und Frau Grütters. Meine Prognose ist, es wird viele weitere geben, aber keine Gewinnerinnen oder Gewinner.
Weiteren Schaden werden voraussichtlich der ehemalige Direktor der Gedenkstätte und sein Stellvertreter a. D. nehmen, also ausgerechnet diejenigen, die nach dem Willen der Opposition durch einen Untersuchungsausschuss eigentlich rehabilitiert werden sollen.
Das wirkliche Drama besteht aber darin, dass auch die Gedenkstätte Hohenschönhausen selbst weiteren Schaden zu nehmen droht. Das ist falsch und ungerecht. Es ist falsch, weil es diese Gedenkstätte mit ihrer Erinnerungs- und Bildungsarbeit heute dringender denn je braucht, gerade in einer Zeit, in der die AfD „Säuberung“ zu einer beliebigen Begrifflichkeit in der parlamentarischen Auseinandersetzung zu machen versucht.
Es ist ungerecht, weil hier trotz allem, was in den vergangenen Monaten öffentlich geworden ist, hervorragende inhaltliche Arbeit geleistet wird, und zwar durch eine Vielzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die selbst keinerlei Schuld an dem Geschehenen trifft und die einen Anspruch darauf haben, dass sie in ihrer Tätigkeit durch die Politik bestmöglich unterstützt werden. Gerade bei diesen Menschen möchte ich mich zum Abschluss im Namen meiner Fraktion ganz herzlich bedanken. – Danke schön!
Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Wild gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Die Redezeit beträgt bis zu drei Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Verfahren, einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in der Aktuellen Stunde zu behandeln, wonach er vertagt wird, ist sehr ungewöhnlich.
Da Sie sich als Abgeordnetenhaus anmaßen, durch die von Ihnen beschlossene Geschäftsordnung den fraktionsfreien Abgeordneten die Anwesenheit bei den Sitzungen des Ältestenrats zu verwehren und auch die Gründung einer parlamentarischen Gruppe abgelehnt haben, tappen die Fraktionsfreien gewisser Weise im Dunkeln, so ähnlich wie die Öffentlichkeit.
Erst sollte dieses Thema behandelt werden, dann hieß es, es werde nicht behandelt. Nun wird es immerhin andiskutiert. Dass andere Parteien Anträge der AfD ablehnen, um sie dann leicht verändert selbst wieder zu stellen, ist mittlerweile bekannt. Doch dass die CDU jetzt auch einen Antrag der FDP zunächst ablehnt, um ihn dann selbst stellen zu wollen, das ist wirklich neu. Wem soll dieses Spielen auf Zeit helfen? Ist die Forderung nach vorheriger Überweisung in die Ausschüsse ein Zeitspiel wie beim Brexit,
da der Vertrag von Hubertus Knabe zum 31. März ausläuft? Denn, wer die dürre Presseerklärung der Schirmherrin, Senatsverwaltung für Kultur, vom 14. Dezember genau liest, der merkt, dass es sich um eine bloße einseitige Absichtserklärung handelt, die Parteien mögen einen Vergleich schließen. Oder sollen wir warten, bis sich die CDU entschieden hat, wen sie zur nächsten Abgeordnetenhauswahl aufstellt? Schließlich ist das Kanzleramt im Stiftungsrat der Stiftung Gedenkstätte Hohenschönhausen stimmberechtigt, obwohl es laut Oberhoheit der Länder für Kulturangelegenheiten eigentlich gar keine Kulturstaatsministerin im Bundeskanzleramt geben dürfte. Oder sollen wir gar warten, bis wir wieder eine Kanzlerin haben, die etwas weniger weiße Flecken in ihrer DDRVergangenheit hat?
Hubertus Knabe wies zu Recht darauf hin, dass es den 8. Mai als Feiertag bereits in der DDR gegeben hatte. Die Vorwürfe gegen ihn, er habe Sexismus seines Stellvertreters geduldet, stützen sich teilweise auf dem Schweigegelübde unterliegenden Informationen und sind insofern gar nicht überprüfbar. So wird der Denunziation Tür und Tor geöffnet.
