Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

(Sebastian Schlüsselburg)

[Stefan Franz Kerker (AfD): Hört, hört!]

Das kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein! Staatliche Versorgungsposten für ein beratendes Gremium, auch Quasselbude könnte man es nennen. Hinzu kommen lukrative Gutachteraufträge für Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen. Ich wette, Freshfields und McKinsey stehen schon längst in den Startlöchern. Da hat der Lobbyismus bei der FDP wohl mal wieder ordentlich angeklopft.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Bei mir gehen da die Alarmglocken an. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, Art. 20 Abs. 2 Grundgesetz. Die unmittelbar gewählten Volksvertreter in diesem Hause haben die höchste Legitimation des Volkes, hier im Parlament Gesetze zu erstellen oder auch abzuschaffen. Das wäre übrigens mal eine Methode, um Bürokratie abzubauen. Das wäre im Übrigen unsere und Ihre Aufgabe, für die Sie gewählt worden sind. Diese Aufgabe nun aus eigenem Unvermögen an ein externes, nicht gewähltes staatliches Gremium auszulagern, zeigt, dass Sie Ihre Aufgabe als Volksvertreter anscheinend nicht richtig verstanden haben.

[Beifall von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Auch das blinde Vertrauen, der Senat verfüge schon über die Fachkompetenz, um effektive Gesetzesvorlagen zu generieren, ist wirklichkeitsfremd. Schauen Sie sich alleine die ASOG-Gesetzesreform in Berlin an. Das Parlament wird nun schon seit über zwei Jahren hingehalten. Die erforderliche Gesetzesreform kam nur aus der Opposition heraus, zuerst von uns und dann noch mal kopiert von der CDU. Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass die Gesetzesbegründung für ein solch bedeutendes Gremium, das auf die Gesetzgebung des Landes Berlin Einfluss haben soll, mit einer halben Seite doch extrem dürftig ausfällt. Sie haben keine Kostenschätzung vorgenommen, was dieses Gremium kosten wird. Im Gegenteil, Sie behaupten ohne Angaben von Quellen oder Studien, dass der Nationale Kontrollrat angeblich Einsparungen in Milliardenhöhe generiert hätte. Ja, für diese Kausalität hätte ich gerne mal irgendeinen Beleg. Den gibt es nämlich nicht. Dieses Gesetz wird nicht gebraucht und schon gar nicht, um Bürokratie zu bekämpfen. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für Bündnis 90/Die Grünen jetzt der Kollege Ziller!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ja eine interessante Debatte bis hierhin. Ich muss für mich sagen und auch für meine Fraktion: Ich finde, die Idee, Gesetze auf Aktualität, Effizienz, Büro

kratieabbau und Bürokratievermeidung zu überprüfen, ist gut.

[Marc Vallendar (AfD): Ist aber unsere Aufgabe!]

Ich habe auch keine Angst, wenn mir Lobbyverbände, Naturschutzverbände oder auch irgendwelche Kontrollräte Empfehlungen geben, wie ein Gesetz effizienter sein kann vor meiner Entscheidung. Ich finde, davon geht die Demokratie nicht unter. Ich als Abgeordneter bin genau wie Sie der, der am Ende entscheidet. Und gegen jede Empfehlung im Vorfeld habe ich nichts. Die kann ich annehmen oder nicht. Das ist dann meine Verantwortung, dafür bin ich gewählt. Aber da habe ich keine Sorge.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ich bin auch überzeugt, es stößt durchaus auf breite gesellschaftliche Mehrheiten, die Regeln in unserem Land auf Bürokratiekosten, Verwaltungsvereinfachung immer wieder zu überprüfen. Ich glaube, ein Normenkontrollrat hätte also unstrittig Arbeit. Was ich aber durchaus auch für die Debatte in den Ausschüssen, die wir führen müssen, zum Nachdenken mitgeben möchte, ist: Hilft uns dieser Normenkontrollrat, ist es das Instrument, das wir dafür brauchen? Wir haben in Berlin im Rahmen der Digitalisierung und der Optimierung aller Geschäftsprozesse ein sehr umfassendes Projekt vor uns. Ich sage Ihnen: Mich treibt viel mehr um, wie es gelingt, dass bei all diesen Prozessen, die jetzt laufen, wenn alle Verwaltungsprozesse in digitale Verfahren überführt werden, wir Expertinnen und Experten, die Mitarbeiterinnen in der Verwaltung dabei motivieren, sich tatsächlich die Prozesse anzugucken. Und es zu sagen, wenn sie an einem Punkt sehen: Mensch, da ist das Gesetz eigentlich doof. Der Prozess könnte viel schlanker sein. Wir wünschen uns – das Beispiel ist gesagt – bei den 18 Schritten und drei Jahren für einen Fußgängerüberweg, dass sie sagen: Wir kriegen das in sechs Monaten hin mit fünf Schritten, und dafür müsste man ein Gesetz ändern. – Wie kriegen wir es hin, dass es ein Klima in der Berliner Verwaltung gibt, dass genau diese Vorschläge bei uns auf dem Tisch landen? Das ist der Prozess, den wir machen.

