Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

Ich selber habe die großartige Gelegenheit, seit sieben Jahren im Petitionsausschuss zu sitzen. Auch dort darf ich für alle Berlinerinnen und Berliner die Umweltthemen mit betreuen. Sie sind herzlich eingeladen, sich regelmäßig an diesen Ausschuss zu wenden! – Und einige tun das auch und weisen regelmäßig mit Petitionen darauf hin, dass sie nicht mehr gewillt sind, eine Silvesterböllerei in diesen Ausmaßen zu akzeptieren. Jedes Jahr aufs Neue haben wir im Petitionsausschuss gesagt: Das wäre doch etwas, das wir mal in die Fraktionen geben müssen! – Und es hat lange gedauert, bevor sich einige gedanklich auf den Weg gemacht haben, darüber nachzudenken, welche Alternative es zu der freien Knallerei geben kann, die hier mittlerweile völlig etabliert ist, historisch gewachsen kann man sogar sagen. Deswegen ist es, glaube ich, auch ein kniffliges Thema, das vielleicht nicht per se erst mal hier ins Plenum gehört, sondern in die betreffenden Ausschüsse – in der Anzahl sollen es drei sein, in die überwiesen wird. Dann werden wir miteinander darüber in die Diskussion kommen.

Zum Antrag selbst: Ich finde schon mal gut, dass man Mensch und Tiere schützen will. Ich glaube, es wäre von den Antragstellern nicht falsch gewesen, sehr konkret zu sagen: Polizei, Rettungswagen, Feuerwehr gilt es hier in besonderem Maße zu schützen. – Denn das, was hier in Berlin passiert ist, dass Rettungskräfte, Polizisten und Feuerwehrleute angegriffen wurden, ist nicht akzeptabel. Und da darf es auch kein Vertun geben.

[Allgemeiner Beifall]

Da finde ich es auch gut, dass das bei allen Fraktionen offensichtlich Anklang findet, denn, wie gesagt, dies sind Bilder, die wir nicht sehen wollen und die mit Berlin und mit Offenheit und Großstadt natürlich nichts zu tun haben.

Zu der Überlegung, die Senator Geisel aufgegriffen hat – wer der Erfinder ist, darüber werden am Ende wieder alle streiten; ich kann zumindest für die CDU-Fraktion sagen, dass unser Fraktionsvorsitzender Burkhard Dregger und unsere Fraktion sich gemeinsam auch Gedanken gemacht haben: Wir glauben, es kann sinnvoll sein, auf der einen Seite spezielle Feuerwerkszonen einzurichten oder optional auf der anderen Seite in bestimmten Zonen auch zu sagen: Da geht es auf gar keinen Fall!

In meinem Bürgerbüro hatte ich interessante Gespräche. Da sind Leute explizit an den Alexanderplatz gegangen und haben gesagt: Ich wollte mal schauen, ob die Menschen wirklich bereit sind, mit der Rakete jemand anderen abzuschießen. – Ja, die Beobachtungen sind an besonderen Orten, dass Menschen eben auch Unfug mit diesem Feuerwerk anstellen und dass dies nicht in Ordnung ist. Ich persönlich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir vielleicht in Zukunft über Feuerwerkszonen oder Ähnliches sprechen. Das gehört irgendwie dazu. Ob das so gemacht werden muss, wie das bisher gemacht wurde, nämlich wild und überall und dann ein, zwei Tage lang,

(Jörg Stroedter)

in kompletter Vermüllung, das muss man dann miteinander diskutieren.

Was ich noch erwähnt haben will, weil es eine interessante Entwicklung ist: Auf der einen Seite diskutieren wir darüber, dass wir vielleicht Feuerwerkszonen einrichten, dass der Verkauf sogar gestoppt, mindestens aber eingeschränkt werden muss. Das kann man alles diskutieren, aber im gleichen Atemzug wurden vor wenigen Jahren – ich glaube, vor zwei Jahren – überhaupt erst die Zeiten ausgeweitet, wann man überhaupt knallen darf. Das war mal von 18 Uhr bis 6 Uhr begrenzt. Und da hat man gesagt: Nein! Nein! Das kann viel früher beginnen und kann viel länger gehen. – Wir müssen natürlich auch schauen, dass wir dann entsprechende Initiativen auf der Bundesebene mit hineinbringen oder dort auch Diskussionen miteinander führen müssen, damit überhaupt die Dinge, die hier vorgeschlagen werden, auch umsetzbar sind.

