Protokoll der Sitzung vom 21.03.2019

Er ignoriert, dass Vielfalt auch in der Frühförderung gelebte Realität in unseren Einrichtungen ist und dass sich die Bildungsinstitutionen auf die Kinder einzustellen haben und nicht umgekehrt. Der Antrag ignoriert nicht nur Kinderrechte, sondern auch die Elternrechte, z. B. dass es Elternrecht ist zu entscheiden, ob und in welchem Umfang das Kind in eine Kita geht und wann das Kind in die Schule kommt. Wir haben aus gutem Grund hier sehr flexible Regelungen, und das soll auch so bleiben. Er ignoriert, dass wir ein Bildungsprogramm haben. – Das ist auch schon gesagt worden. – Er ignoriert, dass die Berliner Eltern wissen, dass ein möglichst mehrjähriger Kitabesuch die besten Voraussetzungen bietet nicht nur für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sondern auch für die Entwicklung des Kindes gut ist, und zwar im Sinne von mehr Chancengleichheit. Wenn das nicht so wäre, hätten wir nicht so viele Probleme, für jedes Kind einen guten Kitaplatz bereitzustellen – das haben wir alle mitbekommen – und damit den Rechtsanspruch jedes Kindes zu verwirklichen.

Aus unserer Perspektive brauchen wir keine Kitapflicht für die Realisierung des Rechtsanspruchs. Beherzigen wir das, was wir in der Anhörung von den Expertinnen und Experten gehört haben. – Ich glaube, Sie waren in einer anderen Anhörung, Herr Fresdorf. – Ich glaube auch nicht, dass alle Schulleiter in Berlin totale Angst vor Herrn Rackles haben und deshalb nicht bereit sind, öffentlich eine Aussage zu der Situation in ihren Schulen zu machen. Was wir da gehört haben, hat anderes ergeben. Wir brauchen mehr Kitaqualität. Wir wollen unser System weiterentwickeln, Fachkräfte gewinnen, positiv herangehen. Wir haben auch Verbündete in der Stadt. Wir waren alle am Freitag bei der Veranstaltung des Kitabündnisses. Da haben wir Sie gesehen. Ich verstehe nicht, was Ihr Vorschlag soll. In der jetzigen Situation auch

noch einen Systemwechsel zu initiieren, hilft da kein bisschen weiter. Ihr Antrag ist daher natürlich abzulehnen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt Herr Tabor das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Verehrte Berliner Bürger! Wie in jeder meiner Reden werde ich auch heute die 23-jährige Katastrophenherrschaft der SPD im Berliner Bildungsbereich anprangern. Was finden wir hier vor? – Marode Schulen, Schulen, die gar nicht erst gebaut werden, unzählige Brennpunktschulen, auf die keiner gehen möchte, egal ob man Schüler oder Lehrer ist, des Weiteren Lehrkräftemangel, Inklusion um jeden Preis, ohne Bereitstellung ausreichender Ressourcen, überförderte Lehrkräfte, hohe Ausfallquoten,

schlechte Zukunftschancen für unsere Kinder und Jugendlichen.

[Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Wir reden über Kitas!]

Egal, ob Pisa-Studie, die QB-Studie oder die Vergleichsarbeiten VERA 3/VERA 8, überall das gleiche Bild, frei nach dem Motto: Willst du Berliner oben sehen, musst du die Tabelle drehen!

[Beifall bei der AfD]

