Protokoll der Sitzung vom 23.05.2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als wir den vorliegenden Antrag im Februar dieses Jahres in erster Lesung besprochen haben, habe ich bereits vor vielen Unschärfen in den Formulierungen gewarnt und gehofft, dass sich diese in den Ausschussberatungen klären lassen. Dem ist leider nicht so, und deshalb werden wir dem Antrag auch nicht zustimmen.

(Steffen Zillich)

Welche Unschärfen meine ich? – Die sozialistischkommunistische Enteignungsdebatte der letzten Wochen und Monate zeigt, dass besondere Vorsicht geboten ist beim Thema Ankauf von Grundstücken.

[Ronald Gläser (AfD): Sehr richtig!]

Bildung einer Grundstücksreserve ja, aber nicht als Einstiegsszenario, als sozialistische Massenenteignungen.

[Beifall bei der AfD]

Vor diesem Hintergrund bedarf die Einbeziehung der landeseigenen Unternehmen besonderer Sorgfalt. Der Landesrechnungshof soll endlich Prüfrechte bei den Wohnungsbaugesellschaften erhalten. Dem Vernehmen nach laufen die Verhandlungen mit dem Rechnungshof seit geraumer Zeit, bisher noch ohne Ergebnis. Der Regierende Bürgermeister findet es offenbar in Ordnung, dass Wohnungsbaugesellschaften für Milliardenbeträge enteignete Immobilien übernehmen sollen, finanziert durch Kredite. Gleichzeitig fordern Grüne und Linke bereits, sich landeseigene Bauunternehmen anzuschaffen, also eine VEB-Bau gewissermaßen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Um Gottes willen!]

Genau, um Gottes willen. – Es ist zu hören, dass sich die Koalition nicht auf die Ausgestaltung der Schuldenbremse einigen kann. Da wird es spannend. Sollen finanzielle Transaktionen, zum Beispiel Eigenkapitalzuschüsse an Wohnungsbaugesellschaften für Immobilienkäufe oder der Ankauf von Unternehmen, unter die Schuldenbremse fallen? – Kollege Wesener sagt auf seinem TwitterAccount: nein. Was wird also unter dem Deckmantel des Aufbaus einer strategischen Grundstücksreserve vorbereitet?

[Steffen Zillich (LINKE): Unter welchem Regime fallen die denn darunter? – Unter keinem!]

Will Rot-Rot-Grüne das SODA unter dem Euphemismus aktive Ankaufpolitik für seine sozialistischen Enteignungsphantasien missbrauchen? Soll hier ein Staat im Staate geschaffen werden?

[Steffen Zillich (LINKE): Entschuldigung! Ich habe nichts gesagt!]

Ohne Senatsvorlage zur Ausgestaltung der Schuldenbremse lässt sich das alles leider nicht abschließend klären.

Um eine sinnvolle und vernünftige Grundstücksreserve aufzubauen muss aus unserer Sicht Folgendes beachtet werden: Erstens: Die Ankäufe müssen den Erfordernissen der öffentlichen Daseinsvorsorge entsprechen.

Zweitens: Spekulative Grundstücksgeschäfte mittels Vorkaufsrecht sind auszuschließen.

[Beifall bei der AfD]

Drittens: Kurzzeitige Zwischennutzungen von Grundstücken sind rechtlich so zu gestalten, dass die Flächen bei Bedarf auch zur Verfügung stehen.

Viertens: Es darf nur Grund und Boden angekauft werden, wenn der Preis in einem zur Lage vertretbaren Verhältnis steht und alle Risiken – wie Altlasten – berücksichtigt worden sind.

Fünftens: Der Senat darf sich nicht als Bodenspekulant betätigen und damit zum zusätzlichen Preistreiber am Markt werden.

Sechstens: Umgekehrt dürfen auch keine Enteignungen gegen weit unter dem Marktwert liegenden Entschädigungszahlungen vorgenommen werden,

[Beifall bei der AfD]

wie es Linke, Grüne und Sozialdemokraten mittlerweile in sozialistischer Einheitsparteienmanier fordern. Alle diese genannten Punkte bleiben in dem Antrag ungeklärt, deshalb unsere Ablehnung.

Ich habe es schon einmal gesagt, ich kann es nur wiederholen: Sozialismus ist keine Alternative, sondern ein gescheitertes Gesellschaftsexperiment. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Schillhaneck. – Bitte schön!

