Es ist immer wieder eine Schande, wenn dort Flaggen des Staates Israel verbrannt werden und das Existenzrecht dieses Staates infrage gestellt wird. Es ist deutsche Staatsräson, dass Israel ein Bestandsrecht hat, sich verteidigen darf, und dafür stehen wir alle in diesem Haus.
Es ist auch wichtig, dass die neue Form von „Kauft nicht bei Juden!“ nicht mehr gefördert wird. Es darf keine Möglichkeit für den BDS geben, öffentliche Mittel in die
Was wir aber auch nicht tun sollten – das war leider Teil einiger Redebeiträge – und wo wir wirklich genau bleiben sollten, ist: Antisemitismus kann man nicht mit anderen Formen der Diskriminierung vergleichen, weil er einfach viel weiter geht als einfache Diskriminierung. Er ist darauf ausgerichtet, ein ganzes Volk zu vernichten und einen Staat auszulöschen. Das ist nicht vergleichbar mit irgendetwas anderem. Dagegen müssen wir entschiedener kämpfen als gegen alles andere.
Lassen Sie uns heute noch einmal ein entschlossenes Zeichen setzen. In einer freien und demokratischen Gesellschaft müssen wir es aushalten, wenn Kollegen in diesem Hause, deren Meinung wir oft nicht teilen, auch zu diesem Thema sprechen. Wir müssen es einfach aushalten und schauen, dass wir ein deutliches Signal in diese Stadt senden. In Berlin gibt es keinen fingerbreit Platz für Antisemitismus. Berlin ist eine freie Stadt, eine Stadt der Vielfalt, und Berlin war immer eine Stadt mit einem reichen jüdischen Leben, mit einem fröhlichen jüdischen Leben, mit tollen jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn, und das soll sie auch bleiben. Lassen Sie uns gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen, dass das so ist und dass alle Jüdinnen und Juden in dieser Stadt sicher sind und sich wohlfühlen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, den Linken und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der AfD]
Für diesen Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordneter Wild gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Die Redezeit beträgt bis zu drei Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist gut, dass wir uns ohne Wenn und Aber für jüdisches Leben in Berlin aussprechen und einsetzen, gerade in Zeiten, in denen äußerlich als Juden erkennbare Menschen in dieser Stadt Anfeindungen befürchten müssen, Anfeindungen, für die letztlich die Politik der leider seit Jahren dieses Land und unsere Stadt regierenden Parteien verantwortlich sind.
Es war der 8. November des vergangenen Jahres als Berliner die Namen der 40 000 ermordeten jüdischen Berliner am Holocaustdenkmal verlasen. Dort sprachen der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, der Regierende Bürgermeister, der katholische und der evangelische Bischof, Berliner Schülerinnen und Schüler und einfache Passanten. Nur zwei durften an diesem Gedenken in Form der Namensverlesung nicht teilhaben: der Fraktionsvorsitzender der AfD-Fraktion, unser werter Kollege Georg Pazderski, dessen Vater selbst Opfer der Nationalsozialisten war, und ein weiterer AfD-Politiker aus diesem Hohen Hause, nämlich ich selbst. Lea Rosh verweigerte dies. Das ist erstaunlich; war nicht Rosh jene Protagonistin, die im Konzentration- und Vernichtungslager Belzec in Polen den Backenzahn eines ermordeten Juden mitgehen ließ, um ihn jahrelang in einer häuslichen Schublade aufzubewahren.
Es bereitete ihr kein Unwohlsein, in Gegenwart des Überrestes eines ermordeten Juden zu schlafen, zu speisen und andere häusliche Verrichtungen zu erledigen – als wäre es nur ein Donnerkeil oder eine Muschel vom Strand.
Glücklicherweise wurde dem Vorschlag von Frau Rosh, diesen Zahn in die Stelen des Denkmals unserer Schande einzuzementieren, damals nicht entsprochen. Gleichwohl bleibt die Leichenfledderei bemerkenswert. Noch bemerkenswerter ist, dass sich keiner darüber aufregte.
[Sebastian Czaja (FDP): Das ist widerlich! – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Muss man sich das anhören? – Udo Wolf (LINKE): Ekelhaft!]
In der „Jüdischen Allgemeinen“ konnte man lesen, Lea Rosh hätte sich am 8. November über meine blaue Blume der deutschen Romantik echauffiert – die blaue Blume, die, wie gerade jemand an das Landesverfassungsgericht schrieb, in der Wahrnehmung der Swastika, also dem Hakenkreuz, entspricht.
