Herr Schmidt! Was sagen Sie dazu, dass Herr Scholtysek in der 26-Prozent-Schublade steckt und Sie in der 4,9Prozent-Schublade?
Sie wissen ja, wie die Verteilung bei der Klimafrage ist, wie viel Prozent dabei für wie viel Prozent Konsens stehen. Ich verstehe nicht, was Sie daraus ableiten wollen. Sie versuchen in Ihrem Bereich, Ihre Position zu finden;
wir versuchen, unsere Position zu finden. Es ist ganz klar: Wir haben unsere Überzeugung. Dazu gehört, dass wir wirksame Maßnahmen gegen den Klimaschutz ergreifen wollen – für den Klimaschutz natürlich, gegen den Klimawandel.
Aber zurück zu den Demonstrierenden, die der Kern und Anlass unserer heutigen Debatte sind. Diese Hundert
tausende von Menschen wollten ein Zeichen setzen – primär auch, um die Regierung und die Politik anzugreifen. Sie wollten auch Ihnen – dem rot-rot-grünen Senat – sagen, dass Sie nicht genug tun. Sie aber nehmen das als eine Art Lob hin. Es ist aber kein Lob, sondern Kritik, was da gekommen ist. Wenn die Politik solchen Aktionen einfach nur applaudiert und sich darauf stützt, dann wird sie nicht dem Anliegen der demonstrierenden Menschen gerecht, sondern versucht, sich dieser Sache opportunistisch zu bemächtigen. – Das gilt auch für Sie, Herr Freymark, und die Rede, die Sie gehalten haben.
Unsere Stadt hat ganz erhebliches Potenzial für den Klimaschutz. Wir Freien Demokraten wollen eine CO2arme, ressourceneffiziente Stadt. Wir glauben, dass wir ein Vorbild für ganz Europa werden können – darin, wie Klimaschutz und optimale Klimaanpassung gelingen können. Aber das Potenzial wird nicht durch Verbote und Gängelung gehoben, sondern es liegt in der beeindruckenden Kreativität, in der Innovationskraft dieser Stadt. Es sind genau diese Dinge, weshalb so viele Leute zu uns kommen. Große Herausforderungen wie den Klimawandel können wir nur mit Innovation, mit neuen Lösungen, mit technischem Fortschritt bewältigen. Dafür muss die Politik einen Rahmen setzen, damit sich die Innovationschancen und kreativen Lösungen entfalten können. Genau deshalb ist es auch richtig, einen allgemeinen CO2Deckel festzulegen, der die Mengen klar begrenzt, und dann diese Mengen zu handeln, also nicht zu versuchen, über Steuern und Verbote die Richtung im Detail zu bestimmen.
Wenn es um den Haushalt geht, Frau Gebel: Ja, wir haben eine ganze Menge von Ihren grünen Prestigeprojekten streichen wollen. Wir wollten Mittel umwidmen in das Bäumepflanzen, Baumpflege, einen Ausbau des Regenwassersystems, das Regenwassermanagement, den S-Bahnausbau. Da ist das Geld unserer Meinung nach deutlich besser angelegt als in noch einer Kampagne zur Aufklärung der Bevölkerung, von denen Sie Dutzende in den Haushalt hereingeschrieben haben.
Der optimale Weg zu einer klimafreundlichen Gesellschaft lässt sich nicht von oben steuern, denn gutes ökologisches Denken versteht, dass Ökologie in Systemen, in Netzwerken denken muss und dass immer wieder Effekte der Art zu beobachten sind, dass, wenn man an einer Stelle dreht, an ganz anderer Stelle die seltsamsten Erscheinungen hervortreten. Deshalb braucht man einen allgemeinen Rahmen. Man braucht auch ein gewisses Verständnis von Ökonomie, damit man mit möglichst wenig Ressourcen möglichst viel Effekt erreichen kann. – Kreativität, vernetztes Denken, wirtschaftliches Verständnis – das sind die Schlüssel zu guter Klimapolitik.
Diese werden nur viel zu wenig eingesetzt, sowohl von der Bundesregierung als auch vom rot-rot-grünen Senat.
