Danke, Herr Präsident! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2013 wurden die Kinozuschauer schockiert durch einen Film, „The Purge – Die Säuberung“. Er spielt in einer Gesellschaft, in der es erlaubt ist, an einem Tag im Jahr die Sau herauszulassen, mit der Logik
dahinter, dass es den Rest des Jahres friedlicher ist. Es scheint so, als würde sich für einige Menschen in Berlin Silvester immer mehr zu solch einer Nacht entwickeln. Sprengstoff in Privathand.
Das ist Feuerwerk. Das sind Böller nun einmal. Sie sind das ganze Jahr verboten und werden nach dem Bundesgesetz an einem Tag im Jahr, dann allerdings viel zu oft gepaart mit Alkohol, auf die Gesellschaft abgeschossen. Gerade Kinder, Ältere, Kranke und viele Tiere leiden. Tausende verlassen die Stadt aus Angst oder weil sie sich den Stress einfach nicht geben wollen. Ich finde, es ist überfällig, dass sich dieses Haus endlich mit diesem Thema beschäftigt.
Lassen Sie mich kurz auf einige Bausteine in unserem Antrag eingehen, die bereits in die richtige Richtung weisen. Erstens geht es um eine öffentlichkeitswirksame Kampagne, um auf die Risiken und Nebenwirkungen von Knallern einzugehen. Jeder Böller, der geworfen wird, ist vielleicht Spaß für den einen, aber Schmerz oder zumindest nervend für jemand anderen. Zweitens: Auf öffentlichen Liegenschaften soll kein Sprengstoff mehr verkauft werden, und der Handel soll angehalten werden, sein Sortiment zu bereinigen. Drittens: Es soll eine Bundesratsinitiative zur Beschränkung der Verkaufstage von Böllern geben. Das ist gut, das ist aber nicht gut genug. Ich finde, die Länder und Kommunen brauchen hier mehr Beinfreiheit vom Bundesgesetzgeber. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir uns in der Koalition einig sind, diese Bundesratsinitiative anzuschärfen.
Wir müssen aber auch eine Detailebene tiefer gehen. Dank Senator Geisel reden wir jetzt nicht mehr darüber, ob wir da etwas tun, sondern wie wir es tun. Wir Grüne haben in der Presse und über einen Parteitagsbeschluss verschiedene Gedankenanregungen gegeben. Vier Punkte möchte ich für die Ausschussberatung schon einmal nennen. Erstens: Worum geht es eigentlich? Wollen wir ein Verbot nur von Böllern, die bumm machen, die lauten Dinger? Oder wollen wir auch an das Feuerwerk heran? Bereits heute hat uns der Bundesgesetzgeber schon die Möglichkeit gegeben, in dicht besiedelten Gebieten Böller zu untersagen. Ich finde, damit sollten wir sofort anfangen. Mögliche Rechtsstreitigkeiten mit Böllerfans über die Definition von „dicht besiedelt“ könnten kommen. Lassen Sie uns gern im Ausschuss diskutieren, ob uns diese rechtliche Unsicherheit wirklich abschreckt angesichts der überwältigenden Mehrheit von Berlinerinnen und Berlinern, die wollen, dass wir als Politik endlich einmal den Allerwertesten hochbekommen.
Dann die Raketen: Ich persönlich finde, dass Raketen zu Silvester dazugehören. Ich erfreue mich an ihrem Anblick. Ich muss sie aber nicht auf fremde Balkone
schießen. An dieser Stelle liebe Grüße an meine Nachbarn in Neukölln: Bei euch hackt’s wohl! Lassen Sie uns gern debattieren, ob mehrere dezentrale professionell veranstaltete Feuerwerke nicht besser wären!
Zweitens: Wie regulieren wir den Verkauf? Darauf hat der Kollege schon zu Recht hingewiesen, das ist die andere Seite der Medaille. Wenn man etwas verbietet, muss man beim Verkauf anfangen, sonst macht es keinen Sinn. Ich bin dafür, hier im Bundesrat für maximale Beinfreiheit für Berlin einzutreten und dann zu sagen, wie weit wir gehen. Wir können mit dem Handel viel besser argumentieren, wenn wir dort den maximalen Weg, ein Komplettverbot, gehen könnten.
Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buchholz von der AfD zulassen.
Herr Kössler! Ich bin total schockiert. Wer hat denn in Neukölln Feuerwerksraketen auf Ihren Balkon geschossen?
Wahrscheinlich meine Nachbarn. Ich habe es nicht gewagt, hinunterzugehen und zu fragen, wer sie sind.
Bei uns wurde aus Pistolen Feuerwerk abgefeuert. Das ist übrigens nicht nur in Neukölln so. Das ist in ganz vielen Stadtteilen von Berlin der Fall, ich bin am Anfang darauf eingegangen. Da macht sich mittlerweile ein Klima breit, wo man denkt, in einer Nacht im Jahr kann man einmal so richtig die Sau herauslassen. Dafür brauchen wir eine Antwort.
Lassen Sie mich noch einmal zu den Details zurückkommen. Drittens: Abseits eines Verbots ist der Vorschlag des Innensenators sinnvoll, die Gefährlichkeit der erlaubten Raketen und Böller herunterzudimmen, wie er sagte. Es gibt bereits heute immer mehr Batteriefeuerwerke und immer lautere Böller. Das ist übrigens gar nicht so undenkbar. 2007 wurden die sogenannten Luftheuler bereits einmal verboten. Ich persönlich vermisse sie nicht.
Viertens, das ist die entscheidende Frage: Wo wollen wir regulieren, in ganz Berlin, in der Innenstadt, nur in ausgewählten Gebieten, und wie begründen wir das gegenüber den Leidtragenden, die dann nicht geschützt werden? Ich halte die Einschränkung des Silvesterwahns an nur drei Stellen in der Stadt und rein über das Polizeirecht für den falschen Ansatz. Ja, eine Definition dieser gefährlichen Orte kann ein Baustein sein. Aber wenn wir uns nur an diesen wenigen Idioten, die Idioten, die Polizisten und Feuerwehren beschießen, ausrichten, verkennen wir doch die wahre Aufgabe. Wir brauchen einen Mentalitätswechsel an Silvester. Diesen bekommen wir nur, wenn wir eine Regelung finden, die alle Menschen schützt und die auch für alle Menschen gleichermaßen gilt.
Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Woldeit von der AfD zulassen?
Vielen Dank, Herr Kollege Kössler! – Sie haben mich jetzt gerade ein Stück weit irritiert, als mein Kollege gefragt hat, von wem die Rakete auf Ihren Balkon geschossen wurde. Sie sagten gerade, Sie haben sich nicht getraut, hinunterzugehen. Das irritiert mich. Wir leben in der sichersten Stadt. Seit Jahren gehen die Zahlen nach unten. Wir fühlen uns immer sicherer in einem Land, in dem wir gut und gerne leben. Warum haben Sie sich nicht getraut, nach unten zu gehen?
Ich habe mehrfach gesagt, dass sich viele Berlinerinnen und Berliner – ich bekomme viele Zuschriften –, laut Umfragen sogar eine Mehrheit, an Silvester unwohl fühlen. Viele fühlen sich unsicher.
Ich habe auch dazugehört. Ich freue mich, dass Sie zustimmen, wenn wir einen Vorschlag machen, wie wir das ändern.
