Protokoll der Sitzung vom 04.04.2019

Zur Wahrheit gehört im Übrigen genauso, Frau Kittler, dass ich auch gerne einen Bismarck auf einer Ehren

bürgerliste in Berlin aushalte, genauso wie Sie Wert darauf legen, dass wir einen Bersarin auf der Ehrenbürgerliste haben. Das ist eben nun mal die gesamte Bandbreite dieser Stadt. Nicht jedem gefällt jeder Ehrenbürger. Auch heute Morgen sind wir für einen Ehrenbürger dieser Stadt aufgestanden, der nun auch kein lupenreiner Demokrat war. Das muss man an der Stelle mal sagen. Das sind die geschichtlichen Brüche in dieser Stadt, aber die müssen wir gemeinsam aushalten.

[Beifall bei der FDP]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wesener?

Bitte schön!

Herr Wesener! Sie haben das Wort, bitte!

Danke schön, Herr Förster! – Da ich Sie allgemein sehr schätze, wollte ich nur mal nachfragen, ob ich Sie richtig verstanden habe: Haben Sie gerade gesagt, dass die damaligen Ereignisse im heutigen Namibia kein Völkermord waren, sondern eine Reaktion der deutschen „Schutzmacht“ auf unbotmäßige Kolonialisierte? Habe ich das richtig verstanden, Herr Förster?

Nein, das haben Sie bewusst missverstanden!

[Kurt Wansner (CDU): Das macht er immer so!]

Ich habe darauf hingewiesen, dass die Ereignisse damals von den Herero ausgegangen sind und begonnen haben und dass es deswegen völkerrechtlich über viele Jahre so schwierig war, das entsprechend einzuordnen und zu bewerten, weil eben derjenige, der etwas auslöst und verursacht, auch eine entsprechende Gegenwehr zu erwarten hat. Und das ist eben die schwierige Frage auch beim Völkerrecht. Deswegen tut sich die Bundesregierung, auch das SPD-geführte Außenministerium, bis heute ja schwer, diese Frage entsprechend einzustufen, weil auch Entschädigungszahlungen u. a. daran hängen. Insofern gehört zur historischen Wahrheit immer dazu, dass man als Fakt zur Kenntnis nehmen muss, wer mit einer bestimmten Sache angefangen hat. Ob die Voraussetzungen dafür glücklich oder unglücklich waren, ist ja gar keine Diskussion, die wir zu bewerten haben, das ist auch keine Diskussion für eine Parlamentsdebatte, das sage ich als Historiker ganz klar. Ich sage eben nur, dass

sich die Bundesrepublik da sehr schwergetan hat und dass die Faktenlage anders als zum Beispiel bei den Armeniern, wo sie ja sehr eindeutig ist, hier nicht so eindeutig über die Jahre war, und deswegen ist das eben schwierig einzuordnen. – Zweite Zwischenfrage, bitte!

[Beifall bei der FDP]

Herr Lux! Sie haben das Wort, bitte!

Vielen Dank! – Herr Kollege Förster! Sie gestatten mir den Vergleich: Würden Sie dann auch sagen, dass die Jüdinnen und Juden im Warschauer Ghetto selber daran schuld waren, dass sie dort eliminiert worden sind, nachdem sie dort einen Aufstand gemacht haben, genauso wie Sie das eben den Hereros zugeschoben haben?

[Zuruf von der FDP: Schäbig! – Zuruf von der AfD: Schämen Sie sich!]

Nein, Kollege Lux, das würde ich nicht! Ich bin eben gerade nicht dafür, auch gerade beim Dritten Reich mit seiner wirklich einzigartigen Gräuelgeschichte irgendetwas zu relativieren.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Beifall von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Deswegen bin ich auch nicht dafür – und da komme ich jetzt zum Ende der Rede –, wie Frau Kittler immer noch im DDR-Jargon von Faschismus zu sprechen. Wir hatten eben in Deutschland keinen Faschismus, wir hatten Nationalsozialismus.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Faschismus gab es in Italien und Spanien, bei Mussolini und Franco. In Italien und Spanien gehörte aber der Genozid an den Juden nicht dazu. Wenn Sie hier von Faschismus sprechen, verharmlosen Sie gerade das.

[Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

Sie sollten Ihr Geschichtsbild überprüfen und nicht immer Ihr Staatsbürgerkundebuch zur Hand nehmen! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD]

Die Fraktion Die Linke hat eine Kurzintervention angemeldet. – Frau Abgeordnete Kittler, Sie haben das Wort!

[Holger Krestel (FDP): Schicken Sie doch mal den SED-Saurier nach Afrika zurück!]

(Stefan Förster)

Herr Förster! Ich bin etwas erschrocken über das, was Sie jetzt gesagt haben.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE) und Silke Gebel (GRÜNE)]

Ich hätte Ihnen auch wirklich nicht zugetraut, dass so etwas über Ihre Lippen kommt. Sie haben gerade die Frage gestellt: Wer hat hier eigentlich angefangen? – Die Hereros haben doch angefangen, dann sollen sie sich nicht wundern, was sie hinterher erleben, nämlich einen Völkermord. – Das haben Sie gerade gesagt. Das möchte ich auch noch mal genauso deutlich wiederholen; Sie haben ja mehrere Nachfragen bekommen.

[Heiko Melzer (CDU): Sie haben das nicht verstanden! Das ist Ihr Problem, nicht unseres!]

Vielleicht ist Ihnen entgangen, dass Deutschland ein Volk wie die Herero und andere Völker versklavt hat. Und dann traut sich ein versklavtes Volk gegen seine Unterdrücker aufzustehen, um sich zu befreien,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Genau!]

und da sagen Sie: Da müssen die sich nicht wundern, dass sie hinterher alle umgebracht werden. – Wenn Sie nicht wissen, wie es passiert ist, kann ich es Ihnen gerne noch einmal sagen.

[Zuruf von der FDP: Waren Sie dabei?]

Ein Teil der Herero, der nicht gleich umgebracht wurde, ist in die Wüste geflohen. Da hat man alle Wasserstellen besetzt, damit sie verdursten und verhungern. Man hat sie eingekesselt. Die, die das überlebt haben, sind in Konzentrationslager gekommen, wo übrigens schon Menschenversuche durch Bofinger – so viel einmal zur Bildung – durchgeführt wurden, der mit diesen Häftlingen Experimente zu Skorbut durchgeführt hat, die daran gestorben sind. In diesen Lagern sind die Menschen zudem jämmerlich verhungert. Und da sagen Sie, hier dränge sich kein Vergleich auf mit Deutschland in der Zeit von 33 bis 45.

[Paul Fresdorf (FDP): Hat er doch nicht gesagt! – Holger Krestel (FDP): Hat er ja so nicht gesagt!]

Ich darf das sehr wohl Faschismus nennen, und ich darf mich selber auch als Antifaschistin bezeichnen!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Bevor ich Herrn Förster die Möglichkeit der Erwiderung gebe, nur kurz zur Geschäftsordnung: Auf Kurzinterventionen sind keine Zwischenfragen zulässig! – Herr Förster, Sie haben das Wort!

[Kurt Wansner (CDU): Fragen Sie doch mal nach der Vergangenheit der DDR!]

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Frau Kittler! Machen Sie sich einfach mit dem Völkerrecht vertraut! Ich habe darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung die offizielle Position vertritt, dass die UN-Völkerrechtskonvention nicht rückwirkend gilt und in völkerrechtlicher Sicht für diesen Punkt deswegen auch keine Verantwortung für das Kaiserreich übernommen werden kann. Dass wir auch eine moralische Verantwortung haben, habe ich, glaube ich, in meiner Rede ausgeführt. Ebenso habe ich begrüßt, dass die Museumslandschaft zum Beispiel auch mit den Partnerländern in Kontakt steht. Wenn Sie mit den Offiziellen in Namibia oder Tansania sprechen, auch mit den Botschaftern, die Deutschland dort repräsentieren, sagen die, es gebe gute Gespräche und einen guten Austausch; das sei auf einem guten Wege. Die Herero und Nama müssen damit leben, dass diese Länder sie mit vertreten; sie sind Teil der Länder. Das ist dann etwas, was in den jeweiligen Ländern im Binnenverhältnis geklärt werden muss. Es findet aber ein regelmäßiger Austausch statt.