Deutschland verursacht nur einen kleinen Teil der CO2Emissionen; das stimmt. Das bedeutet aber nicht, dass wir keine Verantwortung haben, sondern dass wir die Verantwortung so wahrnehmen müssen, dass wir Maßnahmen ergreifen, die effektiv und vorbildhaft sind, dass wir Technologien entwickeln, die wir exportieren können, dass es Dinge gibt, die andere von uns abschauen können, dass wir ein Vorbild sein können – dann werden wir unserer Verantwortung wirklich gerecht.
Es ist auch nicht so, wie die Demonstrierenden oft gesagt haben, dass in den letzten Jahrzehnten nichts für den Klimaschutz getan worden sei. Wir haben Zigmilliarden für erneuerbare Energien ausgegeben, es wurden Hunderttausende von Gebäuden saniert, es sind große Energieeinsparungen in den Industrieprozessen erfolgt. Es wurde wirklich viel Aufwand getrieben.
Aber richtig ist: Das reicht nicht. Ein sehr großer Teil des Weges liegt noch vor uns. Für mich persönlich ist eine Zahl ganz wichtig: Wir sind noch bei einem Anteil von deutlich über 80 Prozent fossiler Energie bei der Gesamtversorgung dieses Landes, weil Wärme und Verkehr immer noch fast komplett fossil befeuert werden. Dass das so ist, dass wir trotz dieses Milliardenaufwands über Jahre so wenig erreicht haben, das liegt an der planwirtschaftlichen und ideenlosen Politik, für die gerade auch die Bundesregierung steht.
Da zählt die große Geste stets mehr als der große reale Effekt. Um einmal zwei Beispiele zu nennen: Bei den erneuerbaren Energien hat man eine Tonnenideologie etabliert: Egal wann und wo der Strom anfällt, ob er verbraucht oder gespeichert werden kann, es gab immer dieselbe Subvention. Das Resultat: Die durchaus hohen Investitionen im Energiesektor haben in den letzten Jahren nur zu sehr wenig CO2-Einspareffekten geführt. Energieproduktion ohne Speicher, ohne Netz, ohne Synchronisierung des Verbrauchs – diese deutsche Energiewende ist weltweit zu einem abschreckenden Beispiel geworden, oder wie das „Wall Street Journal“ sie genannt hat: „the world’s dumbest energy policy“. – Genau das ist es: Es ist die blödeste Politik, die man machen kann.
Trotzdem wird immer wieder mehr desselben gefordert. Auch das Klimapaket der Bundesregierung setzt auf das einfach noch einmal dasselbe darauf – immer weiter auf diesem Weg, der bisher sehr aufwändig war, aber wenig Effekt hatte.
Das zweite Beispiel: Bei den Emissionen, die aus den Heizungen kommen – das ist einer der größten Hebel, die wir haben –, wurde ganz einseitig immer nur auf Dämmungen gesetzt. Ja, bei Gebäuden, die energetisch schlecht dastehen, kann man mit Dämmung einiges erreichen; Herr Efler hat es bereits gesagt. Aber das kommt schnell an seine Grenzen, wo es unwirtschaftlich wird – übrigens auch in der CO2-Bilanz unwirtschaftlich wird, weil es mehr kostet, die Dämmstoffe zu produzieren, als es nachher bei der Energieeinsparung bringt.
Wer beim Heizen die CO2-Emissionen senken will, der muss auch erneuerbare Energien als gleichwertige Maßnahme zulassen, denn Solarthermie auf dem Dach ist manchmal sinnvoller, als noch eine Dämmschicht aufs Gebäude zu nageln. Trotzdem setzt die Politik, auch die Bundesregierung mit ihrem Klimapaket, ganz einseitig auf den Dämmwahn und will den noch viel weiter durchziehen. Das ist Quatsch.
Die Demonstrationen für den Klimaschutz haben das Bewusstsein für Klimaschutz weiter geschärft. Es geht jetzt darum, konkrete, praktische Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Das ist unsere Aufgabe und nicht die der Demonstrierenden. Da macht es keinen Sinn, die Forderungen immer weiter hochzuschrauben und die Zukunftsszenarien immer schwärzer zu malen. Es macht auch keinen Sinn, was bei manchen da passiert, den schwarzen Peter immer anderen zuzuschieben – in etwa: Wer kein Auto fährt, der fordert ein SUV-Verbot. Wer nicht nach Malle fliegt, der sagt, die Inlandsflüge sollen wegfallen. Wer kein Fleisch mag, der fordert alle auf, vegan zu essen. Interessanterweise fordert von den „Fridays for Future“-Kids keiner den Stopp des Breitbandausbaus und von Netflix. Das würde übrigens mehr CO2-Einsparungen bringen als ein Verbot von Inlandsflügen. Es geht immer nur darum, dass die anderen etwas tun sollen, egal was.
