Die Änderungen, die der Senat vorgeschlagen hat, boten wirklich genug Diskussionsstoff, um damit locker eine Ausschussberatung von zwei Stunden zu füllen. Anstatt aber eine Sitzung nur für die Beratung des Schulgesetzes vorzusehen, ließen Sie dieses unter ferner laufen und toppten das Ganze noch in der nur zwei Wochen später stattfindenden zweiten Beratungsrunde, zu der Sie am
Vorabend eine seitenlange Liste von Änderungen einreichten, in der solche Kleinigkeiten drinstanden wie die Einführung der inklusiven Schule oder die Einführung eines neuen Bildungsgangs, ohne dass die Koalition diese Themen in den letzten zwei Jahren ordentlich im Ausschuss aufgerufen hätte. Das Thema Schulessen übrigens auch nicht, bei dem Sie ja nun die Quadratur des Kreises von Kostenfreiheit und Qualitätssteigerung schaffen wollen!
Die parlamentarische Diskussion oder die Diskussion mit Experten und die Beantwortung von Fragen sind Ihnen nur lästig. Es geht Ihnen schlicht darum, Ihre Lieblingsprojekte, die eine bestimmte Klientel bedienen, durchzupeitschen, anstatt alle Schüler und alle Lehrer in der Stadt ins Auge zu fassen und unsere bisher ziemlich schlecht aufgestellten Berliner Schulen insgesamt zu verbessern.
Bestes Beispiel dafür sind die Gemeinschaftsschulen. Wir lehnen diese nicht grundsätzlich ab – so wie Sie das Gymnasium –, weil wir wirklich für Vielfalt stehen, die Sie oft nur auf den Lippen führen.
Wir haben aber den Anspruch, dass alle Schulen und damit auch die Gemeinschaftsschulen seriös gemacht werden.
Es ist nicht seriös, in die Bewertung der Gemeinschaftsschule nicht die Ergebnisse der allgemein üblichen bundesweiten Leistungsüberprüfungen aufzunehmen. Es ist nicht seriös, nicht einmal die Erfahrung einer Schülergeneration abzuwarten. Sie können noch nicht einmal klar definieren, was die Charakteristika der Gemeinschaftsschule sind, was sie konkret von anderen Schulformen unterscheidet, und pumpen gleichzeitig Millionenbeträge in diese wenigen Schulen und bevorzugen sie damit massiv gegenüber anderen Schulen in der Stadt, die mit diesem Geld natürlich auch besser und attraktiver geworden wären.
[Beifall bei der CDU – Beifall von Paul Fresdorf (FDP) – Regina Kittler (LINKE): Frau Bentele, Sie bekommen mal ein Heftchen von mir; da können Sie das nachlesen!]
Die größte Unseriosität besteht aber darin, dass Sie Eltern und Schülern in Zukunft die freie Wahl nehmen, sich für diese Schulform zu entscheiden. Wer auf Zwang setzen muss statt auf Überzeugung, der dient der Sache nicht
und macht sich schon von Anfang an verdächtig, und das sehen übrigens die Vertreter der Gemeinschaftsschule ganz genauso.
Machen Sie diesen Fehler heute rückgängig und stimmen Sie unserem Antrag zu, im Schulgesetz ein Widerspruchsrecht gegen die Zuweisung an eine Gemeinschaftsschule per Einzugsgebiet zu verankern! Stimmen Sie bitte auch weiteren guten Änderungsanträgen von uns zu, die die wirklich wichtigen bildungspolitischen Probleme in der Stadt adressieren!
Nr. 1 – die unterdurchschnittlich schlechten Grundschülerleistungen: Wir haben dazu einen Masterplan Grundschule ins Parlament eingebracht, der u. a. die Erfahrungen anderer Bundesländer aufnimmt, die durch ein enges Lernfortschrittsmonitoring, sprich: regelmäßige Tests, nachweislich Erfolge erzielt haben. Mit einem Senat, der sich nicht dafür interessiert, wo die Schüler mit ihren Leistungen stehen – siehe Diskussion um VERA 3 und IQB –, und der sich keine Ziele setzt, wird in Zukunft auch nichts passieren. Schüler werden auch in Zukunft nicht mehr lernen und weiterhin schlechtere Startchancen auf dem Arbeitsmarkt und an der Universität haben als Schüler aus anderen Bundesländern.
Mit dieser „Ist-mir-egal“-Haltung werden wir uns nie abfinden, und deshalb appelliere ich an Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Nehmen wir den Senat in die Pflicht, und setzen wir ihn auf den richtigen Weg, damit es endlich eine Trendwende bei den Schülerleistungen gibt, damit endlich alle Schüler die Regelstandards und noch viel mehr als bisher die höheren Standards erreichen!
Nr. 2: Unser Schulsystem muss gut verständlich und durchlässig sein. Es sollte die Leistungsfähigen und Willigen ebenso wie die Leistungsschwachen optimal fördern, sonst ist es nicht gerecht. Hierzu gehört, dass wir Prüfungen nicht um der Prüfungen willen brauchen, sondern nur, wenn sie Schülern etwas bringen.
Eine MSA-Prüfung, Frau Kittler, die in der Gymnasialklasse 10 den Schulstoff von Klasse 9 abfragt, bringt nichts.
