Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Ja, Herr Regierender Bürgermeister, Herr regierender Aufsichtsratsvorsitzender! Deutlicher hätte man Ihre Prioritätensetzung jetzt auch nicht machen können.

[Beifall bei der CDU und der AfD]

Trotz allem: Der Anlass, dieses Thema heute zur Priorität anzumelden, ist ja keiner, der fröhlich stimmen kann. Ich persönlich hätte nach vier sehr quälenden Jahren im BER-Untersuchungsausschuss schon die Hoffnung gehabt, dass die Zeit der Katastrophenmeldungen endlich mal vorbei ist. Und ich hatte sogar die Hoffnung, dass die Flughafenbaustelle trotz aller bekannten Probleme auf einem guten, jedenfalls auf einem besseren Weg ist als in den Jahren zuvor. Diese Hoffnung hat sich am vergangenen Wochenende ziemlich brutal zerschlagen, und Berlin steht einmal mehr blamiert da. Und dafür, Herr Müller, tragen Sie in Ihrer so unvergleichlichen wie unverantwortlichen Art die Hauptverantwortung. Denn anstelle einer Strategie zur Bewältigung dieser neuen Krise, anstelle eines Plans erkennt man in diesen Tagen einmal mehr vor allem, wie es um den Zustand Ihrer Koalition bestellt ist. Die Neubesetzung des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft steht bevor. Vor ein paar Minuten haben wir im RBB mit Ihren Koalitionspartnern darüber diskutiert, und auch da war die Planlosigkeit sichtbar. So recht wusste keiner, was am Dienstag im Senat passieren wird und wer denn überhaupt in diesen Aufsichtsrat entsandt werden soll. Frau Pop will Ihnen auf gar keinen Fall folgen und von der Linken bestenfalls der Kultursenator. Als Baudenkmal, als technisches Mahnmal muss man es ja vielleicht bald in die Geschichte eingehen lassen.

[Heiterkeit]

Allzu groß jedenfalls scheint bei beiden Koalitionspartnern das Vertrauen in Ihre Fähigkeiten nicht zu sein, und das, sage ich, haben die mit uns gemeinsam. Auch wir haben dieses Vertrauen nicht.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Ein klein wenig habe ich ja Verständnis. Wer seit Wochen ununterbrochen mit einer zerstrittenen Pannenkoalition zu tun hat, der kann sich wohl tatsächlich kaum noch um einen Pannenflughafen kümmern. Aber das ist kein Zustand. Diese Baustelle braucht Professionalität, und sie braucht vor allem jemanden, der sich von der Spitze her mit Zeit und mit Sachverstand darum kümmert, und deswegen sagen wir heute: Machen Sie den Weg frei für eine echte Professionalisierung dieses Aufsichtsrats!

Sie haben sich hier in diesem Haus monatelang hingestellt und – obwohl es inzwischen alle Spatzen von den Dächern gepfiffen haben, dass die Eröffnung noch mal verschoben wird – von Chancen, von Restmöglichkeiten, von was auch immer gesprochen, dass 2017 noch das Jahr ist, für das Sie von einer Eröffnung ausgehen. Das haben Sie hier im Parlament getan, dort, wo auch wir Rechenschaft und Klarheit eingefordert haben. Und dann haben Sie die Chuzpe, die Eröffnung ganz nebenbei am Samstag strickpullilässig auf einer SPD-Fraktionsklausurfahrt abzublasen, ohne jede Abstimmung mit den übrigen Gesellschaftern, vorbei an Öffentlichkeit und Parlament. Das ist – mit Verlaub – schlicht und ergreifend eine Unverschämtheit.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP – Torsten Schneider (SPD): Das war sehr öffentlich!]

Sie wollen uns ernsthaft erzählen, dass Sie nicht längst gewusst haben, dass 2017 als Eröffnungsjahr nicht zu halten ist? Meinen Sie wirklich, dass irgendjemand in dieser Stadt Ihnen abnimmt, die Nachricht über diese weitere millionenteure Terminverschiebung sei nicht ganz bewusst mit Rücksicht auf Ihren Wahlkampf hier in Berlin zurückgehalten worden? Ich sage Ihnen: Entweder Sie haben die Berlinerinnen und Berliner über die tatsächliche Lage auf der Baustelle getäuscht, oder Sie haben auch in Ihrer Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender endgültig jeden Überblick verloren.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Warum hat Herr Henkel nichts dazu gesagt?]

Übrigens: Wenn Sie, wie Sie heute gesagt haben, am 12. Januar tatsächlich erstmals von den Problemen erfahren haben, warum haben wir hier nichts davon gehört? Warum nicht im Hauptausschuss, der auch am 18. Januar getagt hat? Das ist kein gutes Regieren, das ist eine Zumutung für alle Berlinerinnen und Berliner. Es ist auch eine Zumutung für die anderen Gesellschafter und für uns hier in diesem Haus. Sie handeln planlos, hilflos und dazu auch noch dreist.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP]

Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie jede Schraube selbst anziehen, aber wir erwarten von Ihnen, dass Sie zumindest ein Mindestmaß an Professionalität an den Tag legen. Immer nur mit dem Finger auf Herrn Mühlenfeld zu zeigen, das ist eines Regierenden Bürgermeisters und

auch eines Aufsichtsratsvorsitzenden absolut unwürdig. Das hat die Stadt nicht verdient, und das hat im Übrigen auch Willy Brandt nicht verdient.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD – Oh! von der SPD]

Sie haben mehr Ressourcen als jeder Ihrer Vorgänger, Sie haben umfangreiche Stabsstrukturen aufgebaut, Sie haben einen hochdotierten Staatssekretär, und trotzdem kommen wir mit Ihnen keinen Schritt weiter.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Der kriegt genauso viel wie die anderen Staatssekretäre!]