Die FDP macht in ihrem Antrag einen Vorschlag zur Verbesserung der aktuellen Situation. Doch wie sieht die Situation bei den Grundschulen eigentlich aus? – Wir erleben in Berlin unzählige Erstklässler, die nicht in der Lage sind, dem normalen Unterricht zu folgen, die nicht einmal mehr in der Lage sind, altersgerecht zu sprechen, zu lesen, zu verstehen oder zu rechnen. Das hat katastrophale Folgen für die betroffenen Kinder und für ihr direktes Umfeld. Vom Start weg ist somit in der Regel der Misserfolg vorprogrammiert und wird sich uneinholbar bis zum Schulende fortsetzen. Diese Kinder fallen nur zu häufig auf. Sie sind unkonzentriert, undiszipliniert und unbeherrscht. Gibt es einige Kinder davon in einer Klasse, so wird der Unterricht äußerst schwer für den Lehrer. Dominieren Erstklässler – und das gilt dann eigentlich für alle weiteren Klassen – mit starken Defiziten eine Klasse, wird Regelunterricht nahezu unmöglich, und das gesamte Leistungsniveau – das ist für viele vielleicht etwas Neues – sinkt. Welche Eltern können so etwas wollen? Dementsprechend muss da endlich etwas getan werden!

Aber genau dieses gilt es, endlich zu verhindern, und dafür ist dieser Antrag aus meiner Sicht ein wichtiges Puzzleteil. Doch erwartungsgemäß – wir haben es schon

(Katrin Seidel)

gehört – stemmen sich die linken Konsensparteien und die angeblich so leistungsorientierte CDU dagegen. Es ist eigentlich auch kein Wunder, wenn Parteien, die so sehr mit dem ausufernden Sozialsystem in Berlin vernetzt sind wie die werten Kollegen auf der linken Seite des ganzen Parlaments, es vermutlich als wenig schlimm empfinden, dass es gebildete Kinder gibt, schließlich müssen lukrative Posten für Wohlfahrtsorganisationen, bei den zahlreichen linken freien Trägerschaften oder auf Regierungsebene für Parteifreunde geschaffen werden.

[Beifall bei der AfD – Zurufe von den GRÜNEN: Oh!]

Dafür braucht man eben einen steten Zulauf von neuen Bedürftigen, um die ganzen Posten zu rechtfertigen. Dabei sollte es das Ziel von Politik und Gesellschaft sein, mündige junge Menschen aus dem Schulsystem zu entlassen,

[Vereinzelter Beifall bei der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): So ist es! Bravo!]

die selbstbestimmt ihren eigenen Weg im Leben gehen können und nicht von der Schulbank in die Sozialsysteme abwandern. Mit der AfD ist das nicht zu machen!

[Vereinzelter Beifall bei der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Richtig! Bravo!]

Wir wollen junge Leute durch eine ausgewogene Pädagogik des Förderns und Forderns zur Selbstständigkeit anleiten. Unsere Meinung ist: Jeder früh investierte Euro in die Bildung, jede früh investierte Anstrengung in die Bildung, jedes Frühwarnsystem im Bildungsbereich wird sich für unsere Kinder und für unsere Gesellschaft langfristig auszahlen

[Zuruf von Stefanie Remlinger (GRÜNE)]

und viele Milliarden Euro an Steuergeldern sparen. Deswegen wird die AfD dem FDP-Antrag zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Bravo!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Burkert-Eulitz. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte KollegenSternchen-innen! Klar ist: Die AfD hat keinen einzigen Cent in die Bildung zusätzlich investiert, wie wir das als Land Berlin und Koalition gemacht haben. Sie haben keinen einzigen Antrag in der letzten Haushaltsdebatte gestellt.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Weil wir die ganze Bildungspolitik ablehnen! Die ist falsch!]

Deswegen überlegen Sie erst einmal, ob Sie vielleicht beim nächsten Mal Ihre Hausaufgaben machen!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Melanie Kühnemann-Grunow (SPD)]

Lieber Herr Fresdorf! Ich schätze Sie sehr, aber sehr schade ist, dass der FDP als Priorität heute nichts anderes einfällt als Ihr Antrag von vor zwei Jahren, der hier schon bei der ersten Lesung und bei der Abstimmung im Ausschuss durchgefallen ist und vor allem bei der Anhörung durch die überwiegende Mehrheit der Expertinnen und Experten abgelehnt wurde. Eigentlich hatte ich vor, Ihnen meine Rede vom 18. Mai 2017 vorzulesen,

[Regina Kittler (LINKE): Hättest du ruhig machen können!]

denn wir haben inzwischen keinerlei neue Erkenntnisse gewonnen. Nun denn, erkläre ich Ihnen als neunte oder zehnte Person, warum Ihr Ansatz, Schulrecht und Jugendhilferecht einfach mal zu verknüpfen, nicht funktionieren kann.

