Protokoll der Sitzung vom 15.08.2019

schuss aus 2019 auf 2020 übertragen. Das ist eine durchaus sinnvolle Möglichkeit. Es kann auch sein, dass wir davon in Zukunft Gebrauch machen, denn auch in Zeiten der Schuldenbremse sind Rücklagen und Entnahmen aus Rücklagen ein mögliches Mittel und ein gutes Mittel.

Wir sehen, wenn wir auf das Wachstum der Stadt schauen, viele Bereiche, in denen das Wachstum zu steigendem Bedarf führt. Ein großer Bereich, über den auch sicherlich jetzt viel in Haushaltsberatung diskutiert werden wird, ist das Thema des öffentlichen Personennahverkehrs, aber es geht dabei eben auch um andere Themen. Wir haben für eine Reihe von Themen die Investitionsplanung entweder verstetigt oder ausgeweitet. Ich will dabei insbesondere nur das Thema der Krankenhäuser und das Thema der Hochschulen erwähnen.

Die Personalausgaben sind ein wichtiger und vielleicht der wichtigste Punkt im Haushalt, dieses Mal. Sie sind ein wesentlicher Treiber für höhere Ausgaben. Das kommt auch aus ganz verschiedenen Quellen. Zum einen kommt es daher, dass das Personal in der Zahl anwächst. Wir hatten im Minimum, das wir im Land Berlin hatten, etwa 104 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Wir haben jetzt bereits etwa 10 000 mehr. Es wird auch in dem, was wir im Rahmen dieses Haushalts vorhaben, wahrscheinlich noch einmal in der Größenordnung von ungefähr 2 000 steigen. Das ist auch gut und richtig so. Damit sind aber auch im Wesentlichen Nachholbedarfe abgeschlossen. Danach werden Steigerungen im Wesentlichen möglich und notwendig sein, wenn wir das parallel zu der Bevölkerungsentwicklung haben. Das bedeutet aber auch, dass wir uns dann stärker auf die Themen konzentrieren müssen, was wir durch Digitalisierung besser, schneller und effizienter machen können. Deswegen spielen auch die Themen Digitalisierung und IT eine große Rolle im Haushalt.

Ebenfalls im Haushaltsentwurf enthalten ist die geplante Ballungsraumzulage für die Berliner Landesbeschäftigten. Sie umfasst zwei Komponenten; Startpunkt soll November 2020 sein. Die beiden Komponenten umfassen ein ÖPNV-Ticket und eine Barkomponente. – Bitte keine Zwischenfragen! – Das ist ein wichtiges Thema für die Entwicklung in Berlin, und es ist auch ein wichtiges Signal für die Beschäftigten in Berlin. Wir wollen gerade den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Berlin deutlich machen, dass wir auf ihre Mitarbeit Wert legen und dass wir Berlin gegen alle Abwerbeversuche von Dritten attraktiv halten wollen.

Wenn ich nun auf das Haushaltsbegleitgesetz zu sprechen komme – das ist die vorletzte Bemerkung, die ich habe –, dann ist festzustellen, dass die Einwohnerzahl ein wesentlicher Berechnungsfaktor für den Finanzausgleich ist. Insofern weise ich darauf hin, dass es wichtig ist, Maßnahmen zu ergreifen, um in der Registrierung von Einwohnern besser zu werden. Es wird irgendwann auch eine

(Senator Dr. Matthias Kollatz)

neue Volkszählung oder eine neue Schätzung der Bevölkerungszahl mit etwaigen Konsequenzen kommen. Der letzte Zensus hat in Berlin ja zu einem gewissen Einschlag geführt. Deswegen ist es wichtig, und ich spreche da auch ein Thema im Haushaltsbegleitgesetz an: Wir wollen die Zahl der Erstwohnsitze in Berlin ausweiten.

Als Zweites ist im Haushaltsbegleitgesetz vorgesehen, dass wir die Kapazitäten im Hochbau ausweiten wollen, indem wir bei Landesbaumaßnahmen weitere Dienststellen beauftragen und damit auch mehr Möglichkeiten schaffen; insbesondere soll das Berliner Immobilienmanagement als Bauträgerin mithelfen.