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss hat somit beschränkte Möglichkeiten, aber es ist das beste Mittel, was wir zur Aufklärung dieses Skandals haben. Den Selbstzerstörungsknopf, lieber Herr Kollege Zillich, den scheinen mir eher die Linke und die SPD permanent gedrückt zu halten. Viel Erfolg bei Ihrer politischen Zukunft. – Danke schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist das verfassungsmäßige Recht des Abgeordnetenhauses und jedes Einzelnen von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete. Es ist das Recht der Legislative und
insbesondere ein Minderheitenrecht mit Blick auf das exekutive Handeln der Regierung. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist mithin fundamental für unsere parlamentarische Demokratie. Es ist nicht an mir, einem Regierungsmitglied, zu bewerten, ob die Inanspruchnahme dieses parlamentarischen Rechts in einem Verhältnis steht zu dem möglichen Erkenntnisgewinn daraus, ob also Aufwand und erwarteter Nutzen eines solchen Ausschusses in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
Noch einmal: Diese Abwägung und Entscheidung ist das Recht und die Pflicht eines jeden Parlamentsmitglieds. Was ich in vollem Respekt gegenüber dem Parlament allerdings darf und muss, ist erstens, Stellung zu beziehen zu der Art und Weise, mit der die mögliche Nutzung dieses parlamentarischen Instruments in den zurückliegenden Wochen diskutiert worden ist. Und ich darf Sie zweitens vielleicht auch bei allem Respekt auf mögliche unbeabsichtigte Folgen einer solchen Entscheidung hinweisen.
Erstens: Was heute und jetzt betont werden muss, ist vor allem, dass es nicht akzeptabel ist, wenn mit Blick auf die Ereignisse in der Gedenkstätte Hohenschönhausen Ursachen und Wirkungen vertauscht werden, wenn der Eindruck erweckt werden soll, es sei eine Erfindung oder gar Verschwörung bestimmter Personen gewesen, dass Mitarbeiterinnen, Frauen, die in einer Stiftung des Landes Berlin gearbeitet haben, sexueller Belästigung und machtmissbräuchlichen Abhängigkeitsverhältnissen ausgesetzt gewesen sind. Dabei sind diese Geschehnisse nachgewiesen und eingestanden von demjenigen, der sie begangen hat. Es ist aus meiner Perspektive verantwortungslos, die uns als Rechtsaufsicht und den Mitgliedern des Stiftungsrates umfassend bekannten und transparenten Angaben der Frauen in Zweifel zu ziehen. Und ich finde es schwer erträglich, wenn Handelnde zu Opfern gemacht und Opfer verschwiegen werden.
Da wird doch tatsächlich in einer Pressemeldung der CDU-Fraktion vom Wochenende gesagt, es sei noch offen – ich zitiere –, „wer durch wen wie sexuell belästigt worden ist“.
Wie kann man so etwas behaupten nach dem Eingeständnis des stellvertretenden Direktors durch seinen Anwalt?
Natürlich ist es das Dilemma, in dem jede und jeder steckt, die oder der solche Belästigungsanzeigen und Anwürfe von strukturellem Machtmissbrauch erhält, dass Menschen zu ihrem eigenen Schutz darauf bestehen, nach außen – und ich betone: nach außen – anonym zu bleiben. Und genau deswegen habe ich zu jedem Zeitpunkt des
Verfahrens auch die Perspektive der Frauen einzunehmen, ihre Interessen zu schützen und zu wahren, und das wollte ich auch, denn nur, Herr Dregger, wenn das Vertrauen existiert, dass man sich ohne Angst und ohne sich selbst dafür öffentlich vorführen lassen zu müssen, an die Stellen wenden kann, die zur Aufsicht verpflichtet sind, werden Menschen bei Missständen in Einrichtungen sich auch an diese Stellen wenden.
Einer der zentralen Vorwürfe mir gegenüber, aber auch gegenüber den anderen Mitgliedern des Stiftungsrats, ja selbst gegenüber Ihrer Landesvorsitzenden, der Kulturstaatsministerin, lautet bekanntlich, dass ich und wir die Namen der Frauen dem Vorstand, Herrn Dr. Knabe, dem gegenüber selbst der Vorwurf erhoben worden ist, solche strukturellen Machtmissbrauchsstrukturen aufrechterhalten und trotz ausreichender Indizien nichts unternommen zu haben, nicht zugänglich gemacht haben. Das ging aber überhaupt nicht anders, Herr Dregger. Sie können es den ausführlichen Antworten – und es sind ausführliche Antworten, es können ja alle lesen – auf Ihre Schriftlichen Anfragen entnehmen. Die Vorwürfe richteten sich eben auch gegen den damaligen Vorstand, Herrn Dr. Knabe, explizit auch gegen die Art und Weise, in der innerhalb der Gedenkstätte mit bestimmten Verhaltensweisen verbal und nonverbal umgegangen worden ist, und in Bezug darauf, welche Schritte explizit nicht eingeleitet worden sind – Schritte, die gesetzlich vorgeschrieben sind, weil das AGG und das LGG eben nicht fakultatives Recht sind, sondern bindend in der gesamten öffentlichen Verwaltung Berlins.
