Protokoll der Sitzung vom 26.09.2019

Im Jahr 2009 titelte der „Tagesspiegel“: „Linksautonome wollen Bundeswehr angreifen“. Dazu gab es einen Flyer. Auf dem Flyer war das Konterfei eines jungen Wehrpflichtigen abgebildet, eines Soldaten des Wachbataillon, und innerhalb dieses Flyers war – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin stand: „Nicht zögern. Reinhauen. Und zwar richtig. Scheiben einschlagen. Autos abfackeln. Empfänge versauen.“

Was war die Konsequenz des Dienstherren dazu? – Er ordnete an, dass wir in Berlin – ich war damals temporär in der Abteilung II, militärische Sicherheit, eingesetzt – nicht mehr in Uniform die Kaserne verlassen sollen, sofern wir nicht im eigenen Auto geschützt unterwegs sind. – Ich habe Verständnis für die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Aber welches Zeichen hat die militärische Führung 2009 in die Bundeswehr hineingegeben? – Wir beugen uns linken Extremisten, linken Terroristen, und wir ziehen uns aus dem sichtbaren Stadtbild der Bundeshauptstadt zurück. – Ich empfand das damals als aktiver Soldat als Skandal, und das sehe ich auch heute noch so.

[Beifall bei der AfD]

Ich habe damals als amtierende Vertrauensperson mit dem damaligen Wehrbeauftragten Reinhold Robbe darüber gesprochen, und wir haben auch über Sichtbarkeit der Bundeswehr im öffentlichen Raum gesprochen. Es ist ein vollkommener Unterschied, ob ich in Bayern stationiert bin und dort auf eine Tasse Kaffee eingeladen werde, wenn ich in Uniform durch die Innenstadt gehe, oder hier in Berlin Sorge und Angst haben und um Leib und Leben fürchten muss.

Den Gedanken der Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs fanden sowohl er als auch ich sehr charmant, und ich habe damals auch einen sogenannten Verbesserungsvorschlag im Rahmen KVP-Programms eingereicht, der genau das gefordert hat – im Übrigen genau mit der Konsequenz, die dem CDU-Antrag in der Begründung beiliegt: Es ist in der Tat so, dass uniformierte Menschen zu einem subjektiven Sicherheitsgefühl beitragen können.

Es ist in der Tat so, dass diverse Berufsgruppen auch daran partizipieren, Herr Schopf – Sie haben sie ja

(Tino Schopf)

genannt: Vollzugsbeamte der Justiz, Polizisten, andere Kräfte, Ordnungsamtsmitarbeiter. Ja, warum denn nicht auch Soldaten? – Es gehört übrigens auch eine Stück weit mit zur Anerkennungskultur. Unabhängig davon haben Mitarbeiter der Sicherheitskräfte, uniformierte Streitkräfte und andere uniformierte Kräfte eine besondere Ausbildung, um eskalierenden Situationen entgegenzuwirken.

Ich frage Sie, gerade die linke Seite des Parlaments, Folgendes: Wissen Sie im Jahr 2019 – Sie wissen ja, Linksextremismus ist ein aufgebauschtes Problem, ist zehn Jahre alt, alles ist besser geworden –, wie viele Dienstorte der Bundeswehr wir in Berlin haben? – Wir haben die Dahme-Spree-Kaserne im Südosten. Wir haben die Blücher- und Steinhoff-Kaserne im Westen, in Spandau, die Julius-Leber-Kaserne im Norden von Berlin und hier direkt um die Ecke in Mitte das Bundesministerium der Verteidigung.

Wie viel öffentliche Präsenz der Bundeswehr nehmen Sie wahr? – Ich persönlich gegen Null. Es scheint auch heute noch so zu sein, dass Bundeswehrsoldaten aktuell ein gewisses Hemmnis haben, in Uniform im öffentlichen Personennahverkehr von A nach B zu fahren. Ich halte es für ein zwingendes und gutes Signal – nicht nur im Rahmen der Sicherheit, sondern auch im Rahmen der Anerkennungskultur für unsere Streitkräfte, für unsere Soldatinnen und Soldaten –, ein Zeichen zu setzen, das dem auch gerecht wird. – Meine Damen und Herren der CDUFraktion! Wir stimmen Ihrem Antrag vorbehaltlos zu.

Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Ronneburg. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU hat erkannt, dass ihre Parteivorsitzende nur halbe Arbeit geleistet hat, und will nun den Senat und die rot-rot-grüne Koalition in die Bütt schicken, um die freie Fahrt für Bundeswehrsoldaten im ÖPNV zu ermöglichen. Was für ein Armutszeugnis!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Finden Sie es nicht etwas peinlich, in diesem Antrag Ihre arg gebeutelte Noch-Parteivorsitzende und Ministerin zu kritisieren, dass sie nur mit der Deutschen Bahn gesprochen und es eben versäumt hat, vorher mit den Verkehrsverbünden und den Bundesländern zu sprechen? Und warum sich der Berliner Senat jetzt, wie Sie hier fordern, auch für die Bundeswehrsoldaten in Brandenburg einsetzen soll, erschließt sich auch überhaupt nicht. Haben Sie so wenig Vertrauen in Ihre Parteifreunde im Nachbarland? – Da bin ich schon gespannt auf die Verhandlungen in Brandenburg für eine künftige Libyen-Koalition, die sich da bilden soll.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Freymark?

