Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

Die CDU möchte nun den bisherigen § 1 schleifen, das heißt, keinen Vergabemindestlohn mehr festlegen, sondern sie verweist in ihrem neuen § 4 auf die gesetzlichen Vorgaben des Bundes. Sinnloserweise enthält dieser Paragraf dann aber noch einen zweiten Absatz, der den Senat ermächtigt, durch Rechtsverordnungen Anpassungen der Höhe des zu zahlenden Mindestentgeltes vorzunehmen. Welches Mindestentgelt soll das denn sein? Etwa der im Bundesgesetz festgelegte Mindestlohn? Hierzu kann der Senat gar nicht ermächtigt werden. Aber ein anderes Mindestentgelt gibt es nach Streichung des bisherigen § 1 im Ausschreibungs- und Vergabegesetz der CDU gar nicht mehr. Was soll also dann die Grundlage dieser Ermächtigung sein?

Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie dieser Gesetzesentwurf, freundlich gesagt, mit heißer Nadel gestrickt wurde oder, deutlicher gesagt, den juristischen Anforderungen eines Gesetzesentwurfs nicht genügt. Es geht der CDU nur um die politische Absicht: Weg mit dem Vergabemindestlohn.

In dieselbe Kerbe schlagen § 7 zur umweltverträglichen Beschaffung, § 8 zur Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO sowie § 9 zur Frauenförderung. Auch diese Paragrafen werden im CDU-Vorschlag gestrichen und durch die lapidare Feststellung ersetzt, dass die Vorgaben des Bundes gelten sollen.

Was die Abwicklung der Frauenförderung angeht, schreibt, die CDU in Ihrer Begründung – ich zitiere –:

Firmen werden angesichts des akuten Fachkräftemangels schon aus eigenem Interesse alles tun, um Frauen im Betrieb zu halten und zu fördern.

Werte Kollegen von der CDU! Wer hat sich das denn ausgedacht? Es gibt ein Gender-Pay-Gap, der Markt regelt es eben nicht von allein. Daher müssen wir nachhelfen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]

Umgekehrt wird also ein Schuh daraus: Wenn der Markt ohnehin darauf drängen würde, dass Frauen gefördert, ihr Gehalt dem Niveau der männlichen Kollegen angeglichen und generell, wie Sie ebenfalls feststellen, über Tarif bezahlt werden muss, um Mitarbeiter zu halten und zu finden, dann dürfte eine entsprechende gesetzliche Regelung, gegen die Sie sich sträuben, wohl kein Problem sein.

Ich denke, Sie haben etwas ganz anderes im Sinn: Frauenförderung, altersfeste Entlohnung, ökologische Nachhaltigkeit möchten Sie auf das möglichst niedrigste Niveau absenken. Nicht mit uns! Wir wollen mehr! – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Christian Buchholz. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Liebe Unternehmerinnen und Unternehmer! Wir beraten heute die zwingend notwendige Änderung des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes. Ziel ist es, Fehlentwicklungen einzudämmen – und derer gibt es viele. Wenn das Land Berlin in Ausschreibungs- und Vergabeverfahren nicht genügend Bieter findet oder wenn auf Ausschreibungen überhaupt keine Angebote eingehen, dann kann man getrost von Fehlentwicklungen sprechen. Dass Unternehmen auf Ausschreibungen des Landes Berlin keine Angebote mehr abgeben, ist leider bereits Usus.

Wenn man einmal näher hinschaut, findet man auch schnell die Gründe dafür. So wird selbst bei einem geschätzten Auftragswert von 500 Euro die Erbringung umfangreicher Nachweise von Unternehmen erwartet oder Frauenförderpläne bei der Vergabe von Bauleistungen, wo Frauen überhaupt nicht arbeiten wollen. Von daher ist es gut, dass der CDU-Entwurf die Vergabefreigrenzen deutlich heraufsetzt, das bisherige Ausschreibungs- und Vergabegesetz stark vereinfacht und Losgrößen mittelstandsgerecht gestalten möchte. – Also, bis dahin alles richtiggemacht, Herr Gräff!

