Clara West

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Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wohl nicht nur für mich war der gefühlte Wendepunkt in der Coronakrise wohl ausgerechnet ein Freitag der 13. An diesem 13. März wurde bekannt, dass es zu massiven Einschränkungen im öffentlichen Leben kommen würde und dass die Schulen bis auf Weiteres geschlossen werden. Ich bin nicht sehr abergläubisch, aber das passt schon. Seitdem ist nichts mehr so, wie es einmal war. Wir haben wesentliche Elemente unserer Freiheit in die Hände der Regierung gelegt. Wir können das nur deshalb guten Gewissens tun, weil diese Regierung frei gewählt ist und weil wir der Belastungsfähigkeit
unser Verfassung und der demokratischen Institutionen des Rechtsstaats vertrauen können, müssen und wollen. Aber das bleibt ein großer Schritt, der mir und wohl den meisten hier nicht leicht gefallen ist.
Wir haben ihn deshalb getan, damit die Kurve flach bleibt. Damit am Ende jeder, der ernsthaft erkrankt, eine gute medizinische Versorgung bekommt, damit uns Schreckensbilder von Ärztinnen und Ärzten erspart bleiben, die darüber entscheiden müssen, wer leben darf und wer nicht.
Mit dem wachsenden Vertrauen in die Regierung wächst aber auch die Verantwortung, die die Regierung trägt und der sie gerecht werden muss. Dieses Vertrauen ist ein kostbares Gut. Die letzten zwei Wochen haben gezeigt, dass wir nicht nur dem Senat, sondern vor allem uns untereinander vertrauen können. Der allergrößte Teil der Berlinerinnen und Berliner nimmt die Einschränkungen in Kauf und verhält sich solidarisch. Es ist deutlich geworden, dass der Berliner Senat alles Menschenmögliche tut, damit wir diese Krise gemeinsam überstehen. Es ist nicht die erste Krise dieser Stadt, und es wird nach menschlichem Ermessen auch nicht die letzte sein. Aber das hier ist eine Krise, der wir uns zu stellen haben und mit der wir fertig werden. Das ist keine kühne Prognose, das ist kein Zweckoptimismus, das ist begründete Zuversicht.
Nur zwei Tage nach jenem Freitag kündigte der Finanzsenator via Facebook das an, was unter anderem meine Kollegin Iris Spranger – die heute leider nicht hier sein kann – oder Tim Renner in den vorhergehenden Tagen unermüdlich gefordert hatten: dass man nämlich keine Zeit verlieren darf, Förderprogramme, gerade für Soloselbstständige und Kleinunternehmen, jetzt schnell anzuschieben. Vor ziemlich genau zwei Wochen waren wir also an dem Punkt, dass ein solches Programm zum ersten Mal angekündigt wurde. Hier kann man sehr gut beobachten, wie sich unser Zeitempfinden bereits in mehrfacher Hinsicht verschoben hat. Einerseits erscheint uns die Zeit, in der wir geliebte Menschen nicht mehr in den Arm schließen konnten, wie eine schier endlose Ewigkeit, andererseits sind wir heute politisch, zwei Wochen später, an einem ganz anderen Punkt. Das wirtschaftliche Hilfsprogramm ist nicht nur beschlossen, sondern seit sechs Tagen – wenn auch mit Anlaufschwierigkeiten – Wirklichkeit geworden. Wer hätte das vor zwei Wochen gedacht?
Am 27. März konnte man erstmals den Antrag auf Soforthilfe online bei der IBB einreichen. Ja, das System ist erst einmal aufgrund der unglaublich hohen Zahl von Anträgen kollabiert. Ich kann den Ärger derjenigen verstehen, die zum Teil viele Stunden lang erfolglos vor dem Rechner gesessen und gewartet haben und nicht mehr weiterkamen. Es ging um die Möglichkeit, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter zu bezahlen, und es ging auch
um wirtschaftliche Not und um die pure wirtschaftliche Existenz. Heute, sechs Tage später, haben mehr als 130 000 Kleinunternehmerinnen und -unternehmer die Soforthilfe ausbezahlt bekommen.
Natürlich können weiter Anträge gestellt werden. Mittlerweile schafft es die IBB, 6 000 Anträge pro Stunde zu bearbeiten. Es werden noch viele weitere kommen, so viel ist sicher. Vielleicht wird es, und das ist eine Frage der Erfahrungen, noch mal zu technischen Problemen kommen. Ich will es nicht hoffen. Das Entscheidende ist aber, dass man hier sichtbar sein Bestes gibt, und dass dieses Programm kein falsches Versprechen aus einer Sonntagsrede ist, sondern dass die zugesagten Hilfen wirklich kommen.
Auch für uns Haushälterinnen und Haushälter hat sich die Welt um 180 Grad gedreht. Auf einmal geht es darum, möglichst viel Geld auszugeben und unter die Leute zu bringen: für medizinische Ausrüstung, Zuschüsse, Darlehen, Bürgschaften, Kurzarbeitergeld, um nur einige besonders wichtige Maßnahmen zu nennen. Aktuell bereitet der Senat zwei Nachträge für den Haushalt vor, um die finanziellen Lasten der Krise abzufedern. Darüber werden wir voraussichtlich im Mai hier im Parlament zum ersten Mal beraten.
Die zweite Runde wird vermutlich nicht einfach werden, denn es ist davon auszugehen, dass es zu massiven Einbrüchen bei den Steuereinnahmen kommt, zumal das Entgegenkommen der Finanzämter, zum Beispiel über die Stundung der Vorauszahlung, ein nicht unwichtiges Hilfsinstrument ist. Bis zu 2,6 Milliarden Euro an neuen Krediten könnten notwendig werden, um Steuerausfälle auszugleichen. Vermutlich werden wir nach vielen Jahren ausgeglichener Haushalte erstmals wieder in die Neuverschuldung gehen müssen. Wir wissen das, wir verschweigen das nicht, und wir sind weder blöd noch verlogen. Wir sind zuversichtlich.
Es zeigt sich, dass wir mit unserem Investitionsfonds SIWANA ein flexibles Instrument geschaffen haben, das gerade in einer Notsituation wie dieser hilft, schnell und unkompliziert das Nötigste zu finanzieren, etwa das Coronavirus-Behandlungszentrum bei der Messe. Wer hätte noch vor ein paar Wochen gedacht, dass wir es dringend brauchen. Dabei sind und bleiben aber die wirtschaftlichen Soforthilfen mit Abstand der größte Brocken. Vor wenigen Tagen waren es noch 100 Millionen Euro aus der Landeskasse, die dafür vorgesehen waren. Es ist abzusehen, dass im ersten Nachtrag schon ein Vielfaches davon drinstehen wird. Die IBB hat in den ersten Tagen bereits 1,2 Millionen Euro an Zuschüssen aus
Landes- und Bundesmitteln ausgezahlt. Es kann sein, dass aufgrund der überwältigenden Nachfrage der Landesanteil am Ende bis auf 1 Milliarde Euro steigt. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Kleinlichkeit wäre jetzt mehr als fehl am Platze.
Es geht nicht um abstrakte Größen oder irgendwelche Institutionen, es geht um die vielen kreativen Köpfe, die als Soloselbstständige und Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer die wirtschaftliche Dynamik unserer Stadt ausmachen. Wir stehen zu ihnen, ohne Wenn und Aber, und ich hoffe, dass das bei den Betroffenen angekommen ist. Es ist überhaupt nicht egal, ob jemand durch die Krise kommt oder nicht. In Berlin ist vielleicht nicht alles perfekt, aber wenn es darauf ankommt, dann kann man sich hier aufeinander verlassen. Wir werden möglicherweise nicht verhindern können, dass einzelne Unternehmen in die Schieflage geraten, aber wir können dafür sorgen, dass möglichst viele von ihnen wirtschaftlich überleben. Wir werden noch viel zu tun haben, um die Risiken auch nach der Krise fair zu verteilen.
Zwei Gedanken zum Schluss: Wir leben auch und gerade in dieser Krise nicht unter einer Käseglocke. Alles, worüber wir heute debattieren, ist kein Berliner Problem; es ist ein europäisches Problem. Wir Demokraten in Europa müssen uns noch besser als bisher zusammenraufen, um die Krise gemeinsam zu meistern. Wir müssen solidarisch sein, auch gegenüber Ländern wie Italien, die es besonders hart trifft. Wir sollten zeigen, dass wir nicht nur unter uns bereit sind, jetzt unbürokratisch und ohne Kleinlichkeit zu helfen. Eurobonds könnten hier ein wichtiges Signal sein.
Jeder für sich und Gott gegen alle – damit kommen wir nicht weit.
Ein paar Worte noch an diejenigen, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, das berühmte Haar in der Suppe zu suchen und zu finden: Liebe Miesmacher! Ihr werdet garantiert sichere Beweise dafür finden, dass Berlin sowieso nichts hinkriegt. Ihr müsst einfach nur die Fakten konsequent ignorieren. In keinem Bundesland wurde ein Programm für Klein- und Kleinstunternehmer schneller umgesetzt als in Berlin. Kein Bundesland bietet ihnen bislang bessere Bedingungen. Im Unterschied zu vielen anderen Bundesländern setzt das Land Berlin hier eigene Mittel ein. Deshalb konnten wir das Förderprogramm früher und breiter umsetzen. Ich glaube, dass wir hier neue Maßstäbe gesetzt haben, deren Halbwertszeit nicht mit der Krise endet. Ich glaube, dass wir diesen Mut und diesen Tatendrang auch in die Zeit danach mitnehmen werden. Und ich glaube, dass wir die Kraft haben, die Pandemie gemeinsam zu überstehen. – Danke!
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann gar nicht oft genug betonen, wie wichtig die Clubkultur für Berlin ist, aber da der Kollege Goiny darauf verzichtet hat und wir das schon in der ersten Runde ausgiebig besprochen haben, würde ich jetzt auch gleich ans Eingemachte gehen. Wir haben jetzt zum zweiten Mal den konkreten Antrag der CDU-Fraktion vorliegen, der aus meiner Sicht schon in der ersten Lesung eigentlich überholt gewesen ist und der es nun in der zweiten Lesung endgültig ist.
Die Griessmühle ist, dank des engagierten Einsatzes des Bezirksamts und der Kulturverwaltung vorübergehend in einer öffentlichen Liegenschaft untergekommen, sodass Zeit gewonnen wurde, um den Gesprächsfaden mit der Eigentümerin, einer Tochter der österreichischen Sparkasse, wieder aufzunehmen und eben zu vertiefen. Das Ziel bleibt weiterhin, dass die Griessmühle an ihren Originalstandort zurückkehren kann.
Finde ich auch gut, wenn das klappt! – Der Kulturausschuss hat nun in guter Absicht eine veränderte Fassung beschlossen, der wir im Hauptausschuss nicht gefolgt sind, weil die allgemeine Forderung, dass sich der Senat für die Griessmühle einsetzen soll, schlichtweg schon erfüllt ist. Insofern kann damit auch kein Präzedenzfall geschaffen werden, Herr Goiny, weil die Forderung an der Stelle so allgemein ist, dass Sie das nicht erfüllen können.