Nein, keine Zwischenfragen! – Es gibt noch einen dritten Punkt, der die Unsinnigkeit Ihres Antrags zeigt: Sie können doch nicht ernsthaft wollen, dass wir dank der Unfähigkeit Ihrer Verteidigungsministerin einen Flickenteppich von Freifahrtregelungen für Soldaten im ÖPNV entstehen lassen!

Der Antrag der CDU-Fraktion richtet sich grundsätzlich an die CDU-Fraktion im Bund. Wir haben eine Bundeswehr; da kann es nur einheitliche Lösungen geben. Alles andere wäre ein Flickenteppich und ist abzulehnen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Ich möchte auch auf Ihre inhaltlichen Begründungen eingehen, denn Sie sagen ja, die Soldatinnen und Soldaten sollen jetzt kostenlos in Uniform im ÖPNV fahren können, weil es bereits Freifahrtgewährungen für andere Gruppen gibt. Sie schreiben – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:

Uniformierte Vollzugskräfte der Berliner Sicherheitsbehörden und der Bundespolizei wie auch die in Berlin stationierten Feldjäger der Bundeswehr können bereits jetzt den öffentlichen Personennahverkehr kostenfrei nutzen.

Und weiterhin heißt es:

Hintergrund der Freifahrtgewährung ist, dass die sichtbare Präsenz von Sicherheitskräften in den Fahrzeugen derjenigen Unternehmen, die dem ÖPNV dienen, das Sicherheitsgefühl der Mitfahrenden verbessert.

Ich finde es sehr befremdlich – um jetzt auf den Antrag zu kommen –, wie Sie hier Polizisten, Feuerwehrleute, Ordnungsamtsmitarbeiter mit der Bundeswehr in einen Topf werfen, um damit Ihr politisches Süppchen zu kochen. – Herr Friederici! Es ist doch völlig klar, worum es Ihnen und Ihrer Partei hier geht: Sie wollen unter dem Deckmantel der vermeintlichen Schaffung subjektiver Sicherheit die Militarisierung der Gesellschaft weiter vorantreiben.

[Lachen bei der CDU und der AfD – Zurufe von der CDU und der AfD]

Warum machen Sie das? – Jetzt komme ich zur Pointe: weil Sie bei der Bundeswehr versagt haben und einfach die Probleme übertünchen wollen. Sie wollen den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr etwas Gutes tun? – Ich habe ein paar Vorschläge – erstens: Sorgen Sie erst einmal dafür, dass Soldatinnen und Soldaten nicht anderthalb Jahre auf neue Stiefel warten müssen! – Das wäre schon mal ein Fortschritt.

(Karsten Woldeit)

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Zweitens: Führen Sie eine echte Kontrolle und Transparenz bei Beschaffungsvorgängen bei der Bundeswehr ein! Es ist ein ausgemachter Skandal, wie hier durch die Nähe zu Rüstungskonzernen auf Kosten der Allgemeinheit Geschäfte betrieben werden.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Dritter Punkt: Stärken Sie den Staatsbürger in Uniform! Gehen Sie konsequent gegen faschistische und nationalsozialistische Tendenzen in der Bundeswehr vor!

[Beifall bei der LINKEN]

Und zu guter Letzt: Beenden Sie alle Auslandseinsätze der Bundeswehr! Hören Sie auf mit der globalen Ausdehnung des Kampfherdes der Bundeswehr! Besinnen Sie sich auf den eigentlichen Auftrag der Bundeswehr, die Landesverteidigung!

[Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Ja, ich habe mein Praktikum bei der Bundeswehr gemacht. Ich habe mich dann für den Zivildienst entschieden, Herr Woldeit; so war das!

[Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Zu guter Letzt: Wenn Sie die Auslandseinsätze nicht beenden, kümmern Sie sich angemessen um die Einsatzveteranen der Bundeswehr, die unter den Folgen der politisch gewollten Auslandseinsätze und dem bürokratischen Spießrutenlauf leiden, mit dem sie um die Anerkennung ihrer Leiden kämpfen müssen! – Das ist die Hauptaufgabe, der Sie sich als Unionsfraktion mal widmen sollten. – Das war der verteidigungspolitische Teil meiner Rede.