Ich muss hier allerdings mitteilen, dass mich auf der Gedenkveranstaltung am Holocaust-Mahnmal niemand auf die blaue Blume der deutschen Romantik ansprach, weder Frau Rosh noch sonst jemand.
[Danny Freymark (CDU): Setzen Sie sich hin, und seien Sie ruhig! – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Wir machen hier keine Gruppentherapie für Sie!]
Lassen Sie mich vermuten: Hier hat jemand das verbreitet, was neudeutsch als Fake-News bezeichnet wird. Niemand konnotiert in Berlin die blaue Blume der Königin Luise mit dem Nationalsozialismus, und das ist auch gut so. – Schalom!
[Torsten Schneider (SPD): Das ist die AfD! – Ülker Radziwill (SPD): Da klatscht noch nicht einmal die AfD! – Sebastian Czaja (FDP): Widerlich! – Paul Fresdorf (FDP): Pfui! – Zuruf: Und tschüss!]
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Senator hat das Wort. Ich bitte, die Zwischengespräche einzustellen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Anwesende! Es steht dem Senat bekanntlich nicht zu, Abgeordnete zu beurteilen, aber zu dem Redebeitrag eben gäbe es so einiges zu sagen. Ich bin aber auch der Meinung: Das Thema ist zu wichtig, um nur um eine Fraktion hier im Haus zu kreisen.
„Kindermörder! Hätte ich ein Messer, hätte ich dich schon längst abgestochen, du Jude!“ – Diese Worte hallten im vergangenen Sommer über den Bahnsteig eines Berliner U-Bahnhofs. Diese Worte galten einem Mann, der sich als Jude zu erkennen gab, und den Worten folgten Taten: Der junge Mann wurde mehrfach geschlagen, ihm wurden Kopfstöße versetzt. Das war nur einer von zahlreichen antisemitischen Übergriffen im vergangenen Jahr. Allein von Januar bis Juni 2018 wurden der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus 527 antisemitische Vorfälle gemeldet. Das sind im Schnitt drei Fälle pro Tag. Die Vorfälle verteilen sich gleichmäßig über das gesamte Stadtgebiet, von Treptow-Köpenick über Mitte bis Charlottenburg-Wilmersdorf und von Pankow bis nach Neukölln. Dieser Antisemitismus kommt aus allen Gesellschaftsschichten. Er betrifft alle Altersgruppen. Es handelt sich sowohl um eingeborenen als um eingewanderten Antisemitismus. Und es spielt auch keine Rolle, ob er offen oder als unsachliche Kritik an Israel daherkommt.
Wenn Menschen in Berliner U-Bahnhöfen lautstark beleidigt werden, weil sie Jüdinnen oder Juden sind, wenn Menschen in Berlin damit rechnen müssen, dass sie auf offener Straße erniedrigt, beleidigt und attackiert werden, nur weil sie Juden sind, wenn es im Schnitt drei antisemitische Vorfälle pro Tag gibt, dann muss man eines festhalten: Berlin hat ein Antisemitismusproblem!
Auch in diesem Jahr gab es bereits zahlreiche Vorfälle. Am 28. Januar fuhr beispielsweise eine Frau mit einem Freund in der U 2 Richtung Pankow. Ein angetrunkener Mann stieg in den Wagen ein und stolperte dabei über das Bein der Frau. Daraufhin beschimpfte er die Frau. Er setzte sich ihr gegenüber, schaute sie an und schrie sie noch einige Male an. Die Frau und ihr Begleiter standen auf und liefen zum anderen Ende des Wagens; der Mann folgte den beiden und beleidigte sie weiter. Von etwa 25 anwesenden Personen, die den Vorfall beobachteten, reagierte nur ein Einziger.
Wenn wir über Antisemitismus in unserer Gesellschaft sprechen, dann müssen wir auch auf die 24 Menschen in der U-Bahn schauen, die eben nicht reagierten. Manchmal wird der Eindruck erweckt, Antisemitismus sei nur das Problem der Jüdinnen und Juden in unserer Gesellschaft – doch: Nein, meine Damen und Herren! Das ist falsch! Antisemitismus ist ein Problem der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft.
Es geht schließlich um die Frage, wie wir zusammenleben wollen. Wollen wir in einer Gesellschaft der Freien und Gleichen leben, oder wollen wir in einer Gesellschaft des Hasses, der Gewalt und der Menschenfeindlichkeit leben? Die nichtjüdische Mehrheitsgesellschaft ist für den Antisemitismus in unserer Stadt verantwortlich. Es sind unsere Nachbarn, unsere Kinder und unsere Sportkollegen: Sie alle müssen für das Problem des Antisemitismus in der Stadt sensibilisiert werden. Wir müssen uns dem Antisemitismus in dieser Stadt gemeinsam entgegenstellen, und wir müssen den Antisemitismus in dieser Stadt bekämpfen.