(Frank Jahnke)

Leider ist die CDU mit ihrem Antrag ein Stück zu kurz gesprungen. Unter § 8 heißt es unverändert: „Der Senat legt alle zwei Jahre einen Vergabebericht vor, …“ – der Senat! Und der Vergabebericht 2016 hat es in sich. Das ist dieses gute Stück hier. – Es trieft dermaßen vor rotgrüner Ideologie, dass man zweimal hingucken muss und dann immer noch nicht weiß, ob ihn der Senat oder die Grünen-Jugend geschrieben hat.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Darin heißt es unter anderem:

Auch mit der öffentlichen Auftragsvergabe wird damit das Ziel verfolgt, Berlin auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen.

oder, dass die ökosoziale Vergabe eine immer größere Rolle spiele. Der Vergabebericht 2016 ist eine Peitsche, mit der die Unternehmen geschlagen werden – und das darf nicht sein!

[Beifall bei der AfD]

Die Industrie- und Handelskammer wird im Vergabebericht trotz richtiger Ansätze leider unterrepräsentiert. Ich zitiere aus dem Beitrag der IHK zum Vergabebericht:

Öffentliche Auftraggeber dürfen keine Anforderungen stellen, deren Erfüllung für den Bieter unzumutbar ist.

Und recht hat die IHK!

[Beifall bei der AfD – Zuruf aus der AfD: Bravo!]

Leider geschieht aber genau das, und es werden an vielen Stellen immer mehr Kontrollen der Bieter gefordert, um das Unzumutbare durchzusetzen, anstatt dass der Senat und die Vergabestellen auf ihr eigenes Verhalten hin kontrolliert werden. So gibt es zum Beispiel Ausschreibungen, bei denen in Unternehmen Angebotsteams aus fünf Mitarbeitern mehrere Monate an der Ausschreibung arbeiten und dann mit 3 000 Seiten Angebotstext, verteilt auf sechs Ordner, zur Vergabestelle hingehen, es bei der Vergabestelle auf den Tisch legen, dann wieder nach Hause fahren und es nach zwei Monaten dann heißt: Die Ausschreibung wurde leider aufgehoben. – Das ist im höchsten Maße unfair gegenüber den anbietenden Unternehmen und verursacht einen wirtschaftlichen Schaden bei dem Unternehmen, der in die Zigtausende geht. So etwas darf nicht passieren!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

So etwas erlebt man nicht nur in Ausschreibungen des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung, sondern auch in Berlin, zum Beispiel bei Ausschreibungen beim Flughafen BER. Hier muss dringend Abhilfe her, und es muss auch das Verhalten der Vergabestellen auf Professionalität kontrolliert werden. Es müsste festgestellt werden: Wie viele Vergabestellen gibt es in Berlin? Wie

viele Ausschreibungen werden pro Jahr durchgeführt? Auf wie viele Ausschreibungen gehen nicht genügend Angebote ein? Auf wie viele Ausschreibungen gehen gar keine Angebote ein? Wie viele Vergaben werden im Vergabeprozess ohne Verschulden der Bieter abgebrochen? Dazu darf nicht der Senat allein den Vergabebericht erstellen, sondern es soll die IHK auf Augenhöhe daran mitwirken.

[Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Ferner sollte der Vergabebericht von links-grünen Manipulationen befreit werden. Wesentliche Textbeiträge des Vergabeberichts 2016 sind von einer NGO beigesteuert worden. World Economy, Ecology & Development heißt dieser eingetragene Verein und benutzt die englische Abkürzung W-E-E-D, gesprochen „Weed“ – zu Deutsch: Marihuana. Ob dieser Name, diese Abkürzung, zufällig oder absichtlich gewählt wurde, das überlasse ich Ihrer Urteilskraft.

