Protokoll der Sitzung vom 21.03.2019

Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt Frau Abgeordnete Kittler. – Bitte schön!

(Hildegard Bentele)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt sie noch, die historischen Augenblicke. Berlin macht wieder Geschichte, denn wir werden als erstes Bundesland in einem Schulgesetz für alle Schülerinnen und Schüler der Grundstufe von Jahrgang 1 bis 6 ein für sie kostenfreies und gesundes Mittagessen festschreiben. Das ist Förderung des Kindeswohls und entspricht laut Artikel 72 Grundgesetz der öffentlichen Fürsorge. Das bekämpft Kinderarmut, und jedes dritte Kind, wie wir wissen, in Berlin lebt von Hartz IV, und beseitigt auch jede demütigende Bittstellerposition.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Ein gesundes Mittagessen – da sind wir völlig anderer Meinung als Miss Europa –

[Oliver Friederici (CDU): Ha, ha, ha!]

gehört für uns Linke zum Bildungsangebot. Eine gesunde Ernährungsweise eingebunden in den Lernalltag fördert den Bildungserfolg. Das zeigen mit ihren Ergebnissen skandinavische Länder, wo alle Kinder und Jugendliche ein kostenfreies Essen mit hohen Qualitätsstandards und aus regionalen Produkten, verbunden mit Ernährungsbildung erhalten. Was dort möglich ist, wird jetzt auch bei uns möglich. Berlin macht den Anfang. Ich bin sehr gespannt, wie die anderen Bundesländer damit umgehen werden.

Im Jahr 2014 wurden Linke und Piraten noch belächelt ob ihres Antrages, das Schulessen stärker zu subventionieren und ein Konzept vorzulegen, wie und in welchen Schritten das Schulmittagessen kostenfrei werden kann.

[Marc Vallendar (AfD): Wo sind denn die Piraten?]

Eine Initiative der Linksfraktion im Deutschen Bundestag zur Aufhebung des Kooperationsverbots und zur Finanzierung eines gesunden und für Eltern kostenfreien Mittagessens aus Bundesmitteln sowie zur Bereitstellung von Mitteln für die Schaffung der notwendigen räumlichen, personellen und sächlichen Voraussetzungen dafür wurde zum zweiten Mal 2017 durch den Bundestag abgelehnt. Während die SPD dort immerhin noch erklärte, dass Wege gesucht werden müssen, die Bundesländer zumindest zu unterstützen – und wer Frau Schwesig heute zumindest zugehört hat, hat schon ein Signal erhalten können, wenn er denn möchte – haben CDU und CSU wortreich erklärt, dass es nicht geht und nicht gewollt ist. Tankred Schipanski von der CDU hat zum Beispiel unsere Initiative dort bewertet mit folgendem Zitat:

Das kennen wir von den Linken! Immer derselbe Mist!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Oliver Friederici (CDU) – Heiko Melzer (CDU): Hat er recht!]

Sie sagen natürlich wieder: Es geht nicht. – Doch es geht. Das zeigen wir Ihnen jetzt. Ich sage nicht, dass es leicht

wird. Darin bin ich mir auch mit verschiedenen Trägern, die sich in den letzten Tagen zu Wort gemeldet haben, einig. Geld zur Verfügung zu stellen und das Schulgesetz zu ändern, ist das eine, in den Schulen auch die Bedingungen dafür zu schaffen, das andere. Deswegen beginnt der Antrag zum Qualitätspaket Schulessen auch damit, dass den Bezirken auf dem Weg der Basiskorrektur auch die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, um Investitionen für Menschen – Entschuldigung! – Mensen und Küchen tätigen zu können.

[Zuruf von Stefan Förster (FDP)]

Ihre Affenlaute können Sie sich auch schenken. – Hier müssen räumliche und sächliche Mindeststandards hergestellt werden. Die Senatsbildungsverwaltung hat die Schulaufsichten jetzt aufgefordert, mit einem Erhebungsbogen an allen Schulen mit Grundstufen zu erfassen, wie viele Kinder zukünftig am Mittagessen teilnehmen werden, welche Bedingungen dafür vorhanden sind und sie in eine von drei Kategorien einzustufen.

