Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

[Zuruf von Katalin Gennburg (LINKE)]

Damals hat unsere Vizepräsidentin, die hinter mir sitzt, sehr dafür gestritten, dass wir das miteinander und parteiübergreifend schaffen. Genau an diese gute Tradition überparteilichen Konsenses, wenn es um einen Feiertag für Berlin geht, wollten wir mit Ihnen anknüpfen. Dem haben Sie sich verweigert durch das, was Sie jetzt Führungsverständnis – das möchte ich gerne mal bei anderen Fragen erleben – und was Sie Priorisierung nennen – das hätte ich gerne beim Thema Nahverkehr und bei anderen Problemen erlebt, die wir täglich in wichtigerer Art und Weise zu debattieren haben.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Zuruf von Iris Spranger (SPD)]

Das, was Sie glauben, zum 8. März als koalitionären Kraftakt unter Beweis gestellt zu haben, kommt in der Stadt bei niemandem an. Sie werden mitbekommen haben, dass die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner, und zwar auch im Ostteil der Stadt, mit dem 8. März nichts anfangen kann, und zwar aus guten Gründen.

[Iris Spranger (SPD): Das glauben Sie doch selbst nicht! – Torsten Schneider (SPD): Das ist ja Quatsch!]

Darüber sollten Sie einmal nachdenken, Herr Schneider, auch an Ihrem Geburtstag! – Das war es.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Çağlar das Wort.

Sehr geehrt Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Heute ist ein guter Tag für alle Berlinerinnen und Berliner.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Mit dem Frauentag am 8. März bekommen wir einen lange verdienten und zur Stadt passenden Feiertag.

[Torsten Schneider (SPD): Ja!]

In diesem Jahr wird der Frauentag zum 119. Mal begangen. Der 8. März steht nicht nur für die Frauen- und Gleichstellungspolitik, sondern für Werte wie Gleichberechtigung, Toleranz, Respekt und Antidiskriminierung. Er wird international gefeiert, über die Grenzen von Nationen und Religionen hinweg. Er ist ein von den Vereinten Nationen ausgerufener Welttag.

Nach wie vor gibt es aber frauenverachtende Zustände und gravierende Missstände bei uns vor der Tür und weltweit. Frauenrechte sind Menschenrechte, und dennoch gibt es jeden Tag Verbrechen gegen Frauen. Wenn Frauenrechte in Gefahr sind oder nicht existieren, steht es schlecht um Demokratie und Menschlichkeit.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Gleichstellung wie es das Grundgesetz fordert, ist noch lange nicht erreicht. Gleichberechtigung ist kein Selbstläufer, Gleichberechtigung muss erkämpft werden. Trotz formaler Rechte sind wir nach wie vor weit von gleicher Teilhabe entfernt. Dies sieht man auch an dem Frauenanteil in diesem Hause.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Anja Kofbinger (GRÜNE): Ja!]

In Berlin und bundesweit wird der Frauentag schon jetzt mit zahlreichen Veranstaltungen gefeiert. Tolle und engagierte Menschen organisieren Feste, Demonstrationen und politische Veranstaltungen. Sie stehen selbstlos gegen Ungerechtigkeiten ein. Fachleute der Gleichstellungspolitik, Kämpferinnen für eine gerechtere Welt und geschätzte Expertinnen der Thematik sind am 8. März fester Bestandteil des Stadtlebens.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen, dass die Entscheidung für den Frauentag keine Entscheidung gegen die Wichtigkeit der anderen diskutierten Vorschläge für einen neuen Berliner Feiertag ist.

(Stefan Evers)

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Anne Helm (LINKE)]

Der Gesetzesantrag sieht daher vor – das hat Ines Schmidt eingangs auch erwähnt –, den 8. Mai 2020 einmalig zum Feiertag zu machen. Dem 75. Jahrestag der Befreiung vom nationalsozialistischen Regime zu gedenken, sollte allen in diesem Haus ein Anliegen sein.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ferner bekommt die Stadt weitere wichtige Gedenktage, die Ihnen aus dem Entwurf bekannt sind.

Die Diskussion zur Änderung des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage hat mich vor diesem Hintergrund zum Teil überrascht. Natürlich kann man die Meinung vertreten, dass auch andere Tage von enormer Bedeutung für diese Stadt sind und sich daher als Feiertage eignen. Mit Blick auf die Opposition wundert es mich, dass es tatsächlich großer Gegenrede bedarf, wenn wir Berlin einen zusätzlichen Feiertag geben wollen – ein Feiertag, der neben der wichtigen Symbolik auch internationale Strahlkraft hat.