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen einen Antrag zur strategischen Ankaufspolitik vor, zur Unterstützung einer sozialen und ökologischen Stadtentwicklungspolitik – und meine Vorrednerin redet von Sozialismus. Ich verstehe es nicht ganz, aber wahrscheinlich kann man das auch nicht verstehen.

[Dr. Kristin Brinker (AfD): Dann hätten Sie den Antrag besser formulieren müssen!]

Sie werden es mir nachsehen, dass ich dann doch lieber über den Antrag rede als über irgendwelche Gespinste, die Sie sich ausdenken und zusammenfantasieren.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD]

In der Tat, es gab eine Zeit, da wurde versucht, die Folgen einer völlig unverantwortlichen Verkaufspolitik und gewisser Moden letztendlich dadurch abzupuffern, dass man die letzten Grundstücke, die man eigentlich für eine sinnvolle Entwicklung in einigen Teilen dieser Stadt gebraucht hätte, doch versucht hat zu verkaufen. Davon sind wir mittlerweile zum Glück weit entfernt. Schon in der letzten Legislaturperiode – in der Tat, Herr Kollege,

(Dr. Kristin Brinker)

das ist völlig richtig – hat eine gewisse Umbesinnung stattgefunden, und ich bin sehr froh, dass man sagen kann, dass das dann mit Rot-Rot-Grün deutlich Fahrt aufgenommen hat und wir jetzt sagen: Nicht nur der kurzfristig benennbare Bedarf, sondern auch der mittel- und langfristig erkennbare Fachbedarf muss berücksichtigt werden.

Was ist dieser Fachbedarf? – Das ist nicht nur die Unterbringung von irgendwelchen Verwaltungseinheiten. Das ist alles, was insgesamt in den Bereich sozialer Einrichtungen fällt – ob das Kitas, Schulen, Jugendfreizeiteinrichtung o. Ä. sind –, es sind aber auch – und da gehen wir dann einen Schritt weiter – Grünflächen, Gewerbe und Sportanlagen. Auch das braucht eine lebendige Stadtstruktur. Das wollen wir berücksichtigen, und auch dafür brauchen wir unsere strategische Ankaufspolitik.

Wenn im Antrag steht, Flächen landeseigener Beteiligungsunternehmen sollen einbezogen werden, ist auch das eine deutliche Abkehr von der Aussage: Eine Fläche wird aufgegeben, und dann kann man die verkaufen am Markt. – Sicherlich gibt das kurzfristige Erlöse. Das macht sich auch in der Bilanz immer ganz gut. Das ist aber – da sind wir uns als Koalitionspartner voll und ganz einig – nicht das, worum es geht. Auch bei unseren landeseigenen Unternehmen muss man gucken, ob man Flächen, die sie aufgeben, für andere Zwecke weiterverwenden kann. Wollen wir die im landeseigenen Portfolio behalten, weil wir sie im Rahmen einer verantwortlichen Weiterentwicklung, einer verantwortlichen Bau-, Wohn- und Stadtentwicklungspolitik künftig brauchen werden? Die Tatsache, dass wir sie vielleicht nicht heute brauchen, nicht für den Zweck, der jetzt vorhanden ist, bedeutet nicht, dass man diese Fläche verkaufen und kurzfristig den Gewinn einstreichen kann, weil die Preise gerade gut sind – machen wir uns nichts vor. Dann stehen wir vielleicht in fünf Jahren da und sagen: Oh! Hätten wir das mal besser nicht gemacht. – Deswegen brauchen wir unsere strategische Ankaufspolitik.

Was wir jetzt vom Senat erwarten – ich denke, darüber werden wir noch einmal diskutieren –, ist zum einen der Kriterienkatalog. Es ist klar, es ist immer ein gelegenheitsgetriebenes Geschäft. Es ist ja völlig klar, dass ich immer nur eine Fläche ankaufen kann, die zum Verkauf steht. Um gewisse Irritationen, die Sie offensichtlich beim Lesen des Antrags hatten, wegzunehmen: Die Nutzung des kommunalen Vorkaufsrechts hat absolut gar nichts damit zu tun. Das ist eine völlig andere Baustelle. Ich weiß nicht, wie Sie immer dazu kommen, das durcheinanderzubringen. Ich glaube, so viel Ahnung haben Sie dann doch nicht von dem Sujet. Macht nichts!

[Dr. Kristin Brinker (AfD): Aber Sie!]