Abschließend: Wenn wir jetzt eins zu eins sagen, der Feuerwerksverkauf funktioniert in Berlin nicht mehr, das ist verboten, das darf es nicht mehr geben – wir sind doch nicht doof –, dann fährt derjenige vielleicht in ein anderes Bundesland oder in die Nachbarstaaten. Da gibt es ja z. B. die berühmten Polenböller. Dann wird so etwas vielleicht noch öfter hier genutzt, und wir wissen, welche Konsequenzen nichtkontrolliertes Sprengstofffeuerwerk hat. Das wollen wir also auch nicht.

Deswegen: Das wird keine ganz einfache Debatte. Ich bin da sicher: Es wird keine ganz einfache Idee, hier eine Lösung zu finden. Ich glaube, dass es für die Debatte nicht schlecht gewesen wäre, wenn die Senatorin, die dafür zuständig ist, mit im Raum gewesen wäre, nämlich aus dem Umweltbereich.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Das meine ich gar nicht despektierlich oder böse, sondern sie wird ja – davon gehe ich natürlich aus – sich sehr genau das Protokoll durchlesen und dann für die Fachausschussdebatten auch diese Redebeiträge nutzen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Schrader das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben an diesem Montag im Innenausschuss eine erste Bilanz der Silvesternacht gezogen, und für mich war zumindest eine Nachricht dabei, die mich vorsichtig optimistisch stimmt: Die Zahl der Rettungseinsätze ist in diesem Jahr leicht gesunken. Ob das ein nachhaltiger Trend wird, das wissen wir jetzt noch nicht; das müssen wir abwarten. Aber

vielleicht bewegt sich da Berlin schon langsam in die richtige Richtung.

Daneben gab es aber auch Zahlen, die uns nicht so optimistisch stimmen: Die Zahl der Verletzten bewegt sich weiter auf einem ziemlich hohen Niveau, und auch in diesem Jahr gab es wieder Übergriffe auf Rettungskräfte und auf Polizeikräfte und Raketenschüsse auf andere Menschen usw. usf. Da sage ich ganz klar: Das kann nicht sein, und dagegen müssen wir etwas tun!

[Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]

Wir sind uns ja im Grunde alle ganz einig darüber, dass wir die Schäden an Silvester verringern wollen. Aber über die Mittel und Wege sind wir in der Diskussion, glaube ich, noch ziemlich am Anfang. Zum Jahreswechsel gab es ein richtiges Feuerwerk von Ideen, was man dagegen tun kann. Aber man muss auch feststellen: Nicht jede Idee war so richtig zündend.

Wenn wir uns bei der ganzen Sache nicht die Finger verbrennen wollen, müssen wir die Dinge zu Ende denken. Ich will v. a. davor warnen, es sich zu einfach zu machen und einfach nur möglichst flächendeckende Verbote zu fordern. Wenn wir wirklich nachhaltig etwas erreichen wollen, müssen wir schon an mehreren Punkten ansetzen. Die Koalition hat mit dem Antrag, über den wir heute reden, erste Vorschläge gemacht: Wir wollen z. B. den Verkauf von Raketen und Böllern stärker regulieren – das ist schon angesprochen worden. Ich finde, es ist nichts sinnloser, als ein Verbot – vielleicht sogar ein stadtweites Verbot – zu prüfen, wenn man aber trotzdem an jeder Ecke den Sprengstoff kaufen kann, den es an Silvester so gibt. Das ist natürlich vollkommen sinnlos. Deswegen müssen wir uns über den Verkauf Gedanken machen.

Wir müssen uns auch über die Kontrolle des illegalen Verkaufs von Böllern Gedanken machen. Auch das ist ein Punkt, der noch nicht wirklich beleuchtet wurde.

[Beifall von Holger Krestel (FDP) und Georg Kössler (GRÜNE)]

Wir wollen eine Präventionskampagne starten, das steht in unserem Antrag. Damit kann man natürlich nicht jeden erreichen. Aber vielleicht kann man doch ein paar erreichen, und zwar diejenigen, die sich vielleicht aus Dummheit oder Unwissenheit selbst oder andere Menschen gefährden. Da kann man vielleicht schon ein bisschen etwas bewegen.