[Lachen von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Die Vorstandsvorsitzende des Vereins – deutscher Name ist: Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e. V.; das ist also dieser WEED-Verein – ist übrigens eine ehemalige hessische Bundestagskandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, namentlich Frau Dr. Hildegard Scheu. Damit erfolgt also eine versteckte Doppelkontrolle, ob alle Berliner Ausschreibungsverfahren im Sinne des ökosozialen Grünen-Parteiprogramms erfolgen und nicht im Sinne von Kosten- und Leistungsaspekten. Das haben die Berliner Unternehmen nicht verdient, und das muss sofort aufhören!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Die Berliner Unternehmer müssen sich auf faire Vergabeverfahren verlassen können, und um eine Wirkung im Ziel zu haben, bedarf es der beiden Anträge von CDU und AfD. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort der Abgeordnete Gindra. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt quasi eine vorgezogene Debatte um das Vergaberecht im Lande Berlin, denn der CDU ist auch bekannt, dass sich der Referentenentwurf bereits in der Verbändeanhörung befindet und wir also die große Debatte noch in diesem Jahr haben werden.

Herr Gräff! Sie haben mich sehr enttäuscht, als Sie in Ihrer gespielten Naivität gesagt haben, wir sollten doch

(Christian Buchholz)

erstens vor allen Dingen an kleine und mittlere Betriebe denken und zweitens das gesamte Vergaberecht so umstellen, dass wir erst einmal allen vertrauen, die uns etwas anbieten. Ich habe gedacht, Sie kennen sich im Baugewerbe aus und wissen, welche Zustände dort zum Teil herrschen. Dort herrscht mit Sub- und Sub-sub-subSubunternehmen-Verträgen manchmal Wildwest. Und es ist dazu auch genug in der Presse gewesen. Also, wenn Sie von Schutz der kleinen und mittleren Unternehmen reden, sollten Sie lieber mit der Fachgemeinschaft Bau reden, warum sie ein Weißbuch über Betriebe führt, die sich an bestimmte Sozialstandards halten, und warum sie auch beanspruchen, dass diese in Berlin bevorzugt behandelt werden. Das sollten Sie dann mal beherzigen und sollten von den stärkeren Kontrollen der Ansprüche, die wir stellen, ausgehen.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (LINKE) und von Harald Wolf (LINKE)]

Da wir die große Debatte haben, muss ich mich konzentrieren. Ich finde es skandalös, dass jetzt schon die Bestandsmieten und der Schutz gegen Spekulationen für Sie kein Thema waren, aber ich finde es auch skandalös, wie Sie mit den arbeitenden Menschen in diesem Land umgehen.

Die Koalition hat sich in den Koalitionsvereinbarungen vorgenommen, dass öffentliches Geld nur für „Gute Arbeit“ verausgabt wird. Und ich habe den Anspruch, dass man von einer Vollzeitarbeit auskömmlich leben können sollte.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Frank Jahnke (SPD) und Georg Kössler (GRÜNE)]

Das wollen wir mit dem Vergabegesetz verwirklichen. Es ist klar, dass es dort auch Vereinfachungen geben muss. Dazu werden wir später, in der Beratung des Vergabegesetzes, kommen. Aber gelten muss, dass dieser Mindestlohn, der auf Bundesebene skandalös bei 9,19 Euro liegt, erheblich angehoben wird, und wir werden bei dieser Runde das Vergabegesetz schon durchsetzen und dass tarifliche Bezahlung gestärkt wird, dass die Tariftreue ein wichtiges Kriterium bei der Vergabe von Aufträgen des Landes Berlin ist.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Dass für Sie das keine Rolle spielt, dass Sie weiterhin vertreten, dass man mit 9,19 Euro bei einem seit 2008 verdoppelten Mietmarkt – also einer besonderen Belastung für arbeitende Menschen – auskommen muss, ist mir völlig unverständlich. Die Koalition redet eher von einem Vergabemindestlohn, der weit über 11 Euro liegen müsste, eigentlich – um Altersarmut zu vermeiden – bei 12,63 Euro. – Damit schließe ich hier. Wir werden es ja dieses Jahr noch einmal haben.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt das Wort der Abgeordnete Swyter. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf einmal mit Erlaubnis den Regierenden Bürgermeister Herrn Müller zitieren, der nicht da ist.