Gesetzeszuständigkeitsregelungen sind zwingendes Recht und können von Ihnen nicht mal eben ausgehebelt werden. Wir als R2G sehen uns jedenfalls der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Das Schulrecht ist Landesrecht, und die Grundregelungen der Kita obliegen im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung dem Bund. Der Bund hat von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht. Als Mitglied des Rechtsausschusses haben Sie sicherlich schon davon gehört, dass Bundesrecht Landesrecht bricht, wenn das Landesrecht dem Bundesrecht widerspricht. Das

SGB VIII kennt keine Kitapflicht, also können Sie diese auch nicht in Berlin einführen.

Auch inhaltlich ist Ihr Antrag abzulehnen. Wir müssen, wie es Ihr Antrag will, die Kita nicht neu erfinden und zu einer Vorschule machen, die in Berlin aus inhaltlichen Gründen abgeschafft wurde. Die Vorschule war übrigens absolut freiwillig. Die Grundlage für die Bildungsarbeit in allen Kitas ist das Berliner Bildungsprogramm, welches 2014 überarbeitet wurde. Es entspricht dem aktuellen Stand frühpädagogischer Wissenschaft und Forschung. Auf dieses Bildungsprogramm sind wir sehr stolz.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Dr. Ina Maria Czyborra (SPD) und Melanie Kühnemann-Grunow (SPD)]

Das Bildungsprogramm ist für alle Berliner Kitas verpflichtend und entspricht den Entwicklungsbedürfnissen der Altersgruppe der null- bis sechsjährigen Kinder. Ziel ist eine umfassende Persönlichkeitsentwicklung. Die

(Tommy Tabor)

Schwerpunkte der Bildungsarbeit liegen auf den IchKompetenzen, den Sozialkompetenzen, den Sachkompetenzen und den lernmethodischen Kompetenzen. Vielleicht gucken Sie mal rein, da würden Sie auch die verschiedenen Bildungsbereiche abgebildet finden: Gesundheit, Soziales, Kulturelles, Mathematik, Kommunikation, Sprachen, Medien, Schriftkultur, Kunst, Bildnerisches Gestalten, Musik, Theater, Mathematik, Natur, Umwelt und Technik.

Die Ausführungen zum Übergang von der Kita in die Grundschule dienen der Kooperation der Systeme Kindertagesbetreuung und Grundschule im Sinne einer optimalen und anschlussfähigen Förderung der Kinder. Das zeigt sich auch in der Passfähigkeit des Bildungsprogramms und der Rahmenlehrpläne der Schule. Ziel der flexiblen Schuleingangsphase – das hatten meine Kolleginnen Ihnen auch schon erklärt –, die in zwei oder drei Jahren durchlaufen werden kann, ist es, das Kind anhand seiner individuellen Voraussetzungen zu fördern. Moderne Pädagogik in unseren Kitas und Schulen lautet: Nicht das Kind muss von sich aus quadratisch, praktisch und gut sein, sondern unsere Institutionen müssen sich auf jedes einzelne Kind einstellen. Jedes Kind muss bestens gefördert und unterstützt werden. Jedenfalls ist das der Ansatz von Rot-Rot-Grün.

Die Zeiten preußischer Zucht und Ordnung in Schulen sind zum Glück vorbei. – Liebe Opposition, das gilt auch für Sie alle: Schneiden Sie Ihre alten Zöpfe endlich ab! Ihre Scheuklappen nutzen keinem Kind! – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag Drucksache 18/0339 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich – gegen die AfD-Fraktion und die Fraktion der FDP – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der FDP, die AfD-Fraktion und die beiden fraktionslosen Angeordneten. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das sind alle anderen Fraktion. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.2:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 6

Gesetz zum Mittagessen an Schulen

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1731

Erste Lesung