Protokoll der Sitzung vom 21.03.2019

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Antifaschistischer Schutzwall!]

Da frage ich mich doch: In welcher Höhle haben Sie eigentlich in den letzten 40 Jahren gesessen,

[Georg Pazderski (AfD): Nicht in der DDR!]

dass Sie nicht mitbekommen haben, dass sich die Welt weitergedreht hat und Sie uns mit Ihrem unqualifizierten Antrag eigentlich nur zeigen, dass Sie 1980 hängengeblieben sind?

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Da war ich noch in der Schmidt-SPD!]

Im Übrigen gibt es da heute schon einen Fortschritt. Es gibt in Deutschland und international Diversity-Management. – Nein, ich kann Ihnen das jetzt nicht erklären, was ein Diversity-Manager oder eine Diversity-Managerin alles macht, was deren Aufgabe ist. Eine Schulung wäre aus meiner Sicht in Ihrer Partei totaler Blödsinn, denn Sie sind menschenrechtlich so quer unterwegs, dass ich mir eigentlich für das ganze Abgeordnetenhaus nur wünschen könnte, dass Sie wieder in diese Höhle verschwinden, wo Sie 40 Jahre waren. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): In der SPD war ich!]

Die AfD-Fraktion hat eine Zwischenintervention angemeldet. – Frau Auricht, Sie haben das Wort – bitte!

Liebe Frau Schmidt! Ich kann ja nachvollziehen, dass Sie Antidiskriminierung in der Sprache fordern, aber dann verstehe ich den Antrag Ihrer Linksfraktion in Flensburg nicht, die gefordert hat, auch Arbeitsgeräte zu gendern. Muss der Staubsauger jetzt auch vor Diskriminierung geschützt werden? Das müssten Sie mir hier noch einmal erklären!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos), Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Wenn er bei Ihnen saugt, schon!]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Dr. Jasper-Winter. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss schon sagen, ich empfinde das schon als Unverschämtheit, dass wir uns heute im Plenum mit diesen Anträgen überhaupt beschäftigen müssen.

[Beifall bei der FDP und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Jamaika lässt grüßen!]

Was für eine Anmaßung, dass Sie von der AfD unsere Zeit vergeuden mit Rechtschreibvorschriften, die bereits im Duden, in den Verwaltungsvorschriften geregelt sind, die im Übrigen auch keine Sternchen vorsehen!

[Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

Ich finde, wir sollten uns alle eigentlich mal wieder beruhigen! Ich kann die ganze Aufregung um das Thema auch überhaupt nicht nachvollziehen. Wir haben in Berlin nun wirklich Wichtigeres zu tun!

[Beifall bei der FDP, der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Herr Woldeit, Sie haben das Wort – bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank, Frau Kollegin! Sie haben gerade gesagt, diese Gendersternchen sieht die deutsche Amtssprache im allgemeinen Geschäftsgang nicht vor – das waren gerade Ihre Worte. Da diese Sternchen nicht vorgesehen sind, wir allerdings ein Hohes Haus, ein Parlament sind, in dem Anträge beraten werden, sehe ich aber regelmäßig irgendwelche Gendersternchen auf den Anträgen.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Schon mal was von Parlamentsautonomie gehört? – Weitere Zurufe]

Stimmen Sie mir zu, dass diese Anträge, wenn sie mit nicht vorgesehenen Gendersternchen formuliert sind, nicht der deutschen Amtssprache entsprechen und dementsprechend rechtschreibunkonform ins Hohe Haus eingebracht werden?

[Oh! von der LINKEN]

(Ines Schmidt)

Herr Woldeit! Erst einmal muss ich Ihnen wohl den Unterschied zwischen Legislative und Verwaltung erklären: Wir sind hier nicht das Amt; wir sind hier ein Parlament.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Und zum Zweiten: Sie können selbst im Duden gucken – das Sternchen steht nicht drin. Insofern haben diejenigen, die den Antrag mit dem Sternchen einbringen, es selbst entschieden, sich nicht im Rahmen des Duden zu bewegen. – Damit ist, glaube ich, alles dazu gesagt.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das eigentlich Interessante ist doch, dass Ihr zweiter Antrag Ihr wahres Anliegen zum Vorschein bringt: Es soll nämlich die Berliner Verwaltung nur noch die männliche Form verwenden. Und das ist nicht nur Ihre Einstellung zur Sprache, sondern auch zu Gesellschaft und Kultur.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Kultur stellt Verbindlichkeit in unserer Gesellschaft her, und die Mitglieder einer Kultur sind eben kein homogenes Kollektiv, sondern zeichnen sich durch Individualität und Vielfalt aus. Der Kulturwissenschaftler Klaus Jansen spricht darum über das Kollektiv des Volkes von einem komplizierten Miteinander von Diversität und Homogenität. Für ihn ist die Vertrautheit mit Verschiedenheit die Voraussetzung für Bindung und Verbindlichkeit. Diese Vertrautheit mit der Unterschiedlichkeit ist genau das, was die AfD von uns Liberalen und von uns allen in diesem Haus unterscheidet.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des fraktionslosen Abgeordneten Wild?