Es ist an der Zeit, Konsequenzen zu ziehen. Haben Sie den Mut dazu! Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihrem Parteivorsitzenden! Er hat vorgemacht, wie sich ein verantwortungsvoller Sozialdemokrat verhalten sollte, wenn es für ihn und mit ihm keine Perspektive mehr gibt.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Zeigen Sie Einsicht, zeigen Sie Haltung!

Herr Evers! Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede!

Letzter Satz: Ordnen Sie die Strukturen im Aufsichtsrat und in der Gesellschafterversammlung neu! Dabei hätten Sie uns an Ihrer Seite. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt Herr Abgeordneter Stroedter das Wort. – Bitte schön!

[Stefan Evers (CDU): Könnt ihr nicht Raed schicken?]

Jeder kriegt seinen Redner, den er braucht. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Evers! Nach der Rede weiß ich, warum Sie auf dem CDU-Parteitag als Generalsekretär nur 30 Prozent bekommen haben.

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Lachen bei der CDU]

Schwächer geht’s nimmer. Denn Sie tun so, als ob Sie seit Jahren in der Opposition sind, all diese Forderungen schon immer gestellt haben und jetzt wieder mal neu stellen wollen. Fakt ist doch, dass Sie hier schreiben:

Aufsichtsrat der FBB qualifizieren – endlich externen Sachverstand stärken!

Aber wer saß eigentlich in den letzten fünf Jahren im Aufsichtsrat?

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Er meinte Henkel!]

Der sitzt übrigens hinter Ihnen. Das war Frank Henkel.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Deshalb hat er es doch geschrieben!]

Frank Henkel saß in dem Aufsichtsrat, er hatte fünf Jahre Zeit, sich da entsprechend zu positionieren.

[Udo Wolf (LINKE): Der Brandexperte und Feuerwehrsenator!]

Lieber Kollege Henkel! Sie waren ja selber im Untersuchungsausschuss und wissen, was Sie gesagt oder nicht gesagt haben. Ich kann also überhaupt nicht nachvollziehen, dass Ihre Fraktion, nachdem Sie gerade erst im Dezember den Aufsichtsrat verlassen haben, jetzt heute diesen Antrag hier stellt. Der ist mit der heißen Nadel genäht, weil Sie eine Aktuelle Stunde haben wollten. Die hätte Ihnen der Regierende Bürgermeister auch gegeben, wenn Sie es gewollt hätten. Die ist jetzt nicht zustande gekommen. Wir haben ein anderes Thema behandelt, und nun musste dieser Antrag an dieser Stelle behandelt werden.

[Zurufe von der CDU – Heiko Melzer (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Evers! Was sind denn eigentlich für Sie „nicht mehr aktive Politiker“? – Ich hätte da für Sie einen Vorschlag.

Herr Stroedter! Lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Melzer zu?

Ja, immer gerne.

Bitte, Herr Melzer!

Herr Kollege! Ich habe die Frage, wie es um die Durchsetzungsfähigkeit der SPD bestellt ist, wenn der Regierende Bürgermeister etwas möchte und die SPD-Fraktion das dann aber innerhalb der Koalition nicht umsetzen kann – nämlich die Aktuelle Stunde, auf die Berlin gewartet hat. Vielleicht können Sie in dem Zusammenhang auch noch mal darauf eingehen, ob der Aufsichtsratsvorsitzende eines Unternehmens – Sie sind ja da im Beteiligungsbereich sehr versiert – nicht eine besonders große Verantwortung hat.

[Udo Wolf (LINKE): Frage!]

(Stefan Evers)

Wo sehen Sie denn die Verantwortung des Aufsichtsratsvorsitzenden, des Regierenden Bürgermeisters Müller, beim BER? Haben Sie da keine Erwartung?

[Sven Kohlmeier (SPD): Das sind jetzt fünf Fragen gewesen, oder?]

Also, das war jetzt eigentlich ein Referat und keine Frage. Aber eigentlich kennen Sie als Geschäftsführer ein bisschen die Geschäftsordnung. Natürlich hat der Aufsichtsrat eine Verantwortung, und natürlich hat auch der Aufsichtsratsvorsitzende eine besondere Verantwortung, aber letztendlich ist es so, dass die Flughafengesellschaft dafür verantwortlich ist, dass die Baustelle funktioniert. Der Aufsichtsrat hat zu kontrollieren, und das wird regelmäßig gemacht, und gerade der Aufsichtsratsvorsitzende Michael Müller ist jemand, der sich sehr akribisch um diese Punkte entsprechend kümmert. Deshalb frage ich noch mal: Was ist der Frust der CDU nach den fünf Jahren, wo Sie Herrn Henkel da fünf Jahre entsprechend drin hatten, und was können Sie jetzt entsprechend liefern? Was ist denn – das war ja meine Frage eben schon, als Sie mich mit Ihrem Koreferat unterbrochen haben –

[Heiterkeit – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

jetzt der Vorschlag? Sie sagen, dass Sie nicht aktive Politiker an der Spitze haben wollen. Ich hätte da für Sie einen Vorschlag. Da ist die alte Verbindung zur Bankgesellschaft gut. Der Ex-Kollege Landowsky, der wäre so ein nicht aktiver Politiker. Den können Sie uns doch hier entsprechend präsentieren, wenn das die Lösung ist.

[Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]