Jetzt komme ich zum verkehrspolitischen Teil, denn es gibt noch weitere Gründe, die Sie in Ihrem Antrag anführen: Es geht Ihnen um Wertschätzung. – Da stellt sich schon die Frage, warum Sie als CDU ausgerechnet diese Berufsgruppe hervorheben. Wie wäre es denn – wie es auch der Paritätische vorgeschlagen hat – mit freier Fahrt für Erzieherinnen, Krankenhausangestellte, Pflegekräfte, Lehrerinnen und Lehrer, Sozialberufe, FSJ, FÖJ – Menschen, die sehr konkret etwas für die Allgemeinheit leisten, damit unsere Gesellschaft im Inneren zusammengehalten wird?

Sie merken: Allein die Begründung, dass man Wertschätzung zeigen will, ist im Fall der Bundeswehr sehr, sehr dünn. Sie wollen – und das wird sehr deutlich – diesen Berufsstand überhöhen.

Und dann meinen Sie auch noch mit dieser Maßnahme etwas für die Verkehrswende zu machen: Entschuldigen Sie mal! Sie ermöglichen durch diese Maßnahme nicht, dass es einer Gruppe ermöglicht wird, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, um Teilhabe zu ermöglichen. – Ganz anders als die rot-rot-grüne Regierung, die es in

ihrer Regierungszeit vermocht hat, den Preis für das Sozialticket zu senken, den Berechtigtenkreis zu erweitern, attraktive, günstige Tickets für Auszubildende bereitzustellen, ein neues Job-Ticket einzuführen und das kostenlose Ticket für Schülerinnen und Schüler. – Das haben wir als Koalition geleistet, und daran muss man Ihren Antrag messen und bewerten.

Aber etwas Positives kann ich diesem Antrag zuletzt doch noch abgewinnen: Letztlich zeigt Ihre Begründung nur auf die logische Folgerung, die auch die Linke gezogen hat und die darauf abzielt, dass wir das Ziel haben müssen, einen fahrscheinlosen ÖPNV zu ermöglichen und einzuführen. Es geht bei Mobilität um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die erst durch Mobilität gewährleistet wird, und das darf nicht abhängig davon sein, ob man sich ein Ticket kaufen kann. Deswegen haben wir als rot-rot-grüne Koalition eine Finanzstrukturreform für den ÖPNV im Koalitionsvertrag verankert: Wir werden im nächsten Jahr eine Entscheidung darüber treffen, welche dritte Finanzierungssäule wir für den ÖPNV einführen können, damit wir das Ticketsystem noch gerechter machen können.

Als Berliner – das wurde heute in der Aktuellen Stunde deutlich – haben wir es nicht ganz einfach. Im VBB kollidieren unterschiedliche Interessen. Bestimmt wird das alles ganz anders werden. Brandenburg hat wie Berlin auch ein entsprechendes Gutachten für die dritte Finanzierungssäule in Auftrag gegeben. Dann wird es sicherlich ganz einfach werden, mit einer Kenia-Koalition samt Koalitionsvertrag in Brandenburg eine Einigung zwischen unseren beiden Bundesländern zugunsten einer künftigen VBB-Tarifstruktur zu erzielen, der zufolge wir dann gemeinsam sagen können: Es werden keine Ticketpreise mehr erhöht, alle Nutzerinnen und Nutzer des ÖPNV werden entlastet, wir entwickeln einen Fahrplan für ein 365-Euro-Ticket, langfristig für einen fahrscheinlosen ÖPNV; wir ordnen die Grenzen des VBB neu und bauen den Verkehr auf der Schiene und mit dem Bus massiv aus. – Auf diese Diskussion bin ich schon sehr gespannt und freue mich darauf. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt das Wort der Abgeordnete Schlömer. – Bitte schön!

[Zurufe von der CDU]

Entschuldigung, Herr Schlömer, einen Moment noch! Die Fraktion der CDU hatte eine Zwischenintervention beantragt. – Herr Friederici hat jetzt das Wort. – Bitte schön!

(Kristian Ronneburg)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Unionsfraktion – das werden Sie auch an meiner ruhigen Stimme gleich wieder merken –

[Heiterkeit bei der CDU]

findet, dass dieses Thema nicht dafür geeignet ist, zum Parteienstreit herangezogen zu werden. – Herr Ronneburg! Auch wenn Sie einer sozialistischen Programmpartei angehören, die die Bundeswehr abschaffen will, sollten Sie immer den Menschen im Blick haben – den Menschen, der in Uniform von A nach B, aus Brandenburg nach Berlin fährt –, und die Wertschätzung dieses Menschen, der sich in den Streitkräften unserer Nation einsetzt – für Ihr Leben übrigens auch, wenn es einmal zum Verteidigungsfall kommen sollte.

[Stefanie Fuchs (LINKE): Das macht der Rettungsassi übrigens auch! – Zuruf von Tobias Schulze (LINKE)]