Wir haben hier heute neben der Resolution der vier Parteien noch eine gesonderte Resolution der CDU vorliegen – anders als bei vielen Anlässen in den letzten Jahren. Da gab es im Feld der Aufarbeitung der DDR-Geschichte eine Reihe gemeinsamer Anträge zum Thema „Aufarbeitung der SED-Diktatur evaluieren“, „Rehabilitierung und Ausgleich für in der DDR erlittene Verfolgung und Benachteiligung“ und zur Vorbereitung des 30. Jahrestages der Friedlichen Revolution und auch vor zehn Jahren zur Würdigung des 20. Jahrestages. Heute nun ist die CDU nicht mehr bereit, einen gemeinsamen Antrag mit meiner Fraktion zu stellen. An einer Veränderung des historischen Gegenstandes kann das nicht liegen. Ich sehe auch nicht, dass sich das Verhalten meiner Fraktion hier in den letzten zehn Jahren großartig geändert hätte.
Also hat sich der Blick der CDU auf den historischen Gegenstand, jedenfalls aber ihr politischer Umgang damit verändert, wohl im Zuge einer Diskussion innerhalb der CDU über den Umgang mit einem Wahlergebnis in Thüringen. Das ist einerseits schade, weil es das gemeinsame politische Handeln auf diesem Feld verdeckt und ja wohl auch verdecken soll. Vielleicht hilft es aber andererseits auch dabei, den Blick zu schärfen für die Herausforderungen im Umgang mit Geschichte. Denn dieses Beispiel zeigt etwas, was einerseits normal und selbstverständlich ist, andererseits aber auch oft aus dem Blick gerät. Es
zeigt, in wie starkem Maße die geschichtspolitische Debatte nicht nur vom historischen Gegenstand, sondern von politischen Erwägungen im Hier und Jetzt geprägt ist. Weil das so ist und weil das im Grunde auch so sein muss, ist die gegenseitige implizite Verabredung, Kollege Juhnke, sich weitgehend am Gegenstand zu orientieren und Instrumentalisierungen zu vermeiden, von Bedeutung. Sie liegt aus meiner Sicht der überfraktionellen Zusammenarbeit hier in diesem Hause zugrunde. Ich hoffe, na ja, sie hat Bestand.
Vor allem aber zeigt dieser Umstand, und ich hoffe, da sind wir wenigstens einer Meinung, wie wichtig es ist, die authentischen Zeugnisse aus der Friedlichen Revolution verfügbar zu machen, den Akteuren der Friedlichen Revolution und ihren historischen Motiven die Bühne zu bereiten, die Orte von Repression und Widerstand zugänglich zu machen. Das brauchen wir, um politische Überformung nicht allzu sehr Platz greifen zu lassen. Mir ist wichtig, dass wir die Erfahrungen weitertragen, wir haben ja eine ganze Reihe von Institutionen im Land Berlin, die da gute Arbeit leisten. Berlin engagiert sich dort, Berlin will sich dort mehr engagieren. Es ist gut, wenn wir hier weiterkommen. Für mich ist es wichtig, dass wir in diesem Gedenken an die Friedliche Revolution insbesondere den Impuls dieser Friedlichen Revolution, den Impuls an Mut, an Kreativität, an Demokratisierungswillen, an Selbstermächtigung, an Befreiung in die politische Debatte von heute mitnehmen. Es geht darum, den zentralen Wert von Demokratie zu betonen. Wir sollten es als unsere Verpflichtung ansehen, jeden Angriff auf die Demokratie mit allen demokratischen Mitteln zurückzuweisen. – Vielen Dank!
Schönen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 9. November 1989 war ein Tag der Freude. Ich denke, jeder, der ihn erlebt hat, wird noch heute wissen, wie er diesen Tag des Mauerfalls verbracht hat, als sich gegen Abend die Nachricht verbreitete, die Mauer sei offen, zunächst auch von mir ungläubig zur Kenntnis genommen. Dann verdichteten sich im Radio, im Fernsehen Sonderberichte, erste Menschen aus dem Ostteil seien auf dem Weg in den Westen. Ich selbst kam damals von einer Sitzung nach Hause, und nachdem klar war, dass es tatsächlich stimmte, bin ich sofort weiter zur Grenzübergangsstelle in die Sonnenallee gefahren. Es war ein regnerischer, dunkler Novemberabend, typisch für diese Jahreszeit. An einem solchen Donnerstag wäre
eigentlich nicht so viel los gewesen. Aber jener Abend war anders. Im funzligen Licht der wenigen Laternen am Grenzübergang gingen Menschenmassen ungläubig staunend, vor Freude weinend, sich spontan umarmend.