Aber wir können uns natürlich auch vorstellen, den Gebrauch von Böllern und Raketen generell stärker einzuschränken. Ich finde aber, da haben es sich einige wirklich ein bisschen einfach gemacht. Einfach flächendeckende Böllerverbote in der Innenstadt zu fordern oder sogar im ganzen Stadtgebiet, ohne irgendein Konzept zu haben, wie das Ganze praktisch und rechtlich funktionieren soll, finde ich nicht gerade seriös. Wir haben ja zuerst

(Danny Freymark)

einmal eine Rechtslage, die das Ganze komplizierter macht; das ist Bundesrecht. Da können wir als Land Berlin versuchen, initiativ zu werden und etwas zu erreichen, damit wir mehr Einschränkungsmöglichkeiten haben.

Aber bis dahin können wir in Berlin nur mit dem Gefahrenabwehrrecht arbeiten, wie es der Innensenator vorgeschlagen hat. Da sind dann aber erst einmal keine großen Sprünge möglich. Man muss sich darüber hinaus noch im Klaren sein, wie man das Ganze durchsetzen will. Ein Verbot allein nützt erst mal ziemlich wenig. Ich darf daran erinnern, dass Böller auf andere Menschen zu werfen oder Raketen auf Feuerwehrleute zu schießen, auch jetzt schon verboten ist. Trotzdem passiert es mitunter leider an Silvester. Deswegen müssen wir uns Gedanken machen, wie man Verbote durchsetzen kann.

Die Polizei arbeitet in der Silvesternacht jetzt schon am Limit oder sogar darüber hinaus. Ich glaube, die Berliner Polizistinnen und Polizisten sind nicht so begeistert, wenn wir Politikerinnen und Politiker sagen: Wir beschließen jetzt ein Verbot, und dann seht zu, wie ihr das durchgesetzt bekommt! – Da müssen wir uns schon selbst Gedanken machen.

[Beifall von Holger Krestel (FDP)]

Der Innensenator selbst hat auch auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die im Zusammenhang mit seinem Vorschlag da sind: Man braucht Personal, das man eigentlich nicht genügend hat. Man muss ein Einsatzkonzept haben, das sicherstellt, dass das Personal nicht an anderer Stelle fehlt, wo man es braucht. Und man muss natürlich damit rechnen, dass sich die ganze Böllerei, wenn man nur einzelne Straßen oder Plätze mit einem Verbot belegt, einfach ein paar Meter weiter in die nächsten Straßen verlagert. – Das alles muss man auf dem Schirm haben. Das sind Probleme, denen wir uns stellen müssen; da können wir uns nicht verdünnisieren.

Lassen Sie uns das also in Ruhe im Ausschuss beraten! Vielleicht können wir auch eine Anhörung dazu machen, und dann sehen wir, was Sinn macht und was nicht und wie wir das erreichen können. Ich glaube, wir wollen am Ende alle nicht, dass der Schuss nach hinten losgeht. Deswegen: Lassen Sie uns das so machen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Holger Krestel (FDP)]

Für die AfD-Fraktion hat Herr Kollege Woldeit das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wissen Sie, welche große Gefahr besteht, wenn man als Politiker ein Regierungsamt über

nimmt? – Die Gefahr besteht darin, dass man sich mehr und mehr vom Souverän, vom Bürger entfremdet, und wenn das Ganze auch noch über Jahre und Jahrzehnte stattfindet, dann ist man irgendwann eventuell nur noch in einer eigenen Blase unterwegs und verkennt ein Stück weit die Realitäten.

Warum sage ich das? Wie kann sich das äußern? – Das mache ich ganz deutlich: Das kann sich z. B. darin äußern, dass ein Innensenator feststellt: Wir haben keine Probleme mit Clanstrukturen, das ist alles Folklore! – Aber wenn er nach einer Anhörung einmal dorthin geht, stellt er fest: Hoppla! Das ist ja gar keine Folklore, sondern Realität!

Das kann sich darin äußern, dass ein Regierender Bürgermeister frei nach Marie-Antoinette sagt: Wer sich in Berlin im öffentlichen Personennahverkehr nicht sicher fühlt, soll ein Taxi nehmen! – Das sind so Kleinigkeiten, und das kann sich auch in Äußerungen zeigen, wenn der Innensenator, wie diesen Montag im Innenausschuss gesehen, sagt, er sehe im Übergang von 2018 auf 2019 in der Gesamtbilanz einen unbeschwerten Jahreswechsel.

[Vereinzelter Beifall von der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Lustig!]