Ob da ein externer Normenkontrollrat, der in all diese Prozesse reingeht, der richtige Weg ist, weiß ich nicht. Lassen Sie uns gerne darüber reden, weil ich glaube, wir brauchen genau diese Prozesse. Was wir nicht brauchen, ist, dass die bestehenden Prozesse einfach in digitale überführt werden, so absurd wie sie zum Teil sind. Insofern haben wir eine Aufgabe. Der Prozess hat aber bereits begonnen. Insofern lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie man diese Prozesse so hinkriegt, dass am Ende eine effiziente Verwaltung, effiziente Prozesse für Bürgerinnen und Bürger, für alle Beteiligten herauskommen. Das ist die Aufgabe. Insofern lassen Sie uns gern parteiübergreifend die Effektivität von Regeln, von Gesetzen hinterfragen und im Ausschuss diskutieren, ob der vorliegende Gesetzesentwurf der richtige ist. Das Ziel, dass wir

(Marc Vallendar)

schlankere und effizientere Prozesse haben, teilen wir. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und mitberatend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.5:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 38

Menschen, Tiere und Gebäude vor Feuerwerksschäden schützen

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1526

In der Beratung beginnt die SPD-Fraktion. – Herr Kollege Stroedter! Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute das Thema Böller auf der Tagesordnung. Seit vielen Jahren erleben wir, dass Böller und Raketen zunehmend nicht mehr sachgemäß gebraucht werden – mitten in Menschenmengen werden gefährliche Böller und Raketen gezündet, oft sind viele Menschen auf der Straße –, dass Mindestabstände nicht eingehalten werden können. Es gibt viele Verletzungen, durch Feuerwerk verursachte Schäden an Gebäuden und Autos. Teilweise hat man das Gefühl, es herrschen kriegsähnliche Zustände in der Stadt.

Wenn man sich zu Silvester die Krankenhäuser ansieht und dort auf die Rettungsstationen geht, dann weiß man, wie viele Verletzte dort verarztet werden. Besonders inakzeptabel ist es – das ist mittlerweile ein beliebtes Spiel –, die Feuerwehr, die Polizei oder Rettungskräfte gezielt anzugreifen. Das ist skandalös! Das können wir nicht zulassen!

[Allgemeiner Beifall]

Von Rücksichtnehmen kann leider in vielen Bereichen keine Rede mehr sein. Das führt dazu, dass viele Berlinerinnen und Berliner zu Silvester wegfahren, weil sie es hier nicht mehr aushalten, weil es auch nicht nur eine Nacht oder ein paar Stunden dauert, sondern teilweise

über einen Zeitraum von acht bis zehn Tagen praktisch permanent geknallt wird. Es geht nicht darum, Leuten die Freude zu verderben, Silvester zu feiern. Es geht auch nicht um Verbote. Es geht darum, dass man sich ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzen muss. Im Übrigen gibt es dazu aktuell Umfragen, sowohl bei Forsa als auch bei Civey, die deutlich machen, dass inzwischen eine klare Mehrheit für ein Böllerverbot ist. Das begrüße ich ausdrücklich!

Die Koalition hat heute ihren Antrag vorgelegt – 18/1526. Darin fordern wir den Senat auf, die Berliner Bevölkerung vor der enormen Lärm-, Abgas- und Feinstaubbelastung und auch Lebensgefahr, die durch Feuerwerkskörper verursacht wird, zu schützen. Wir wollen, dass Berlinerinnen und Berlinern vor allen Dingen in eng bebauten Innenstadtlagen ohne Knallkörper und der damit verbundenen Gefahr für Leib und Leben unter freiem Himmel den Jahreswechsel feiern können. Dafür müssen entsprechende Möglichkeiten geschaffen werden.

Ich begrüße deshalb ausdrücklich, dass der Innensenator jetzt konkret zwei Bereiche genannt hat – ich sehe das als ersten Schritt, als ersten Aufschlag –, nämlich neben dem Feuerwerk am Brandenburger Tor, wo wir diese Reduzierung schon haben, wo niemand mit Feuerwerk reinkommt, weil es auch gar nicht möglich wäre, wenn das so ablaufen würde, wie in anderen Bereichen, und jetzt Planungen für den Hermannplatz in Neukölln und die Pallasstraße in Schöneberg vorsieht. Wer sich das mal angeguckt hat, der weiß, was ich meine. Auch da sind die Ordnungskräfte im Kriegszustand. Sie müssen die Angriffe, die dort auf sie gestartet werden, erdulden. Es ist aus unsere Sicht ein erster Schritt.