Wir brauchen also den Kriterienkatalog, der ganz klar sagt, was die Voraussetzungen sind, unter denen wir als Land Berlin verantwortlich sagen, wir wollen diese Fläche erwerben. Ganz klar ist, dass der Zweck mindestens

mittel- oder langfristig fachbedarflich abgedeckt sein muss. Es ist auch klar, dass wir keine Mondpreise zahlen.

[Sibylle Meister (FDP): Macht ihr doch!]

Nein, das machen wir nicht, denn das wäre ein unverantwortlicher Umgang mit Steuermitteln. Das ist doch ganz klar.

Drittens muss auch auf Dauer abgesichert sein, dass diese Fläche dann dem Land Berlin nutzt, dass es unsere ist. Das ist ein Werterwerb. Weil Sie die Schuldenbremse angesprochen haben: Dass das in einer kameralistischen Logik nicht zulasten der Ausgaben, der Bilanz des Landes Berlin gehen kann, sollte selbstverständlich sein. Das ist Common Sense. Das ist der Werterwerb und kein Ausgeben von Geld für nichts. Da ist die Schuldenbremsendebatte sehr sicher. Ich weiß nicht, was Sie da immer auf welchen Fluren hören. Eigentlich ist die Sache doch relativ klar. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt Frau Meister das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich macht es Sinn, eine strategische Flächenbevorratung als Land vorzunehmen. Der Schwerpunkt dieser Aussage liegt auf dem Wort strategisch. Das heißt, ich muss mir überlegen, welche Flächen ich für was brauche. Das haben Sie ja auch erwähnt. Es gibt ja auch eine rote Nummer, in der Sie noch einmal darauf hinweisen, dass für Ankäufe die wirtschaftliche Vertretbarkeit, der begründete Fachbedarf sowie ein Konzept vorzuliegen haben. Es liegt nur nichts vor. Das einzige, was wir bis jetzt gewonnen haben, sind unbebaute Grundstücke im SODA-Vermögen, die jetzt über lange Jahre geclustert worden sind.

Ansonsten haben wir eine Einkaufspolitik, die schwer nachzuvollziehen ist. Sie findet Ausdruck in einem wahllosen Ankauf über Vorkaufsrechte im Bereich von Milieuschutzgebieten, wo den Mietern erst Angst gemacht und ihnen danach erklärt wird, dass auch eine Wohnungsbaugesellschaft die Mieten erhöht, weil wir ja gerne möchten, dass auch die Wohnungsbaugesellschaften wirtschaftlich arbeiten. Es ist irgendwie nicht zu verstehen, dass Milieuschutzgebiete vor allem Folgendes nicht schützen, nämlich weder das Milieu noch die Mieter, die dort wohnen. Die Wohnungen, um die es sich dreht, stehen danach gar nicht allen zur Verfügung, besonders nicht denen, die wenig Geld haben. Wenn Sie mal an ein Grundstück in öffentlichem Eigentum kommen – es ist ja schon gefragt worden, wie wir mit unseren landeseigenen

(Anja Schillhaneck)

Betrieben und öffentlichen Eigentümern umgehen –, dann machen wir nach langem Überlegen beispielsweise am Westkreuz – das ist ja ein Grundstück der Bahn – einen Park. Ich glaube, das kann es noch nicht sein, wenn wir bedenken, wie viele Wohnungen wir in der Stadt noch brauchen.

[Beifall bei der FDP]

Sie marodieren durch diese Stadt, ohne nach rechts und links zu gucken, was passiert. Sie vertreiben Hypoport fast aus dieser Stadt – ein sogenannter Kollateralschaden; das tut einem halt leid; es geht halt mal was daneben. Was eigentlich in das Objekt hinein soll, ist fraglich. Erst einmal Verwaltung. Dabei wäre es doch viel wichtiger, die Wirtschaft so am Laufen zu halten, dass wir auch in Zukunft verantwortungsvoll für diese Stadt agieren können.

Sie lösen das Erbbaurecht am Erkelenzdamm aus, weil dem Baustadtrat, Herrn S., in Friedrichshain-Kreuzberg digitale Unternehmen irgendwie ein Dorn im Auge sind und er lieber eine Manufaktur haben möchte. Auf die warten wir heute noch. Schön, dass das Gebäude erst einmal leer steht. Wem dies nutzen soll, versteht keiner so recht.

[Beifall bei der FDP]