Keine staatliche Förderung für Hetzer: Klares Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und zum Existenzrecht Israels in den Förderanträgen des Landes Berlin verankern!
In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU. Es hat das Wort Frau Abgeordnete Seibeld – bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Aus leider durchaus aktuellem Anlass beraten wir heute einen Antrag, der sich zum einen mit dem eigentlich selbstverständlichen Bekenntnis zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasst, zum anderen aber vor allem mit dem klaren Bekenntnis zum Existenzrecht des Staates Israel. Aufgrund der leider immer wieder öffentlich agierenden BDS-Kampagne – das ist eine Kampagne für den Boykott, die Desinvestitionen und die Sanktionen gegen Israel – erscheint es uns zwingend geboten, dafür Sorge zu tragen, dass die Vergabe staatlicher Zuwendungen, letztlich in sämtlichen Bereichen, in den Zuwendungsbescheiden von einem klaren Bekenntnis zu Israel und dessen Existenzrecht abhängig gemacht wird.
Die BDS-Kampagne strebt eine wirtschaftliche, kulturelle und politische Isolation Israels an. Das Land Berlin darf nicht einmal in den Verdacht geraten, nicht alles unternommen zu haben, um hier jegliche – auch mittelbare –
Zusammenarbeit unterbunden zu haben. Gerade bei der Raumvergabe, aber auch bei verschiedenen anderen gemeinsamen Aktivitäten kann derzeit in Berlin leider gerade nicht ausgeschlossen werden, dass eine zumindest indirekte Zusammenarbeit des Landes Berlin – nämlich über Dritte – mit der BDS-Kampagne besteht.
Insbesondere in den Bereichen der Extremismusprävention und der Demokratieförderung, der Jugend- und Familienarbeit, der politischen Bildungsarbeit, der Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten sowie im Kulturbereich ist es unerlässlich, sicherzustellen, dass staatliche Zuwendungen nur unter den Voraussetzungen der Unterzeichnung einer sogenannten Demokratieklausel sowie des Bekenntnisses zum Existenzrecht des Staates Israel gewährt werden.
Wer auf staatliche Förderung angewiesen ist, muss sich zu diesen beiden Säulen unseres Staates auch bekennen.
Es ist schlechterdings für mich nicht vorstellbar, dass beispielsweise in der Jugendarbeit ein freier Träger sich nicht zum Existenzrecht Israels bekennt, auch und gerade unter Einbeziehung von beispielsweise Integrationsarbeit. Denn wer an dieser Stelle faule Kompromisse eingehen und sich die Zusammenarbeit mit israelfeindlichen Institutionen oder Personen offenhalten möchte, der hat unsere deutsche Geschichte nicht verstanden, der hat nicht verstanden, welche Verantwortung Deutschland Israel und den Juden gegenüber trägt.
Diese Verantwortung erstreckt sich selbstverständlich auch auf den bedingungslosen Erhalt unserer freiheitlichdemokratischen Grundordnung. Die sogenannte Demokratieklausel ist daher bereits heute in vielen Zuwendungsbescheiden gängige Praxis. Beispiele wie die Absage einer Veranstaltung mit syrischen und israelischen Künstlern im Pergamonmuseum im Jahr 2016, nachdem eine aus dem Libanon agierende Boykottkampagne gegen Israel massiv mit Drohungen aufgetreten war, machen den bestehenden Handlungsdruck deutlich. Hier zeigt sich, dass der Senat gerade auch im Kulturbereich gefragt ist, den Austausch beispielsweise zwischen israelischen und nichtisraelischen Künstlern zu fördern.
Wenn es uns an dieser und an anderer Stelle nicht gelingt, jüdischen Deutschen das sichere Gefühl zu geben, dass das Existenzrecht Israels in Deutschland nicht verhandelbar ist, dann ist das nicht nur Ihr und unser aller Versagen gegenüber unseren jüdischen Mitbürgern, sondern gegenüber unserer Demokratie, unserer Freiheit und unserem Rechtsstaat.
Selbst wenn es nicht Hunderte von betroffenen Zuwendungsbescheiden sein werden, glauben Sie mir: Manchmal schaden auch deutliche Symbole nicht. – Vielen Dank!
Diese Formulierung stammt von Theodor W. Adorno und macht klar, worum es bei diesem Phänomen geht. Gerüchte sind Geschichten, die weitergeflüstert werden, die sich der Überprüfung entziehen, die aber wissenschaftliche Erkenntnisse in Zweifel ziehen. Gerüchte über Menschen oder Menschengruppen haben ein Ziel, nämlich diese Menschen oder Menschengruppen zu denunzieren, um ihnen zu schaden. Mobbingprozesse basieren ganz wesentlich auf Gerüchten. Antisemitismus ist Mobbing auf gesamtgesellschaftlichem Niveau, Gewalt inbegriffen.