Wir wollen den Berlinern insgesamt einen friedlichen Jahreswechsel ermöglichen. Ich nenne mal andere Bereiche: Großraumsiedlungen – Märkisches Viertel – oder die Schönhauser Allee, Alexanderplatz, Gropiusstadt, Südstern, Breitenbachplatz. Die Liste könnte man weiter fortsetzen. Die Grünen haben generell ein Verbot im Innenstadtring vorgeschlagen. Ich glaube, das allein wird nicht ausreichen. Wir werden in den Ausschüssen diskutieren und gegebenenfalls nachbessern müssen.

Ich glaube auch, dass wir auf Bundesebene etwas tun müssen. Wir müssen das Sprengstoffgesetz entsprechend ändern.

[Holger Krestel (FDP): Das steht doch alles drin!]

Es kann nicht sein, dass Raketenbatterien und besonders lautes Knallwerk in der Form verkauft werden darf. Da wollen wir den Verkauf und auch den Zeitraum einschränken.

Und man muss auch zum Feinstaub etwas sagen. Ich habe in der vergangenen Wahlperiode die Ehre gehabt, die Enquete-Kommission „Neue Energie“ zu leiten. Wenn man sich die Zahlen ansieht, dann ist das schon dra

(Stefan Ziller)

matisch: 17 Prozent Feinstaubbelastung in einer Nacht bezogen auf den gesamten Straßenverkehr in einem Jahr. Wenn man sich das überlegt – und wir unterhalten uns über Dieselfahrverbote in einzelnen Straßen, in einzelnen Gebieten! Wie will man den Betroffenen das eigentlich klarmachen, wenn man in einer Nacht, zu Silvester, 17 Prozent zulässt? – Das kann nicht sein. Das muss geändert werden.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Herr Czaja! Ihr Prinzip ist: Alles erlauben! – Einige wenige belasten die große Allgemeinheit. Das ist FDPPolitik – das ist aber nicht die Politik dieser Koalition!

[Holger Krestel (FDP): Wir haben uns ja noch gar nicht geäußert!]

Wir wollen auf die Allgemeinheit insgesamt Rücksicht nehmen. In Hannover kann man ganz deutlich sehen, dass das möglich ist. Das ist ein Versuch, dort etwas zu machen. Deshalb sage ich: § 24 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz lässt Städten und Gemeinden ausdrücklich den Freiraum, Einschränkungen zu erlassen.

Ich bin deshalb zuversichtlich, dass es uns gelingt, hier nachzubessern, dass es uns gelingt, im Laufe des Jahres zu erreichen, dass das nächste Silvesterfest deutlich friedlicher abläuft. Ich glaube, es ist im Sinne aller Berlinerinnen und Berliner, aber es ist vor allen Dingen im Sinne der Rettungskräfte im Einsatz, im Sinne von Polizei, Feuerwehr und Krankensanitätern. Es kann nicht sein, dass sie angegriffen werden. Es ist ein beliebtes Spiel, sich auf Kosten der Kräfte dort auszulassen. Deshalb bitte ich Sie alle darum: Gehen Sie seriös mit diesem Antrag um! Unser Ziel ist es, dass die Verhältnisse zu Silvester deutlich verbessert werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Freymark das Wort!

[Georg Kössler (GRÜNE): Zeig’ mal, ob du ein Umweltpolitiker bist! – Anja Kofbinger (GRÜNE): Feinstaub! Feinstaub!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Liebe Kollegen! Die Stimmung im Saal ist schon mal silvestertauglich – ganz ohne Ballerei –, genauso, wie sich das der eine oder andere hier im Saal auch wünscht.

Ich selber habe die großartige Gelegenheit, seit sieben Jahren im Petitionsausschuss zu sitzen. Auch dort darf ich für alle Berlinerinnen und Berliner die Umweltthemen mit betreuen. Sie sind herzlich eingeladen, sich regelmäßig an diesen Ausschuss zu wenden! – Und einige tun das auch und weisen regelmäßig mit Petitionen darauf hin, dass sie nicht mehr gewillt sind, eine Silvesterböllerei in diesen Ausmaßen zu akzeptieren. Jedes Jahr aufs Neue haben wir im Petitionsausschuss gesagt: Das wäre doch etwas, das wir mal in die Fraktionen geben müssen! – Und es hat lange gedauert, bevor sich einige gedanklich auf den Weg gemacht haben, darüber nachzudenken, welche Alternative es zu der freien Knallerei geben kann, die hier mittlerweile völlig etabliert ist, historisch gewachsen kann man sogar sagen. Deswegen ist es, glaube ich, auch ein kniffliges Thema, das vielleicht nicht per se erst mal hier ins Plenum gehört, sondern in die betreffenden Ausschüsse – in der Anzahl sollen es drei sein, in die überwiesen wird. Dann werden wir miteinander darüber in die Diskussion kommen.