Als Drittes soll der Landesdienstleister ITDZ für ITFragen gestärkt werden. Zusätzliche 220 Millionen Euro können so für die Schwerpunkte E-Akte, Migration der IKT und einheitlicher Standard bereitgestellt werden. Es wird dort aber auch möglich sein, bei möglichen Liquiditätsengpässen Kassenkredite in der Höhe von bis zu 25 Prozent aufzunehmen.

Damit komme ich zum letzten Stichwort, das ist die Schuldenbremse. Es ist vorgesehen, dass es ein Landesgesetz geben soll. Warum? Was passiert, wenn es kein Gesetz gibt? – Dann gilt die Bundesregelung. Die Bundesregelung sieht vor, dass keine Kredite aufgenommen werden können, in welcher Situation auch immer. Das bedeutet: In einer Abschwungsituation, die wir glücklicherweise nicht haben und auch nicht vorhersehen, wäre es so, dass keine Kreditaufnahme möglich wäre. Damit würden wir dabei landen, dass wir dem Abschwung praktisch hinterhersparen müssten. Das ist sicherlich unklug, das hat ein gewisser Herr Keynes schon vor langer Zeit wirtschaftlich bewiesen, und insofern ist es auch richtig, dass wir uns dafür die Möglichkeiten schaffen.

Der Rechnungshof hat eine Stellungnahme vorbereitet und meinem Haus gestern ein Vorwegexemplar geschickt; er wird sie wohl auch in Kürze veröffentlichen. Ich finde es gut, dass sich der Rechnungshof äußert. Er berät damit nicht nur den Senat, die Landesregierung, sondern auch das Parlament. Ich will aber bereits heute darauf hinweisen, dass ich einen Punkt ausdrücklich nicht teile. Der Rechnungshof geht davon aus, dass keine Klagemöglichkeit des Parlaments, auch nicht für die Parlamentsfraktionen gegen ein zukünftig zu beschließendes Haushaltsgesetz besteht. Ich verweise darauf, dass in der Gesetzesbegründung, die wir Ihnen zu dem Schuldenbremsengesetz vorlegen, der Hinweis enthalten ist, dass das beschlossene Haushaltsgesetz stets vor dem Verfassungsgerichtshof überprüft werden kann. Da fällt auch das Stichwort abstrakte Normenkontrolle. Dann wird ausgeführt, dass das aus Artikel 100 Abs. 3 Grundgesetz folgt, und es wird geschlussfolgert:

Vor diesem Hintergrund ist der Verfassungsgerichtshof von Berlin grundsätzlich befugt, die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse als

Prüfungsmaßstab bei der Normenkontrolle des Haushaltsgesetzes zu berücksichtigen.

Das ist ein Anliegen, das mir und dem Senat insgesamt wichtig ist: Es wird hier auch in Zukunft ein Klagerecht geben.

Zum Schluss: Die solidarische Stadt wird durch das Jahrzehnt der Investitionen stark gemacht. Der Trumpf, den wir hierbei ausspielen, ist einerseits eine solide Finanzpolitik, auf der anderen Seite auch eine ehrgeizige Finanzpolitik. Wir müssen das Jahrzehnt der Investitionen tatsächlich zu einem Jahrzehnt machen. Wir haben jetzt bereits gut begonnen. Wir brauchen dazu auch das Personal für die wachsende Stadt. Dafür schafft der Haushaltsentwurf die wesentlichen Grundlagen. Letztlich geht es darum, eine Stadt für alle möglich zu machen, zu erhalten, wo sie gefährdet ist, und sinnvoll weiterzuentwickeln, wo gerade die Weltoffenheit dazu beitragen können.

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Ihnen vorliegende Haushaltsentwurf ist rund. Mein Dank gilt allen, die sich jetzt schon an die Arbeit gemacht haben, diesen Haushaltsentwurf in einer mühsamen Diskussion bis zum Ende des Jahres zu beraten und zu einem positiven Ergebnis zu führen, worum ich bitte. – Danke!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Senator! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Heinemann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie uns noch einmal einen Blick zurückwerfen! In knapp drei Monaten werden wir voller Freude den 9. November 1989 feiern und an die Nacht der Nächte vor 30 Jahren erinnern, als die Berliner Mauer fiel und die Stadt damit wieder eins wurde. Dieses Ereignis löste in den folgenden Jahren eine wahnsinnige Euphorie und Kraft in unserer Stadt aus: Wohnungen wurden saniert, neue Häuser entstanden, die Infrastruktur wurde erneuert und vereint. Es entstanden neue Regio-, S-Bahn- sowie U-Bahn- und Tramverbindungen, ehemalige Linien wurden reaktiviert. Den Berlinerinnen und Berlinern wurde ein goldenes Zeitalter vorausgesagt.

