Protokoll der Sitzung vom 07.03.2019

Vielen Dank, Kollege Schrader! Trotz des Lobes für Teile des Antrags will ich auf das Thema Privatisierung oder Nichtprivatisierung gern eingehen. Es ist geradezu ein Ammenmärchen, dass irgendjemand von der FDP jemals in Deutschland oder darüber hinaus, hätte ich beinahe gesagt, in Europa oder sonst wo, gefordert hätte, die Feuerwehr zu privatisieren. Feuerwehren, Katastrophenschutz und Polizei sind staatliche Kernaufgaben, und dazu bekennen wir uns uneingeschränkt.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Oliver Friederici (CDU)]

Was das Stromnetz betrifft: Auch da darf man einmal mit einer Legende aufräumen.

[Torsten Schneider (SPD): Jetzt höre ich zu!]

Genau! – Die Ursache dort vor Ort, auch an der AllendeBrücke, hat doch nicht daran gelegen, dass der Staat oder ein Privater das Stromnetz betreibt, sondern hat erstens daran gelegen, dass aufgrund der Brückenbauarbeiten die Kabel schon mal sehr eng aneinandergelegt worden sind.

[Torsten Schneider (SPD): Das war auch kein VEB!]

Und zweitens hat es damit zu tun, Kollege Schneider, dass eben dort auch Trottel bei der Baufirma nicht korrekt

gearbeitet haben und eben ihren Pflichten nicht nachgekommen sind. Aber das hat damit zu tun, dass die Verantwortung, wie sie verteilt wird, auch bei Ausschreibungen, eben die Dinge auch nicht präzise festlegt. Wenn die Verantwortlichkeiten klar festgelegt worden wären, dann wäre das nicht passiert. Wer ist denn der Verantwortliche? Wer stellt denn die Bauleitung? – Das ist doch die Senatsverwaltung. Also hallo! Da hat doch nicht Privat versagt, da hat der Staat versagt an der Stelle.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Das waren die Subunternehmer! – Torsten Schneider (SPD): Das war nicht VEB Betonmisch, das waren Privatbetriebe!]

Vielen Dank! – Dann hat zur Erwiderung der Kollege Schrader das Wort.

Ich muss jetzt erst einmal eine halbe Stunde runterfahren, sorry. Also, Herr Förster, ich lese manchmal gern alte Parlamentsanträge, auch von Ihrer Fraktion. Zufällig bin ich gestern einmal darauf gestoßen. Es ist jetzt wirklich ein Zufall, weil Sie sagen, nie und nimmer würde die FDP irgendetwas einmal privatisieren wollen aus dem Bereich Polizei und Feuerwehr. Da bin ich auf zwei Anträge gestoßen. Das war in der Wahlperiode Rot-Rot Nr. 1, als wirklich viel gespart wurde. Da war es der FDP alles nicht genug. Da gab es einen Antrag: Bitte privatisiert jetzt einmal den zentralen Objektschutz bei der Polizei; das können wir doch an Private übertragen.

Dann gab es einen anderen Antrag: Bitte privatisiert doch einmal den Abschiebegewahrsam. Das müssen doch keine Polizeikräfte machen. Das können Private machen. – Jetzt stellen Sie sich hier hin und sagen: Nie und nimmer wollten wir jemals irgendetwas privatisieren aus diesem Bereich. Ja? Jetzt weht der Wind ein bisschen anders. Aber jetzt stehen Sie auch einmal dazu, was Sie früher gemacht haben, lieber Herr Förster.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Torsten Schneider (SPD): Hört, hört! – Stefan Förster (FDP): Ist ja unglaublich!]

Was das Stromnetz angeht: Na ja, wir hatten jetzt einen Stromausfall in Köpenick. Wir hatten einen Stromausfall in Mitte. Wir hatten einen Stromausfall in Charlottenburg-Wilmersdorf. Niemand weiß genau, wie marode dieses Stromnetz eigentlich ist.

[Zurufe von Henner Schmidt (FDP) und Heiko Melzer (CDU)]

Ich wage zu behaupten, wenn es ein öffentliches Stromnetz wäre, das unter demokratischer Kontrolle steht, dann wüssten wir das besser als jetzt.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Deswegen haben wir da auch einfach einen besseren Ansatzpunkt, weil wir genau wissen, was wir tun müssen.

[Torsten Schneider (SPD): Sehr gut!]

Wir können als Politik darauf Einfluss nehmen. Das genau ist das Ziel, das wir haben als R2G.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Torsten Schneider (SPD): Privatisierungspartei FDP!]

