Protokoll der Sitzung vom 07.03.2019

(Burkard Dregger)

Herr Wansner! Sie wollen doch wieder nur verunklaren! – Nein! Ich möchte hier wirklich die Sache aufklären und nicht verunklaren.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Letzte Bemerkung – das ist die Nummer fünf: Abschiebungen und freiwillige Ausreisen sind von vielen Faktoren abhängig und nicht allein – wie Sie es immer suggerieren – davon, wie viele in Haft genommen werden. Es sind viele Faktoren, und es sind vor allem die politischen und sozialen Entwicklungen in den Herkunftsstaaten, die einen erheblichen Einfluss auf Migrationsentscheidungen und auch auf Rückkehrentscheidungen der Betroffenen haben. Da liegt auch nach unserer Auffassung der Schlüssel für nachhaltige Lösungen in der Flüchtlingspolitik. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Bachmann das Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Abschiebung – ein deutsches Desaster“, so titelt treffend die aktuelle Ausgabe des „Spiegel“. Und wo ein Desaster ist, da sind der Berliner Senat und R2G bekanntlich nicht weit.

[Beifall bei der AfD]

Das Berliner Desaster spiegelt sich in folgenden Zahlen – sie wurden auch schon teilweise zitiert: ein Anstieg der vollziehbar Ausreisepflichtigen im Jahr 2018 auf die Rekordzahl von über 12 600. Ich muss auch noch mal auf die Fragestunde zurückkommen: Der Innensenator hat diese Zahl in Abrede gestellt, obwohl sie einer Antwort seiner Verwaltung auf meine Anfrage zu entnehmen ist. – Also, entweder hat Ihre Verwaltung nicht wahrheitsgemäß geantwortet, oder Sie haben eben nicht gewusst, wovon Sie reden. Keine gute Alternative!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Ein fortgesetzter Rückgang der Abschiebungen um 28 Prozent im Jahresvergleich auf nur noch 1 380 Personen wurde schon genannt und synchron ein Rückgang der freiwilligen Ausreisen um 23 Prozent auf 2 800 Personen. Darauf rekurrieren Sie ja so gerne: die freiwilligen Ausreisen, die vorzugswürdig seien. Diese Ausflucht ist aber nur glaubwürdig, wenn auch die ernsthafte Androhung der Abschiebung im Raum steht, denn ansonsten ist es ganz natürlich, dass sich niemand mehr bemüßigt

fühlt, unser Land freiwillig zu verlassen, wenn er sowieso hierbleiben kann.

Der Senat sabotiert zwingendes Bundesrecht, indem er einfach die für Abschiebungen erforderliche Infrastruktur nicht bereitstellt. Die auf Bundesebene auch mit der SPD vereinbarten Ankerzentren, aus denen zentralisiert abgeschoben werden soll – das würde insbesondere verhindern, dass die Leute permanent untertauchen –, existieren nicht. Abschiebehaftplätze gibt es, und zwar inzwischen acht – das wurde auch angesprochen –, aber exklusiv für Gefährder, und sie stehen derzeit leer. Es würde mich auch mal interessieren, ob Sie sich tatsächlich in der Praxis die Blöße geben, andere Bundesländer um Amtshilfe zu bitten, wenn jemand in Abschiebehaft genommen werden muss, weil er sich beispielsweise seiner ersten Abschiebung durch Untertauchen entzogen hat, obwohl Sie hier acht vakante Plätze haben. Ich meine, wir haben schon viel an Absurdität von Ihnen erlebt, aber das würde das Ganze auf die Spitze treiben.

[Beifall bei der AfD]

Ihre Politik ist im Übrigen auch eine beispiellose Missachtung der Justiz. Wozu arbeiten die Berliner Verwaltungsrichter mit erheblichen Aufwand eigentlich die – Stand Ende 2018 – noch über 11 000 Asylverfahren ab, wenn es am Ende infolge Ihrer Politik doch völlig einerlei ist, wie sie entscheiden? Die für die Asylbewerber zum ganz überwiegenden Teil negativ ausfallenden Urteile werden von Ihnen kalt lächelnd in die Tonne getreten. Das Gericht verneint rechtskräftig ein Bleiberecht; der Senat gewährt es einfach trotzdem – durch systematische Vollzugsverweigerung.

[Beifall bei der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Unfassbar!]

So unterminieren Sie die Glaubwürdigkeit und Motivation unserer Gerichte, und das ist in einem Rechtsstaat schlicht inakzeptabel.

Kürzlich im Innenausschuss waren Sie beleidigt, als man Ihnen vorhielt, Sie würden mit Ihrer Politik die Schleuserkriminalität fördern. Dabei ist dieser Vorwurf absolut berechtigt, denn es gibt keine stärkere Motivation, sich schleusen zu lassen, als die Aussicht, in jedem Fall, ganz unabhängig von der Schutzberechtigung, bleiben zu können, wenn man es erst einmal nach Deutschland geschafft hat.

[Beifall bei der AfD]

Der eingangs zitierte „Spiegel“ spricht zu Recht von einem deutschen Desaster, und damit bin ich bei der CDU als antragstellender Fraktion. Sie mahnen hier in Berlin an, was Sie in den Ländern, in denen Sie Verantwortung tragen, selbst nicht umsetzen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Burkard Dregger (CDU): Das stimmt doch gar nicht!]