Es hilft der Griessmühle kein Stück weiter, wenn wir Dinge beschließen, die bereits in der Umsetzung sind. Es ist daher schlicht eine Frage der Vernunft, dem Antrag auch in der geänderten Fassung nicht zuzustimmen. Es bleibt wichtig, dass wir uns gemeinsam für die Griessmühle und für eine vorausschauende Liegenschaftspolitik einsetzen, aber das tun wir nicht, indem wir uns in einem Überbietungswettbewerb ergehen, wer am häufigsten oder am lautesten schreit, ob er diesen oder den nächsten
Club retten will. In diesem Fall gilt umso mehr: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. – In diesem Sinne wünsche ich allen, die daran beteiligt sind, viel Erfolg. – Danke!
Sie werden mir ja sicher zustimmen, dass Sie wahrscheinlich auch dagegen sind, dass sich der Staat in die Wirtschaft einmischt und Unternehmen staatlich lenkt. Insofern wäre meine Frage, ob Sie denn dann auch gegen Wirtschaftsförderung sind in der Logik?
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gutes Personal im öffentlichen Dienst zu gewinnen und zu halten, ist und bleibt alles andere als einfach. Weder der Bevölkerungszuwachs noch der Fachkräftemangel gehen an uns spurlos vorbei. Dementsprechend ist das Thema Personalgewinnung schon seit vielen Jahren ein wichtiges Thema für uns im Parlament wie auch im Senat. Wir haben darüber regelmäßig im Plenum gesprochen; hier heute alleine drei Mal – im Hauptausschuss wie auch im Unterausschuss Personal.
Der vorliegende Antrag dokumentiert daher vielleicht den Willen der FDP-Fraktion, sich mit gut gemeinten Vorschlägen an der Debatte zu beteiligen. Er bleibt aber in mehrfacher Hinsicht hinter dem zurück, was wir längst angeschoben haben und was der Senat bereits erfolgreich umsetzt. Er bleibt übrigens auch hinter dem zurück, was schon länger möglich ist. Im Land Berlin kann schon heute ein Sonderzuschlag in Höhe von zehn Prozent des Anfangsgrundgeldes etwa dann gewährt werden, wenn ein wichtiger Dienstposten sonst nicht besetzt werden kann.
Was mich an Ihrem Antrag etwas verwundert, ist die Tatsache, dass Sie Ihr Füllhörnchen lediglich über die Beamtinnen und Beamten ausschütten wollen. Zu den Angestellten ist Ihnen offenbar nichts eingefallen, vielleicht haben Sie sie aber auch vergessen.
Ich warte darauf! – Was mich auch verwundert, liebe FDP: Unter dem Titel „Gutes Personal gewinnen und binden“ machen Sie ausschließlich Vorschläge für finanzielle Anreize. Das wundert mich insofern, als Herr Schlömer gerade selbst noch viele andere Punkte aufgezählt hat, die jedoch in dem Antrag im Sinne von Maßnahmen nicht vorkommen.
Müssen Sie gar nicht! Dazu haben wir nämlich schon eine ganze Menge eingebracht. – Der Mammon ist nicht schnöde, und natürlich ist Geld nicht egal. Wir sind aber bei der Bezahlung schon längst nicht mehr Schlusslicht. Wir haben sowohl bei den Angestellten als auch bei den Beamten kräftig auf den Durchschnitt der Länder aufgeholt, und darauf können wir stolz sein.
Die Gründe, warum jemand geht oder bleibt – Sie haben sie zum Teil selbst aufgezählt –, sind in Wahrheit vielfäl
(Bernd Schlömer)
tiger. Da kann allein ein Prämiensystem keine Lösung darstellen.
Wir werden den Wettbewerb um die besten Köpfe jedenfalls nicht gewinnen, indem wir einfach mit Geld um uns werfen, was wir nicht haben. Es wäre schlichtweg unrealistisch, den Bund als Konkurrenten damit finanziell einholen zu wollen. Wenn man sich die Ergebnisse der entsprechenden Mitarbeiterbefragungen anschaut, zeigt sich, dass Geld einer von vielen Faktoren ist, die den Ausschlag geben. Wettbewerbsvorteile als öffentlicher Arbeitgeber hat man vor allen Dingen dann, wenn man eine gute realistische Aufstiegsperspektive bietet, wenn das Arbeitsklima stimmt und sich Familie und Beruf unkompliziert miteinander vereinbaren lassen. So gewinnt man motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Es geht gerade den Jüngeren nicht nur ums Geld um jeden Preis und auf Kosten der Familie – ich hätte jetzt beinahe das Wort Work-Life-Balance eingebaut –, es geht um Lebensqualität. Genau in diese Richtung gehen bereits alle Bestrebungen, die wir im Parlament und im Senat angeschoben haben. Dazu können wir uns im Ausschuss und Unterausschuss noch einmal gemeinsam die aktuellen Berichte anschauen. Ihren Antrag sollten wir jedenfalls erst mal dorthin überweisen. – Danke schön!
Herr Trefzer! Es ist jetzt bei mehreren Wortbeiträgen erwähnt worden, vielleicht können Sie mir weiterhelfen: Man kann der SPD ja wahnsinnig viel vorwerfen, aber warum unsere Glaubwürdigkeit jetzt ausgerechnet an der Frage der Verteidigung von Paul von Hindenburg hängt, habe ich in der ganzen Debatte noch nicht verstanden.
Ich weiß nicht, vielleicht bin ich jetzt ein bisschen weiter: Sie meinen also, das Problem der SPD ist, dass wir eine Partei sind, in der es Leute gibt, die unterschiedliche Meinungen haben?
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die drohende Schließung der Griessmühle ist ein trauriges, aber typisches Beispiel dafür, dass der städtische Raum insgesamt, aber speziell auch für die Musik- und Clubkultur schon seit vielen Jahren immer knapper wird. Vom Verwertungsdruck in unserer Stadt bleibt am Ende niemand verschont. Kitas, neuerdings auch Nobelkaufhäuser und Parteizentralen – mittlerweile ist eigentlich jeder von abenteuerlichen Mietsteigerungen oder lukrativer Umwandlung bedroht. Die Clubkultur leidet darunter schon seit geraumer Zeit. Die räumlichen Nischen, die sie sich vor vielen Jahren mal erobert hat, gibt es schon lange nicht mehr. Wir müssen unsere öffentlichen Flächen vorausschauender nutzen. Das ist richtig, wenn wir über das Lebensnotwendige hinaus auch das in Berlin erhalten wollen, was unsere Stadt zu einer so großartigen und besonderen Metropole macht.
Der vorliegende Antrag der CDU fordert aber zum einen etwas ein, was bereits passiert. Die Verwaltung ist bereits aktiv geworden. Der Bezirksbürgermeister Martin Hikel und die beiden Stadträte Karin Korte und Jochen Biedermann bemühen sich derzeit sehr intensiv darum, zwischen den Betreibern und der Eigentümerin, einer Tochtergesellschaft der österreichischen Sparkasse, zu vermitteln. Das ist der richtige Weg. Sie machen aber den zweiten Schritt vor dem ersten, denn der Mietvertrag läuft
Ende Januar aus, wie Sie sagen, und bis dahin wird es weder privat noch öffentlich einen Ersatz geben können. Bevor also die Frage geklärt werden kann, ob der Club am gleichen Ort bleiben kann oder ob man prüfen sollte, ob es private oder öffentliche Ersatzstandorte gibt, muss erst mal abgewendet werden, dass er in zwei Wochen dichtgemacht wird, sonst gibt es nämlich keinen Club mehr, den man retten kann.
Sie haben recht, was die strategische Vergabe von Liegenschaften anbetrifft. Da will ich gerne eingestehen, dass wir da durchaus weiterkommen müssen, aber leider haben wir noch keinen vollständigen Gesamtüberblick über unsere öffentlichen Gebäude und Grundstücke, und das liegt unter anderem daran, dass einzelne Bezirke wie zum Beispiel das CDU-regierte Steglitz-Zehlendorf sich nach wie vor weigern, ihre öffentlichen Grundstücke beim Land zu melden. Dies wäre allerdings eine Voraussetzung dafür, dass man zu einer strategischen Liegenschaftspolitik kommt, mit der man der Clubkultur und anderen Institutionen möglicherweise eine Perspektive bieten könnte, wie Sie ja richtig fordern.
Ich fände es also gut, wenn wir uns gemeinsam für die Griessmühle einsetzen würden, und konstruktive Vorschläge für eine gute Liegenschaftspolitik sind natürlich immer hochwillkommen. Den vorliegenden Antrag braucht aber wirklich niemand.
Was wir brauchen, ist auch in Zukunft ein Nachtleben, das seinen Namen verdient und das Berlin alle Ehre macht.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 9. November ist ein sehr deutscher Gedenktag. Er steht für die Novemberrevolution 1918, er steht für die Pogromnacht des Jahres 1938. Aber, er steht eben auch für den vielleicht glücklichsten Moment der deutschen Geschichte, für den Tag im Jahr 1989, an dem sich die Berlinerinnen und Berliner aus beiden Teilen der Stadt in den Armen lagen. Es stimmt nachdenklich, wie viele Träume und Hoffnungen von damals nicht in Erfüllung gegangen sind. Darüber wird in den nächsten Tagen ziemlich viel gesprochen und diskutiert werden. Ich möchte aber das Augenmerk auf die Zukunft lenken und
damit auf das, was nach 30 Jahren noch zu tun bleibt, um die deutsche Einheit zu vollenden.
Vor ein paar Wochen bin ich mit meiner sechsjährigen Tochter auf dem Weg nach Teltow gewesen und dabei haben wir den Berliner Mauerweg überquert. So kam es, dass ich ihr etwas über die Teilung unserer Stadt erzählt habe. Ich sage Ihnen, es ist alles andere als leicht, diese Geschichte einer Sechsjährigen zu vermitteln. Für sie muss sich das angehört haben wie ein bizarres Märchen, das Pankowerinnen, die 30 Jahre vor ihr am gleichen Ort wie sie geboren und aufgewachsen sind, damals nicht einfach in die S-Bahn steigen und nach Lichterfelde fahren konnten. Wie konnte ich ihr verständlich machen, dass die Straße, auf der wir gerade unterwegs waren, von einer unüberwindlichen Mauer geteilt wurde?
Die Vermittlung unserer gemeinsamen Geschichte an die Nachgeborenen, das ist eine Riesenherausforderung. Mittlerweile haben ja auch die Älteren und die Vermittelnden keine eigenen Erfahrungen mehr mit der Teilung und ihren bitteren Konsequenzen.
Eine besondere Herausforderung ist und bleibt die Verantwortung für die Opfer. Sie verdienen Anerkennung, Respekt und Rehabilitation, ohne Fristen und Einschränkungen. Deshalb freue ich mich sehr, dass der Deutsche Bundestag unserer Länderinitiative gefolgt ist und die Entfristung der Unrechtsbereinigungsgesetze kürzlich beschlossen hat.
Genauso wird es eine Herausforderung bleiben, insbesondere in Westdeutschland, noch stärker ins öffentliche Bewusstsein zu verankern, dass die Geschichte der deutschen Teilung und der kommunistischen Diktatur in der DDR ein gesamtdeutsches Thema sind und zum selbstverständlichen Teil der Bildung werden müssen.
