Protokoll der Sitzung vom 26.09.2019

Noch liegt es in unseren Händen, die schlimmsten Folgen der Klimakrise abzuwenden, wenn wir schnell handeln. Die nachfolgende Generation fordert genau dieses entschlossene Handeln von uns. Sie fordert es von uns, und sie will, dass unser demokratisches System Antworten liefert auf eine der größten nicht nur Zukunftsfragen, sondern Gegenwartsherausforderungen.

[Zuruf von der AfD]

Deutschland kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Warum? – Weltweit emittieren nur sechs Staaten mehr Treibhausgase als Deutschland. 185 Staaten stoßen weniger Treibhausgase aus.

[Zuruf von der AfD: Deutschland nur 2 Prozent!]

Gleichzeitig ist Deutschland gemessen am Bruttoinlandsprodukt die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. Was heißt das nun? – Wir haben sowohl die moralische Verpflichtung als auch die ökonomischen Möglichkeiten, Lösungen zu entwickeln, sie zu verbreitern und damit Nachahmer zu finden. Es wäre, nein, es ist unsere Aufgabe, Modelle zu entwickeln, wie Klima- und Umweltschutz, wie Wohlstand und Entwicklung zusammen funktionieren.

[Marc Vallendar (AfD): Am deutschen Wesen soll die Welt genesen!]

Solche Modelle gilt es, für uns als Land, aber auch für uns als Gemeinwesen, als Stadt voranzutreiben. Nach meinem Verständnis geht es dabei eben nicht nur um quantitative Minderungen von Emissionen, die die junge Generation mit großer Vehemenz einfordert. Es geht in dieser Frage auch um den Nachweis, dass unser Gesellschaftssystem, dass unsere verfasste Demokratie bei existenziellen Zukunftsfragen schnell adäquate Lösungen liefern kann. Es geht darum, dass sich unser Gesellschaftssystem als schlagkräftig und handlungsfähig er

weist. Leider sind wir in der Klimafrage diesen Nachweis bisher schuldig geblieben.

[Martin Trefzer (AfD): Soll das eine Drohung sein?]

Beim Klimaschutz handelt es sich eben nicht nur – das höre ich jetzt immer wieder – um irgendein x-beliebiges Thema, das große Kontroversen in der Gesellschaft auslöst, um Themen wie Handelsabkommen, den Bau von Flughäfen und Bahnhöfen, nein, es geht um die Frage, ob unsere Erde insgesamt als System für unsere direkt nachfolgende Generation so bewohnbar bleibt, dass gutes Leben möglich ist.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Es geht hier um eine elementare Zukunftsfrage. Deshalb geht es auch darum, was wir als Land Berlin tun, um unseren Beitrag zu leisten.

[Zuruf von Martin Trefzer (AfD)]

Der Berliner Senat hat in dieser Legislaturperiode schon viele wichtige Weichen für den Klimaschutz gestellt. Sie haben es heute gehört.

Lassen Sie mich vier Elemente kurz anreißen. Für mich gehört natürlich der Kohleausstieg bis 2030 dazu, den wir jetzt angehen. Es gehört dazu der Paradigmenwechsel von einer autogerechten Stadt hin zu einer Stadt, in der mit einer gesetzlichen Grundlage dem Umweltverbund aus ÖPNV, Rad- und Fußverkehr der Vorrang eingeräumt wird und in der die Verkehrswende Schritt für Schritt – nicht auf einen Schlag – umgesetzt wird. Für mich gehört dazu die vollständige Elektrifizierung des ÖPNV bis 2030 und natürlich die Verabschiedung des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms, das wir jetzt endlich kraftvoll umsetzen können.

Aber: Um diese Lösungen als Land auch wirklich zielsicher umsetzen zu können, brauchen wir auf Bundesebene Regelungen und Gesetze, die in die gleiche Richtung weisen. Nur im Zusammenspiel von europäischen, Bundes- und Landesgesetzen können wir effiziente Lösungen liefern. Und wie die Lösungen der Bundesregierung aussehen, wie ihre Antworten zu den maßgeblichen Klimaschutzinstrumenten in den kommenden Jahren aussehen, hat sie jetzt am Freitag veröffentlicht. Die Frage für uns in Berlin ist einerseits, wie wir das insgesamt bewerten, aber auch, ob es uns hilft oder nicht, unsere Klimaschutzziele zu erreichen.

Lassen Sie mich mit dem Positiven, dem Guten anfangen. Ich glaube, vor allem wird uns die Erhöhung der Mittel zur Stärkung des ÖPNV helfen. Das ist gut. Die verbesserte Förderung der Elektrifizierung von Bussen und Taxen versuchen wir zu nutzen. Gut ist auch, dass die auf CO2-Ausstoß bezogene Reform der Kfz-Steuer angegangen wird. Und als Letztes ist es natürlich auch gut, dass

bei der Ausgestaltung der Lkw-Maut die CO2-Emissionen eine maßgebliche Rolle spielen sollen. Aber viele überfällige wichtige Weichenstellungen grundsätzlicher Art fehlen entweder vollständig, werden weit in die Zukunft geschoben, fallen viel zu schwach aus oder sind gänzlich kontraproduktiv.