[Stefan Evers (CDU): Warum eigentlich nur einen?]

Noch mehr wundern mich im Zuge der Diskussion Aufzählungen ehemaliger Ostblockstaaten und die Rede vom nicht verdienten Luxusfeiertag aus den Reihen der Opposition.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Liebe CDU! Liebe AfD! So polemisch Ihre Argumentation ist, so falsch ist sie. Der internationale Frauentag wurde 1910 von einer deutschen Sozialistin in Kopenhagen vorgeschlagen.

[Zuruf von Christian Buchholz (AfD)]

Das Ganze ist aus einer Idee in den USA erwachsen. Dort stritten unter anderem bürgerliche Frauenrechtlerinnen für das Wahlrecht der Frau. Die Herkunft aus den USA lässt mich keine kommunistische Grundidee erkennen.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Das interessiert die aber nicht!]

Mit dieser Argumentation könnten wir übrigens auch Silvester abschaffen. Silvester wird schließlich auch in Nordkorea und Russland gefeiert.

[Beifall und Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Kommen wir kurz zu den wirtschaftlichen Aspekten. Berlin blüht, die Wirtschaft wächst, die Stadt ist attraktiv wie nie. Die Argumentation, dass Bayern sich als Geberland im Länderfinanzausgleich schließlich vier Tage mehr leisten kann, ist nicht schlüssig. Bayern war bis 1986 selbst Nehmerland. Trotz der vielen Feiertage wur

de es Geberland. Sie zeigen gut 1,5 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Berlin die kalte Schulter. Sie sagen: Ihr habt nicht genug gearbeitet. Ihr habt keinen zusätzlichen Feiertag verdient. – Sie argumentieren nicht für die Bürgerinnen und Bürger. Sie argumentieren, als stünden Sie in Bayern und gönnten der armen Hauptstadt nicht die Butter auf dem Brot.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Melanie Kühnemann-Grunow (SPD)]

Rot-Rot-Grün ist im Gegensatz zu Ihnen in dieser Stadt angetreten, um gleiche Lebensbedingungen für alle Menschen in der Stadt zu schaffen. Frauen sind strukturell benachteiligt. Somit hat dieser Feiertag nicht nur einen historischen, sondern einen brandaktuellen Bezug zur Lebenswirklichkeit der Stadt, denn sie wird zur Hälfte von Frauen bewohnt.

[Zuruf von Hildegard Bentele (CDU)]

Zum Abschluss möchte ich meiner Kollegin Iris Spranger danken, die mit ihrer Initiative diese zukunftsweisende Idee ins Parlament gebracht hat, die heute ihren verdienten Abschluss findet.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ich ende mit meinem letzten Satz, auf die Minute genau: Lassen Sie uns den 8. März gemeinsam begehen! Sie werden merken, es tut nicht weh, und die Berliner Wirtschaft wird nicht implodieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Dann hat der Kollege Evers eine Zwischenbemerkung angemeldet.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Jetzt wird es eher peinlich! – Zuruf von der SPD: Zu Nordkorea und Silvester! – Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Frau Kollegin! Leider ging meine erbetene Zwischenfrage ein wenig unter. Ich habe sehr genau zugehört, was Sie uns hier – völlig zu Unrecht – vorhalten haben. Gleichzeitig komme ich nicht umhin festzustellen, dass wir den Berlinerinnen und Berlinern offenkundig, Ihrer Argumentation folgend, immer noch drei Feiertage vorenthalten wollen, die andere Bundesländer mehr haben als wir.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Jetzt wollen wir mal die Schuldfrage stellen!]

Sind Sie der Auffassung, dass die Berliner das nicht verdient hätten, oder dürfen wir jetzt damit rechnen, dass das

(Derya Çağlar)

noch aufgeholt wird – angefangen bei Silvester im kommenden Jahr als neuem gesetzlichen Feiertag, der Ihnen offensichtlich vorschwebt? Oder erkennen selbst Sie an, dass Berlin in einer wirtschaftlichen Gesamtsituation ist, in der wir miteinander alle noch ein wenig aufzuholen haben, ehe wir uns solche Luxusdiskussionen gönnen?

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE) – Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]