Protokoll der Sitzung vom 26.09.2019

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Das ist wichtig. Wir haben uns als Fraktion sehr lange dafür eingesetzt. Die Selbstbeschreibung als Halbtagsparlament entspricht schon seit Jahren nicht mehr und immer weniger der Situation der meisten Parlamentarierinnen und Parlamentarier.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Genau dazu haben wir den Antrag eingereicht, wir waren die Ersten, Herr Zillich!]

Zweitens geht es darum, dass uns diese Selbstbeschreibung als Halbtagsparlament aber auch in unserer parlamentarischen Arbeit behindert, indem es uns nämlich nicht erlaubt, ausreichend Sitzungszeit vorzusehen, indem es uns nicht erlaubt, in den Plenarsitzungen tatsächlich die Tagesordnungen abzuarbeiten, und indem es uns nicht erlaubt, flexibel genug zu reagieren auf das, was parlamentarische Kontrolle notwendig machte. Deswegen ist es so wichtig, dass wir mit der Überwindung dieses Sta

tus des Halbtagsparlaments die parlamentarische Arbeit und die Kontrolle an dieser Stelle stärken.

Mit der Mittelpunktregelung stellen wir klar, dass sich zukünftig nicht mehr die parlamentarische Arbeit um die anderen Tätigkeiten der Abgeordneten dreht, sondern allenfalls umgekehrt, und das ist eine ganz wichtige Weiterentwicklung für das Selbstverständnis als Parlament. Zudem steigen wir damit in eine bundesweit vorbildliche Transparenzregelung über Nebeneinkünfte von Abgeordneten ein.

Drittens: Wir begleiten das mit der Selbstverpflichtung, mehr Arbeit zu leisten. Wir weiten, wie gesagt, die Zeit der Ausschusssitzungen und der Plenarsitzungen und auch die Anzahl der Plenarsitzungen aus. Ja, das bedeutet auch, dass wir bei der Überwindung des Halbtagsparlaments auch eine angemessene Anpassung der Diäten vornehmen. Wir bleiben hier unter dem Durchschnitt der Landesparlamente. Darüber hinaus öffnen wir die Altersvorsorge für die gesetzliche Rentenversicherung. Wir tun etwas für die Familienfreundlichkeit.

[Ha, ha! von der AfD – Georg Pazderski (AfD): Indem ihr das Geld wegnehmt!]

Wir haben – und dazu will ich kurz etwas sagen – auch zwei Beschlussempfehlungen aus den Ausschüssen vorliegen. Darin sind neben redaktionellen Änderungen genau zwei inhaltliche Änderungen vorgesehen. Einerseits sehen wir in der Geschäftsordnung vor, dass nunmehr auch die elektronische Zustellung von Protokollen und Einladungen genügen soll, und zum Zweiten stellen wir klar, dass beim Versorgungsausgleich bundesrechtliche Regelungen gelten sollen – durch eine Änderung im Landesabgeordnetengesetzes.

Das war kein einfacher Prozess, sich darauf zu verständigen.

[Ha, ha! von der AfD – Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

Meine Fraktion verfolgt die Überwindung dieses Status des Halbtagsparlaments seit Langem, und nie konnte es erfolgreich sein, weil das immer wieder entweder andere Prioritäten oder Misstrauen zwischen den Fraktionen oder auch andere Themen verhindert haben. Insofern halte ich es für einen wichtigen Punkt, dass wir jetzt eine solche Einigung vorliegen haben, einen wichtigen Punkt, der auch zeigt, dass man sich in der parlamentarischen Praxis von verschiedenen Punkten aus einem gemeinsamen Ergebnis nähern kann. Das ist ein gutes Ergebnis für uns, und ich denke, dass wir die parlamentarische Arbeit hier gestärkt haben, wenn wir genau das verabschieden. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank! – Für eine Zwischenbemerkung hat jetzt Herr Woldeit von der AfD-Fraktion das Wort.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Das ist jetzt spontan!]

