Protokoll der Sitzung vom 29.08.2019

[Beifall bei der FDP]

Jetzt hat gemäß § 64, Abs. 2 der Geschäftsordnung der fraktionslose Abgeordnete Wild das Wort. Die Redezeit beträgt bis zu drei Minuten. Herr Wild, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Sommer 2019 war sehr heiß. Manche Zeitgenossen – auch mancher von den verehrten, hier versammelten Volksvertretern – haben es, so ist mein Eindruck, verabsäumt, Abkühlung in einer der städtischen Badeanstalten zu suchen. Stattdessen wollen Sie mit Ihren politischen Aktivitäten das Weltklima retten. Haben Sie sich eigentlich mal Gedanken darüber gemacht, mit welchem Anteil an dem menschengemachten Klimawandel Deutschland und hier insbesondere Berlin beteiligt sind? Ich werde es Ihnen verraten. Wir bewegen uns im Promillebereich.

[Zuruf von der AfD: Hört, hört!]

Aber davon abgesehen: Berlin ist ja schon Klimahauptstadt. Linke, Grüne und Teile der SPD haben, wenn auch letztendlich vergeblich, versucht, den Bauabschnitt 16 der A 100 zu torpedieren. Das hat gewiss Frösche, Lurche und Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe gefreut. Da fahren noch keine Autos mit bösen Verbrennungsmotoren. Der Flughafen BER wird nicht fertig. Er verursacht keine schädlichen CO2-Ausdünstungen. Und Frau Genossin Katrin Lompscher

[Heiterkeit bei der FDP]

erwirbt sich große Verdienste um die CO2-Reduzierung. Da sie, anders als es ihr Amtstitel sagt, statt zu bauen

eben nicht baut, bekommt sie bestimmt demnächst den Verdienstorden am Bande von Greta Thunberg verliehen. Frau Lompscher, lassen Sie mich, wenn es so weit ist, in der Schar der Gratulanten der erste sein! – Danke schön!

[Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos)]

Für den Senat spricht jetzt Frau Senatorin Günther. – Bitte schön!

[Paul Fresdorf (FDP): Themenwechsel!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Niemand kann sagen, sie oder er hätte es nicht gewusst. Seit nunmehr 30 Jahren sagt uns die Wissenschaft, dass wir Menschen – und so ist es – vor allem durch die Verbrennung von fossilen Energien das Klima massiv verändern, und das mit verheerenden, weitreichenden Folgen.

In Berlin ist – wir haben das heute mehrfach gehört – die Klimakrise, ich sage mal, seit rund zwei Jahren unübersehbar, und sie ist für jeden Einzelnen fühlbar. Die Geschwindigkeit des Wandels, wie wir ihn jetzt sehen, ist eigentlich ohne Vorläufer. In keiner Zeit hat sich das Klima so schnell verändert wie in den letzten Jahren.

[Georg Pazderski (AfD): Woher wollen Sie das wissen?]

Na, wir haben diese ganzen Zeitreihen, Herr Pazderski!

[Georg Pazderski (AfD): Seit wann?]

Es gibt den IPCC, und da sieht man die Zeitreihen, und deshalb wissen wir das.

[Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

Da sind einerseits die drückenden Hitzesommer, die gerade in einer dicht bebauten Großstadt wie Berlin fühlbar sind.

[Georg Pazderski (AfD): Der Juli war kalt!]

Sie setzen den Menschen zu. Das ist zumindest das, was wir sehen. Sie zerstören die Infrastruktur und lassen die Stadtbäume sterben, und der Stadtwald ist hitzegestresst.

[Zuruf von Harald Laatsch (AfD)]

Wir sehen natürlich gleichzeitig die Starkregenereignisse. Die Keller laufen voll, die Straßen sind überschwemmt, die Kanalisation läuft über. In der Folge sind unsere Seen und Flüsse verschmutzt. Die Häufigkeit und Intensität, in der diese Ereignisse auftreten, lassen keinen anderen Schluss zu: Die Klimakrise ist auch in Berlin angekommen, sie ist aber erst in den Vorstadien. Die volle Wucht werden wir erst in den nächsten Jahren sehen.

(Henner Schmidt)

Wir haben aber auch schon gehört, wir sehen die brennenden Wälder in Sibirien, in Alaska und am Amazonas. Wir sehen, dass in Island ein riesiger Gletscher zu einer kleinen Eisfläche geworden ist. Und wer ist verantwortlich für diesen Prozess?

[Gunnar Lindemann (AfD): Herr Kössler!]

Ich sage mal, wir sind verantwortlich und das im wahrsten Sinne des Wortes. Sie und ich, meistens Menschen um die 50. Keine Generation vor uns hat die Erde insgesamt so zerstört, wie unsere Generation das getan hat. Keine Generation vor uns hat solche Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre entlassen.

[Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

Keine Generation vor uns ist so verantwortungslos mit der Erde umgegangen und hinterlässt ihren Kindern eigentlich einen zerstörten Planeten. In nur 50 Jahren haben wir uns unwiederbringlich das genommen, was über viele Millionen Jahre gewachsen ist. Die nachfolgenden Generationen sind einfach nicht mehr bereit, unserem Treiben zuzuschauen, sondern sie fordern einen radikalen Kurswechsel, und das ist ihr gutes Recht.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ja, wir müssen handeln. Ja, wir müssen schnell handeln, weil Deutschland maßgeblich zum Klimawandel beigetragen hat.

[Marc Vallendar (AfD): Anderthalb Prozent!]