Das stimmt sehr wohl! Ich will es Ihnen an Zahlen belegen: Anders ist es gar nicht erklärbar, dass 2018 bundesweit von über 54 000 geplanten Abschiebungen nur 23 000 vollzogen wurden. Sie wissen auch – da hat der Senat ausnahmsweise recht –, dass sich Berlin bei den Abschiebungen im Mittelfeld befindet. Das schützt nicht Berlin vor unseren Vorwürfen, sondern zeigt, dass Sie es auch nicht viel besser machen.

[Burkard Dregger (CDU): Das sind die Berliner Zahlen!]

Lassen Sie mich noch kurz sagen: Wenn man es wirklich ernst meint und weiß, dass die Abschiebungen vorrangig an fehlenden Identitätsdokumenten scheitern, dann muss man die betreffenden Personen an der Grenze zurückweisen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Hier haben Sie sich jetzt auf bilaterale Vereinbarungen mit Spanien und Griechenland verlegt und haben es tatsächlich geschafft, auf Basis dieser Vereinbarung an der Grenze bisher 11 Personen zurückzuweisen,

[Zurufe von der AfD: Oho!]

bei einem monatlichen Asylzugang von 14 000. Selbst die Redensart vom Berg, der kreißte und eine Maus gebar, bringt die Lächerlichkeit dessen, was Sie uns hier als Lösung vorsetzen, nur unzureichend zum Ausdruck.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Ich komme zum Schluss: Wenn Sie sich mal wieder wundern, weshalb das Vertrauen in Politik und Rechtsstaat erodiert, dann werfen Sie einfach einen unvoreingenommenen Blick auf Ihre Asylpolitik. Sie kommen einer Antwort beträchtlich näher. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Bravo!– Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat die Kollegin Schubert das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin Herrn Dregger geradezu dankbar dafür, dass er den Koalitionsvertrag zitiert hat und den Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik, den wir vollziehen wollen, explizit benennt. Ja, die Abschiebung ist die Ultima Ratio, und die Abschiebehaft gehört sich nicht für Menschen, die kein Verbrechen begangen haben. Denn es ist kein Verbrechen, hier eingewandert zu sein und dann möglicherweise keinen Aufenthalt zu bekommen. Das ist kein Verbrechen, und insofern gehört so jemand auch nicht in Haft.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der AfD: Doch!]

Und da nutzt übrigens auch Ihre ganze Zahlenhuberei nichts. Das hat Ihnen der Innensenator heute Morgen schon vorgerechnet, dass Sie hier mit Zahlen hantieren, die mit der Realität nichts zu tun haben. Ausreisepflicht heißt eben nicht notwendigerweise sofortige Ausreise. Sie sind Rechtsanwalt, Sie sollten es wissen. Das, was Sie hier tun, ist Volksverdummung. Sie besorgen das Geschäft der Herrschaften rechts im Haus. Das ist schlecht!

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Dr. Susanna Kahlefeld (GRÜNE) und Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Denn die Herausforderung Nummer eins ist eine ganz andere als Abschiebungen. Die Herausforderung Nummer eins, die wir haben, hinsichtlich der Menschen, die in unser Land eingewandert sind, ist, Integration und Partizipation zu organisieren, interkulturelle Öffnung der Gesellschaft zu organisieren. Dem verweigern Sie sich!

[Zurufe von der AfD]

Die eigentlichen Integrationsverweigerer sind die CDU und die CSU. Da ist es wahrscheinlich auch kein Wunder, dass man nicht weiß, wer die Integrationsbeauftragte des Bundes ist; die kommt von der CDU – kennt kein Mensch, tut auch nichts. Dafür sind Sie ununterbrochen damit beschäftigt, das, was sinnvoll ist, was sinnvoll gemacht werden könnte, wie beispielsweise einen Spurwechsel, zu verhindern und immer wieder zu unterminieren. Gucke ich mir das Gesetz zu Ausbildungsduldungen und Beschäftigungsduldungen an: Durch die Hintertür kommen noch Verschärfungen der jetzigen Situation anstatt Verbesserungen.

Insofern sage ich Ihnen: Dieser Antrag ist völlig fehl am Platz und ändert überhaupt nichts an den gesellschaftlichen Problemen, die wir zu lösen haben, und zwar sowohl in Berlin als auch im ganzen Land.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke! – Und wenn ich mir dann diesen Antrag angucke, da wird der Härtefallkommission unterstellt, sie würde grundsätzlich Abschiebestopps verfügen. – Was erlauben Sie sich eigentlich gegenüber den Mitgliedern der Härtefallkommission, die aus dem gesamten gesellschaftlichen Bereich Berlins kommt, so etwas zu unterstellen?

[Zurufe von der CDU und der AfD]

Da wird dem Senat in der Begründung unterstellt, er würde das Geschäft der Schlepper organisieren. Wissen Sie, wer die Schlepper überhaupt erst reich macht? – Ihre Blockadepolitik gegenüber der Seenotrettung, gegenüber

(Hanno Bachmann)

den Geflüchteten in der gesamten EU! Sie machen die Leute reich!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Wenn es endlich sichere Einwanderungswege, sichere Fluchtwege gäbe, würde Ihr ganzes Schlepperwesen in sich zusammenbrechen, und wir hätten ein vernünftiges Asylsystem, und das in ganz Europa!

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Es wäre Ihre Hausaufgabe, dafür zu sorgen, weil Sie die Bundesregierung stellen. Fangen Sie einfach mal damit an!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]