Sensibilisieren, entgegenstellen, bekämpfen: Dieser Dreiklang gilt für jede Berlinerin und jeden Berliner in dieser Stadt, beispielsweise wenn sie oder er Antisemitismus erlebt. Dieser Dreiklang gilt aber auch und vor allem für uns, die wir hier im Saal sitzen, für uns als politisch Verantwortliche in dieser Stadt. Sensibilisieren, entgegenstellen, bekämpfen: Genau das steckt hinter dem Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismusprävention. Daher habe ich mich sehr darüber gefreut, dass der Berliner Senat vor drei Wochen das Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismusprävention beschlossen hat.
Sensibilisieren, entgegenstellen, bekämpfen: Das gilt für alle gesellschaftlichen Bereiche – die Schulen, die Erwachsenenbildung, die Polizei, die Justiz, Kultureinrichtungen, Wissenschaft und auch für den Opferschutz, um nur einige Bereiche zu nennen. Nehmen wir beispielsweise den Bereich Bildung: Wenn wir verhindern wollen, dass antisemitische Einstellungen entstehen, dann sollten wir möglichst früh ansetzen, bei den Kindern und den Jugendlichen. Oder zum Thema Hate-Speech im Netz: Ich denke, dass ich nicht übertreibe, wenn ich sage: Das Internet ist in manchen Bereichen eine Kloake voller Menschenfeindlichkeit, und die Anonymität im Netz ist leider auch eine Triebfeder für antisemitische Beleidigungen.
Sensibilisieren, entgegenstellen, bekämpfen: Das gilt im Hinblick auf den Antisemitismus auch für die Justiz und für die Polizei. Bei den Anwesenden bei der Beschlussfassung zum Antisemitismuskonzept im Mai 2018 herrschte hier im Haus große Einigkeit – das ist bereits erwähnt worden –, und das hat mich sehr gefreut. Ich gehe davon aus, dass wir uns in einem anderen Punkt ebenfalls einig sind: Antisemitismus muss auch mit allen Mitteln des Rechtsstaates bekämpft werden.
Der Rechtsstaat muss aber noch mehr leisten. Er muss Vertrauen schaffen. Das gilt für viele Bereiche, aber es gilt insbesondere auch beim Thema Antisemitismus. Im September vergangenen Jahres – auch das ist erwähnt worden – hat die Antisemitismusbeauftragte der Berliner Staatsanwaltschaft, Frau Vanoni, ihre Arbeit aufgenommen. Seitdem traf sie sich mehrfach mit der vielfältigen jüdischen Community unserer Stadt. Sie saßen gemeinsam am Tisch und diskutierten: Was kann der Rechtsstaat mit Blick auf antisemitische Straftaten leisten? Welche Erwartungen haben die Betroffenen an den Rechtsstaat? Wie kann die Justiz noch stärker für das Problem des Antisemitismus sensibilisiert werden?
Gespräche verhindern Missverständnisse. Gespräche klären auf und können sensibilisieren. Darum sind derartige Gespräche, gerade über Antisemitismus, besonders wichtig. Für derartige Gespräche braucht es jedoch Ansprechpersonen, Menschen, an die man sich wenden kann. Auch aus diesem Grund finde ich es richtig, dass unser Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismusprävention eine konkrete Ansprechperson für das Thema Antisemitismus vorsieht, und zwar nicht nur für einen Teilbereich, sondern für alle Bereiche und das ganze Land Berlin. Ich freue mich, dass diese Person – Kollegin Kitschun hatte sich das gewünscht – bei der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung angesiedelt sein wird.
Wenige hundert Meter von hier entfernt befindet sich das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Mit Blick in die Vergangenheit erinnert dieses Denkmal an die rund
sechs Millionen Jüdinnen und Juden, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Mit Blick in die Zukunft sollte uns dieses Denkmal aber auch an unsere Verantwortung gegenüber den jüdischen Berlinerinnen und Berlinern erinnern. Es freut mich – ich hoffe, Sie teilen die Freude –, dass 74 Jahre nach der Befreiung Deutschlands wieder so viele Jüdinnen und Juden in Berlin leben.
Aus Respekt und in Verantwortung gegenüber den vielen heute in Berlin lebenden Jüdinnen und Juden stellen wir uns dem Antisemitismus in dieser Stadt gemeinsam entgegen. Aus Respekt und Verantwortung steht Berlin in der Pflicht, allen in Berlin lebenden Juden ein sicheres Leben zu ermöglichen. – Vielen Dank!