Deutlich wird das zum Beispiel an den zahlreichen Verschwörungstheorien und Gerüchten, die mit antisemitischen Vorurteilen eine Verbindung eingehen. Besonders treffend finde ich Adornos Aphorismus – das nur nebenbei – auch vor dem Hintergrund, dass es heute mit den sogenannten sozialen Medien ein neues Gerüchtemedium gibt, das all dies nun ungefiltert in die Öffentlichkeit bringt. Ich fürchte allerdings, dass man mit einer Verbots- und Kontrollmentalität nur wenig weiterkommen wird.
Der Antisemitismus heute, das zeigt eine gründliche sozialwissenschaftliche Forschung, ist ein ausgesprochen vielfältiges Phänomen. Man spricht von einem Antisemitismus nach Auschwitz, d. h. Formen strukturell antijüdischer oder antizionistischer Haltung, die sich auf die antisemitisch motivierte industrielle Massentötung von Menschen jüdischer Herkunft während der nationalsozialistischen Herrschaft bezieht und diesen Zivilisationsbruch relativiert, verharmlost, kleinredet oder sogar noch den Juden zum Vorwurf macht.
Ein aktuelles Beispiel für die Verharmlosungsstrategie ist die unsägliche Einlassung des AfD-Bundesvorsitzenden Gauland über Hitler und die Nazis als einen – wörtlich – „Vogelschiss in unserer über tausendjährigen Geschichte.“
Das ist im Übrigen sehr nahe bei dem sogenannten sekundären Antisemitismus, also einem Antisemitismus nicht trotz, sondern wegen Auschwitz.
Zu den Formen unsäglicher Umschuldungs- und Lastenausgleichsstrategien gehören auch antizionistische Vorurteile, die das Existenzrecht Israels bestreiten oder Aspekte israelischer Politik und Geschichte mit der nationalsozialistischen parallelisieren. Besonders verbreitet ist zum Beispiel die Rede von den „Opfern der Opfer“, eine Art Lastenausgleichsstrategie, die mit notorischer Beharrlichkeit Analogien zwischen israelischer Politik und nationalsozialistischer Vernichtungspolitik herzustellen suchte und herzustellen sucht. Die Bandbreite der Beispiele ist lang und nicht nur in rechten, sondern manchmal auch in linken Kreisen anzutreffen.
Ich finde all diese Varianten antisemitischen Umschuldens, Relativierens, Aufrechnens schlicht widerlich.
Besonders abstoßend finde ich die Strategie, den zweifellos im arabischen Raum verbreiteten Antisemitismus pauschal zu einem Herkunftsproblem von Migranten aus diesem Raum zu erklären.
Antisemitismus ist in all seinen Varianten keine Volkseigenschaft, keine Kultureigenschaft, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse.
zur Projektionsfläche für alle möglichen Wutgefühle gemacht werden, die aus gesellschaftlichen Verhältnissen resultieren. Dass aber Rassismus nicht die Antwort auf Antisemitismus sein kann, dürfte offensichtlich sein. Genau diese Strategie wird aber verfolgt, wenn Menschen pauschal und qua Herkunft zu antisemitischen Risikoträgern erklärt werden.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Marc Vallendar (AfD): Verharmlosung! – Ronald Gläser (AfD): Sprechen Sie mal zum Antrag!]
Ja, ich meine damit auch die Damen und Herren von der AfD, die diese Strategie bei jeder sich bietenden Gelegenheit verfolgen.
Es ist perfide, die Verfolgungsgeschichte, unter der die Juden immer wieder zu leiden hatten, wiederum für Zwecke gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu instrumentalisieren.
Das wird auch dem Antisemitismus nicht abhelfen, denn es handelt sich ja um eine Strategie, die ihn braucht, die auf ihn angewiesen ist. Wer gegen Antisemitismus vorgehen will, muss sich gegen Kollektivkategorien wenden, das Individuum stärken und Diskurskompetenzen fördern, die auf dem Austausch von Argumenten beruhen. Das Denken in Kollektivkategorien, Geschichtsklitterung und Verführung durch das Appellieren an niedere Gefühle ist das Gegenteil dessen.
Das Anliegen, das dem CDU-Antrag zugrunde liegt, finde ich aus den genannten Gründen wichtig. Ob allerdings das von der CDU vorgeschlagene Verfahren, bei der Vergabe von Fördermitteln ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zu verlangen, das richtige ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen, antisemitische Netzwerke zumindest von öffentlichen Fördergeldern fernzuhalten,
scheint mir fraglich. Wenn es am Ende eine zahnlose Norm wird, macht das die Sache nicht nur nicht besser, sondern eher schlechter. Insbesondere wenn eine solche Vorschrift als eine Art Vorzensur wahrgenommen wird, kann dies einer Aufklärung über Antisemitismus und Antizionismus auch nicht förderlich sein. Wir werden das Thema in den zuständigen Ausschüssen intensiv beraten, gerade auch im Hinblick auf seine Wirksamkeit, und zu einer adäquaten Lösung kommen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!