In der Tat haben wir im Innenausschuss verschiedene Dinge angesprochen, die richtig und notwendig sind. Wir hatten auch Dr. Homrighausen, den neuen Landesbranddirektor vor Ort, und er hat eine kurze Bilanz dargelegt. Wie sieht denn eine Silvesternacht aus Realitätssicht mittlerweile aus? – Wir hatten zwischen 19 Uhr und 4 Uhr den Ausnahmezustand. Verschiedene Presseberichte schrieben von bürgerkriegsähnlichen Zuständen.

Herr Schrader! Sie haben recht: Die Einsatzzahlen sind von 1 700 auf 1 500 von Silvester 2018 auf Silvester 2019 zurückgegangen. Aber von 60 Angriffen von 2017 auf 2018 sind die Angriffe auf Sicherheitskräfte bis auf knapp 100 gestiegen. Ich rede von 100 Übergriffen gegen Sicherheitskräfte – gegen Leute, die uns schützen, die uns helfen, gegen Polizisten, gegen Feuerwehrleute. Was ist die Brisanz daran? Wir hatten ja vor gar nicht allzu langer Zeit eine Anhörung zum Jahresbericht der Feuerwehr. Wissen Sie, wie brisant das ist, wenn Herr Guzy als Interessenvertreter der Freiwilligen Feuerwehren sagt: Mittlerweile ist es so weit, dass unsere Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr über Silvester keinen Dienst mehr leisten können und wollen, weil sie sich schutzlos ausgesetzt sehen?

Und wie reagieren wir? – Wir beraten heute einen Antrag „Menschen, Tiere und Gebäude vor Feuerwerksschäden schützen“, und was ist das Hauptargument in Ihrer Begründung? – Feinstaub! 17 Prozent der Feinstaubbelastung eines Jahres – Kollege Stroedter hat es ja gesagt – entstehen in der Silvesternacht. Übrigens: Wenn dem so ist, dann sollten Sie Ihre gesamte Verkehrspolitik überdenken, denn dann sind Sie nämlich irgendwo in einer

(Niklas Schrader)

Zahlenarithmetik, die der Realität auch nicht gerecht wird!

[Beifall bei der AfD]

Ich bin schon ein Stück weit dankbar, wenn Herr Stroedter wenigstens in einem Hauch und in einem Nebensatz die Übergriffe auf Sicherheitskräfte erwähnt. Ich bin dankbar, wenn der Kollege von der CDU das macht, und sogar Herr Schrader hat das aufgenommen. Wissen Sie, was mir in der Antragsbegründung fehlt? Es steht nicht ein einziges Wort gegen diese Übergriffe. Ich sage es noch einmal: Hier ist der absolute Bezug zur Realität verlorengegangen.

[Beifall bei der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Bravo! – Torsten Schneider (SPD): Sind Sie dafür, oder sind Sie dagegen?]

Ich sage es Ihnen gleich, Herr Schneider. Ich weiß, Sie sind ganz gespannt. Ich habe den Innensenator am Montag gefragt und gesagt: Herr Senator! Sie habe es gerade angesprochen. Sie haben Ansprachen im Vorfeld zur Silvesternacht gehalten, auch, um deeskalierend zu wirken. Ich stelle fest, natürlich, wenn Ansprachen gemacht wurden, muss man sich auch mit der entsprechenden Täterklientel auseinandersetzen. Man muss wissen, wer ist denn dort in dem Bereich unterwegs. Wer ist denn so asozial und schmeißt Molotow-Cocktails auf Rettungswagen? Wer ist so asozial und beschießt Feuerwehrleute und Polizisten mit Feuerwerkskörpern? Wer ist so asozial und liefert sich Straßenschlachten innerhalb Berlins, übrigens in Bezirken wie Kreuzberg, Neukölln und entsprechenden Kiezen in Schöneberg? Ich spreche es nicht aus, Sie alle wissen es. Das ist etwas, was Ihnen auch unangenehm ist.

[Beifall bei der AfD]

Sie erkennen, dass Sie jahrelang Fehler gemacht haben, es versäumt haben, Ross und Reiter zu benennen. Um dieser Lage jetzt Herr zu werden, führen Sie einen Schaufensterantrag zu Buche und wollen das Ganze mit irgendwelchen fadenscheinigen Begründungen im Rahmen von Feinstaubbelastungen kaschieren. Das ist nicht unser Stil. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der AfD]