[Lachen von Gunnar Lindemann (AfD)]

Doch nach den ersten Wendejahren verflog die Euphorie; Berlin schlitterte in ein Jahrzehnt der Depression. Eine blühende Zukunft war lange nicht in Sicht, und viele Berlinerinnen und Berliner waren mit teilweise harten Einschnitten konfrontiert. Ja, so war es, als ich als Student in die Stadt zum Studieren kam.

(Senator Dr. Matthias Kollatz)

Heute, 30 Jahre nach dem Mauerfall, kann die Stadt glücklicherweise betonen: Der Aufschwung, auf den Berlin so lange gewartet hat und an den nicht wenige nicht mehr geglaubt haben, ist da und dauert nun schon fast ein Jahrzehnt an.

[Zuruf von Sibylle Meister (FDP)]

Das lässt sich an vielen Fakten festmachen. Die Berliner Wirtschafts- und Finanzkraft ist gestiegen und nähert sich weiter dem Bundesdurchschnitt an. Das Berliner Bruttoinlandsprodukt wächst, und die Wachstumsraten belegen inzwischen Platz eins in Deutschland. Die Zahl der Erwerbstätigen wächst überdurchschnittlich. Die Investitionsausgaben pro Kopf sind im Vergleich zu den westdeutschen Flächenländern inzwischen überdurchschnittlich hoch.

In diesem Jahr wird der Berliner Landeshaushalt zum achten Mal in Folge seit 2012 mit einem positiven Jahresergebnis abschließen. Deshalb konnten wir nicht zuletzt mit dem aktuellen Doppelhaushalt 2018/2019 wiederholt viele sinnvolle Investitionen und Ausgaben auf den Weg bringen. Der nun vorgelegte Doppelhaushalt für die Jahre 2020 und 2021 von Rot-Rot-Grün sieht erneut höhere Ausgaben vor. Nach dem Struckschen Gesetz werden die Regierungsfraktionen auch dieses Mal noch daran feilen und sinnvolle Änderungen vornehmen.

Die Koalition investiert weiterhin auf hohem Niveau in die Infrastrukturen der Stadt. Die starke Bevölkerungsentwicklung Berlins lässt dabei auch keine Pause zu. Das gilt besonders für die Daseinsvorsorge, für Investitionen in den Umweltverbund, für den Wissenschafts- und Bildungsbereich und für die Investitionen in Familien, für Feuerwehr und Polizei sowie für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen.

Der Finanzsenator hat aber auch gesagt, vieles müsse noch besser laufen. Das alles sind notwendige Investitionen in einer wachsenden Stadt, doch gestatten Sie mir auch hierzu einige Anmerkungen. Wir müssen noch besser und effizienter in der Umsetzung werden. Die Aufgaben sind klar, das bisherige Tempo ist ungenügend. Die Schnelligkeit beim Bauen wie in den Goldenen Zwanzigerjahren werden wir wohl nie wieder erreichen. Wir sind heute in vielen Bereichen langsamer als bei der Umsetzung nach dem Mauerfall. Das kann so nicht bleiben; ich glaube, hier müssen wir als Gesetzgeber noch stärker eingreifen und beschleunigen,

[Zuruf von der FDP: Noch mehr bauen!]

vielleicht auch mit der Unterstützung des Bundes. Ich habe keine Lust mehr, so wie gestern in der „Abendschau“ erklären zu müssen, dass es fast zehn Jahre dauert, drei Haltestellen einer Straßenbahnlinie zu verlegen.

[Paul Fresdorf (FDP): Mann!]

Ich will aber an dieser Stelle nicht verzagen, dafür ist der Haushalt zu schön, und deshalb komme ich zum Thema Personal.

[Kurt Wansner (CDU): Ist ja einmalig!]

