Protokoll der Sitzung vom 04.04.2019

Scheinheilig! –

Zurufe von Harald Laatsch (AfD) und

Gunnar Lindemann (AfD) –

Weitere Zurufe von der AfD]

die trotz eines rechten Shitstorms, die trotz Terrordrohungen, die trotz immer wiederkehrender antisemitischer Anfeindungen, die sie und ihre Leiterin ständig erfahren müssen, kontinuierliche Bildungsarbeit gegen Antisemitismus in dieser Stadt leistet, obwohl sie selbst betroffen ist, wie sich hier wieder zeigt.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Kurt Wansner (CDU) – Zurufe von der AfD]

Aber auch – – Darf ich weiterreden, Herr Wansner?

[Zuruf von der AfD: Nein, bitte nicht! – Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD) und Carsten Ubbelohde (AfD)]

Sind Sie einverstanden? – Ich würde mich gerne noch bei unseren anderen Partnerinnen und Partnern bedanken, wenn Sie es zulassen, nämlich bei der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus und natürlich dem Forum gegen Antisemitismus und für Demokratie. Ich danke euch und Ihnen ganz, ganz herzlich für die Arbeit!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Berlin steht zusammen gegen Antisemitismus. Das muss auch gemeinsam in der Praxis gelebt werden. Das haben wir zum Beispiel bei der breiten Solidaritätsbekundung in Form von „Berlin trägt Kippa“ nach einem schockierenden Angriff auf einen Kippaträger in Berlin erlebt. Oder als der Kultursenator Klaus Lederer und die Festivalveranstalter des Popkulturfestivals unverrückbar und klar an der Seite von Künstlerinnen und Künstlern standen, die durch die BDS-Kampagne massiv unter Druck gesetzt und erpresst wurden. Wir haben es zum Beispiel auch erlebt, als einer Terroristin die Aufenthaltsgenehmigung entzogen und ihr ihre Terrorpropaganda untersagt wurde. Auch wenn die Bundesregierung hier schon hätte früher handeln müssen, hat Berlin Haltung gezeigt.

[Zuruf von Marc Vallendar (AfD) – Heiterkeit bei der AfD]

Gegen jeden Antisemitismus heißt auch, dass Symbole der antisemitischen und faschistischen Alldeutschen aus diesem Hohen Haus entfernt werden. Wir werden jeden Versuch, diese zur Normalität werden zu lassen, entschieden zurückweisen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Berlin steht geschlossen gegen Antisemitismus. Das haben wir auch erlebt, und ich bin sehr froh darüber, als sich die Open Society Foundations in Berlin angesiedelt hat, sie hier ein neues Zuhause gefunden hat und ihre wichtige Arbeit nun hier fortsetzen kann, nachdem sie im Zuge einer staatlichen antisemitischen Hetzkampagne gegen sie und ihren Gründer George Soros aus Budapest vertrieben worden war.

[Beifall bei der LINKEN – Marc Vallendar (AfD): Was sagt denn Israel zu der Foundation? – Zuruf von Harald Laatsch (AfD)]

Der Sprecher der Open Society Stiftung sagte im Zuge dessen über Berlin, Berlin sei Zentrum und Symbol der freien Welt. Genau das ist der Charakter der Stadt Berlin. Ihre Vielfalt in jeglicher Hinsicht strahlt für viele Menschen den großen Reiz an Berlin aus. Diese Vielfalt gilt es zu verteidigen. Zu dieser Vielfalt gehören selbstverständlich auch das jüdische Leben Berlins

[Zuruf von Stefan Franz Kerker (AfD)]

sowie die kritische Auseinandersetzung mit tatsächlich existierendem Antisemitismus. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Fresdorf das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wichtig, dass wir in diesem Hohen Hause zu dem Thema „Berlin gegen jeden Antisemitismus“ reden. Es ist auch wichtig, dass dieses Hohe Haus einen Konsens dazu hat, dass wir jede Form des Antisemitismus ablehnen. Es ist richtig und wichtig, dass es in dieser Stadt einen breiten gesellschaftlichen Konsens dafür gibt, dass in Berlin nicht einen Fingerbreit Platz ist für Antisemitismus.

[Allgemeiner Beifall]

Dieses Thema wird immer wichtiger, wenn wir die Zeitschiene betrachten und im Auge haben, dass uns nach und nach die letzten Zeitzeugen der dunkelsten Etappe in der Geschichte unseres Landes verlassen.

[Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

Stück für Stück gehen die, die uns aus eigener Erfahrung mahnen können, die, die berichten können, wie es war,

[Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

als Antisemitismus gang und gäbe war, als es zum guten Ton gehörte, ein Antisemit zu sein. Diese Generation verlässt uns nun. Darum bin ich Ihnen, Herr Präsident Wieland, besonders dankbar, dass Sie jedes Jahr diesen Saal der Obermayer Stiftung zur Verfügung stellen, wo wir in einer Feierstunde die Verleihung des German Jewish History Award erleben können, wo Menschen aus der Zivilgesellschaft diese dunkelsten Stunden aufarbeiten, aber noch viel mehr tun. Sie zeigen uns die Wurzeln jüdischen Lebens in Deutschland auf, sie zeigen uns, dass es in jedem kleinen Dorf jüdische Geschichte gab. Es ist wichtig, dass wir uns daran erinnern und immer wieder darüber sprechen, was geschah und es nicht aus dem Bewusstsein unserer Gesellschaft verschwindet. Dafür müssen wir gemeinsam streiten und nicht miteinander, liebe Kolleginnen und Kollegen!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Gerade in Anbetracht dessen, dass wir uns bei Weitem nicht bei Stunde null im Kampf gegen den Antisemitismus befinden, sondern dass es schon viele funktionierende Programme geben sollte, dass es viele Programme gibt, die sich diesem Thema widmen, ist es umso erschre

ckender, wenn uns Berichte zuteilwerden wie die eines jüdischen Vaters aus Berlin, dass seine Kinder, wenn sie zur Schule gehen, jeden Anschein jüdischen Lebens in ihrer äußeren Erscheinung verstecken müssen, damit sie nicht bespuckt, beschimpft, geschlagen oder mit Gegenständen beworfen werden; oder dass Besitzer von Restaurants bedroht werden, weil sie koscheres Essen anbieten, dass Menschen, weil sie eine Kippa tragen, mit einem Gürtel geschlagen werden;

[Zuruf von der AfD: Von wem?]

dass in Unterkünften von Flüchtlingen Hassparolen an den Wänden stehen. – All das dürfte es eigentlich nicht geben, da wir uns nicht in der Stunde null der Arbeit gegen Antisemitismus befinden.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Mit „Berlin trägt Kippa“ hat Berlin ein deutliches Zeichen gesetzt, dass unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger uns an ihrer Seite haben, dass sie ein Teil dieser Stadt sind und wir keinen Fingerbreit denen geben, die dies nicht wollen. Dieses eindrückliche Zeichen war notwendig, denn es herrscht eine Verunsicherung in der jüdischen Gemeinschaft. Es gibt wieder Berliner Jüdinnen und Juden, die überlegen, ob sie diese Stadt verlassen. In Anbetracht unserer Geschichte ist es unfassbar, dass es wieder dazu kommen konnte, dass sich jüdische Berlinerinnen und Berliner so unsicher in der Stadt fühlen, dass sie überlegen, Berlin zu verlassen. Darum ist es wichtig, dass wir gegen Antisemitismus streiten.

Mit der Vorlage des Berliner Landeskonzepts geht es um eine Weiterentwicklung der vorhandenen Angebote, eine Qualifizierung dessen, was es im Land Berlin bereits gibt. Eine Formulierung hat mir besonders gut gefallen. Sie sprechen von “lernenden Angeboten“, die man machen muss, denn Antisemitismus verändert sich. Antisemitismus wandelt sich, so wie sich die Zeiten wandeln. So sind auch seine Erscheinungsformen andere. Das müssen die Angebote auch sein, denn ich erreiche die Menschen nicht mehr da, wo ich sie vor 20 Jahren erreicht habe. Ich habe andere Tätergruppen, die in den letzten Jahren dazugekommen sind. Auch die muss ich erreichen, wenn ich über Präventionsarbeit spreche. Darum bin ich Ihnen dankbar, dass Sie soweit mitgedacht haben, die Angebote lernen zu lassen, mitzugehen mit der Zeit, um genau das zu tun, was man tun muss – zielgerichtet gegen Antisemitismus arbeiten.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buchholz von der AfD-Fraktion?

(Anne Helm)

Ja, Herr Präsident!

Bitte schön, Herr Kollege Buchholz!

Herr Fresdorf! Es wurde hier mehrfach auch von Ihnen die Gürtelattacke erwähnt. Ist Ihnen bekannt, dass der 19jährige Syrer Knaan Al S. diese Gürtelattacke ausgeführt, sich der Polizei gestellt, die Tat gestanden hat und zu vier Wochen Arrest verurteilt worden ist?

[Udo Wolf (LINKE): Das ist allen bekannt! Stand ja in der Zeitung!]

Ja, das ist mir bekannt. Danke für die Frage, Herr Buchholz!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir haben tatsächlich neue Formen des Antisemitismus. Die kannten wir in den letzten Jahren in diesem Land nicht. Darüber haben wir gesprochen. Die Kollegin Seibeld hat vorhin trefflich die Forschungsstudien dazu zitiert, die sich auch auf die Herkunft der neuen Tätergruppen beziehen.

Wir haben den breiten gesellschaftlichen Konsens, dass Antisemitismus keinen fingerbreit Platz in dieser Stadt hat. Wir müssen auch eins deutlich sagen: Jeder, der hier nach Berlin kommt, um sein Glück zu suchen, der hier Schutz sucht, muss wissen: Wenn du ein Antisemit bist, wirst du nie im Herzen dieser Gesellschaft ankommen und könntest rein theoretisch gleich da bleiben, wo du hergekommen bist.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU und der AfD]

Wir müssen entschiedener gegen alle Formen von Antisemitismus vorgehen, so auch gegen den unsäglichen AlQuds-Marsch, der jedes Jahr stattfindet.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es ist immer wieder eine Schande, wenn dort Flaggen des Staates Israel verbrannt werden und das Existenzrecht dieses Staates infrage gestellt wird. Es ist deutsche Staatsräson, dass Israel ein Bestandsrecht hat, sich verteidigen darf, und dafür stehen wir alle in diesem Haus.