[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Paul Fresdorf (FDP) – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]
So haben wir es aber in Berlin. Also entweder reformieren, so wie wir es Ihnen vorgeschlagen haben, oder eben weg damit – so wie in allen anderen Bundesländern und so, wie wir es Ihnen heute vorschlagen.
Genauso verhindert ein Probejahr am Gymnasium einen in vielen Fällen pädagogisch sinnvollen Schulwechsel zum Schulhalbjahr, und es gehört daher auf sechs Monate verkürzt.
Komplett abgeschafft gehört der verrückte Umstand, dass im Land Berlin Schulplätze verlost werden und damit das Leistungsprinzip und die doch ständig geforderte selbstständige bewusste Schulwahl permanent untergraben wird.
Ebenfalls ist es doch verrückt, dass sich an übernahmenachgefragten ISS fast mehr als an den Gymnasien die Leistungselite ballt, wobei die ISS Schulen für alle sein sollen, weswegen die Schüler dort ein Jahr mehr Zeit bis zum Abitur haben, die Klassen kleiner sind und ein breites Ganztagsangebot zur Unterstützung bereitsteht. Korrigieren Sie mit uns diese Anomalie und stimmen Sie einem Aufnahmeverfahren an ISS zu, dass jeweils 30 Prozent lernstarke, mittelstarke und lernschwächere Schüler vorsieht. Würden Sie nur die Grundidee der ISS richtig umsetzen, könnten Sie sich die Gemeinschaftsschule komplett sparen und damit viel Geld und Energie.
Eine Sache allerdings – das muss ich Ihnen zugutehalten – haben Sie bei dem Aufnahmeverfahren richtig gemacht, nämlich unseren Antrag umgesetzt, Geschwisterkinder bei der Änderung von Einzugsgebieten zu berücksichtigen. Wir freuen uns daher, wenn Sie unserem Antrag heute konsequenterweise zustimmen.
Zuletzt noch ein Punkt zur Brennpunktzulage, Frau Lasić, Herr Saleh ist nicht mehr im Raum: Sie ist nur auf eineinhalb Jahre angelegt, wird fraglos neue Ungerechtigkeiten schaffen und ist im Kern nur ein Akt der Verzweiflung. So sehr ich jedem Einzelnen das Geld gönne, und das nimmt auch jeder gerne mit, ich finde, wir dürfen den mittlerweile gut bezahlten Lehrern in unserer Stadt schon zumuten, zumindest für eine gewisse, begrenzte Zeit solidarisch zu sein. Berlin besteht zum Großteil leider nicht aus gutbürgerlichen Kiezen, sondern aus vielen schwierigen und vor allem nicht mehr sozial gemischten. Um die Spaltung in der Stadt nicht noch größer werden zu lassen und ohnehin stark belastete Kolleginnen und Kollegen nicht noch weiter zu belasten, erwarte ich von
der Senatorin zum einen, dass sie steuernd eingreift, und zum anderen, dass jeder Cent in die Verbesserungen der Rahmenbedingungen gesteckt wird, unter denen Lehrer in Berlin arbeiten, das heißt, in funktionierende Gebäude, mehr Platz, Lärmschutz, mehr Verwaltungsleiter, ITExperten und bessere IT-Ausstattung, mehr Haus- und Sozialarbeiter, denn nur so werden sich Lehrer wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können und nur so wird es uns gelingen, endlich wieder mehr junge Lehrer für den Lehrerberuf und vor allem für eine grundständige Lehrerausbildung zu gewinnen.
Die vorgelegten Anträge der Koalition dienen diesem Ziel nicht oder nur bedingt. Deshalb werden sie, wie wir schon im Bildungsausschuss signalisiert haben, nicht unsere Zustimmung finden können. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu allererst möchte ich sagen, dass wir sehr froh darüber sind, dass die Gemeinschaftsschule nach zehn Jahren Bestehen in das Schulgesetz als Regelschulart aufgenommen wird.
Das sehe ich als Anerkennung der Arbeit der Kolleginnen und Kollegen, der Schülerinnen und Schüler, ihrer Eltern und als Aufbruch in eine Pädagogik der Zukunft. Wir sind damit einen Schritt weiter, ein Ziel zu erreichen, das das Abgeordnetenhaus von Berlin am 25. Juni 2009 – einige werden sich noch erinnern – zur Weiterentwicklung der Berliner Schulstruktur mit der Drucksache 16/2479 beschlossen hat, nämlich die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft deutlich zu verringern. Es lohnt sich, ab und zu in alte Beschlüsse zu schauen. Das habe ich mal gemacht. Dazu – so heißt es im Beschluss, ich zitiere –:
bedarf es einer Schule, die alle Kinder und Jugendlichen mit ihren jeweiligen Ausgangslagen annimmt und individuell fördert, die nicht nach vermeintlicher Leistungsfähigkeit sortiert, sondern individuelles und längeres gemeinsames Lernen in heterogenen Lerngruppen in den Mittelpunkt
stellt. Es bedarf eines nicht auslesenden Schulsystems und einer neuen Lern- und Lehrkultur, so wie es dem Selbstverständnis der Gemeinschaftsschule entspricht.
Die bevorstehende Weiterentwicklung der Schulstruktur durch die Errichtung einer integrativen Schulform in der Sekundarstufe, die alle bisherigen Bildungsgänge einschließt und zu allen Abschlüssen, einschließlich Abitur, führt, ist ein wichtiger Zwischenschritt in Richtung eines ungegliederten, nicht auslesenden Schulsystems.