Vielen Dank! – Dann hat der Abgeordnete Woldeit für die AfD-Fraktion das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen Abgeordnete! Liebe Gäste! Manchmal hat es übrigens auch bei aller negativen Situation etwas Gutes, wenn so etwas passiert wie der über dreißigstündige Stromausfall in Treptow-Köpenick Ende Februar. Warum? – Er zeigt erstens auf, dass es in der Tat eine verletzbare Infrastruktur gibt, und er zeigt eventuell auch auf, inwieweit Defizite im Rahmen der Behörden, im Rahmen des Katastrophenschutzes und Ähnlichem vorhanden sind. Deswegen ist es nicht verkehrt, dass man sich mit dem Thema auseinandersetzt und das auch parlamentarisch berät, wenngleich ich allerdings auch ein Stück weit die Kritik des einen oder anderen Vorredners wiederholen muss, dass es ein umfassendes und sehr, sehr wichtiges Thema ist. Die FDP hat noch nicht einmal eine dreiviertel DIN-A4-Seite formuliert, relativ allgemein gehalten. Das wird dem Thema nicht gerecht. Dafür ist es wirklich zu groß.

Da bin ich nah beim Kollegen Schreiber. Da bedarf es wirklich einer umfassenden Analyse. Die grundsätzlichen Rahmenbedingungen sind ja da. Wir haben das Katastrophenschutzgesetz, wir haben die entsprechenden Ermächtigungsgrundlagen, ASOG usw., und wir haben obere und untere Katstrophenschutzbehörden. Der Senat ist eine, die Bezirksämter sind welche, die Polizei, die Feuerwehr. Wir haben Unterstützungsbereiche wie THW, Deutsches Rotes Kreuz und so weiter und so fort. Das heißt, die reine Meldekette, die reine Unterstützungskette, ist vorhanden. Aber funktioniert sie? Und wenn sie nicht funktioniert, warum funktioniert sie nicht?

Dazu sage ich ganz deutlich: Damit ist in den vergangenen Jahren einfach viel zu sehr im Laissez-faire-Stil umgegangen worden, und es geht auch anders. Ich möchte Ihnen deutlich machen, wie es schon anders ging. Ich

gehe zurück in das Jahr 2006. Wir hatten ein Großereignis in ganz Deutschland, auch in dieser Stadt, eine Fußballweltmeisterschaft. Dort haben sich die Behörden der Länder, der Kommunen und des Bundes überlegt, wie wir bei einem Großereignis Großschadensereignissen gerecht werden können, und dann wurde gemeinsam geübt. Das war eine sehr vernünftige Geschichte.

Wir haben mit der Berliner Polizei geübt, mit der Berliner Feuerwehr. Wir haben das übrigens so komplex gemacht, dass wir verschiedene Großschadensereignisse parallel simuliert haben: einen terroristischen Angriff in der UBahn im Wedding, gleichzeitig war eine Großleinwand umgefallen – in der Simulation –, und darüber hinaus hatten wir noch einen Verkehrsunfall. Da haben wir festgestellt, dass beispielsweise die Dekon-Trupps der Berliner Feuerwehr überhaupt nicht untereinander kommunizieren können. Sie waren gar nicht dafür ausgelegt, eines Giftgasangriffs Herr zu werden. Die militärischen Kräfte konnten das, aber die konnten wiederum auch nicht miteinander dieses Problems Herr werden. In Berlin haben wir damals dieses Großschadensereignis nachgespielt und festgestellt, dass die damalige Einsatzleiterin dann während der Übungsphase auch noch einen Nervenzusammenbruch bekommen hat. Was ist dann passiert? – Wir waren noch lange vor der WM 2006. Es wurden Verbindungsstäbe eingerichtet, es wurde miteinander gesprochen, und man hat ganz klar reflektiert: Was ist alles falsch gelaufen? Was können wir besser machen? – Und das war gut.

Leider Gottes kostet so etwas Geld, aber wie notwendig das ist, zeigt die Situation, die wir jetzt in TreptowKöpenick hatten. Ich bin unmittelbar danach vor Ort gewesen, und ich habe mir wahrscheinlich mit denselben Protagonisten wie Herr Kollege Dregger die entsprechenden Wehren angeguckt. Wenn wir Defizite haben, dass Leute nicht rechtzeitig vom THW alarmiert werden können, weil man nicht absehen kann, wie lange dieses Ereignis dauert, wenn wir – und da nehme ich Sie auch in die Kritik, Herr Senator – feststellen, dass wir keine Stromerzeugeraggregate haben, obwohl wir für 500 000 Euro 1 000 Stromerzeugeraggregate zusätzlich kaufen können – – Das sind doch gar keine großen Summen im Verhältnis zum Nutzen, die das bringt.