Das eine ist die völkerrechtliche Komponente, die hat die Bundesrepublik zu klären. Ich habe nur den Stand wiedergegeben, den die Bundesregierung und das Bundesaußenministerium bis heute vertreten. Das ist so, wie ich es dargestellt habe. Eine moralische Verantwortung haben wir alle, für alle Ereignisse, auch in dieser Hinsicht, das ist gar keine Frage. Die nehmen wir auch gemeinsam wahr. Dazu muss man aber das Land Berlin nicht explizit auffordern, denn das findet statt. Die Institutionen arbeiten in der Praxis hervorragend und nehmen das Thema auch sehr sensibel wahr. Ich kenne keinen Museumsdirektor in Berlin, der das nicht tun würde. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Zu diesem Tagesordnungspunkt haben die fraktionslosen Abgeordneten Herr Nerstheimer und Herr Wild gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Die Redezeit beträgt jeweils bis zu drei Minuten. Zunächst hat Herr Abgeordneter Nerstheimer das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Berlin übernimmt die Verantwortung für seine koloniale Vergangenheit“ – was soll das nun bedeuten? Sollen wieder Gelder der deutschen Steuerzahler in der Welt verteilt werden? Soll den Deutschen wieder einmal weisgemacht werden, wie schlecht sie doch sind oder waren? Was ist das Nächste? Sollen wir uns als Nächstes dafür entschuldigen und Entschädigungen zahlen an die

Italiener, weil die germanischen Stämme in den Jahren 9 und 16 n. Chr. 20 römische Legionen vernichtet haben? Oder streuen wir uns Asche aufs Haupt, weil zwei Legionen des Spartacus 74 v. Chr. aus Germanen bestanden?

Aber zu den historischen Fakten: Der Große Kurfürst erwarb für Brandenburg-Preußen 1683 einen Küstenstreifen in Ghana und baute die Festung Groß Friedrichsburg, welche heute zum Weltkulturerbe gehört. Dieser erste Handelsposten wurde 1717 an die Niederländer verkauft. Damit endete für lange Zeit die staatlich organisierte Landnahme und damit auch der Handel mit Sklaven in die amerikanischen Kolonien.

1841 kamen die ersten Missionare und nach ihnen Kaufleute, die gegen Silber und Waffen von den Häuptlingen Küstenstreifen kauften. Handel, keine Eroberung! Ausschließlich Privatinitiativen von Kaufleuten! Ein Beispiel: 1883 verkaufte der Nama-Häuptling Joseph Fredericks sein Land an den Kaufmann Lüderitz für 100 Pfund Sterling und 200 Gewehre. Die Bucht heißt heute immer noch Lüderitzbucht.

Bei der Reichsgründung 1871 lehnte Bismarck Kolonien kategorisch ab, da er sie nur als Versorgungsposten ansah – ähnlich wie die heutigen Genderprofessoren. Erst nach 1884 setzten sich die Kaufleute mit ihrer Forderung nach Reichsschutz für ihre privaten Handelsbesitzungen durch, was die anderen Kolonialmächte schon seit Jahrhunderten praktizierten. Nach Namibia zum Beispiel wurden dann drei Beamte und 24 Soldaten entsandt. Dies kann man als Beginn der deutschen Kolonialisierung ansehen. Zu dem Zeitpunkt beherrschten die Briten ca. ein Viertel der Erde, und die Vereinigten Staaten hatten sich gerade die Philippinen als Kolonie einverleibt. 1885 bekam dann auch Tansania den Reichsschutz, da der Kaufmann Peters diesen einforderte, um dann dort eine Schreckensherrschaft zu errichten. Der Reichstag setzte Peters nach dem Bekanntwerden von dessen Verbrechen sofort als Kolonialbeamten ab und verurteilte sein Handeln entschieden. Ähnlich erging es später auch von Trotha, wo der Kaiser persönlich den von von Trotha erteilten Schießbefehl aussetzen ließ.

Aber schauen wir uns einmal den Herero-Aufstand an, Ihren Völkermord. Maharero, der sich mit Hilfe der Deutschen zum Häuptling putschen konnte, sicherte zehn Jahre lang seine Macht und setzte massiv auf die deutsche Karte. Er kaufte Waffen, Alkohol und Waren und bezahlte mit Land und Vieh, indem er Schuldscheine unterschrieb. Nun ist es im Handel durchaus üblich, die erhaltenen Waren zu bezahlen.