Ich bin mit einigen wildfremden Ostberlinern meiner Altersgruppe zum Wittenbergplatz gefahren. Dort war dann Schluss für die Autofahrt. Der Kudamm war nämlich bereits voll von Menschen. Nach einem kleinen Spaziergang sind wir dann in ein Lokal gegangen. Ich habe, damals armer Student, meinen letzten Fuffziger auf den Tisch gehauen, und der Wirt hat auch eine Runde dazuspendiert. So feierten wir das Ende der Mauer, das ja auch der Anfang vom Ende der sogenannten DDR darstellte. Es war jedenfalls eine kurze, aber schöne Nacht. Doch nicht nur für mich war der Mauerfall, von ganz persönlichen Ereignissen abgesehen, die vielleicht bewegendste Zeit meines Lebens. Auch weltweit waren die Zuschauer berührt und fasziniert von den Bildern der Menschen, die auf der Mauer vor dem Brandenburger Tor tanzten.
Wenn wir heute zurückblicken, dann sollten wir uns auch vor Augen führen, was die Auslöser waren für dieses geschichtliche Weltereignis. Denn es war ja nicht nur ein überforderter SED-Bezirksfürst, der dies möglich gemacht hat. Möglich gemacht hatten es die mutigen Menschen, die damals gegen das SED-Unrechtsregime in Berlin und anderswo auf die Straße gingen und ihre Stimme erhoben. Ihnen gilt deshalb heute unser großer Dank und unsere Hochachtung.
Sie haben der ganzen Welt bewiesen, dass es sich lohnt, gemeinsam gegen Unterdrückung und Unfreiheit die Stimme zu erheben. Aber wir haben es auch vielen Politikern zu verdanken, dass die Hoffnung der Menschen auf Freiheit keine leere Versprechung geblieben ist. Visionäre Staatsmänner wie die Berliner Ehrenbürger Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher lehren uns, trotz mancher tagespolitischer Mühen und Rückschläge das große Ziel nie aus den Augen zu verlieren. Wo Dorfschulzen nur von Wiedersehen sprachen, hatte Helmut Kohl klar die Wiedervereinigung unseres Vaterlands im Blick.
Besonders die Stadt Berlin verdankte aber auch unseren westlichen Verbündeten und insbesondere den amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan und George Herbert Walker Bush sehr viel und wird diese moralische und politische Unterstützung nie vergessen.
Und natürlich ermöglichte auch die Politik der gesellschaftlichen Öffnung, die durch Michail Gorbatschow im Ostblock begonnen wurde, den Mauerfall und öffnete damit das historische Fenster zur Wiedervereinigung, das
Als Ökonom muss ich darüber hinaus auch darauf hinweisen, dass eine ganz besonders wesentliche Voraussetzung für den Zusammenbruch der DDR der Sozialismus selbst war. Das ökonomische System hat versagt. Die Heilsversprechen der sozialistischen Religion sind zu keinem Zeitpunkt in der Wirklichkeit eingetroffen.
Die sozialen Wohltaten der sogenannten DDR waren nämlich auf Pump. Die Verschuldung beim westlichen Klassenfeind hatte das Land ruiniert. Wo der Marktmechanismus fehlt, gibt es keine Preisinformation, somit können die Ressourcen nicht optimal genutzt werden. Außerdem gibt es keine Anreize für Leistung und für Innovation. Die sozialistische Wirtschaftstheorie ist schlicht und ergreifend falsch und deshalb immer und überall gescheitert, und sie wird auch in der Zukunft scheitern.
Um diese Gedanken zu verbreiten, legt die CDU-Fraktion Ihnen heute einen eigenen Entschließungstext vor. Im Vorfeld und eben in der Rede meines Vorredners ist ja die Frage aufgekommen, warum wir nun einen eigenen Text formulieren, zumal die von der Koalition vorgebrachte Entschließung nichts Falsches enthält, das will ich auch ganz klar einräumen. Die Entscheidung dazu ist übrigens am Samstag gefallen, vor der Thüringen-Wahl. Warum wollen wir also diesmal nicht mit den SEDNachfolgern von der Linkspartei etwas Gemeinsames einbringen? Vor fünf Jahren sei das ja auch möglich gewesen. – Dazu darf ich mal Folgendes sagen: Vor fünf Jahren war die CDU an der Regierung beteiligt, die Linkspartei ist unserem Text beigetreten. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied.
Ich nenne Ihnen auch noch weitere kleine, allerdings weniger feine Unterschiede, wenn Sie das gerne mögen. Vor fünf, aber auch vor zehn Jahren gab es noch keine Versuche, Stasispitzel als Staatssekretäre zu installieren.