Ich habe in der letzten Debatte gesagt: Die besten Klimaschützer sind nicht die, die die schwärzesten Visionen malen und die radikalsten Forderungen aufstellen, sondern die, die möglichst schnell die richtigen Maßnahmen umsetzen. Dazu gehört trotz aller Ungeduld auch, Verständnis dafür zu entwickeln, dass die Umsetzung von Maßnahmen manchmal schwierig ist und realistischerweise eine Weile dauert.
Zum Thema Realismus möchte ich – für manche vielleicht etwas überraschend – den Kollegen Kössler aus der „taz“ zitieren. Der hat nämlich gesagt:
Man könnte die Kohlekraftwerke in Berlin sofort abstellen – aber dann hätte man in gewissen Gegenden erst mal keine Heizung mehr. Man könnte die ganzen Autos stehen lassen, dann würden
Demokratische Prozesse sind langwierig. Demokratie beruht auf Aushandlungen, auf Eigenverantwortung, auf sorgsam ausbalancierten Prozessen. Das ist anstrengend, und das überfordert die Geduld vieler Menschen gerade angesichts der großen Herausforderungen des Klimawandels. Aber die Fähigkeit zu Kompromissen und zu Pragmatismus ist nötig und unerlässlich.
Dagegen helfen Anklagen und Scham, Moralisierung und Selbstermächtigung bis hin zur Anwendung von Gewalt gegen Personen und Sachen nicht. Moralisierendes Rechthaben kann sogar gefährlich werden. Wer morgen den Planeten untergehen sieht und sich unbedingt im Recht wähnt, versucht manchmal, mit Gewalt die ihm richtig erscheinende Maßnahme durchzusetzen, aber das gefährdet unseren Zusammenhalt und unsere Demokratie.
Damit die Ungeduld nicht zu solchen Kurzschlüssen führt, muss die Politik jetzt Maßnahmen ergreifen, und zwar zügig und wirksam. Wir haben Ihnen mehrmals aufgezeigt, dass uns das zu wenig ist, was Sie da tun, dass Sie zum Beispiel im BEK viele Maßnahmen haben, die gar nicht abgerufen werden. Wir als Freie Demokraten in Berlin sind fest entschlossen, den Klimaschutz und die Klimaanpassung in Berlin voranzubringen. Wir arbeiten aktiv an Ansätzen für den Klimaschutz in allen städtischen Handlungsfeldern. Dazu haben wir Ihnen viele Lösungen vorgelegt. Wir wollen, dass sich die Lebensqualität für die Menschen in unserer Stadt verbessert, und wir setzen im Vertrauen auf Innovation und Fortschritt auf den Wettbewerb um die besten Ideen. Wir wollen mit so vielen wie möglich zusammenarbeiten. Wir bieten Ihnen an, konstruktiv etwas gegen den Klimawandel zu tun. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Wir fühlen es, und wir haben es heute wieder vielfach gehört: Das Klima verändert sich in einer nicht gekannten und nicht vorhergesagten Rasanz. Die Wissenschaft zu den Ursachen dazu ist sehr eindeutig. Die Erde erhitzt sich, und bereits heute sind wir bei einer Temperaturerhöhung von einem Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten. Jedes Zehntel Grad mehr wirkt sich verheerend auf die Ökosysteme, die menschliche Gesundheit, die Wasserversorgung von Milliarden Menschen oder auch – und das sehen wir auch hier in Berlin – auf die für ein zivilisiertes Zusammenleben so dringend benötigte Infrastruktur aus. Mit der Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas haben wir Menschen kurzfristig Wohlstand geschaffen, aber – und jetzt sehen wir die Konsequenzen – wir zerstören nachhaltig und sehr schnell unsere eigenen Lebensgrundlagen.
Noch liegt es in unseren Händen, die schlimmsten Folgen der Klimakrise abzuwenden, wenn wir schnell handeln. Die nachfolgende Generation fordert genau dieses entschlossene Handeln von uns. Sie fordert es von uns, und sie will, dass unser demokratisches System Antworten liefert auf eine der größten nicht nur Zukunftsfragen, sondern Gegenwartsherausforderungen.