Dazu gehört auch die Tatsache, dass die Ostdeutschen mit der Friedlichen Revolution die kommunistische Diktatur gewaltlos überwunden haben, sie haben die Mauer niedergerissen und das Tor zur Einheit geöffnet. Dem gebührt ein fester Platz in der deutschen Erinnerungskultur.
Nicht zuletzt ist und bleibt es eine immerwährende Herausforderung, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nie als Selbstverständlichkeit zu nehmen, sondern immer wieder neu zu verteidigen. Durch glaubwürdiges politisches Handeln und indem wir Politiker sagen, was wir tun, und indem wir tun, was wir sagen. Gerade in Zeiten einer kurzlebigen Öffentlichkeit, die sich an Spektakeln ergötzt, die schnell durch die Medien rauschen und ebenso schnell wieder vergessen werden wie sie aufgepoppt sind.
(Dr. Robbin Juhnke)
Am Ende bleibt dann nichts mehr übrig als die traurige Einsicht, dass niemand mehr erkennen kann, wofür wir eigentlich stehen.
Aber Politik ist eben nicht nur eine Sache von Politikerinnen und Politikern. Sie ist die Sache eines jeden Einzelnen. Wenn jeder in der DDR gedacht hätte, dass an ihm die Veränderung nicht hängt, dann hätte es nie eine friedliche Revolution gegeben. Was wir im Kleinen tun, ist immer auch Teil des Großen und Ganzen.
Der Blick zurück kann zeigen, dass es möglich ist, etwas zu verändern. Wir müssen aber auch sehen wollen, was uns ermutigen kann. Wir müssen den Streit aushalten und lernen, ihn offen und fair miteinander auszutragen. Gerade in unserer großartigen Stadt sollten wir in der Lage sein, diese Herausforderung zu meistern. Es gehört gleichermaßen dazu, dann zusammenzustehen, wenn es darauf ankommt.
Ich bedauere es sehr, dass es heute nicht gelungen ist, einen gemeinsamen Entschließungsantrag einzubringen. Ich bedaure es noch mehr, dass heute – wie ich finde – unser demokratisches Miteinander und auch der Grundkonsens, der hier im Haus besteht, einen immensen Schaden erlitten haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Gerade im Hinblick – –
[Gunnar Lindemann (AfD): Wir leben in einer Demokratie und nicht in einer SED-Diktatur! – Carsten Ubbelohde (AfD): Da Sie sich trauen, das an dieser Stelle überhaupt zu sagen! – Weitere Zurufe von der AfD]
Sie können ja Ihren Standpunkt gleich in Ihrer Rede deutlich machen. Ich mache es jetzt in meiner. – Ich möchte nämlich die Kolleginnen und Kollegen von der CDU an dieser Stelle fragen: War es das wert?
Im Übrigen möchte ich mich zum Schluss noch gegen eine Sache verwahren, muss ich ehrlich gestehen, gerade in Hinblick auf meine eigene Parteigeschichte: Zu sagen, dass auch Teile der SPD, oder die SPD, in irgendeiner Form den Blick auf die Geschehnisse in der DDR heutzu
tage verwässern, das muss ich auf das Schärfste zurückweisen.
Das haben Sie jetzt nicht ernsthaft gesagt? Ich habe gehört, wir hätten dort mitgemacht. – Vielleicht gehen Sie einmal nach Hohenschönhausen, machen dort eine Führung mit und lassen sich berichten über die Mitglieder der SPD, die kurz nach der Zwangsvereinigung dort inhaftiert waren. Das ist sehr interessant. Das kann ich Ihnen an dieser Stelle ganz dringend empfehlen.
Letzter Satz: Es gibt die Chance, dass meine Tochter und alle anderen Nachgeborenen die Geschichte unserer Stadt und unseres Landes verstehen, aber nur dann, wenn wir heute das mit Überzeugung leben, wofür damals gekämpft wurde. – Danke schön!
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tom Sello hat gerade schon gesagt: Es gibt dieses Jahr viele Gründe zum Feiern –, aber bevor wir im Jubiläumsjahr des Mauerfalles die Sektkorken knallen lassen, sollten wir in aller Offenheit Bilanz ziehen, wo noch Lücken bestehen, wo Ost und West auch in unserer Stadt vielleicht noch nicht zusammengewachsen sind.
Die Geschichte der SED-Diktatur ist nicht die Regionalgeschichte des Ostens, genauso wenig, wie die Geschichte der deutschen Teilung nicht einfach nur die Regionalgeschichte Berlins ist. Gerade wir Berlinerinnen und Berliner tragen Verantwortung dafür, unsere gemeinsame Geschichte im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Es geht dabei nicht um eine rückwärtsgewandte Debatte, sondern um die Frage, was das für das Hier und Jetzt bedeutet.
Seit einigen Jahren ist ein Deutungskampf über die Folgen der deutschen Einheit für Ostdeutschland neu entbrannt. Rechtspopulisten nutzen dies gnadenlos aus und schüren das Gefühl vieler, benachteiligt worden zu sein. Diese neue Rechte biedert sich den Opfern als Anwalt an und missbraucht die Losung der friedlichen Revolution für den politischen Kampf gegen unsere gemeinsame Demokratie.
(Tom Sello)
Und das ist widerlich!
Dass dieser Samen auf fruchtbaren Boden fällt, hat auch damit zu tun, dass wir es bislang nicht geschafft haben, uns überall, auch über Generationen hinweg, darüber zu verständigen, was der Geist der friedlichen Revolution für ein vereintes Deutschland und für ein vereintes Berlin bedeutet. Ich kann immer wieder nur dafür werben, dass wir alle diese Debatte aktiv, offen und ohne Denkverbote führen. Ich für meinen Teil habe gerade gemeinsam mit einigen SPD-Mitgliedern einen entsprechenden Aufruf veröffentlicht, mit dem Ziel, diese Debatte nach innen und nach außen zu führen. Ich bin übrigens auch dankbar, dass Tom Sello heute viele dieser Punkte zur Sprache gebracht hat.
Lassen Sie uns reden über die Leistung der DDR-Bürger, die sich mit der friedlichen Revolution gewaltlos von der kommunistischen Herrschaft befreit haben, über Respekt vor der Lebensleistung der Ostdeutschen! Lassen Sie uns reden über die ökonomischen Weichenstellungen der Neunzigerjahre, über die Machenschaften der Treuhand, über den heutigen und den vergangenen Umgang mit dem Alltag der DDR! Wir dürfen uns vor diesen Fragen nicht drücken. Wir dürfen auch und gerade in diesem Jubiläumsjahr bei aller Freude nicht so tun, als könnte man das wegfeiern.
Am diesjährigen Bericht des Beauftragten kann man sehr gut festmachen, wo konkret noch Handlungsbedarf besteht. Und jedem und jeder, der vielleicht darüber nachdenkt, dass es so etwas wie diese Behörde oder den Beauftragten nach 30 Jahren nicht mehr braucht, ist es gut geraten, sich diesen Bericht genau durchzulesen. Dort finden Sie nämlich die vielfältigen Gründe dafür, warum sich Opfer oder deren Angehörige beispielsweise erst heute melden und noch keinen Antrag gestellt haben.
Was die Schließung von Gesetzeslücken betrifft, wenn es um die Opfer geht, können wir durchaus mit einigem Stolz auf die letzten Jahre zurückblicken, was wir hier in Berlin geleistet haben. Da geht es zum Beispiel darum, die teilweise traumatisierten Opfer nicht noch durch bürokratische Mühlen zu schicken. Diese und weitere Vorschläge zur Novellierung der Rehabilitierungsgesetze für die Opfer der SED-Diktatur wurden auf Grundlage eines Beschlusses dieses Parlamentes im Bundesrat auf den Weg gebracht und warten darauf, dass der Bundestag sie hoffentlich bald bestätigt. Gleiches gilt übrigens auch für die Befristung der Gesetze: Diese muss dringend gestrichen werden.
Auch ein aus meiner Sicht sehr drängendes Thema ist es, den Übergang von denjenigen, die die Diktatur und die deutsche Teilung noch selbst erlebt haben, zu den Nachgeborenen zu organisieren und auch zu denjenigen, die
von außen zu uns gekommen sind. Gerade in Berlin hat es in den letzten 30 Jahren einen massiven Bevölkerungsaustausch gegeben. Die Stadtgesellschaft hat sich verändert und verändert sich weiter.
Hier wird vom Beauftragten richtig darauf hingewiesen, dass all dies in der politischen Bildung noch kaum auf dem Schirm ist. Mittlerweile betrifft das ja an den Schulen nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Eltern und Lehrer: Wer jetzt aus dem Referendariat kommt und mit dem Unterrichten beginnt, hat die DDR oder die Mauer nicht mehr selbst erlebt. Es droht ein Verlust an Expertise und ein Abreißen der Diskussion und des Austauschs. Aber es gibt auch Chancen, die sich daraus ergeben, dass die Jüngeren heute unbefangener miteinander umgehen.
Berlin ist und bleibt ein Schmelztiegel. Wie nirgendwo sonst kann man in unserer Stadt erleben, wie sich die altbundesrepublikanische Gesellschaft seit der Wiedervereinigung verändert hat und weiter verändert, z. B. durch das Selbstbewusstsein und das Selbstverständnis der ostdeutschen Frauen in Bezug auf den § 218, bei der Arbeit oder bei der Kinderbetreuung. Es geht um uns und um unsere Kinder. Wir sind Berlinerinnen und Berliner in der Tradition von Ernst Reuter und Willy Brandt. Wir leben in einer wunderbaren und weltoffenen Stadt. Keine alte und keine neue Rechte darf, kann und wird uns daran hindern, dafür zu sorgen, dass endgültig und endlich das zusammenwächst, was immer zusammengehört hat. – Danke schön!
Herr Trefzer! Mich würde mal interessieren, wie Sie die ganzen Ereignisse rund um die Stiftung Hohenschönhausen unter frauenpolitischen Gesichtspunkten sehen.
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Namen meiner Fraktion möchte ich hier sehr deutlich sagen, die Entscheidung, Hubertus Knabe als Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen abzuberufen, war richtig.
Ein Mitglied des Stiftungsrats hat in diesem Zusammenhang von hässlichen Einblicken gesprochen, die ganz bewusst nicht benannt werden. Der Stiftungsrat sei zu dem Ergebnis gekommen, dass Knabe die Missstände über Jahre geduldet, gedeckt und durch seinen Führungsstil befördert habe. Das sind deutliche Worte. Und diese deutlichen Worte stammen von niemand anderem als von Monika Grütters.
An dieser Stelle möchte ich Frau Grütters und Herrn Dombrowski als Mitgliedern des Stiftungsrats einen besonderen Dank aussprechen.
Sie haben in den letzten Tagen und Wochen bewiesen, dass ein anständiger Umgang mit dieser scheußlichen Geschichte möglich ist.