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ja, das ist in der Tat spontan. – Herr Zillich, ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Rede. Allerdings hat Ihre Rede jetzt doch ein Stück weit für ein Missverständnis gesorgt, zumal Herr Schneider vorhin in seiner – – Emotional war es nicht, war eher so hetzerisch, wutschnauberisch, war ein Stück weit eine Hassrede, als er hier vorne herumstand.

[Torsten Schneider (SPD): Glauben Sie doch selber nicht, dass ich emotional bin!]

Herr Schneider hatte dann so stilsicher einen Zettel hochgehalten: Was ist denn der Anteil der AfD-Fraktion im Rahmen der Verwaltungsreform? – „Nichts“ stand da drauf. Richtig! Mussten wir auch nicht, und wissen Sie, warum? – Es steht hier auf der Tagesordnung, Herr Schneider, und Herr Zillich hat es gerade angesprochen. Deshalb bin ich ihm dankbar. Was ist denn der Tenor unseres gesamten Antrages? Mehr als ein Satz! Die Überschrift lautet: Einsetzung einer Enquete-Kommission zu einer Verwaltungs- und Parlamentsreform für das Berlin des 21. Jahrhunderts. Wer hat also was wie eingebracht? Stimmt es noch, was Sie gerade gesagt haben? – Nein, es stimmt nicht. Das war unser Antrag, dass wir uns aktiv in die gesamte Debatte mit einbringen wollten. Das gehört zur Wahrheit.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Dass Sie das nicht hören wollen, Herr Schneider, ist klar.

Herr Zillich! Die Intervention bezieht sich auf Ihre Rede.

[Lachen bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von der LINKEN]

Ja, das mache ich. Sie lassen ja keine Zwischenfragen zu, deshalb brauche ich hier noch mal dieses Stilmittel im Rahmen der Geschäftsordnung. – Herr Zillich, Sie haben gesagt, wenn man denn so eine Enquete-Kommission einrichten möchte und wenn man auch das hohe Recht des Minderheitenquorums haben möchte, dann könne man Gespräche führen – interfraktionell. Herr Zillich, ganz ehrlich: Wenn wir beide, AfD und Linkspartei, uns mit unseren Parlamentarischen Geschäftsführern zusammensetzen, um im Rahmen einer Enquete-Kommission zu sprechen – reden Sie da mit uns? – Nein, das machen Sie nicht! Halten Sie uns das deswegen auch nicht vor! Wir sind nämlich mit jeder demokratischen Partei hier im Raum gesprächsbereit. Sie sind es nicht, und wenn Sie

uns das vorhalten, ist das schon ganz schön bigott, mein Kollege! – Danke!

[Beifall bei der AfD]

Herr Zillich möchte erwidern? – Dann haben Sie das Wort.

Die Tatsache, dass Sie zu Ihrer eigenen parlamentarischen Initiative, die Sie ja angeblich so ernst meinen, eine Kurzintervention brauchen, um überhaupt darüber zu reden, ist schon mal bemerkenswert.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Und auch hier haben Sie ja nichts zu deren Inhalt gesagt, sondern nur die Überschrift vorgelesen. Also selbst in dieser Kurzintervention kam dabei nicht so wahnsinnig viel rüber. Und Entschuldigung! Aber es gibt eine gewisse Rollenverteilung in diesem Parlament: Es gibt eine Koalition, und es gibt eine Opposition. Die EnqueteKommission kann man zusammen einrichten, ist aber vor allem ein Oppositionsrecht.

[Karsten Woldeit (AfD): Warum, warum?]

Es ist ein Minderheitenrecht, verstehen Sie? Wissen Sie, es ist so: Normalerweise werden im Parlament Beschlüsse mit Mehrheit gefasst. Darüber gibt es Verabredungen, die nennt man Koalition. Deswegen ist es normalerweise so –

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Aber die Praxis, Herr Melzer! –, dass Beschlüsse mit einer Mehrheit des Hauses gefasst werden. Weil das Parlament aber Minderheitenrechte kennt und man sagt, es gibt bestimmte Punkte, die sollen für die Opposition auch durchsetzbar sein, selbst wenn sie nicht die Mehrheit hat, deswegen gibt es z. B. das Instrument eines Untersuchungsausschusses oder z. B. einer EnqueteKommission, und deswegen haben Sie dort die Chance zu sagen: Auch als parlamentarische Minderheit schaffen wir es, das durchzusetzen! – Das haben Sie aber nicht einmal versucht, und deswegen war es auch nicht ernsthaft.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Beim Boxen sagt man Wirkungstreffer!]