Jetzt möchte ich aber trotzdem noch einmal auf die Frage, wo wir regulieren, zurückkommen, denn wir dürfen uns nicht auf das Totschlagargument einlassen, dass wir es nicht machen können, wenn wir es nicht kontrollieren können. Wenn wir nur noch Gesetze erlassen, die von der Polizei flächendeckend durchgesetzt werden, hätten wir keine Anschnallpflicht, hätten wir kein Rauchverbot in Gaststätten. Ich glaube, dass wir den Menschen auch
etwas vertrauen müssen. Wir müssen den Menschen vertrauen, dass sie neue Gesetze mitbekommen, dass sie lernen, sich daran zu halten, dass sie sich in der großen Masse daran halten. Lassen Sie uns das alle im Ausschuss debattieren, aber bitte ohne die Totschlagargumente. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten letztes Silvester wieder auf den Berliner Straßen anarchische Zustände und Übergriffe auf Menschen, vor allem aber auf unsere Einsatzkräfte im Vollzugsdienst erlebt. Das, was ich hier heute insbesondere durch Herrn Schrader gehört habe, war wesentlich vielversprechender, als das, was ich in dem Antrag gelesen habe, denn der Antrag kommt mir wie ein Feuerwerk an Lösungsideen im Vorgriff auf das nächste Silvesterfest vor. Im Prinzip ist der Antrag, über den wir jetzt sprechen, mehr oder weniger redundant, weil sich hier wieder die Freunde der Verbotspolitik geäußert haben. Alles, was man zur Verhinderung von bestimmten Ausschreitungen im Zusammenhang mit der Nutzung von Feuerwerk braucht, ist schon seit Jahren in Gesetzesform gegossen. Ich zitiere – mit Erlaubnis der Frau Präsidentin –:
Besteht bei Verwendung eines Feuerwerkskörpers eine Gefährdung von Leib und Seele oder fremden Sachen von bedeutendem Wert, kann dies mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden.
Damit ist das doch wohl klar definiert, und wenn der Innensenator seine Hausaufgaben gemacht hätte und über die notwendigen mobilen Zugriffskräfte verfügen würde, um die Straftäter, die z. B. die in der Debatte vielfach zitierten Polenböller verwenden, auf frischer Tat festzunehmen und ihrem gesetzlichen Richter zuzuführen, dann hätte das eine tiefgreifende Wirkung.
Ihnen jedoch fehlt diese klare Linie, und Sie beantragen hier einen bunten Strauß von Forderungen, die am Ende nicht durchsetzbar sein werden.
Vielen Dank, Herr Kollege Krestel! – Sie sprechen da einen richtigen und wichtigen Punkt an, nämlich die Durchsetzungsfähigkeit der entsprechenden Maßnahmen. Ich habe vorhin angeführt, dass wir 100 Angriffe hatten – und das sind ja Straftatbestände, keine Ordnungswidrigkeiten –, und der Senator teilte mir mit, dass es ganze 16 Ermittlungsverfahren gibt. 100 Angriffe zu 16 Ermittlungsverfahren! Können Sie sich vorstellen, dass überhaupt noch eine Chance besteht, so einen Böllerverbotsbereich im Rahmen von Ordnungsmaßnahmen nur im Hauch umzusetzen, wenn wir jetzt schon so ein Armutszeugnis von gerade mal 16 Prozent an Ermittlungsverfahren haben?
Wo war ich gerade? – Wer Verbote ausspricht, die hinterher in der Realität nicht durchzusetzen sind, leistet der Sicherheit und der Lebensqualität in dieser Stadt einen Bärendienst.
Irgendwo weiß dieser Innensenator das auch und hat deswegen zwei sehr begrenzte Orte in Schöneberg und Nord-Neukölln mit einem forschen Böllerverbot – ich setzte das mal in Anführungsstriche – belegt. Sozusagen pyronal befreite Zonen!
Leider wird dies wieder nur ein Placebo. Selbst wenn das jetzt z. B. am Hermannplatz durchgesetzt wird, was keineswegs sicher ist, bringt das nichts, wenn dafür zwei Ecken weiter umso heftiger mit dem Feuerwerk gezündelt wird. Außerdem führt dies zu einem unverhältnismäßig hohen Kräfteeinsatz der Polizei an dieser Stelle, denn da müssen ja diese Geisel-Wagenburgen verteidigt werden, und die Beamten fehlen dann an den zahlreichen anderen Brennpunkten, die wir ja flächendeckend in der Silvesternacht in Berlin haben. Wir erleben hier letztlich ein weiteres Senatsplacebo, der diesem Senat vielleicht ein paar positive Pressenotizen bringen wird, aber den Berliner Beamten im Vollzugsdienst, die dann wieder quasi an der Feuerlinie stehen, den Polizeibeamten und den
Feuerwehrmännern wird dies nur weitere Belastungen und den Bürgern keinen Gewinn bringen. – Vielen Dank!