Sie hatten den Mut, diese notwendige Entscheidung mitzutragen, und das, obwohl sie sicher geahnt haben, dass das bei ihren politischen Freunden sicher nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen wird. Der Stiftungsrat hat eine Entscheidung im Sinne der Mitarbeiterinnen und der Opfer getroffen. Was in Hohenschönhausen an angemessener Aufarbeitung und würdevollem Gedenken geleistet worden ist, was dort aufgebaut worden ist, darf nicht gefährdet und aufs Spiel gesetzt werden. Es kann und darf hier nicht um persönliche Eitelkeiten gehen.
Es geht um die Opfer und das, was sie erlitten haben. Es geht darum, dass wir uns unserer Geschichte stellen, entkommen können wir ihr sowieso nicht, niemals. Das werden Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der AfD, allerdings niemals begreifen. Für Sie und Ihresgleichen ist ja selbst das furchtbarste Verbrechen der Menschheitsgeschichte nicht mehr als ein Fliegenschiss
angesichts tausendjähriger erfolgreicher Erfolgsgeschichte.
Na, wenn Sie mir ins Wort fallen und ich mich selber nicht mehr hören kann, dann ist das manchmal etwas schwierig! Soll ich es noch mal sagen? – Gerne!
Wissen Sie, ich habe mehr Minuten, als ich hier reden möchte. Von daher: Ich wiederhole das sehr gerne noch mal, dass für Sie und Ihresgleichen selbst das furchtbarste Verbrechen der Menschheitsgeschichte nicht mehr als ein Fliegenschiss angesichts tausendjähriger deutscher Erfolgsgeschichte ist.
Und ausgerechnet Sie versuchen, sich als einzig wahre Sachwalter der Interessen der DDR-Opfer in Szene zu
(Martin Trefzer)
setzen. Das ist ein starkes Stück und eine Schmierenkomödie, und das ist peinlich.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, aber Sie versagen hier! – Weitere Zurufe von der AfD]
Angesichts sexueller Belästigung und anderer Übergriffe ausgerechnet in der Gedenkstätte schwurbeln Sie im schönsten Politiker- und Juristendeutsch etwas von „hinlänglich belegbaren Tatsachen“ daher. Sie erklären die ganze Angelegenheit zu einer Art Strafverfahren, damit die Verantwortung des Leiters nicht so ins Gewicht fällt. Sie fordern die Einsetzung eines unabhängigen Ermittlers,
und dieser Ermittler von AfD-Gnaden
soll dann offenbar irgendwie herausfinden, ob die Mitarbeiterinnen die Wahrheit sagen oder nicht oder vielleicht doch von irgendeinem roten Teufel besessen sind, als wäre die Entlassung von Herrn Knabe eine Art Hexenwerk. Die betroffenen Frauen sind Ihnen in Wirklichkeit doch total egal.
Sie haben weder Verständnis noch Mitgefühl für diese Frauen. Deshalb werden Sie begreifen, dass man in so schwierigen Situationen dafür sorgen muss, dass die Betroffenen Gehör finden, ohne Schaden befürchten zu müssen. Lehrer an den Pranger, Schulkinder als Schulspitzel und jetzt eine als unabhängige Ermittlung getarnte Hexenjagd auf die Mitarbeiterinnen der Gedenkstätte, das ist wirklich unglaublich.
Sie sind die neuen Brunnenvergifter. Sie säen Wind und Sie wollen Sturm ernten, aber das können Sie vergessen, wir werden Ihre Hexenjagd nicht zulassen. Wir verlangen Respekt vor den Opfern
und denjenigen, die sich seit Jahren wirklich um Aufarbeitung, Erinnerung und Gedenken bemühen. Diesen Respekt erwarten und verlangen wir auch von Ihnen, ja, sogar von Ihnen. – Danke!
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen von der AfD! Ehrlich gesagt, ich musste Ihren Antrag mehrmals lesen, um halbwegs zu verstehen, was Sie damit eigentlich bezwecken. Ich versuche, das mal ein bisschen zu entwirren. Sie wollen die Mittel aus dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR benutzen, um ein Haus der DDR-Opposition zu errichten. Und ferner wollen Sie, dass die längst fertig verhandelte Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern einfach noch mal komplett aufgeschnürt wird, um das Geld so einsetzen zu können, wie Sie sich das vorstellen.
Der Gedanke, die Mittel in den Dienst von Aufarbeitung zu stellen, ist naheliegend. Ich gehe deswegen davon aus, dass die Vorschläge, die der Senat uns in Zukunft vorlegen wird, diesem Gedanken entsprechen werden. Ich persönlich könnte mir da vieles vorstellen, z. B. das Geld in das ehemalige Parteigefängnis Keibelstraße zu stecken oder auch den Standort am ehemaligen Stasi-Gelände, den Campus der Demokratie zu stärken. Apropos ehemaliges Stasi-Gelände, da sitzt ja im Übrigen bereits seit
(Martin Trefzer)
noch nicht allzu langer Zeit die Robert-HavemannGesellschaft und damit das Archiv der DDR-Opposition.
Ich würde Sie gerne mal fragen: Weiß denn die Gesellschaft eigentlich von Ihrem Glück? Arbeiten die Institutionen, also Ihre neue und die Havemann-Gesellschaft dann parallel? Und überhaupt: Warum ist eigentlich das Palais am Festungsgraben für eine Nutzung als Haus der DDR-Opposition besonders geeignet? Fragen über Fragen, mit denen Sie sich offenbar noch nicht ernsthaft auseinandergesetzt haben.
Ihr Antrag hat nämlich mit Aufarbeitung der DDRGeschichte und des Widerstands überhaupt nichts zu tun. Das ist alles nur vorgeschoben. In Wahrheit geht es Ihnen darum, dass Ihnen die vom Senat geplante Entscheidung über die künftige Nutzung des Palais als offener Kultursalon nicht in den Kram passt. Sie missbrauchen die DDR-Opposition, weil Sie diese demokratisch zustande gekommene Entscheidung torpedieren wollen. Und das ist unglaublich schäbig.
Schäbig sind übrigens auch Ihre rasend originellen Vorschläge, ein solches Haus über irgendwelche Einnahmen finanzieren zu wollen, damit es kein Zuschussbetrieb wird, damit das Ganze auch gar nicht in den Geruch kommt, dass öffentliche Mittel für ein solches Projekt ausgegeben werden könnten. Die DDR-Opposition ist Ihnen ja wirklich was wert.
Da auch öffentlich bezuschusste Kultureinrichtungen ihre Räume ab und an mal vermieten und auch über gastronomische Einrichtungen verfügen, stellt sich die Frage, womit Sie eigentlich diese exorbitant hohen Mieteinnahmen im Haus der DDR-Opposition erzeugen wollen. Über die Fashion-Week, Incentives der Tabakindustrie oder Kick-off-Veranstaltungen der privaten Wohnungswirtschaft vielleicht? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich finden Sie sich unheimlich schlau, weil Sie glauben, mit dem Thema Aufarbeitung und Erinnerung in der Öffentlichkeit so punkten zu können. Ich finde es einfach nur schäbig. – Danke!
Herr Trefzer! Erstens liegt uns noch gar keine Vorschlagsliste des Senates vor, über die wir jetzt streiten könnten. Ich muss sagen, es ist immer billig, über etwas zu diskutieren, was gar nicht auf dem Tisch liegt, und ich sage mal, Vermutungen vorwegzuschieben darüber, wie das aussehen könnte, denn dann kann man dem nämlich nichts entgegenhalten. Ich kann Ihnen sagen: Wir werden in dem Moment darüber diskutieren, wenn diese Liste diesem Haus vorliegt. Eine Liste, die nicht da ist, also Ängste zu schüren, weil es in der Vergangenheit wie auch immer gelaufen ist – ich war 2009 noch nicht Teil des Parlaments, ich kann Ihnen nur eines sagen, wo Sie gerade den Kollegen Hilse angesprochen haben: Über Herrn Hilse kann man ja bestimmt vieles sagen, aber garantiert mit Sicherheit nicht, dass das Thema DDR-Aufarbeitung ihm nicht ein ganz besonders wichtiger Punkt gewesen ist. Deswegen möchte ich das an dieser Stelle zurückweisen.
Zum Schluss sei gesagt: Sie sagten, Sie wollen in Ihrem Antrag diese Verwaltungsvereinbarung verändern. Eine Vereinbarung zwischen Leuten kann niemand einseitig
verändern. Deswegen heißt das in der Konsequenz immer, dass man das Paket aufschnüren muss. Insofern – es tut mir leid, Herr Trefzer – ist das Wortklauberei.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht waren Sie ja mal vor längerer Zeit oder auch vor Kurzem am Weißen See. Ich jedenfalls bin da sehr häufig; ein paar andere Kolleginnen und Kollegen gleichfalls, die in der Nähe wohnen. Vor ein paar Jahren sah es dort noch sehr beschaulich aus. Der Park und der See waren so etwas wie ein Geheimtipp. Es war ein schöner Ort, wo die Weißenseerinnen und Weißenseer im Sommer geschwommen sind, ihre Spaziergänge gemacht haben oder im Winter ab und an auch mal auf dem See gelaufen sind.
Das tun sie zwar immer noch, hingegen ist es dort seit geraumer Zeit nicht mehr ganz so beschaulich. Der Weiße See steht, wie viele andere Grünflächen dieser Stadt auch, beispielhaft dafür, dass sich unsere Stadt verändert. Immer mehr Menschen wollen nach Berlin, und besonders gerne wollen sie in reizvollen Kiezen leben – wie zum Beispiel in unserem schönen Weißensee. Das hinterlässt Spuren. Es wird enger, und zwar auf Straßen und in Parks, auf Grünflächen und Spielplätzen. Wo viele Menschen sind, gibt es auch mehr Müll. Der geht nicht von alleine weg. Deshalb wird der Park am Weißen See mittlerweile von der BSR und nicht mehr vom Bezirk gereinigt, der am Ende des Mülls nicht mehr ganz so Herr geworden ist. Es läuft gut, und die Menschen finden es auch gut, wenn die Stadt handelt, statt vor einem Problem zu kapitulieren, das buchstäblich zum Himmel stinkt.
Das ist aber leider nicht überall so. Nur wenige Ecken weiter, im Anton-Saefkow-Park zum Beispiel, zeigt sich ein ganz anderes Bild. Das ist auch in bestimmten Straßen in Neukölln der Fall, wo sich der herrenlose Sperrmüll stapelt und wie Godot darauf wartet, dass ihn jemand abholt.
Es ist Zeit, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass in Zukunft keine einzige Ecke unserer Stadt mehr im Müll versinkt. Es ist ja nicht so, dass wir künftig von der Straße essen wollen. Berlin ist und bleibt eine Metropole, die nie so aussehen wird wie eine gebohnerte Fußgängerzone in der Kleinstadt. Wir Berliner brauchen keine Putzwoche, und wir wollen auch keine Putzwoche; ich will je
denfalls keine. Wir dürfen es aber nicht achselzuckend hinnehmen, dass sich der Sperrmüll in den Büschen stapelt und es in einigen Parks kaum noch Mülleimer gibt, die benutzbar sind.