Im Land, in den Bezirken und bei den Landesbetrieben stocken wir Personal auf. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes bekommen nicht nur neue Kolleginnen und Kollegen, sondern auch mehr Geld und nachher auch eine bessere Ausstattung. Der Senat hat bereits 2018 die vollständige Anpassung der Beamtenbesoldung an den Durchschnitt der übrigen Bundesländer bis zum Jahr 2021 beschlossen, und ab Herbst 2020 bekommen die Landesbeschäftigten als Hauptstadtzulage 150 Euro mehr im Monat. Es bleibt dabei: Wir investieren Milliarden in Schulen und Kitas sowie in die Universitäten und bringen unsere Wissenschafts- und Bildungslandschaft für die Zukunft voran.

Dazu gibt es bereits seit einem Jahr die beitragsfreie Kita, und seit August werden Eltern von Schulkindern noch stärker entlastet: Die Hortbetreuung der 1. und 2. Klasse ist künftig kostenlos.

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Alle Grundschülerinnen und Grundschüler bekommen kostenlos ein Mittagessen und nicht nur mit Nudeln und Ketchup – Raed Saleh ist jetzt nicht da –, aber es reicht auch für mehr.

[Heiterkeit bei der SPD]

Weiterhin ist seit diesem Schuljahr das Schülerticket kostenlos, und das ist auch gut so. Die Kritik der FDP an diesen Leistungen war total unverständlich. Ich habe gesehen: Die IHK hat heute eine ähnliche Position vertreten. Ich finde es unverantwortlich, so etwas zu sagen, wenn man die Realität der Familien in Berlin sieht. Das sind wichtige Leistungen, die die Familien entlasten, und wie Sie dagegen sprechen können, finde ich unverantwortlich, aber das müssen Sie selbst verantworten.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Henner Schmidt (FDP)]

Mit diesen zahlreichen Maßnahmen stärkt die Koalition die wirtschaftliche Basis vieler Berlinerinnen und Berliner. Wir Sozialdemokraten kommen damit unserem Ziel näher, dass Berlin trotz vereinzelter Wachstumsschmerzen bezahlbar und lebenswert bleibt.

Lassen Sie mich zum Schluss, wie der Finanzsenator auch, noch kurz auf die Schuldenbremse eingehen, die ab dem kommenden Jahr gilt. Für die SPD-Fraktion ist es wichtig, dass wir die Berliner Finanzen darauf vorbereiten, dabei Investitionen priorisieren und wie eine schwäbische Hausfrau Reserven aufbauen. Wir dürfen trotz guter Einnahmen und niedriger Zinsen die knapp 57 Milliarden Euro Schulden nicht vergessen und müssen weiter tilgen. Das muss Verpflichtung für uns alle sein, gerade

im 30. Jahr nach dem Mauerfall, denn – bei diesem Punkt sind wir uns hoffentlich einig – eine Depression und Sparen, bis es quietscht wie ab Mitte der Neunzigerjahre, soll es künftig nicht mehr geben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU spricht jetzt Herr Abgeordneter Goiny. – Bitte schön! Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorliegend steigen wir ein in die Beratung des letzten Doppelhaushaltsentwurfs von Rot-Rot-Grün

[Ha, ha! von der LINKEN]

und des letzten Haushaltsentwurfs in dieser Wahlperiode. Der Finanzsenator hat schon für seine Verhältnisse relativ selbstkritisch über das eine oder andere geredet, und ich kann mit meinen Ausführungen nahtlos an die Kritik des Kollegen Heinemann am Haushaltsentwurf anschließen.

[Lachen von Torsten Schneider (SPD) – Zuruf von Sven Heinemann (SPD)]

Wir stellen fest, dass wir die Abkehr von einer soliden Haushaltspolitik im Land Berlin haben, denn dass Begehrlichkeiten schon immer groß waren, wenn es um Haushaltsberatungen geht, war auch in Zeiten so, als die Kassen noch leerer waren. Aber dass wir einen Haushaltsentwurf haben, wo wir zur Finanzierung, zumindest des zweiten Haushaltsjahres, bereits zu Beginn einen Nachtrag brauchen und eine Umschichtung aus SIWANA, um die entsprechenden Begehrlichkeiten zu decken, ist in der Tat neu, und das halte ich für eine gefährliche Entwicklung, die wir als CDU-Fraktion bei diesem Entwurf ausdrücklich kritisieren.