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Fresdorf das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir verabschieden heute eine Parlamentsreform – und nichts weniger als das –, mit der wir dieses Hohe Haus auf eine neue Stufe heben. Wir passen es zum einen den Realitäten an. Wir modernisieren es, und wir machen es arbeitsfähiger. Ich denke, das ist genau das, was man von uns erwartet: dass wir die Arbeit für diese Stadt parlamentarisch wuppen, und das können wir mit dieser Parlamentsreform leisten.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der CDU und der LINKEN]

Wir haben die am weitesten reichenden Transparentregeln aller Landesparlamente in unserem Antrag festgeschrieben. Wir haben moderne Regeln zum Umgang mit Beruf und Familie berücksichtigt, und ich denke, das zeigt einmal mehr, dass auch Parlamente sich bewegen und verändern können, weil sie es müssen. Denn auch Parlamente müssen mit der Zeit gehen, und man kann nicht auf Dauer an alten Zöpfen wie der Lebenslüge „Halbtagsparlament“ festhalten.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Lassen Sie mich noch eines sagen: Mein Lateinlehrer sagte immer: Nomen est omen. – Und, Herr Hansel, Sie haben es mit Ihrer Rede heute wieder bestätigt.

[Lachen von Torsten Schneider]

Er hatte vollkommen recht, Dr. Güterbock; ich habe auch mal zugehört: Nomen est omen hat es vollkommen getroffen. Sie haben es nicht geschafft, sich konstruktiv mit unseren Vorschlägen auseinanderzusetzen. Das Einzige, was wir von Ihnen gehört haben, war ein lautes „Mimimi“, und mehr war es leider nicht. Weder in den Ausschüssen noch hier im Haus kamen Ideen, wie man unsere Vorschläge aus Ihrer Sicht hätte verbessern können. Es kamen keine Änderungsanträge, keine großen Diskussionen. Es war ein großes Geschrei und Gezeter und Theater, das Sie hier mit geplanten Zwischenfragen Ihrer Kolleginnen und Kollegen aufführen, und ich denke, das hat dieses Haus nicht verdient.

Ich denke auch nicht, dass diese Parlamentsreform das verdient hat, denn wir machen damit wirklich etwas Gutes: Wir machen dieses Parlament leistungsfähiger und antwortfähig auf die Fragen der Zukunft dieses Landes.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kohlmeier und eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vallendar von der AfD zulassen.

Gerne in der Reihenfolge.

Herr Kohlmeier dann!

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Fresdorf! Können Sie mir sagen, ob es zutreffend ist, dass die Abgeordneten der AfD-Fraktion die Diätenerhöhung ab 01.01.2020 ebenfalls kassieren werden, und haben Sie in den Redebeiträgen und diversen Ausschussberatungen vernommen, dass die AfD-Kollegen sich dafür erklärt haben, die Diätenerhöhung, die sie ja nicht wollen, z. B. für einen guten Zweck zu spenden?

Vielen Dank für diese Frage, Kollege Kohlmeier! Selbstverständlich ist es so, dass die Kollegen der AfD-Fraktion auch ab dem 01.01.2020 die Diätenerhöhung bekommen werden, und es ist nämlich nicht so, wie Kollege Hansel vorhin ausführte: Das gilt ab sofort und unverzüglich. – Nein, das gilt ab 01.01.20.

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Und ich habe auch nicht gehört, dass die AfD-Fraktion dies ans Kinderflüchtlingswerk der Vereinten Nationen spenden würde oder so etwas, nein.