Wir brauchen in unserer Stadt ein Bewusstsein dafür, dass wir alle davon profitieren, wenn der Müll nicht einfach rumliegt. Es muss zu einer Selbstverständlichkeit werden, sich um seinen eigenen Müll zu kümmern. Es muss allgemein spürbar und erlebbar sein, dass die öffentlichen Institutionen ihrer Verantwortung gerecht werden, das in die Hand nehmen, wofür sie verantwortlich sind, und sich darum kümmern, und zwar gerne so, dass man es sehen kann.
Im vergangenen Jahr haben Joschka Langenbrinck, Franziska Becker, Tino Schopf und ich uns angeschaut, wie man das in einer anderen Metropole in den Griff gekriegt hat. Wir sind nach Wien gefahren und dort mit den Waste Watchern, das ist so eine Art Müll-Ordnungsamt, auf Streife gegangen. Wir haben mit der Stadtverwaltung gesprochen und eine Menge mitgenommen, beispielsweise dass es möglich ist, dass eine Metropole sauber ist, übrigens auch in den Außenbezirken, wenn alle Bürgerinnen und Bürger und die Stadtverwaltung an einem Strang ziehen. Wir haben festgestellt, dass ein so vielschichtiges Problem eben nicht nur mit gut gemeinten Einzelmaßnahmen zu lösen ist. Vollmundige Appelle an Bürgersinn und Gewissen verhallen genauso sinnlos wie der Ruf allein nach mehr Überwachung. Wenn man eine Großstadt sauber halten will, braucht es – erstens – eine bessere und häufigere Reinigung. Ich werfe, wenn ich zu Hause Gäste habe, den Müll ja auch nicht neben den vollen Eimer, sondern ich bringe ihn einfach häufiger raus. Auch das wird in diesem Fall nötig sein.
Zweitens müssen wir diejenigen einbinden, die sich heute schon in vielen Kiezen für mehr Sauberkeit engagieren. Mehr Verantwortungsbewusstsein schafft man nicht per Parlamentsbeschluss oder par ordre du mufti. Das schafft man, indem man diejenigen unterstützt, die sich bereits motiviert darum kümmern, die sich für ihren Kiez verantwortlich fühlen und ein gutes Beispiel für andere abgeben.
Drittens brauchen wir mehr neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ordnungsämtern, die übrigens ganz schön auf dem Zahnfleisch gehen. Wir sorgen für 102 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht für die Kontrolle der Parkraumbewirtschaftung zuständig sind, sondern genau für die Aufgaben, für die das Ordnungsamt zuständig ist, und die darauf achten, dass sich alle an die Regeln halten.
(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)
Andernfalls machen tatsächlich die einen, was sie wollen, und die anderen gucken in die Röhre. Ich finde, der Ehrliche – oder in diesem Fall der Ordentliche – sollte nicht der Dumme sein.
Wir haben eine Menge Ideen aus Wien mitgebracht und freuen uns darüber, dass die rot-rot-grüne Koalition unsere Ideen aufgegriffen und zu einem gemeinsamen Projekt gemacht hat. Ich will nun nicht alle Einzelmaßnahmen aufzählen, die wir vorschlagen. Sie stehen in dem Antrag und bilden gemeinsam ein Aktionsprogramm, mit dem wir für mehr Sauberkeit und mehr Verantwortung sorgen wollen. Das Geld ist im Doppelhaushalt mit 16 Millionen Euro im Übrigen schon enthalten. Was jetzt noch fehlt, ist der Auftrag an den Senat, dass die Bezirke und die BSR umgehend zur Tat schreiten und die Ärmel für ein sauberes Berlin hochgekrempelt werden. Das wollen wir mit diesem Antrag tun, und dafür bitten wir um Ihre Unterstützung.
Sie haben gerade so ein paar Aktivitäten beschrieben. Ich wollte nur wissen, ob Sie eventuell Ihre Fraktion mit der BSR verwechseln.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über den Campus der Demokratie sprechen, dann reden wir nicht über irgendein Projekt oder irgendeine Liegenschaft in unserer Stadt, sondern immer auch über einen angemessenen und sensiblen Umgang mit einer Vergangenheit, die niemals in Vergessenheit geraten darf.
Es geht um einen respektvollen Umgang mit den Opfern der Diktatur und all denen, die damals die Stasi-Akten vor der vollständigen Vernichtung bewahrt haben. Es geht einmal mehr darum, jenseits von Gedenktagen und schönen Sonntagsreden das Erbe der friedlichen Revolution zu bewahren, ohne das es die deutsche Einheit nicht geben würde.
Das ehemalige Stasi-Gelände ist ein Ort, der gleichermaßen für die Diktatur wie auch ihre Überwindung steht. Am 15. Januar 1990 stürmten Bürgerinnen und Bürger
(Danny Freymark)
die Stasi-Zentrale und erkämpften später die Öffnung der Akten. Viele engagieren sich bis heute. Insofern ist die ehemalige Stasi-Zentrale bereits seit vielen Jahren ein Ort der Aufklärung der DDR-Vergangenheit.
Es war klar, dass die Entwicklung eines tragfähigen Gesamtkonzepts für einen angemessenen Umgang mit der ehemaligen Zentrale Zeit brauchen würde. Aber nun wird schon seit geraumer Zeit darüber diskutiert, was mit dem Gelände passieren soll. Nun wird es Zeit, dass etwas passiert. Ich bin froh darüber, dass es erneut gelungen ist, über die Grenzen von Regierungs- und Oppositionsfraktionen hinweg eine Initiative auf den Weg zu bringen, hinter der fünf Fraktionen dieses Hauses stehen. Das zeigt im Übrigen einmal mehr, dass wir grundsätzlich einen Konsens darüber haben, dass die Auseinandersetzung mit der DDR und der Teilung unserer Stadt die gemeinsame Aufgabe aller demokratischen Kräfte in unserem Parlament ist und bleibt.
Es wurde bereits erwähnt, es ist kein dünnes Brett, das hier gebohrt werden soll. Nicht alle Immobilien auf dem Gelände gehören der öffentlichen Hand. Es wurde schon erwähnt, manche sind privat, gehören dem Land Berlin oder dem Bund. Wenn viele zuständig sind, ist es oft so, dass sich niemand wirklich verantwortlich fühlt. Das bedeutet dann, dass manchmal wenig und schlimmstenfalls gar nichts passiert. In dieser wichtigen Frage kann und darf das nicht so laufen. Darauf dürfen wir es nicht ankommen lassen. Ich bin zuversichtlich, denn die Akteure vor Ort, wie das Archiv des Bundesbeauftragten, das Stasi-Museum, mehrere Opferverbände oder auch die Robert-Havemann-Gesellschaft wollen gemeinsam etwas bewegen. Es geht nur noch darum, den Rahmen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Das Gelände macht momentan keinen besonders einladenden Eindruck, das muss man ehrlicherweise sagen. Wer dort hingeht, der tut das, um gezielt eine der Einrichtungen aufzusuchen oder um ins Stasi-Museum zu gehen. Wohl niemand möchte umgekehrt aus dem Gelände so etwas wie einen Wohlfühlort oder ein Disneyland machen. Ich persönlich stelle mir dort einen Ort vor, der einzigartig ist, lebendig, einen modernen Museums-, Lern- und Forschungsort, einen Ort, der zur Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur und der friedlichen Revolution einlädt, die diese Diktatur hinweggefegt hat, einen Ort, der Geschichte erfahrbar macht, gerade für die Jüngeren, die keine eigenen Erinnerungen mehr haben. Wir wünschen uns doch, wir verlangen doch geradezu von ihnen, dass ihre Großväter und Großmütter, ihre Väter und Mütter verstehen lernen, dass sie begreifen, wie hart erkämpft und wie kostbar Freiheit und Demokratie sind, und wie leicht man beides auch verspielen kann, dass sie in letzter Konsequenz die richtigen Lehren aus der Vergangenheit ziehen. Wenn wir das alles – das ist nicht wenig – von ihnen erwarten, müssen wir Orte schaffen,
an denen sie sich mit dieser Vergangenheit anfassbar auseinandersetzen können.
Es gibt dazu sicherlich auch andere oder weitergehende Vorstellungen oder Ideen, aber so, wie es ist, kann es auf keinen Fall bleiben. Wir müssen einen Arbeitsprozess in Gang setzen, an dessen Ende ein Ergebnis steht. Wir brauchen ein Standortmanagement, unter dessen Dach alle Beteiligten eine gemeinsame Vorstellung über die Zukunft des Geländes nicht nur entwickeln, sondern auch umsetzen können. Mit diesem Antrag wollen wir den Senat dabei unterstützen und ihn ebenso wie den Bund in die Pflicht nehmen. Lassen Sie uns Nägel mit Köpfen machen. – Vielen Dank!
Herr Trefzer! Da Sie gerade quasi behauptet haben, in dem Antrag würden die dort ansässigen Initiativen nicht mit eingebunden werden, darf ich mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, kurz zitieren. Ich zitiere aus einem der beiden Anträge. Sie können ja mal raten, welcher das ist.
Der Senat wird aufgefordert, zu diesem Zweck ein Standortmanagement einzurichten, das die Interessen der verschiedenen ansässigen Institutionen und der Eigentümer auf dem Campus bündelt, ein gemeinsames Konzept erarbeitet und die Umsetzung vorbereitet.
(Martin Trefzer)
Ich gebe Ihnen einen kleinen Tipp: Es ist nicht aus Ihrem Antrag.
Sagen Sie mal, Herr Hansel: Haben Sie uns gerade hier als „Pack“ bezeichnet?
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sehnsucht nach Freiheit – hier in Berlin verstehen wir sie verdammt gut. Vor allem wohl auch deshalb, weil Freiheit bei uns eben nicht immer selbstverständlich war. Sie wurde im Lauf der Zeit nicht selten bedroht, und in den dunkelsten Kapiteln unserer Geschichte war sie sogar fast gänzlich aus dieser Stadt verschwunden. Sie immer wieder zu erkämpfen, um sie zu bangen und sie neu zu verteidigen, vor dieser Aufgabe stand und steht Berlin immer wieder.
(Christian Gräff)
Dabei standen die Bürger Berlins nie allein im Ringen um Freiheit und Selbstbestimmung. Nicht nur die Befreiung der Stadt vom Terror des Nationalsozialismus durch die Alliierten ist dafür ein eindringliches Beispiel, sondern ebenso der Fall der Mauer, der gezeigt hat, zu welchem Mut die Sehnsucht nach Freiheit Menschen beflügeln kann. Die ganze Welt hat damals zum wiederholten Mal auf diese Stadt geschaut. Sie hat damals mit uns den Atem angehalten und zollt uns bis heute Respekt und Anerkennung für diesen ganz besonderen Freiheitswillen der Berlinerinnen und Berliner.
Aber auch heute, demnächst drei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer, brauchen wir die Stimmen und Ideen, die Erfahrungen und Geschichten von denjenigen, die schon immer, schon lange hier leben, aber auch derer, die dazu gekommen sind, um gemeinsam einen Weg zu finden, diese Freiheit auch in schwierigen Zeiten zu verteidigen.
Schwierig sind unsere Zeiten heute. Trotz vieler Hürden, mit vielen Anstrengungen und aufgrund eines breiten Engagements der Menschen, die in dieser Stadt leben, ist es uns gelungen, dass wir Tausenden von Flüchtlingen hier nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch ein Zuhause bieten können, solange sie in ihrer Heimat nicht sicher und frei sind.