In Kategorie III sollen die Schulen eingestuft werden, die zu kleine Mensen haben und bei denen das Mehr allein durch schulorganisatorische Maßnahmen nicht zu beheben ist. Zur Lösung von Problemen werden regionale Werkstätten besonders diesen Schulen bei der Lösung von Problemen helfen. Gemeinsam mit der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ will die Senatsbildungsverwaltung Schulen Beratung zu ihren im Ganztagsschulkonzept integrierten Raum- und Zeitkonzepten anbieten.

Ich muss noch nennen, dass wir im Rahmen der Haushaltsberatung 20/21über die personellen Auswirkungen in der verlässlichen Halbtagsgrundschule unbedingt reden müssen. Im Bund müssen wir als R2G weiter darum kämpfen, dass die Mehrwertsteuer geändert wird. Es muss endlich Schluss damit sein, dass für Leute mit Geld Kaviar und Froschschenkel mit sieben Prozent, aber für Schülerinnen und Schüler Schulessen mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt werden. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Kerker. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Zunächst ist festzustellen, der vorgelegte Gesetzentwurf verzichtet auf jegliche Begründung. Das ist eher außergewöhnlich, aber wenn dies so erfolgt, kann man oftmals davon ausgehen, dass Wahlen anstehen. In der Tat darf das Jahr 2019 als Superwahljahr bezeichnet werden.

Das hat dann stets zur Folge, dass sich insbesondere die Sozialdemokraten an den Wähler, das unbekannte Wesen, erinnern. Panisch getrieben durch schwächelnde Umfragewerte, werden alle möglichen Wahlgeschenke zusammengezimmert. So durften wir es auf Bundesebene erleben. Ratzfatz wurde da eine Grundrente angekündigt, um die Wählerinnen und Wähler zu beruhigen.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wie sind denn Ihre Umfragewerte? – Lachen von Steffen Zillich (LINKE)]

Besser als Ihre! Das wissen Sie auch.

Die Finanzierung ist natürlich völlig offen, aber dazu werden Sie sich sicherlich nach der Wahl äußern. Nun will auch die Berliner SPD dem nicht nachstehen und präsentiert uns zusammen mit den Koalitionspartnern ein Gesetz zum kostenlosen Mittagessen an Schulen. Da schließe ich mich gern der Aussage der Kollegin Bentele an, dass es ein versuchter Stimmenkauf ist.

[Beifall bei der AfD]

Derzeit kann noch niemand sagen, wie stark die Nachfrage aufgrund des neuen Gesetzes steigen würde. Der Senat geht im Berliner Durchschnitt von einer Zuwachsrate von 14 Prozent aus. Der Verband der Caterer nimmt eine Steigerung der Bestellung von ca. 60 Prozent an. Die bereitgestellten 40 Millionen Euro würden dann allerdings nicht mehr reichen. Auch das logistische Problem, wie bereits angesprochen, ist ungelöst. Lydia Sebold vom Grundschulverband hat mit Recht gemahnt, dass es gar nicht genügend Platz gibt, wenn mehr Kinder als bisher essen sollten. Die Plätze in den Schulmensen sind bereits sehr knapp. Rot-Rot-Grün macht mal den zweiten Schritt vor dem ersten. Das kennen wir auch schon von der Inklusion.

[Beifall bei der AfD]

Nach § 19 Abs. 2 Schulgesetz soll an Ganztagsschulen ein Mittagessen angeboten werden. Nach Auskunft der Schulämter wird aber an mindestens 19 Schulen der Sekundarstufe I kein Mittagessen angeboten. Das alles zeigt die Planungsinkompetenz von Rot-Rot-Grün.

[Beifall bei der AfD]

Die Qualitätskontrollstelle Schulessen hat im Oktober 2017 gravierende Mängel publik gemacht. Werden Dinge kostenlos angeboten, führt dies zu weiteren Qualitätseinbußen, denn bei einem kostenlosen Angebot sinkt der Wille zur Beschwerde. Dabei ist die Qualität des Schulessens für die Schüler wichtig.

