestürzung, ja mit Fassungslosigkeit nehmen viele Opfer des SED-Unrechts, aber auch weite Teile der Öffentlichkeit die Vorgänge um die Gedenkstätte Hohenschönhausen wahr. Die Entlassung von Hubertus Knabe hat der Arbeit der Gedenkstätte im Vorfeld dieses wichtigen Jahrestages schweren Schaden zugefügt. Einige Bürgerrechtler sprechen gar von einem Enthauptungsschlag gegen Hohenschönhausen. Viele fragen: Warum all das, obwohl bis heute Hubertus Knabe kein persönliches Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte?
Ja, das ist so. – Wer die Stellungnahmen von Senator Klaus Lederer und Staatssekretär Torsten Wöhlert unter die Lupe nimmt, wie das in vorbildlicher Weise der Kollege Wansner in seinen Anfragen getan hat, bekommt keine Antworten. Dafür stößt er aber auf umso mehr neue Fragen und Ungereimtheiten. Wer ehrlich ist, muss feststellen, Herr Lederer: Nichts, aber auch gar nichts, was uns der Senat hier aufgetischt hat, vermag zu überzeugen.
Deswegen und weil uns Hohenschönhausen nicht egal sein kann, können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir brauchen endlich eine unabhängige Aufklärung aller Vorgänge, die zur Entlassung von Hubertus Knabe geführt haben. Und unabhängige Aufklärung, Herr Lederer, das kann nicht die persönliche Mitarbeiterin sein, die mal eben die Gespräche mit den betroffenen
Frauen an sich zieht. Das kann auch nicht jene Anwaltskanzlei sein, die den Senat in der gerichtlichen Auseinandersetzung mit Hubertus Knabe vertritt, also Partei ist. Und am allerwenigsten kann das Marianne Birthler sein, von der jeder weiß, dass sie seit Jahren mit Hubertus Knabe im Clinch liegt.
Marianne Birthler macht übrigens selbst gar keinen Hehl daraus, dass sie alles andere als unbefangen ist. In einem ihrer zahlreichen Interviews der vergangenen Tage, die man als regelrechten Interviewfeldzug gegen Hubertus Knabe auffassen muss, gibt sie eine lange Konfliktgeschichte mit Hubertus Knabe unumwunden zu. Und genau hier, bei dem Mangel an unabhängiger Aufklärung, setzt unser Antrag an. Wir müssen eine unabhängige Untersuchung auf die Spur setzen, die diesen Namen auch wirklich verdient.
Das sind wir nicht nur Hubertus Knabe, sondern auch Hohenschönhausen und den Opfern des DDR-Unrechts schuldig. Da verstehe ich auch, ehrlich gesagt, den Kultursenator nicht. Wenn Sie nichts zu verbergen haben, Herr Dr. Lederer, warum stellen Sie sich dann gegen eine unabhängige Aufklärung?
Um objektiv urteilen zu können, müssen wir wissen, wer im Umfeld der Stiftungsratssitzung am 11. Juni welche Kenntnisse von der Abfassung des Briefes der betroffenen Frauen hatte und ob die Kulturverwaltung an der Erstellung des Briefes beteiligt war. Weder sind meine diesbezüglichen Fragen noch die Fragen des Kollegen Wansner beantwortet worden. Das Gleiche gilt für die schier unglaublichen Vorgänge um die Abberufung von Hubertus Knabe am 25. November. Sie müssen uns einfach einmal erklären, Herr Dr. Lederer, welche neuen belastenden Erkenntnisse eigentlich bei Ihnen am Freitagnachmittag aufgeploppt sind, die es rechtfertigen würden, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion so vorzugehen, wie Sie es getan haben.
All diese Vorgänge ergeben nur dann einen Sinn, wenn man auch die politische Dimension in Rechnung stellt. Auch hier nimmt übrigens Marianne Birthler in ihren Interviews gar kein Blatt vor den Mund. Die ganze Richtung in Hohenschönhausen passt Ihnen nicht, das ist doch die Wahrheit, Herr Lederer!
Was Sie an Hubertus Knabe stört, Herr Lederer, ist, dass er neben allem, was er für Hohenschönhausen geleistet hat, immer auch ein Mahner und Warner vor den Gefahren der Verharmlosung des DDR-Unrechts und ein Streiter gegen den Linksextremismus geblieben ist.
Ja, ganz genau! – Allein wenn ich mir das zu Ende gehende Jahr anschaue, da war es Hubertus Knabe, der 5 Millionen Euro für ein Projekt zur Erfassung aller Opfer des Kommunismus in Deutschland mobilisiert hat. Es war Hubertus Knabe, der weitere 5 Millionen Euro für die Erforschung des Linksextremismus mobilisiert hat, ein Feld, auf dem dringender Handlungsbedarf besteht.
Es war Hubertus Knabe, der seinen Kopf hingehalten hat für eine Podiumsdiskussion in Hohenschönhausen zum Thema „Linksextremistischer Straßenterror ein Jahr nach Hamburg“. Und es war Hubertus Knabe, der mit einem umfangreichen Dossier auf die Beschädigung des Gedenkorts Keibelstraße bei der Sanierung durch die Senatsbildungsverwaltung hingewiesen hat und sich dabei den Unmut des Senats zugezogen hat. Hier sind die tieferen Ursachen für die Krise in Hohenschönhausen zu suchen und nirgendwo sonst, Herr Lederer!
um einen politisch unliebsamen, aber höchst erfolgreichen Gedenkstättenleiter loszuwerden. Das werden wir nicht mitmachen.
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Namen meiner Fraktion möchte ich hier sehr deutlich sagen, die Entscheidung, Hubertus Knabe als Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen abzuberufen, war richtig.
Ein Mitglied des Stiftungsrats hat in diesem Zusammenhang von hässlichen Einblicken gesprochen, die ganz bewusst nicht benannt werden. Der Stiftungsrat sei zu dem Ergebnis gekommen, dass Knabe die Missstände über Jahre geduldet, gedeckt und durch seinen Führungsstil befördert habe. Das sind deutliche Worte. Und diese deutlichen Worte stammen von niemand anderem als von Monika Grütters.