Nach dem schrecklichen und erschütternden Anschlag auf dem Breitscheidplatz vor fast einem Jahr haben wir Berlinerinnen und Berliner uns nicht davon abbringen lassen, erneut um unsere Freiheit zu kämpfen, gerade weil die Schicksale der Verstorbenen und ihrer Angehörigen uns tief ins Mark getroffen haben. Denn unsere Stadt ist heute wie gestern die Stadt, die um Freiheit bangt, kämpft, aber sie auch immer wieder neu verteidigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz besonders deshalb bin ich und sollten wir alle stolz auf unsere Stadt sein. Berlin war und ist die Stadt der Freiheit. Deshalb: Wer sonst als wir Berlinerinnen und Berliner sollten die Feierlichkeiten zum dreißigjährigen Jubiläum der friedlichen Revolution und der Freude über die Wiedergewinnung unserer Freiheit durch den Fall der Mauer ausrichten? Wer könnte besser der Freude Ausdruck verleihen, dass sich die Ostdeutschen aus eigener Kraft von den Fesseln der Diktatur befreit haben?
Von Herrn Trefzer? – Bitte schön.
Ich bin jetzt gerade ein bisschen irritiert. In diesem Antrag geht es um das Jubiläum der friedlichen Revolution und des Mauerfalls. Um was anderes ging es denn dort bitte als um das Erkämpfen der Freiheit?
Vielleicht lassen Sie mich doch noch kurz auf den Antrag eingehen, wenn ich darf. Wir haben noch ein bisschen Zeit, darüber zu sprechen, wie wir das alles begehen wollen. Diesen Prozess wollen wir im Parlament aktiv gestalten und diskutieren. Deshalb freue ich mich, dass wir diesen Beschluss über den vorliegenden Antrag mit fünf Fraktionen heute auf den Weg bringen können. Lassen Sie uns den Senat auffordern, bald ein Konzept vorzulegen, über das wir hier im Parlament beraten und mit denjenigen, die in dieser Stadt leben, diskutieren wollen. Lassen Sie uns das heute Anlass sein, uns hiermit auch zu verpflichten, dem Kandidaten für das Amt des später noch zu wählenden Landesbeauftragten für Aufarbeitung – an der Stelle freue ich mich, Tom Sello später hier auch begrüßen und ihn wählen zu dürfen – das Signal des Hauses mitzugeben, dass wir ihn in die Diskussion ebenfalls mit einbeziehen wollen, zum Beispiel dadurch, dass wir seine Expertise für die Ideen zum Jubiläum einholen.
Zum Schluss: Lassen Sie uns das zum Anlass nehmen, weiterhin gemeinsam hier im Parlament und in der ganzen Stadt für die Freiheit Berlins und aller, die hier leben, zu bangen, zu kämpfen und sie immer wieder neu zu verteidigen.
Herr Trefzer! Ich hätte Ihnen ja gerne eine Zwischenfrage gestellt, aber ich mache es auch gerne so. – Wie kommen Sie denn darauf, dass man den Berlinerinnen und Berlinern per Parlamentsbeschluss erklären muss, was der Mauerfall für diese Stadt bedeutet?
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Lieber Martin Gutzeit! Die Vergangenheit ist nicht tot, sie ist noch nicht einmal vergangen. Die tiefe Wahrheit dieses Satzes des amerikanischen Schriftstellers William Faulkner hat sich auch für mich bei den Beratungen über den Gesetzentwurf erwiesen, um den es hier und heute geht. Der wichtigste Aspekt besteht für mich persönlich in der Frage, wie wir künftig mit dem Erbe und der Geschichte der DDR umgehen wollen.
Ich denke, dieser Umgang muss geprägt sein von Respekt: Respekt vor den Opfern der Diktatur und des Schnüffelstaats, die wir nicht in Vergessenheit geraten lassen dürfen, weil wir ihnen sonst neues Unrecht und neues Leid zufügen würden! Respekt vor der Lebensleistung der Ostdeutschen, die in der DDR in ihrer ganz großen Mehrheit versucht haben, unter den unendlich schwierigen Bedingungen der Diktatur ein anständiges Leben zu führen! Respekt vor all denen, die diese Diktatur in einer friedlichen Revolution hinweggefegt und die Mauer niedergerissen haben und die mit ihrem Mut die deutsche Einheit überhaupt erst möglich gemacht haben! Respekt vor all denen, für die nach 1990 kein Stein mehr auf dem andern blieb und die mit einer für sie völlig
neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung klarkommen mussten, mit Spielregeln, die sie nicht kennen, und Zumutungen, mit denen sie nicht rechnen konnten! Respekt nicht zuletzt auch vor denen, deren Träume und Hoffnungen im vereinten Deutschland in den Zeiten des wirtschaftlichen Zusammenbruchs und der Massenarbeitslosigkeit geplatzt sind wie Seifenblasen, die es nicht geschafft und die sich nicht wieder aufgerappelt haben! Auch sie gehören zur Geschichte der deutschen Einheit, die eben keine reine Erfolgsgeschichte ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Vorbereitung auf diese Rede bin ich auf einen Beitrag aus dem Jahr 1993 gestoßen. In diesem Artikel ging es um die Frage, wer die Deutungshoheit bei der Aufarbeitung der DDRGeschichte und in der damaligen Enquetekommission des Bundestages hat. Die würde ich gern mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, kurz zitieren.
Ich darf. – Da steht:
Martin Gutzeit, ein Mitbegründer der SDP 1989, rang mit der Fassung, als Erhard Eppler verkündete, die Leipziger Montagsgebete seien ein „Ableger der westdeutschen Friedensbewegung“ gewesen.
Auch solche Fehleinschätzungen, Missverständnisse, Enttäuschungen und Verletzungen gehören zu unserer gemeinsamen Geschichte. Mich bestärkt das in der Überzeugung, dass wir gemeinsam nach unseren gemeinsamen Wurzeln suchen und ehrlich miteinander umgehen müssen. Wir müssen im Osten und vor allem endlich auch im Westen die friedliche Revolution als einen unglaublich bedeutenden Bestandteil der Geschichte unserer Stadt begreifen. Menschen wie Martin Gutzeit haben diese Geschichte geschrieben. Ohne diesen leidenschaftlichen Mut von damals würden wir hier heute so nicht zusammensitzen. Dank dafür, lieber, verehrter Martin Gutzeit!
Danke für ein Vierteljahrhundert der Begleitung, der Beratung von Opfern, für die Aufarbeitung dieser unendlich schwierigen Vergangenheit, für das stete Bemühen, die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Einsichten an die nachgeborenen Generationen weiterzugeben! Sie haben einen bedeutenden Beitrag dazu geleistet, dass es wieder ein Berlin gibt und dass über alle Verwirrungen und Verirrungen hinweg das zusammenwächst, was zusammengehört. Wir werden es nicht zulassen, dass die vor einem Vierteljahrhundert erkämpfte Demokratie von geifernden Populisten und berechnenden Reaktionären in eine existenzielle Krise getrieben wird. Wir werden die demokratischen Strukturen in den Kiezen, in den Schulen und in
(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)
den Betrieben stärken, und wir werden dafür sorgen, dass nichts und niemand in Vergessenheit gerät.
Das hat viel mit Bildung zu tun, wie z. B. meine Kollegin Maja Lasić gern zu sagen pflegt, mit schulischer Bildung und mit politischer Bildung. Noch können die jungen Leute von heute ihre Eltern und ihre älteren Verwandten fragen, was die DDR, was die Mauer und was die Insel West-Berlin eigentlich gewesen sind und was das für ihr ganz persönliches Leben bedeutet hat. Wir stehen in der Pflicht, sie zu diesem Gespräch zu ermutigen, und es ist unsere Pflicht, die Geschichte der DDR und der friedlichen Revolution dort lebendig werden zu lassen, wo sich Jugendliche im Alltag aufhalten – nicht mit erhobenem Zeigefinger und einschläfernden Vorträgen, sondern mit freundlicher Leidenschaft und nicht zuletzt mit den Mitteln, die uns diese digitale Welt bietet.
Man kann mittlerweile in 3D durch das historische Berlin laufen, und man kann sehen, wo die unüberwindliche Mauer stand. Es gibt viele Filme, Tondokumente, Bilder, die überall im Internet abgerufen werden können. Nehmen Sie z. B. das aus meiner Sicht vorbildliche Schulprojekt, das der Landesbeauftragte gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern angestoßen hat! Das ist eine tolle Idee, auch deshalb, weil heute alle Jugendlichen über ein Smartphone verfügen, womit man nicht nur fotografieren, sondern auch gleich alle Inhalte weiter miteinander teilen kann.
Lieber Martin Gutzeit! Ich glaube an das gute Wort, nach dem die Menschen ihre Geschichte selbst machen. Ich würde hier nicht stehen und könnte hier nicht reden, wenn die Ostdeutschen nicht vor 28 Jahren das Schicksal in die eigene Hand genommen hätten. Ich als im Westen Geborene hätte niemals in die Heimatstadt meines Vaters ziehen können. Meinen Weißenseeer Kiez hätte ich nie kennen- und nie lieben gelernt. Ich könnte mir nicht von Nachbarn, Freunden und Bekannten berichten lassen, wie das damals in den Zeiten der Diktatur war, die ich selbst nicht erlebt habe und die ihren verdienten Platz auf dem Müllhaufen der Geschichte gefunden hat und die wir nie vergessen dürfen.
Lassen Sie uns weiter voneinander lernen!
Sie sind also gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Männern?
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP! Ich freue mich, dass Ihnen das Thema Standesämter genauso am Herzen liegt wie uns. Weil dem so ist, haben wir hier im Parlament im März schon über zwei Koalitionsanträge zu dem Thema diskutiert. Ich verstehe im Übrigen sehr, dass es Ihnen da nicht schnell genug gehen kann. Und nein: Wir dürfen und werden uns auf keinen Fall damit zufriedengeben, wie es momentan läuft. Monatelange Wartezeiten in einigen Bezirken sind inakzeptabel.
Wenn ich jetzt aber einmal ausblende, dass Sie als Opposition natürlich immer ein Haar in unserer Regierungssuppe finden müssen, hilft das, was Sie hier konkret – offensichtlich etwas panisch – vorschlagen, nur sehr bedingt weiter. Sie beantragen sinngemäß, dass die Terminvergabe der Berliner Standesämter unter einem Dach vereinheitlicht wird. Ferner beantragen Sie, dass sich Land und Bezirke auf der fachlichen Ebene zusammensetzen, um die Organisationsabläufe in den Ämtern zu verbessern. Das finden wir beide sehr gut, und deswegen haben wir genau das auch vor einigen Monaten ins Parlament eingebracht. Wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie dem sogar zugestimmt.
Aber, glauben Sie mir, Papier ist geduldig, und das alles wird nicht dadurch schneller, dass wir es nochmal ins Parlament einbringen, denn Panik löst keine Probleme.