Vor fünf oder zehn Jahren gab es auch noch keine Absetzung eines ideologisch missliebigen Leiters einer Gedenkstätte – ein Vorgang, der noch in einem Untersuchungsausschuss aufzuklären sein wird.
Es gab auch noch keinen linken Kultursenator, der als Bedenkenträger zweifelt, ob der 9. November tatsächlich ein Tag zum Feiern sei.
Und es gab damals auch noch keine zweifelnden Stimmen, ob die DDR wirklich ein Unrechtsstaat gewesen sei, was aus meiner Sicht völlig unstrittig ist.
Vor fünf Jahren gab es auch noch keinen Rückfall in sozialistische Atavismen wie Enteignung und Mietendeckel.
[Beifall bei der CDU und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Frank-Christian Hansel (AfD): Bravo!]
Und ich frage mich, mit welcher Selbstüberschätzung eigentlich die Neosozialisten hier im Hause glauben, dass nun ihre Generation angetreten ist, es endlich richtig zu machen, nachdem alle Vorgänger gescheitert sind. Eine solche Unbelehrbarkeit ist eigentlich kaum zu begreifen.
Der 9. November ist ein vielschichtiges Datum in der deutschen Geschichte. Er mahnt uns und ruft uns in Erinnerung, was nie wieder passieren darf. Der 9. November 1989 war in jedem Fall ein glücklicher Tag. Aber auch er hat eine Mahnung, dass nämlich Freiheit und Sozialismus nicht vereinbar sind.
[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]
Freiheit wiederum ist die Voraussetzung für Demokratie. Deshalb: nie wieder Sozialismus, nie wieder Kommunismus! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
[Anhaltender Beifall bei der CDU und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 9. November ist ein sehr deutscher Gedenktag. Er steht für die Novemberrevolution 1918, er steht für die Pogromnacht des Jahres 1938. Aber, er steht eben auch für den vielleicht glücklichsten Moment der deutschen Geschichte, für den Tag im Jahr 1989, an dem sich die Berlinerinnen und Berliner aus beiden Teilen der Stadt in den Armen lagen. Es stimmt nachdenklich, wie viele Träume und Hoffnungen von damals nicht in Erfüllung gegangen sind. Darüber wird in den nächsten Tagen ziemlich viel gesprochen und diskutiert werden. Ich möchte aber das Augenmerk auf die Zukunft lenken und
Vor ein paar Wochen bin ich mit meiner sechsjährigen Tochter auf dem Weg nach Teltow gewesen und dabei haben wir den Berliner Mauerweg überquert. So kam es, dass ich ihr etwas über die Teilung unserer Stadt erzählt habe. Ich sage Ihnen, es ist alles andere als leicht, diese Geschichte einer Sechsjährigen zu vermitteln. Für sie muss sich das angehört haben wie ein bizarres Märchen, das Pankowerinnen, die 30 Jahre vor ihr am gleichen Ort wie sie geboren und aufgewachsen sind, damals nicht einfach in die S-Bahn steigen und nach Lichterfelde fahren konnten. Wie konnte ich ihr verständlich machen, dass die Straße, auf der wir gerade unterwegs waren, von einer unüberwindlichen Mauer geteilt wurde?
Die Vermittlung unserer gemeinsamen Geschichte an die Nachgeborenen, das ist eine Riesenherausforderung. Mittlerweile haben ja auch die Älteren und die Vermittelnden keine eigenen Erfahrungen mehr mit der Teilung und ihren bitteren Konsequenzen.
Eine besondere Herausforderung ist und bleibt die Verantwortung für die Opfer. Sie verdienen Anerkennung, Respekt und Rehabilitation, ohne Fristen und Einschränkungen. Deshalb freue ich mich sehr, dass der Deutsche Bundestag unserer Länderinitiative gefolgt ist und die Entfristung der Unrechtsbereinigungsgesetze kürzlich beschlossen hat.
Genauso wird es eine Herausforderung bleiben, insbesondere in Westdeutschland, noch stärker ins öffentliche Bewusstsein zu verankern, dass die Geschichte der deutschen Teilung und der kommunistischen Diktatur in der DDR ein gesamtdeutsches Thema sind und zum selbstverständlichen Teil der Bildung werden müssen.
Dazu gehört auch die Tatsache, dass die Ostdeutschen mit der Friedlichen Revolution die kommunistische Diktatur gewaltlos überwunden haben, sie haben die Mauer niedergerissen und das Tor zur Einheit geöffnet. Dem gebührt ein fester Platz in der deutschen Erinnerungskultur.
[Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP – Beifall von Hanno Bachmann (AfD)]