Protokoll der Sitzung vom 04.04.2019

[Beifall bei der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos), Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Frau Halsch! Sie sollten sich etwas schämen. Hier hat die AfD es nämlich geschafft, den Nichtwähler zu mobilisieren. Versuchen Sie das doch auch einmal!

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Mit Geldern aus der Schweiz?]

Einer Partei kurz vor dem Untergang wie der Ihren würde das sehr guttun. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Gebel. – Bitte!

Es ist nur konsequent im Sinne des Wahlprogramms, wenn die AfD sagt, man möchte keinen Wahlkampf machen oder nicht zur Wahl aufrufen. Wenn man wie die AfD das Europäische Parlament abschaffen will, hat das eben auch eine Konsequenz. Insofern habe ich zur Kenntnis genommen, dass die AfD keinen Wahlkampf zur Europawahl macht und spreche für den Rest des Parlaments, wenn es um eine Steigerung der Wahlbeteiligung geht.

(Dr. Hugh Bronson)

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Tommy Tabor (AfD): Nicht für mich, Frau Gebel!]

255 000 EU-Bürgerinnen und EU-Bürger sind am

26. Mai wahlberechtigt. 255 000 Leute, das ist fast so viel wie einer unserer schönen Bezirke. Man kann also sagen: Wir haben in Berlin einen Bezirk namens Europa. Das ist doch eigentlich ein tolles Zeichen für so eine weltoffene Stadt, wie wir es sind.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Eine der guten europäischen Errungenschaften ist, dass diese EU-Bürgerinnen und EU-Bürger bei der Europawahl mitstimmen dürfen, dass sie Teil der Leute sind, die hier wählen können. Es gibt immer noch viel zu viele Leute, die hier in Berlin leben und denen dieses Wahlrecht vorenthalten ist, aber bei den EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern hat es geklappt, und das ist eine tolle Errungenschaft von Europa. Aber leider, das kam heute in der Debatte auch vor, machen zu wenige Leute von diesem Recht Gebrauch. Aus diesem Grund haben wir als Koalition gemeinsam mit CDU und FDP gesagt: Wir wollen versuchen, das zu ändern. Wir wollen fraktions-, parteiübergreifend dazu aufrufen und sagen: Leute geht zur Europawahl! Jede Stimme ist entscheidend.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

In der Demokratie kommt es nämlich auf jede Stimme an. Das haben wir zum Beispiel letztes Wochenende in der Slowakei gesehen. Dort gab es eine sehr spannende Stichwahl, und am Ende hat sich eine proeuropäische, progressive Kandidatin durchgesetzt. Das erste Mal wird es in der Slowakei eine Präsidentin geben. An dieser Stelle herzlichen Glückwunsch nach Bratislava an Zuzana Caputova, die im zweiten Wahlgang gewonnen hat! Ich glaube, es wird sehr spannend zu sehen, welche proeuropäischen Impulse von dort nach Brüssel gesendet werden.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP]

Wir haben dort gesehen: Es kommt auf jede Stimme an –, und umgekehrt haben wir das auch vor drei Jahren bei der Brexit-Abstimmung gesehen, als antieuropäische Kräfte Großbritannien aus der EU herausgestimmt haben. Viele Leute haben sich später geärgert, und auch die sind vor zehn Tagen auf die Straße gegangen und haben gesagt: Wir wollen diese Entscheidung rückgängig machen. – Viele Leute haben sich später geärgert, dass sie nicht wählen gegangen sind, denn wer sein Wahlrecht nicht nutzt, und das sieht man daran, lässt nur andere über seine Zukunft abstimmen. Genau aus diesem Grund muss hier und heute aus unserem Parlament die Botschaft rausgehen: Berlinerinnen und Berliner! Gehen Sie wählen!

Gehen Sie am 26. Mai zur Europawahl. Nutzen Sie Ihr Wahlrecht, und stimmen Sie demokratisch.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Also AfD, was sonst!]

Nur leider wird Europa immer noch zum Sündenbock für alles, wofür man keine politische Verantwortung übernehmen will oder was einem politisch nicht passt, gemacht. Das ist so ein bisschen wie hier in Berlin mit den Bezirken, aber deshalb sollte man nicht den Fehler begehen, Europa grundsätzlich infrage zu stellen. Das finde ich hier in Berlin mit den Bezirken im Übrigen auch so.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Lachen von Jeannette Auricht (AfD)]

Ich möchte dafür noch ein aktuelles Beispiel geben. Vor zehn Tagen sind Zehntausende, vor allen Dingen junge Leute, auf die Straße gegangen. Es ging um die sogenannten Uploadfilter und Artikel 13, und es hat sich dabei um eine Richtlinie gehandelt. Obwohl es nur – in Anführungszeichen – eine Richtlinie des Europäischen Parlaments war, weiß in diesen Kreisen unter diesen jungen Leuten jeder, wer Axel Voss ist. Und für die, die hier vielleicht nicht wissen, wer Axel Voss ist: Axel Voss ist der CDU-Europaabgeordnete, der diese Richtlinie hauptverhandelt hat. Ich teile die Richtlinie in vielen Teilen nicht, aber ich finde, das ist ein gutes Zeichen für eine europäische Öffentlichkeit und dafür, dass die Leute sich für Politik interessieren, wenn sie sehen, dass es sie betrifft. Das finde ich erst einmal gut.