Neu kommt in Ihrem Antrag allerdings das Thema Personalentwicklung dazu. Zu den Einzelpunkten komme ich gleich noch. Ja, es ist im Moment schwer, neue Standesbeamte zu bekommen. Dadurch, dass erfreulicherweise demnächst vermutlich sehr viele schwule und lesbische Paare vor dem Standesamt stehen werden, kommen neue Herausforderungen auf uns zu.
Zu den Forderungen im Einzelnen: Wie Sie vielleicht der Presse entnehmen konnten, arbeitet der Senat bereits daran, Standesbeamte aus dem Ruhestand zurückzuholen. Dass man die Ausbildung verkürzt, ist dringend nötig. Ich freue mich, dass die zuständige Staatssekretärin bereits angekündigt hat, genau das umzusetzen. Erfahrene Kolleginnen und Kollegen in der praktischen Ausbildung einzusetzen, ist sehr gut, allerdings schon gängige Praxis. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Standesämtern bessere Aufstiegsmöglichkeiten zu bieten, ist ein tatsächlich zu lösendes Problem. Lassen Sie uns daher im Ausschuss darüber miteinander reden.
Übrig bleibt zum Schluss dann nur noch Ihre Forderung, kurzfristig jedem Bezirk mindestens zwei zusätzliche Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen. Es wird zwar vermutlich aufgrund der Öffnung der Ehe tatsächlich notwendig sein, hier kurzfristig nachzusteuern. Wenn man allerdings genauer hinschaut, kann man erkennen, dass bislang die Personalausstattung nicht der wesentliche Grund für lange Wartezeiten war, sondern dass es Bezirke gibt, die ihre Standesämter gut managen, und solche, die es überhaupt nicht hinbekommen. Was wir auf keinen Fall tun sollten, ist, jetzt mit der Gießkanne heranzugehen. Das löst keines der von Ihnen beschriebenen Probleme.
Damit zukünftig kein Paar mehr ewig warten muss, bis die Hochzeitsglocken endlich läuten, bis man einen neuen Pass, einen Termin bei der Einbürgerungsbehörde, eine neue Geburtsurkunde oder, oder, oder – bekommt, muss man, liebe FDP, deutlich dickere Bretter bohren, als pauschal Geschenke an die Bezirke zu verteilen. Hier müssen wir eigentlich über die Aufgabenverteilung zwischen Land und Bezirken reden. Ich bin froh, dass Sie das offenbar mittlerweile auch tun wollen, wie ich gelesen habe. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Keine Panik! Vielmehr wünsche ich uns allen den Mumm, grundlegend etwas zu ändern. – Danke schön!
(Dr. Maren Jasper-Winter)
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Bewertung zeitgeschichtlicher Ereignisse gehen Meinungen oft extrem weit auseinander, vor allem dann, wenn es um selbst erlebte Geschichte geht, die das eigene Leben tief geprägt hat. Wer Traumatisches erleben musste, hat immer seine ganz eigene Wahrheit, an der auch eine noch so um Objektivität bemühte Forschung nichts zu ändern vermag. Helfen können da nur das aufrichtige Gespräch, das Zuhören und die Bereitschaft der Nachgeborenen, die Bedeutung einer Last zu erkennen, die man selber nicht trägt. Das ist zumindest meine Wahrnehmung der schwierigen Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur. Ich selber gehöre zu den Nachgeborenen, habe die DDR weder aus der Nähe persönlich erlebt, noch aus der Ferne wirklich bewusst wahrgenommen. Dafür war ich einfach viel zu jung.
Wir hier im Abgeordnetenhaus kommen aus ganz unterschiedlichen Altersgruppen und berufen uns auf ganz unterschiedliche Traditionen. So ist meine Partei, die im Osten neu gegründete SPD, eng verbunden mit der friedlichen Revolution, an der sich viele unserer Mitglieder aktiv beteiligt haben, und deren Erbe deshalb ein bedeutender Teil unserer eigenen Tradition ist, auch wenn man
(Dr. Robbin Juhnke)
den einen oder anderen im Westen der Republik ab und an daran erinnern muss.
In allen Parteien gibt es differenzierte Einschätzungen und Akzente, wenn es um einen angemessenen Umgang mit der Vergangenheit geht, selbst unter denjenigen, die unter dem DDR-Regime persönlich zu leiden hatten. Erst Anfang des Jahres haben wir das in der Debatte um Andrej Holm eindrucksvoll erlebt. Es ist wichtig und richtig, dass wir wieder zu einer sachlichen Debatte gefunden haben, denn wir müssen uns unserer gemeinsamen Verantwortung für einen würdigen Umgang mit der Vergangenheit stellen.
Ich bin sehr froh darüber und auch ein bisschen stolz, dass wir das als Parlament hinbekommen und bereits einige Initiativen in einem überparteilichen Konsens auf den Weg gebracht haben, unter anderem zur besseren Entschädigung der Opfer. Mein Stolz erstreckt sich durchaus auch auf die Novelle des ehemaligen Stasi-Landesbeauftragtengesetzes. Angesichts der Holm-Debatte hätten wir es auch einfach verlängern und damit abhaken können, um dem Risiko eines erneuten Streits aus dem Weg zu gehen. Aber genau das haben wir nicht getan, denn es bleibt wahr: Wer sich nicht in Gefahr begibt, der kommt darin um. Daher haben wir etwas anderes getan: Wir haben uns das Gesetz intensiv vorgenommen. Wir haben viele Gespräche mit Betroffenen, Verbänden, Opfergruppen, Historikern und vor allen Dingen untereinander geführt. Wir haben Vorschläge für eine umfassende Modernisierung des Gesetzes erarbeitet.
Darüber hinaus liegt Ihnen ein Antrag vor, in dem es um die Frage geht, wie wir künftig die DDR-Geschichte aufarbeiten wollen. Wir tun damit etwas, das für das Land Berlin ansonsten untypisch ist, und erklären uns hier für selbst zuständig. Ähnlich wie im Land Thüringen wollen wir ein Berichtswesen zur Aufarbeitung etablieren, denn es bleiben viele offene Fragen. Z. B.: Wie können wir die Opfer politischer Verfolgung noch besser unterstützen, wenn es um die strafrechtliche und berufliche Rehabilitierung und Entschädigung geht? Wie können wir den Prozess zur Aussöhnung begleiten? Wie vermitteln wir historisches Wissen im Zeitalter der Digitalisierung an alle, die keine Erfahrung mehr mit der DDR hatten? Darauf gibt es sicher nicht die eine Antwort. In vielen Fällen sind die Diskussion und die Auseinandersetzung als solche schon wichtige Schritte. Wir wollen aber auch immer wieder neu bewerten, welche Aufgaben und Herausforderungen sich daraus ergeben.
Lassen Sie uns dafür sorgen, dass zum Jubiläum der friedlichen Revolution im übernächsten Jahr Berlin das Bundesland ist, das für eine faire und kontroverse Diskussion über diese Fragen steht, das im Bundesrat erfolgreich Verbesserungen bei den Rehabilitierungsgesetzen anstößt und das gemeinsam mit den Akteuren vor Ort dem Campus der Demokratie zu einem spannenden, in
novativen und vor allen Dingen von jungen Leuten viel besuchten Ort weiterentwickelt. Darauf wäre ich jedenfalls nicht nur ein bisschen, sondern richtig stolz. – Danke schön!
Sagen Sie, Herr Trefzer: Braucht die AfD-Fraktion wirklich die Innenverwaltung, um eigene politische Ideen zu entwickeln?
Für gewöhnlich kann ich sprechen. – Ich wollte Sie fragen, ob Sie der Meinung sind, ob der Anblick eines Kopftuches im Straßenbild andere Menschen dazu zwingt, zum Islam zu konvertieren.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wo wir hier gleich über drei Anträge sprechen, die sich mit der DDR-Vergangenheit auseinandersetzen, möchte ich zunächst einmal meine Freude zum Ausdruck bringen, dass es sich doch andeutet, dass wir in diesem Parlament trotz der sehr unterschiedlichen Zugänge zu diesem Thema einen Weg finden, über diese Punkte wieder gemeinsam zu sprechen. Insbesondere, wenn es um die Opfer der SED-Diktatur geht, sind parteipolitische und taktische Spielchen fehl am Platz oder auch ein Schaulaufen, wer dem einen oder anderen am meisten verspricht. Aber ich glaube, es deutet sich an, dass wir das eben miteinander hinbekommen, uns auch ein Stück weit wieder mehr zuzuhören, auch die Gemeinsamkeiten in diesem Punkt herauszuarbeiten. Dazu gehört im Übrigen auch, dass nicht nur einer etwas vorschlägt und die anderen zustimmen, sondern dass hier auch aus unterschiedlichen Richtungen Vorschläge auf dem Tisch liegen, worüber wir uns einigen könnten.
In zwei der heute vorliegenden Anträge geht es um die Opfer der SED-Diktatur und deren Rehabilitierung und Entschädigung. Zum Antrag der CDU „Respekt des Landes Berlin für die Regimeopfer der ehemaligen DDR“, den wir heute abschließend beraten, hatte die Koalition eine Änderung in den Hauptausschuss eingebracht, die dort einstimmig beschlossen wurde. Herr Otto ist schon auf den Inhalt eingegangen. Ich möchte noch einmal betonen, dass es uns besonders wichtig war, die verschiedenen Opfergruppen möglichst alle mit einzubeziehen, sodass möglichst viele Anspruch auf diese Möglichkeit haben, den Berlin-Pass zu nutzen.
Dieser Antrag ging uns als Koalition nicht weit genug, deswegen haben wir ergänzend einen weiteren Antrag eingebracht, nämlich „Rehabilitierung und Ausgleich für in der DDR erlittene Verfolgung und Benachteiligung“, weil es dann doch bei den Opfern um ein paar grundlegendere Fragen geht. Es gilt, für diejenigen, die nach wie vor unter den Nachteilen oder den Folgen leiden, einen
(Dr. Robbin Juhnke)
Ausgleich zu schaffen. Wir wollen mit diesem Antrag erreichen, dass es für die Betroffenen einfacher wird, Ansprüche geltend zu machen, wenn es z. B. um gesundheitliche Schäden aus der Verfolgung geht. Und da es hier um Menschen geht, die unter dem Staatsapparat leiden mussten und dadurch oft traumatisiert wurden, ist es besonders wichtig, dass die Verfahren so gestaltet sind, dass diejenigen, für die es ohnehin oft schwierig ist, einen Antrag zu stellen, nicht an bürokratischen Hürden scheitern.
Bis heute suchen viele der Opfer zum ersten Mal Hilfe und Beratung beim Landesbeauftragten für die StasiUnterlagen und seinen Mitarbeitern. Daran hat sich nichts geändert. Es gibt nach wie vor einen großen Bedarf nach persönlicher und historischer Aufarbeitung des DDRUnrechts. Nicht wenige Menschen sind jetzt erst so weit, nach 28 Jahren über das zu sprechen, was sie erlebt haben. Viele Kinder und Enkel fragen nach dem, was ihren Familien passiert ist, und wollen wissen, was ihren Großeltern und Eltern widerfahren ist. Deswegen wollen wir anstoßen, dass die Frist für das Auslaufen der SEDUnrechtsbereinigungsgesetze gestrichen wird. Es handelt sich hier um Bundesgesetze. Insofern ist mit Anstoßen gemeint, dass wir eben Bundesratsinitiativen mit anderen Ländern über den Senat anstoßen wollen. Es gab kürzlich eine Bundesratsinitiative der Bundesländer Thüringen, Sachsen und Berlin zur Rehabilitierung von Heimkindern. Hier kann man eben klar sehen, dass jenseits der klassischen Parteienbündnisse eine Zusammenarbeit möglich ist.