Wir müssen uns vor Augen führen, dass das Schulmittagessen bereits bezuschusst wird. Das Mittagessen kostet pro Kind 3,25 Euro. Normalverdienende Eltern zahlen 37 Euro im Monat. Das sind bei 20 Schultagen 1,85 Euro pro Kind und Schultag. Eltern mit sehr geringem Einkommen oder Sozialhilfebezug zahlen 20 Euro pro Monat. Wäre das Mittagessen ganz kostenlos, würde man es

dann in demselben Maße wertschätzen? – Ich habe da meine Zweifel.

[Regina Kittler (LINKE): Tja, da sind Sie aber allein mit!]

Ach, da gibt es aber ganz klare Erkenntnisse, Frau Kittler.

[Ronald Gläser (AfD): Was nichts kostet, ist nichts wert! Davon schon mal gehört? – Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

Genau, so ist es. Was nichts kostet, ist nichts wert.

Ein geringer Beitrag ist den Eltern zumutbar. Für sozialschwache Familien ist das weniger als ein Euro pro Tag. Wenn Eltern einen Beitrag entrichten, werden sie sich eher darum sorgen, dass ihre Kinder die bereitgestellten Mahlzeiten auch tatsächlich essen. Ist das Mittagessen kostenlos, wird es den Eltern tendenziell egal sein, ob es weggeworfen wird oder nicht. Bereits jetzt landen viele Nahrungsmittel aus den Schulmensen auf dem Hof. Das wollen wir so in der Form nicht weiter haben.

Statt immer nur nach Vater Staat zu rufen, müssen die Einzelnen – hier die Eltern – in die Pflicht genommen werden. Kein Kind muss in Deutschland Hunger leiden. Jedes Kind kann am Schulessen teilnehmen. Die Voraussetzungen sind dafür heute bereits gegeben. Sie haben die Probleme angesprochen, Frau Dr. Lasić. Ja, die explodierenden Mietkosten, das sind auch alles Folgen Ihrer Politik. Das haben Sie verbockt, und nun versuchen Sie bitte nicht, das hier zu kaschieren, indem Sie vermeintliche Almosen den Eltern zukommen lassen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der AfD – Zurufe von der LINKEN]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Abgeordnete Remlinger. – Bitte!

[Stefan Förster (FDP): Das ist der Referentenentwurf!]

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was nichts kostet, ist nichts wert. Na ja, ich glaube nicht, dass man das für den Bildungsbereich sagen kann. Sonst müssten wir jetzt länglich darüber sprechen. Sie hätten ja damit das ganze Schulsystem für wertlos erklärt. Ich glaube, dass wir gerade im Bildungsbereich darüber so nicht sprechen können. Dass das Essen überall da selbstverständlich im Angebot dazugehören muss, wo die Kinder von morgens bis fast abends in der Schule sind, ist völlig richtig. Und es ist völlig richtig, dass wir jetzt den großen Schritt gehen können, den Kindern der Klassen 1

(Stefan Franz Kerker)

bis 6 kostenfrei die Teilnahme zu ermöglichen. Das freut uns auch als Grüne wirklich sehr.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Christian Buchholz?

Im Moment noch nicht. Ich habe doch noch gar nichts gesagt.

Gleichzeitig ist uns in der Tat wichtig, dass so, wie das Ganztagsangebot insgesamt nicht einfach nur eine Aufbewahrung sein darf, sondern ein gutes Bildungsangebot sein muss, auch das Thema Kostenlosigkeit mit der Qualität zusammengebracht wird. Was wir brauchen, ist guter Ganztag und gutes Essen für eine insgesamt gute und gesunde Schule. Das fängt beim Mittagessen an. Das muss in den Ganztag eingetaktet sein. Zum Essen braucht man Zeit. Man muss es kombinieren können mit Pausen und mit Phasen von Bewegung. Essen muss man auch verdauen können. Und Essen braucht, das wissen wir auch alle, Raum.

[Stefan Förster (FDP): Und Hunger!]