[Beifall von Stefanie Remlinger (GRÜNE), Steffen Zillich (LINKE) und Carsten Schatz (LINKE)]

Mitverantwortlich ist aber auch die Bundesregierung, die der Richtlinie nämlich auch zugestimmt hat, und die versteckt sich hinter Axel Voss und glaubt, sie ist damit raus aus dem Schneider. Das schürt aber nur Politikverdrossenheit. Deshalb kommt es auf uns alle an, nicht plump auf Brüssel zu schimpfen und mit dem Zeigefinger zu zeigen, sondern konkret über Inhalte, über Politik in Europa zu streiten. Es geht um Fairplay mit Europa, und das stärkt auch die Demokratie.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Wir haben uns als Koalition vorgenommen, Europa hier im Parlament eine größere Rolle zu geben. Ich finde, das klappt in dieser Legislaturperiode eigentlich ganz gut. Wir dürfen und werden das nach dieser Europawahl nicht abflauen lassen. Lassen Sie uns alle gemeinsam Europa immer wieder hier im Haus auf die Tagesordnung setzen. Ich hätte schon eine Idee: Ich würde mich freuen, wenn wir im Herbst die neugewählten Mitglieder des Europaparlamentes, die ihren Wohnsitz hier in Berlin haben, hier im Plenum herzlich begrüßen würden. Das würde unsere europäische Grundhaltung als Parlament deutlich machen, ganz im Sinne von: Wir für Europa.

[Beifall bei den GRÜNEN – vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Die AfD-Fraktion hat eine Zwischenbemerkung angemeldet. – Herr Bronson, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Vielen Dank! – Frau Gebel! Ich möchte auf Ihren Beitrag mit zwei kurzen Punkten eingehen. Ich weiß gar nicht, wie Sie auf die Idee kommen, die AfD wolle das EU-Parlament abschaffen. Was lesen Sie eigentlich?

[Silke Gebel (GRÜNE): Wahlprogramm! – Jeannette Auricht (AfD): Kann nicht lesen!]

Das ist doch überhaupt gar nicht da drin. Die Abschaffung des Parlaments ist die Ultima Ratio, wenn sich Reformen nicht durchsetzen. Sie müssen doch mit einem Reformanspruch da herangehen. Erst wenn das nicht funktioniert, werden wir das machen, was damals mit der Volkskammer geschehen ist. Die wird sich einfach selbst auflösen.

[Carsten Schatz (LINKE): Haben Sie Ihr Wahlprogramm selbst gelesen? – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Lesen hilft!]

Eine zweite Sache ist ganz einfach: Sie reden immer von Europa, wenn Sie die EU wollen. Wir stellen Europa nicht infrage. Das können nur tektonische Platten.

[Heiterkeit und Beifall bei der AfD]

Wir reden von der EU. Das sind jetzt 27 Staaten, und das ist ein politisches Gebilde. Darüber kann man diskutieren. Das muss man reformieren, um es auf eine vernünftige Basis zu stellen. Diese beiden Punkte wollte ich Ihnen auf den Heimweg mitgeben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Stefan Förster (FDP): Heimweg?]

Frau Gebel! Sie haben das Wort. – Bitte!

Im Gegensatz zu Ihnen habe ich schon einmal das zweifelhafte Vergnügen gehabt, in das AfD-Wahlprogramm reinschauen zu dürfen, und da steht sehr klar drin, dass Sie vorhaben, aus der EU auszutreten, wenn sich Ihre Vorstellungen von einer wie auch immer gearteten Reform nicht durchsetzen,

[Dr. Hugh Bronson (AfD): Wir machen das zuerst! – Zuruf von Carsten Schatz (LINKE)]

und dass einer Ihrer Vorschläge ist, das Europäische Parlament abzuschaffen. Vor dem Hintergrund, eine der demokratischsten Errungenschaften in der Europäischen Union abzuschaffen, finde ich es doch ein bisschen zweifelhaft, und deswegen finde ich es interessant, wenn Sie vorhaben, Wahlkampf zu machen für ein Gremium, das Sie am Ende als demokratisches Instrument abschaffen wollen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das EU-Parlament ist doch nicht demokratisch, mein Gott!]

Das finde ich schwierig, aber das ist Ihr gutes Recht. In einer Demokratie kann jeder seine Vorschläge machen, und die Wählerinnen und Wähler werden am 26. Mai entscheiden, was sie davon halten. Wir wollen das Europäische Parlament nicht abschaffen. Ich glaube an die europäische Demokratie.

[Jeannette Auricht (AfD): Widerspricht sich!]

Am 26. Mai wird dann eben geguckt, wer mehr Leute davon überzeugen konnte.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt das Wort der Abgeordneter Herr Förster. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Übrigen, wenn man in die Suchmaschine eingibt: AfD, EU-Parlament abschaffen –, dann kommt man nicht etwa zu einer Seite der „Lügenpresse“, wie es die AfD immer so gern sagt, sondern dann landet man direkt bei der „Jungen Freiheit“, also genau bei Ihrer Hauspostille, wo genau das nachzulesen ist. Also, erzählen Sie nicht, das sei nicht Ihre Forderung. Selbst Ihre eigene Zeitung schreibt so etwas. Da ist das ganz klar schwarz auf weiß nachzulesen.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD]

Zweiter Punkt: Herr Bronson! Wenn Sie so flammende Reden halten, dass man gerade mit der AfD in Europa so viel bewirken kann: Was hat denn die AfD in Europa bisher bewirkt?

[Zuruf von Carsten Schatz (LINKE)]

Diese Gurkentruppe, die 2014 eingezogen ist, hat sich dreimal aufgespalten, hatte fünf verschiedene Farbenlehren und macht nichts. Das ist doch kein Qualitätsbeweis. Es ist genau das Gegenteil, was Sie nach Europa geschickt haben.