Darüber hinaus wollen wir das dreißigjährige Jubiläum der friedlichen Revolution hier als Parlament aktiv mitgestalten und darüber mitdiskutieren und unserer Freude darüber Ausdruck verleihen, dass sich die Ostdeutschen aus eigener Kraft von den Fesseln der Diktatur befreit haben. Wir fordern deswegen den Senat mit Antrag Nummer drei auf, zu den Haushaltsberatungen ein Konzept vorzulegen, das wir hier im Plenum beraten wollen.
Zum Schluss sei gesagt: Die Debatte um Holm zeigt zumindest eins, dass wir auch eine aufrichtige gesellschaftliche Debatte über den Umgang mit dem Erbe brauchen, welches uns die Diktatur der DDR und ihre Institutionen hinterlassen haben. Lassen Sie uns auch darüber reden, wie wir dieses Kapitel der Geschichte an die nächsten Generationen, die eben keine eigenen Erinnerungen an die DDR haben, weitergeben wollen! Warum Meinungsfreiheit und Transparenz unverzichtbar sind und warum wir die Demokratie gegen ihre Henker verteidigen müssen, kann gerade im Hinblick auf die Türkei, Polen oder auch Ungarn nicht oft genug wiederholt werden. Insofern kündige ich schon einmal an, dass es zu diesen Aspekten weitere Parlamentsinitiativen geben wird. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir die heute vorliegenden Anträge zum einen beschließen bzw. in die Ausschüsse überweisen und dann in der zweiten Lesung
beschließen und auch gemeinsam weiterhin Lösungen und Ideen entwickeln, wie wir mit dem Thema umgehen.
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Terminsituation bei den Berliner Bürgerämtern hat sich im Vergleich zum letzten und vorletzten Jahr deutlich entspannt. Das hat man jetzt in der Zeitung lesen können. Aber der eine oder andere von Ihnen wird es ja schon am eigenen Leib erfahren haben. Die Tatsache, dass es jetzt in der Stadt wieder möglich ist, innerhalb einer halbwegs akzeptablen Frist einen Ausweis zu bekommen, kann allerdings kein Grund sein, jetzt gleich die Korken knallen zu lassen. Wir sollten uns lieber ein wenig in Demut üben. Das war nämlich noch keine großartige Reform. In Wirklichkeit ist es so, muss man sagen, dass wir unerträgliche Missstände beseitigt haben. Und wenn wir einigermaßen ehrlich sind, müssen wir auch zugeben, dass es hier an der Stelle beim Sparen nicht nur gequietscht, sondern auch mal geknallt hat.
Anlass zur Demut haben aber durchaus auch diejenigen, die Bürokratieabbau eben nicht von Personalabbau unterscheiden können und blindwütig auf eine Verwaltung einprügeln, die sie abwechselnd für unfähig, überbezahlt und stinkfaul erklären. Ich möchte hier nämlich einmal eine Lanze für diejenigen brechen, die in der Vergangenheit ihr Bestes gegeben haben, um unter zum Teil wirklich sehr schwierigen Bedingungen in ihrem Bereich alles am Laufen zu halten. Nein, wir dürfen und wir werden uns auf keinen Fall mit dem zufriedengeben, was wir
bislang erreicht haben. Mit der Flickschusterei muss ein für alle Mal Schluss sein.
Als Koalition haben wir da klare Ziele. Wir wollen gemeinsam mit den Bezirken sicherstellen, dass es möglich ist, innerhalb von zwei Wochen sein Anliegen auf dem Bürgeramt abzuwickeln. Damit das klappt, muss vor Ort der Service verbessert werden. Letztes Jahr hat die Senatsverwaltung für Finanzen bereits eine Organisationsuntersuchung vorgelegt, die sinnvolle Empfehlungen enthält, die es jetzt umzusetzen gilt. Wir brauchen einen besseren und leichteren Zugang zu den Dienstleistungen der Bürgerämter. Und abgesehen vom Ausbau des Servicetelefons muss es zukünftig möglich sein, all das online zu erledigen, was man auch sicher online erledigen kann. Das beinhaltet im Übrigen auch die An- und Abmeldung von Wohnungen, wie hier im FDP-Antrag vorgesehen.
Wer sich im Moment durch die Bürgeramtsseite klickt, wird schnell feststellen, dass auch die Darstellung und der Aufbau verbesserungsbedürftig sind. Da gibt es noch eine Menge Luft nach oben. Einen Pass zu beantragen und eine Wohnung anzumelden, das muss zukünftig so einfach werden wie Onlinebanking oder eine Auto bei einem Carsharing-Unternehmen zu mieten.
Sie werden sich jetzt vielleicht an die Geschichte erinnern, in der drei junge Unternehmer im Netz die digitale Vermittlung von Bürgeramtsterminen angeboten haben. Das war im Prinzip nichts anderes als eine digitale Warteliste, auf die man sich setzen kann, wenn es eben keine freien Termine mehr gibt. Diesen Service wird es in Zukunft öffentlich und kostenfrei geben. Wer dann doch einmal direkt zum Amt gehen muss, kann sich künftig die aktuelle Wartezeit online anzeigen lassen.
Das alles und noch viel mehr wollen wir mit diesen beiden Anträgen auf den Weg bringen und ergänzen diese Punkte noch um einiges, was die Berliner Standesämter anbetrifft. Auch hier deutet sich an, dass es dringend nötig ist, sich einmal die Personalausstattung und die Abläufe genauer anzuschauen.
Wenn man nur noch zum Amt gehen muss, wenn es gar nicht anders geht, dann bleibt mehr Zeit für diejenigen, die sich im Internet nicht zurechtfinden oder vielleicht nicht so gut zurechtfinden. Das, was ich eben beschrieben habe, mag für die meisten von uns kinderleicht sein, aber eben noch nicht für alle. Mir geht es darum, dass wir die Älteren und die Alten nicht vergessen, die auf dem Amt dann doch auf ganz und gar altmodische Attribute wie Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit angewiesen sind. Im Übrigen wird wahrscheinlich die erste technische Erfindung, die ich nicht mehr verstehen werde, jetzt schon erfunden sein.
Wir haben es mit zusätzlichem Personal und einer Menge Geld tatsächlich geschafft, die Bürgerämter wieder in so eine Art Normalzustand zu versetzen. Weitere Schritte müssen folgen. Als Hauptstadt, als Metropole und als Zentrum digitaler Innovation müssen wir den Anspruch erheben, hierzu Vorreiter zu werden. Hier bei uns in Berlin müssten eigentlich die Standards von morgen entwickelt werden. Nicht nur bei den Bürgerdiensten erwachsen durch die Digitalisierung und das kreative Potenzial hier sehr viele Chancen. Aber genau da scheinen wir uns ja einig zu sein, auch mit der FDP, dass wir da noch eine Menge machen können. Ich fände es jedenfalls sehr gut, wenn wir mal nicht dem Ruf der Berliner Politik gerecht werden würden, uns immer irgendwie weiter durchzuwursteln, und wenn wir das dann hinkriegen, dann können wir von mir aus auch den Schampus rausholen. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, heute sprechen wir ein weiteres Mal in diesem Haus über die Sicht auf und den Umgang mit der DDR-Vergangenheit. Nicht nur die Debatte um die Ernennung von Andrej Holm als Staatssekretär und die Tatsache, dass er es jetzt nicht mehr ist, zeigt, dass wir mit dem Thema längst noch nicht fertig sind. Dabei reden wir aber über ein Thema mit vielen Facetten: Die Überprüfung von hohen Amts- und Mandatsträgerinnen und -trägern auf eine Mitarbeit im MfS und die Frage, welche Konsequenzen wir daraus ziehen, die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer, die Frage, wie wir mit dem Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen künftig umgehen, Aufarbeitung und Demokratiebildung, nicht zuletzt geht es auch um eine aufrichtige gesellschaftliche Debatte um den Umgang mit dem Erbe, das uns die DDR-Diktatur und ihre Institutionen hinterlassen haben. Das ganze Thema, liebe Kolleginnen und Kollegen, eignet sich aber überhaupt nicht für parteipolitische und taktische Spielchen, und ich hoffe, dass wir es jetzt schaffen, losgelöst von der Personalie Holm zu einem gemeinsamen Weg zu finden, mit all diesen Punkten umzugehen.
Uns liegen heute drei Anträge vor, die sich aber nur mit einem Ausschnitt der zu klärenden Fragen auseinandersetzen, nämlich der Überprüfung von hohen Amts- und Mandatsträgerinnen und -trägern auf eine Mitarbeit in der Stasi und welche Konsequenzen wir daraus ziehen. Beim Koalitionsantrag geht es darum, wie wir die Mandatsträgerinnen und -träger überprüfen oder wie sie überprüft werden und wie man das weitere Verfahren gestaltet. Hier bitte ich schlichtweg um Unterstützung. Wir sollten diesen Antrag möglichst breit und einvernehmlich tragen. Das ist mir auch persönlich sehr wichtig.
Beim FDP-Antrag geht es um die Überprüfung der Spitzen der Exekutive. Er liegt in einer geänderten Fassung des Rechtsausschusses vor, das ist bereits erwähnt worden. Vielleicht kurz zur Erklärung: Der Ursprungsantrag der FDP sah noch ein Verfahren zur Überprüfung der Legislative vor, was mit dem Ehrenrat-Antrag schon erledigt wäre. Dementsprechend musste er um diesen Punkt bereinigt werden. Er sieht vor, dass Senatsmitglieder und Staatssekretäre und Staatssekretärinnen auch weiterhin überprüft werden, und auch, wie mit den Prüfungsergebnissen umgegangen wird. Sie werden dem Parlament zugeleitet und dann ebenfalls in einer Art Ehrenrat der Fraktionsvorsitzenden beraten. Ich finde, die FDP-Fraktion schlägt hier eine gute Lösung vor, weil wir es uns eben nicht leicht machen und uns um eine Einzelfallentscheidung drücken. Ich möchte ausdrücklich dafür werben, diesem Antrag in der geänderten Fassung eine breite Mehrheit zu geben. Der CDU-Antrag wäre dann schlichtweg hinfällig, denn wenn wir so verfahren würden, wie von der CDU vorgeschlagen, gäbe es nichts mehr zu beraten.
(Sven Rissmann)
Mit der Abstimmung über diese drei Anträge hätten wir zumindest den Komplex Überprüfung auf Stasi-Tätigkeit in Senat und Parlament und die Schlussfolgerungen daraus erst einmal abgearbeitet. Es bleiben aber noch viele Fragen offen. So steht zum Beispiel in Kürze an, den Auftrag des Landesbeauftragten zu verlängern und ihn neu zu wählen.