Herr Dregger! Herr Evers! Heißt das, Herr Dr. Knabe wusste von nichts? – Sie können nach unseren Antworten auf Ihre Schriftlichen Anfragen unmöglich behaupten, dass diese These haltbar sei.
Ich muss die Erfahrung der Frauen ernst nehmen, dass der Mut, solche Missstände offen anzusprechen, mit unmittelbaren persönlichen Nachteilen und mit subtilen Feedbacks und Drohungen verbunden war und immer auch wieder sein kann, und zwar nicht, weil ich mir das ausgedacht habe, Herr Dregger, sondern weil es von diesen Frauen berichtet worden ist. Die Frauen und im weiteren Verlauf der Ereignisse auch viele andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich gegenüber der Beauftragten des Stiftungsrates, Frau Birthler, offenbart haben, all diejenigen, die sich an uns gewandt haben und das übrigens uns gegenüber nicht anonym taten, aber gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber denjenigen, deren Handlungen und Unterlassungen sie thematisierten, anonym bleiben wollten, welche Rolle spielt denn deren Privat- und Intimsphäre?
Hier sind wir bei möglichen Folgen eines Untersuchungsausschusses, die bislang vielleicht nicht ausreichend thematisiert worden sind. Wenn die Leitung einer Einrichtung von solchen Vorgängen weiß, ihnen aber nicht nur nichts entgegensetzt, sondern in den Angriffsmodus gegen diejenigen geht, die die Missstände ansprechen oder die Einhaltung von Recht und Gesetz konsequent einfordern, dann ist das mehr als ein Grund, ihr das Vertrauen zu entziehen. Und wenn das über Jahre erfolgt und wenn selbst in unmittelbarer Konfrontation keinerlei Problem- und Unrechtsbewusstsein erkennbar wird, einmal mehr. Das hat der Stiftungsrat der Gedenkstätte in Hohenschönhausen nach langer Beratung einstimmig getan.
Die Vorgeschichte dazu haben wir Ihnen inzwischen in umfassend beantworteten Schriftlichen Anfragen ausführlich und nachvollziehbar transparent gemacht. Hier hat niemand fahrlässig geurteilt. Nach sorgfältiger Prüfung war für mich und den Stiftungsrat auch klar, dass der Direktor für den Zustand der Gedenkstätte und insbesondere für sein Unterlassen Verantwortung und Konsequenzen zu tragen hat. Es war erwartbar, dass Sie das weiter thematisieren, meine Damen und Herren aus der FDP- und der CDU-Fraktion. Das gibt mir aber auch Gelegenheit, die Perspektive auf den sogenannten Fall Knabe wieder geradezurücken. Ich sage Ihnen: Egal, in welcher Behörde, egal, welcher Person gegenüber, wenn wir mit solchen Vorwürfen konfrontiert werden, dann gehen wir ihnen nach, und wir sind dabei sowohl gegenüber denjenigen, gegen die sich die Vorwürfe richten, als auch gegenüber denjenigen, die die Vorwürfe erheben, in der Pflicht, sorgfältig zu prüfen und mit den Erkenntnissen sorgsam und gegebenenfalls – ja, Herr Förster – auch intern umzugehen. Nicht zuletzt, weil Machtstrukturen und Machtgefälle in solchen Einrichtungen die Aufklärung schwer und diffizil machen, steht beispielsweise jeder Frauenbeauftragten ein gesetzliches Recht und die Pflicht zur Verschwiegenheit selbst gegenüber der Leitung der Behörde zu.
Herr Dr. Lederer, ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gräff von der CDU zulassen.
Nein! – Sie darf von dieser Verschwiegenheit nur absehen, wenn sie von den Betroffenen selbst von ihr entbunden wird. Glauben Sie ernsthaft, das wird jemals geschehen und die Aufklärung solcher Vorwürfe wird jemals möglich, wenn genau die Konsequenzen anschließend eintreten, zu deren Vermeidung diese Schweigepflicht
gesetzlich konstituiert worden ist? Ich befürchte aber, dass in Ihren bisherigen Überlegungen und Erwägungen zur Frage eines Untersuchungsausschusses bisher keine große Rolle gespielt hat, welche Folgen das für die betroffenen Frauen hat. Der menschliche Kollateralschaden steht hinter dem vermeintlichen politischen Gewinn zurück.
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Martin Trefzer (AfD): Wann haben Sie denn zum ersten Mal mit Herrn Knabe gesprochen?]
[Georg Pazderski (AfD): Sie müssen ja viel Angst vor einem Untersuchungsausschuss haben! Martin Trefzer (AfD): Wo waren Sie im August 2018, als Herr Knabe mit Ihnen reden wollte? Wo waren Sie? Warum haben Sie Ihren Staatssekretär vorgeschickt?]