Ich möchte mich hier auf vier Schlaglichter beschränken, was ich damit meine und wie wir das Klimapaket bewerten sollten. Es wurde hier immer wieder gesagt – und das ist richtig –: Besonders schwer wiegt, dass der geplante CO2-Preis, der erkennbar in den kommenden sieben Jahren keine Lenkungswirkung entfalten wird, keine Abkehr von den fossilen Energien beim Verkehr- oder beim Gebäudesektor anreizt. Das heißt, für diese Sektoren bleibt die Atmosphäre eine kostenlose Müllhalde, und das ist fatal.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Zweitens: Wenn wir Energiewende wollen, müssen wir die erneuerbaren Energien massiv ausbauen. Wir wissen alle, dass der Ausbau der Windenergie fast zum Erliegen gekommen ist – der Onshore-Wind. Auch hier sehen wir keinerlei Impuls, das zu verändern. Ohne erneuerbare Energien werden aber Klimaschutz, Verkehrs- und Wärmewende nicht funktionieren.

Im Wärmesektor haben wir ungelöst – weiterhin ungelöst –, wie Klimaschutz und Mieterinnen- und Mieterschutz zusammengehen können. Wir haben entweder das eine oder das andere. Wir brauchen ein neues Modell von der Bundesregierung, wie wir so etwas stemmen können. Für uns als Land wird es sehr schwer.

Letztens lassen Sie mich erwähnen: Die Erhöhung der Pendlerpauschale wird zu weiterer Zersiedelung anreizen, und es wird insgesamt zu mehr Verkehr führen und nicht zu weniger.

Es heißt, die Kanzlerin sagt, dass die Bundesregierung das politisch Machbare vorgelegt habe. Ihre eigenen Berater meinen, dass dies bei Weitem nicht das Notwendige ist, um die Klimaziele 2030 zu erreichen. Das bedeutet unterm Strich – und das ist das Wichtige –: Die Verschärfung der Klimakrise wird mit diesen Maßnahmen nicht abgewendet, weil eben, abgesehen von allen kleinen Maßnahmen, die wichtigen Stellschrauben unseres Wirtschaftens nicht verändert werden. Wir machen im Grunde so weiter wie bisher. Das ist das Unakzeptable an diesem Paket!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Daniel Buchholz (SPD) – Unruhe bei der CDU]

Was heißt das nun für Berlin? – Das heißt, mit den vielfältigen Defiziten der Eckpunkte auf Bundesebene werden auch wir als Stadt es schwerer haben, unsere Klima

schutzziele zu erreichen. Wir brauchen überzeugende bundespolitische Leitplanken, die in eine klimaneutrale Zukunft führen. Deshalb sollten wir als Bundesland all unsere Mittel nutzen, um das Klimapaket, wo immer nötig, nachzubessern. In Berlin als der Hauptstadt Deutschlands, in deren Mitte die Jugend am Freitag zu den größten Klimaschutzdemonstrationen zusammen kam, die dieses Land jemals gesehen hat, sollten wir ein starkes Zeichen setzen, dass wir diese Appelle hören und die berechtigten Anliegen ernst nehmen.

Kurt Schumacher sagte den sehr einschlägigen Satz – allen ist er bekannt –:

Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit.

Ich meine, wir sollten die Wirklichkeit nicht nur betrachten, wir sollten die Wirklichkeit auch benennen.

[Stefan Evers (CDU): Ein Satz für die Ewigkeit!]

Deshalb werde ich dem Senat vorschlagen, dass Berlin das, was die Menschen Klimanotstand nennen, offiziell als erstes Bundesland anerkennt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Dr. Clara West (SPD) – Sebastian Czaja (FDP): Wir haben Wohnungsnotstand! – Regina Kittler (LINKE): Ja, ja, Tegel!]

Wir müssen hier, in diesem Haus, aber auch als Senat weiter intensiv darüber sprechen, welche weiteren Maßnahmen wir auf den Weg bringen können, um die Folgen der Klimakrise zu begrenzen. Ich werde entsprechende Vorschläge unterbreiten. Das Thema ist noch lange nicht zu Ende, es fängt erst an. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Unruhe bei der CDU]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

[Unruhe]

Hat jemand ein Problem?

Ich komme zu

lfd. Nr. 2:

Fragestunde

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Nun können mündliche Anfragen an den Senat gerichtet werden. Sie wissen, die Fragen müssen ohne Begründung, kurz gefasst und von allgemeinem Interesse sein

(Senatorin Regine Günther)

sowie eine kurze Beantwortung ermöglichen; sie dürfen nicht in Unterfragen gegliedert sein. Ansonsten werde sie zurückgewiesen.

Zuerst erfolgen die Wortmeldungen in einer Runde nach der Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung. Nach der Beantwortung steht mindestens eine Zusatzfrage dem anfragenden Mitglied zu, eine weitere Zusatzfrage kann auch von einem anderen Mitglied des Hauses gestellt werden. Für die erste Frage rufe ich ein Mitglied der Fraktion der SPD auf und bitte, an das Redepult zu treten – Nachfragen werden von den Sitzplätzen aus gestellt. – Herr Kollege Schopf! Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie bewertet der Senat den Start des Regelbetriebs der JelbiApp?

[Zurufe: Was?]

Wie bewertet der Senat den Start des Regelbetriebs der Jelbi-App?

Frau Senatorin Pop – bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Jelbi-App, um das kurz zu erklären, ist eine App, die die BVG als gemeinsame Plattform für Sharingangebote anbietet. Über diese gemeinsame Plattform kann man sowohl BVG und S-Bahn als auch MILES als CarSharing, Emmy als Roller-Sharing, nextbike als BikeSharing buchen. Neu dazugekommen ist der E-Scooter, der aus Berlin kommt – die Firma TIER –, der BerlKönig der BVG in Kooperation mit ViaVan. Bezahlt werden kann auch über PayPal, die auch als Dienst integriert sind.