Jetzt würde ich gerne einmal fortsetzen. – Genauso, wie alle Menschen unterschiedlich sind, ist die Benutzergruppe einer Sprache eben auch nicht homogen. Mit Ihren Anträgen suggerieren Sie Gleichheit. Sie wollen uns vorschreiben, wie wir Sprache zu verwenden und zu verstehen haben, und das lassen wir nicht mit uns machen!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Ist doch lächerlich!]

Und, Sven Rissmann, es wurde gerade gesagt: Ja, das sei ja alles nicht diskriminierend, wenn die männliche Form genommen wird.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ist es ja auch nicht!]

Als Frauen fühlen wir uns jedoch nicht automatisch angesprochen, wenn wir mitgemeint sind. Wir unterhalten uns über Gender-Pay-Gap, über Gehaltsunterschiede – das haben Sie in der letzten Plenardebatte auch gesagt –, über Berufswahl von Mädchen und Jungs. Wenn ich möchte, dass Mädchen und junge Frauen in besser bezahlte Berufe gehen und in der Sprache klassische Berufe wie Handwerker, Feuerwehrmann und Busfahrer eben Mädchen und Frauen nicht ansprechen, muss ich mir ja wohl Gedanken über eine vielfältige Sprache machen und dann die weibliche Form auch mitverwenden.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

So gibt es unzählige Beispiele, wie Sprache die Zuschreibung von Rollen, die Tradierung von Stereotypen zementiert und damit – und das ist mir der eigentlich wichtige Punkt – echte Wahlfreiheiten einschränkt, und das geht nicht!

[Beifall bei der FDP, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Und jetzt noch etwas zu Ihrer angeblichen Liebe zur deutschen Sprache oder zu praktischen Erwägungen: Das ist alles, alles vorgeschoben. Sie wollen hier das Rad eigentlich zurückdrehen und beziehen sich interessanterweise auf den Rat für deutsche Rechtschreibung. Ihr eigener Bundessprecher Jörg Meuthen hat das 2018, als der Rat getagt hat, so kommentiert – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidiums:

Wir brauchen … auch keinen Rat für deutsche Rechtschreibung, der als Handlanger politische Vorgaben aus Berlin im Duden verankert.

Und jetzt ziehen Sie genau diesen Rat als Kronzeugen heran – das ist verlogen und zeigt, dass es Ihnen eigentlich gar nicht um die deutsche Sprache geht!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Verwaltung auf Bundes- und Landesebene ist die weibliche und männliche Form als Ausprägung von Artikel 3 Grundgesetz vorgegeben. Sogar, Herr Pazderski, in der männlich geprägten Bundeswehr gilt:

Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Soldatinnen und Soldaten sollen die Gleichstellung von Männern und Frauen auch sprachlich zum Ausdruck bringen. Das gilt auch für den dienstlichen Schriftverkehr.

Für uns Abgeordnete gilt: Jeder und jede kann sich frei entscheiden, ob und wie das Sternchen, die Rechtschreibung berücksichtigt werden, ob man dudenkonform schreibt oder nicht. Ich selbst verwende schon länger die

weibliche und die männliche Form. Das kostet mich, ehrlich gesagt, keine Zeit, und ich mache dennoch den weiblichen Teil der Gruppe sichtbar, die ich ansprechen möchte.

Aber ich störe mich auch nicht daran, wenn jemand das anders handhabt, das Sternchen benutzt oder das Sternchen nicht mag und deshalb nicht benutzt. – Lieber Herr Kollege Kohlmeier! Ich lasse mir aber auch nicht von der SPD wie in der BVV Mitte vorschreiben – das wurde schon angesprochen –, dass nur Anträge mit Sternchen debattiert werden können.