[Beifall bei der AfD]

Ich habe nach den ganzen Erkenntnissen, die ich mir vor Ort und natürlich auch in den Gesprächen mit anderen Bereichen eingeholt habe, zwei umfangreiche Anfragen formuliert, das Thema betreffend – gemeinsam mit dem Kollegen Mohr. Ich weiß, Herr Senator, Schriftliche Anfragen sind Ihnen ein Stück weit ein Dorn im Auge aufgrund der Fülle. Hier empfehle ich Ihnen und Ihrer Verwaltung übrigens, sie genau zu lesen. Ich empfehle, dass wir den gesamten Kontext sauber analysieren, in allen einzelnen Facetten, und dass wir dann gemeinsam – und ich glaube, da sind wir fraktionsübergreifend einig – einen Weg finden, den Katastrophenschutz für das Land

(Niklas Schrader)

Berlin so wesentlich zu verbessern, wie es für die Bundeshauptstadt notwendig ist. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Kollege Lux das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein bisschen schade: Die Berliner Feuerwehr macht seit Jahrzehnten unglaublich viel auch in Zusammenarbeit mit der Freiwilligen Feuerwehr, dem Arbeiter-Samariter-Bund, den Johannitern, den Maltesern, der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, dem Deutschen Roten Kreuz und mit dem Technischen Hilfswerk zur Vorbereitung auf Katastrophenszenarien. Das ist auch gesetzlich so festgelegt. Die Ausgaben steigen kontinuierlich auch unter Rot-Rot-Grün sehr stark – deutlich – pro Einwohnerinnen und Einwohner. Wir haben da eine ordentliche Schippe draufgelegt. Wir bauen den Fuhrpark neu auf, wir besorgen Notstromaggregate. Es waren auch wir, die es geschafft haben, bei einigen Tankstellen die Nachrüstung mit Notstromaggregaten zu gewährleisten; vor ein paar Jahren hatte nur die Berliner Polizei so ein Notstromaggregat bei ihrer Polizeitankstelle. Aber dann kommt so ein Stromausfall und zeigt es uns richtig dicke, und das müssen wir zur Kenntnis nehmen. 30 000 Berlinerinnen und Berliner waren für mehrere Tage ohne Strom. Wir waren am Ende unserer Kapazitäten, und natürlich wurden da die guten Pläne, die es gab, auf Tauglichkeit geprüft, und natürlich sind dort auch einige Missstände zutage getreten, die man jetzt gründlich untersuchen muss.

Natürlich gilt unser Dank – das wiederhole ich gerne – allen Helferinnen und Helfern, allen Köpenickerinnen und Köpenickern, die auch relativ locker und besonnen geblieben sind. Man kann als Politiker nur hoffen, dass das auch noch paar Tage länger so geblieben wäre. Man will es aber nicht in der Realität testen, und deswegen müssen wir uns weiter mit ruhigen Kopf und besonnen auf Notfallsituationen vorbereiten, wie es übrigens auch im Koalitionsvertrag bereits vorgeschrieben ist. Ich bin schon bisschen – wie soll ich sagen? – sportlich enttäuscht, Herr Kollege von der FDP, dass Sie in Ihrem Antrag zwei Sätze schreiben und nicht mal Bezug nehmen auf die Debatten, die wir haben. Man hat so das Gefühl, das Sie gar nicht drin sind und nur mal irgendwie ein Thema besprechen wollen. Aber dafür haben Sie als Parlamentarier andere Mittel. Da können Sie eine Besprechung im Ausschuss anmelden, da können Sie auch eine Schriftliche Anfrage schreiben, aber Sie haben hier so einen Schaufensterantrag daraus gemacht und das gar nicht in Bezug dazu gesetzt, dass diese Koalition daran

arbeitet, das Katastrophenschutzgesetz umfangreich zu novellieren und die Hilfsorganisationen zu stärken. Die ganze Frage: „Privat oder staatlich?“ ist doch völlig zu kurz gegriffen.

[Sebastian Czaja (FDP): Die Debatte hat Die Linke aufgemacht!]

Das sind Zigtausende von Ehrenamtlichen in den privaten Hilfsorganisation, auf die wir seit Jahrzehnten angewiesen sind in dieser staatlichen Kernaufgabe Katastrophenschutz. Da gehen Leuten ehrenamtlich hin, die einen Appel und ein Ei dafür kriegen, dass sie sich da freiwillig melden, und die neuerdings – was wir gerade erkämpfen gegenüber Brandenburg – von brandenburgischen Arbeitgebern freigestellt werden müssen, damit sie in der Berliner Hilfsorganisation ihren Dienst antreten können.

[Sebastian Czaja (FDP): Die Vorlesung muss an Die Linke gehen!]

Dafür kämpfen wir gerade. Wir regeln auch die kritischen Infrastrukturen, die über ein paar Stromleitung hinausgehen, die Wasser betreffen, Ernährung betreffen, Krankenhäuser betreffen, die digitalen Netze betreffen, die Kultur, Staat und Verwaltung betreffen. Aber Sie äußern sich dazu überhaupt nicht, sondern Sie bemängeln hier einen Stromausfall, der schlimm war. Das ist auch in Ordnung, und darüber haben wir jetzt gesprochen, aber ich bitte Sie, bringen Sie sich sachlich und tief in der Debatte ein. Vielleicht kommt da ja noch der eine oder andere gute Gedanke, der uns noch weiter vorwärts bringt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung empfohlen. – Widerspruch hierzu höre ich nicht, und dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.3:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 6

Inklusives Wahlrecht in Berlin: Diskriminierung von Menschen mit Behinderung beenden (Elftes Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes)

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 18. Februar 2019 Drucksache 18/1682

zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1515

(Karsten Woldeit)