Wir müssen handeln, weil wir ein reiches Land sind und ökonomisch die Möglichkeit haben, die Lösungen zu entwickeln und zu verbreiten. Deutschland ist der siebtgrößte Emittent der ganzen Welt. Wie wollen wir 185 Länder dazu bringen zu handeln, wenn wir es als siebtgrößter Emittent nicht tun? Das wäre verwerflich.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Frank Scholtysek (AfD)]

Deshalb kann Klimaschutz nur gelingen, wenn wir einen umfassenden Ansatz wählen und uns eben nicht im Klein-Klein verlieren, obwohl Technik eine maßgebliche Rolle spielt. Hier haben wir zwei Handlungsstränge: Das eine ist der Klimaschutz, sprich schnellstmöglich Emissionen runter. Dabei gilt es vor allem, den klimafreundlichen und nachhaltigen Technologien den Weg zu bahnen. Ich meine, hier sind wir schon ein gutes Stück vorangekommen. Es gilt, die alten klimaschädlichen Anlagen, Fahrzeuge und Infrastrukturen aktiv aus dem Markt zu drängen. Hier ist leider in den letzten Jahren zu wenig passiert. Und es gilt, alle Infrastrukturen in der Stadt vom Verkehr über Strom, über Gas oder Fernwärmenetze an die neuen Bedingungen anzupassen, und wir müssen Ladeinfrastruktur aufbauen.

Der zweite Handlungsstrang: Ich finde es ganz typisch, dass er in dieser Debatte heute kaum eine Rolle gespielt

hat, aber er wird die Diskussionen der nächsten Jahre prägen. Das ist: Wie können wir als Berliner uns an die nicht mehr verhinderbaren Folgen des Klimawandels anpassen? Richtig ist aber auch, wenn wir nicht mindern, nutzen alle Aktivitäten nichts. An einen ungebremsten Klimawandel können wir uns nicht anpassen. Das ist ausgeschlossen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Deshalb geht es um eine fundamentale Umgestaltung unserer Wirtschaftsweise, und das in kürzester Zeit, denn bis Mitte des nächsten Jahrhunderts muss die Transformation zu einer klimafreundlichen Wirtschaft gelungen sein.

Lassen Sie mich noch zwei Sätze dazu sagen, wie das geschehen soll: Wir müssen vor allem die notwendigen Übergänge so gestalten, dass unsere Demokratie nicht auf der Strecke bleibt. Wir müssen dafür sorgen, dass Mitbestimmung und Beteiligung gewährleistet bleiben, denn, das ist meine feste Überzeugung, eine robuste und umfassende Transformation unserer Volkswirtschaft wird nur möglich sein, wenn sie auf einem festen demokratischen Fundament vollzogen wird. Nur dann werden andere Nachahmer sein.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]

Unser Ziel ist, eine Modellstadt zu werden, die Vorbild für eine gelungene Umgestaltung ist.

Mit Blick auf die genannten Strategien lassen Sie mich die wichtigsten Aktivitäten und Ziele des Senats etwas näher beschreiben, denn es wurde immer gesagt, eigentlich ist noch gar nichts passiert. Das wundert mich denn nun schon, weil wir unfassbar viel auf den Weg gebracht haben. Letztlich geht es um drei Sektoren. Es geht um den Verkehrssektor, den Kraftwerkssektor und den Gebäudesektor.

Im Verkehr arbeiten wir an einer vollkommen neuen Verkehrsinfrastruktur für die nächsten Dekaden. Das heißt, wir brauchen einen umfassenden Ausbau des ÖPNV mit einer neuen Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur. Für mich ist der ÖPNV das Rückgrat des Berliner Verkehrs, und zwar in den Außenbezirken wie auch in der Innenstadt. Bis 2030 soll der ÖPNV elektrifiziert sein. Wir werden 28 Milliarden Euro in den kommenden 15 Jahren investieren, und das ist das Minimum. Wir fassen aber nicht nur Berlin in den Blick. Wir nehmen die gesamte Metropolregion in den Blick, und wir haben dazu Projekte aufgesetzt, die zukünftig Berlin und Brandenburg viel besser vernetzen.

Wir werden uns schnellstmöglich vom fossilen Verbrennungsmotor verabschieden müssen. Wir werden eine Neuverteilung der Nutzungsrechte im öffentlichen Raum brauchen, das heißt beispielsweise, kostenloses Parken

(Senatorin Regine Günther)

wird der Vergangenheit angehören. Wir brauchen einen massiven Ausbau der Mikro- und Shared Mobility.

All diese Elemente zusammengedacht müssen ein Ganzes geben. Wir dürfen uns aber auch nichts vormachen. Es ist Infrastruktur. Deshalb ist es nicht lauter, Herr Schmidt, wenn Sie sagen, es ist nichts passiert. Wir haben viele Hebel umgelegt, aber Infrastruktur braucht Zeit. Es geht nicht von heute auf morgen. Es ist reiner Populismus, wenn dieser Vorwurf kommt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Die Verkehrswende soll natürlich auch junge Menschen mitnehmen. Sie soll attraktiv sein, und sie soll sozial verträglich sein, ja. Deshalb haben wir ein kostenloses Schüler- und Schülerinnen-Ticket, deshalb haben wir ein kostenloses Azubi-Ticket, deshalb haben wir ein besseres Job-Ticket, und deshalb haben wir das Sozial-Ticket um ein Viertel verbilligt, schon im Jahr 2017. So sieht soziale, neue Verkehrspolitik aus.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]