Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

[Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]

Sie wissen doch ganz genau, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass wir uns gemeinsam, als Michael Müller Regierender Bürgermeister wurde, darum bemüht haben, zu gucken, wen wir in den Aufsichtsrat hineinbekommen. Das war schon damals extrem schwierig mit der Wirtschaft. Das Land Berlin hat vier Plätze in diesem Aufsichtsrat. Zwei standen in der alten Koalition ja faktisch der CDU zu. Mir ist so, dass Sie den zweiten Platz ein halbes Jahr gar nicht besetzt haben. Wenn es Ihnen so wichtig wäre, hätten Sie in der alten Regierung lange genug Zeit gehabt, in diesem Aufsichtsrat Verbesserungen vorzunehmen. Jetzt allein aus der Opposition heraus das zu fordern, ist lächerlich und absurd, und es ist niveaulos.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Das hilft uns auch nicht weiter.

[Stefan Evers (CDU): Natürlich hilft uns das weiter!]

Und wer sitzt denn noch in dem Aufsichtsrat? Sie haben auch über den Bund die Möglichkeit, etwas zu machen. Da sitzen zwei Staatssekretäre auf der Bundesseite drin.

Einer davon ist, glaube ich, auch in der CDU. Auch da könnten Sie etwas machen. Da passiert gar nichts. Die Möglichkeiten haben Sie alle, auch die gehen entsprechend dort hinein. Es fehlt aus Ihrer Sicht der externe Sachverstand, aber dann reden Sie auch mal mit den anderen Gesellschaftern entsprechend darüber!

Wir werden uns sicherlich in den nächsten Wochen darüber unterhalten, wie es mit dem Aufsichtsrat insgesamt weitergeht. Da wird es eine entsprechende Entscheidung im Senat geben. Alle Plätze Berlins werden natürlich entsprechend besetzt. Wir haben mit Engelbert Lütke Daldrup einen absoluten Fachmann da an der Spitze.

[Heiko Melzer (CDU): Herr Müller ist an der Spitze!]

Deshalb, glaube ich, geht es einfach mal um etwas anderes, Herr Kollege Melzer, auch wenn man jetzt in der Opposition ist. Es geht darum, dass die ernsthaften Probleme am Flughafen leider wieder da sind.

[Stefan Evers (CDU): Eine Dreifachspitze!]

Die will ich auch gar nicht herunterspielen. Es ist ein Skandal, wenn 80 Prozent der Türen jetzt wieder nicht funktionieren. Es ist ein Skandal, wenn man jetzt feststellt, dass die Rohre der Sprinkleranlage zu klein sind und dass man wieder nachbessern muss, wo wir alle dachten, dass vieles positiv geworden ist. Regierungsflughafen ist geklärt, Schönefeld-Terminal ist geklärt, die Südbahn ist saniert, also viele positive Dinge sind passiert, aber nun ist es so, dass wir jetzt leider wieder mit dem Bau entsprechend anfangen. Das ist auch wieder ein Konjunkturprogramm für den Kollegen Czaja. Der wird gleich wieder sein Lieblingsspiel machen. Aber auch da ist die CDU – das will ich auch mal sagen – auf einem unglaublichen Weg. Während Czaja wenigstens noch einen Flughafen öffnen will, wollen Sie nur die Kanzlerin dort abfliegen lassen. Und gleichzeitig – und das ist der Witz an der Geschichte – fordert Ihr Bezirksbürgermeister in Reinickendorf, Frank Balzer, dass das Nachnutzungskonzept, das wir gemeinsam beschlossen haben, abgewickelt wird und dass das zustande kommt. Der hat wenigstens noch Charakter, der geht nicht so schnell aus der alten Formation heraus, der weiß, was Glaubwürdigkeit in der Politik ist. Das, was Sie hier abziehen, Herr Evers, ist einfach nur eine lächerliche Nummer, und die nimmt Ihnen heute hier an dieser Stelle keiner ab! – Danke sehr!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Sebastian Czaja (FDP)]

Vielen Dank! – Herr Evers hat eine Kurzintervention angemeldet. – Bitte, Sie haben das Wort!

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD) – Udo Wolf (LINKE): Jetzt erfahren wir, was Herr Henkel im Aufsichtsrat alles geleistet hat!]

(Heiko Melzer)

Lieber Herr Stroedter! Schönen Dank noch mal für die Erinnerung daran, dass Sie geradezu darum gekämpft haben, dass der Regierende Bürgermeister heute hier Gelegenheit bekommt, sich zu erklären, und dass es leider Ihre Koalitionspartner der Linken und der Grünen waren, die das verhindert haben, aber mit Verlaub, der Regierende Bürgermeister hat zu jeder Zeit die Möglichkeit, sich an dieses Pult zu stellen und uns gegenüber Rechenschaft abzulegen. Ich lade Sie herzlich ein, genau das zu tun. Warten Sie nicht auf eine Aktuelle Stunde, tun Sie es jetzt und hier!

[Torsten Schneider (SPD): Kommen Sie mal ein bisschen runter! – Regierender Bürgermeister Michael Müller: Waren Sie in der Fragestunde nicht da?]

Nutzen Sie die Chance, sich gegenüber diesem Parlament zu erklären, genau das, was Sie fahrlässigerweise in den letzten Tagen unterlassen haben, denn es ist und bleibt ein Unding, wie das abgelaufen ist. Und das hat jetzt nichts damit zu tun, dass meine Erwartung ist, dass Michael Müller persönlich die Türen am Flughafen repariert,

[Udo Wolf (LINKE): Nein, das hat der Herr Henkel schon gemacht!]

sondern meine Erwartung ist, dass er Klarheit und Wahrheit gegenüber diesem Parlament walten lässt. Und das kann er jetzt tun! Wir laden ihn dazu herzlich ein! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Daniel Buchholz (SPD): Welche Fragen sind nicht beantwortet?]

Herr Stroedter! Möchten Sie erwidern?

[Jörg Stroedter (SPD): Das war so schwach!]

Gut, dann hat jetzt für die Fraktion der AfD Herr Hansel das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen Abgeordnete! Liebe Gäste! Die Aufsicht über die Flughafengesellschaft hat ganz offensichtlich nicht funktioniert, mehrere Geschäftsführer wurden ausgetauscht, die Aufsichtsräte blieben mit den politischen Spitzen der Gesellschaft besetzt – ein Zeichen für strukturelle Verantwortungslosigkeit. Die öffentliche Hand sendet Vertreter in den Aufsichtsrat, die mit seiner eigentlichen Arbeit schon so sehr ausgelastet sind, dass sie für die Kontrolle eines Milliardenprojekts gar keine Zeit und häufig auch keinen fachlichen Hintergrund haben. Das ist eigentlich das Schlimme daran.

Beim Flughafen BER war und ist dieser Aufsichtsrat in dieser Zusammensetzung nicht in der Lage, die Arbeit der Geschäftsführung bei diesem Großprojekt wirksam zu überwachen und ggf. einzugreifen, wo es nottut. Es sitzen zu wenige Köpfe im Aufsichtsrat, die Ahnung von der Steuerung und Kontrolle von Großprojekten haben. Natürlich können und sollen politische Ländervertreter Einfluss auf das politische Gelingen eines Großprojektes haben – Herr Müller hat das heute Morgen nicht ganz falsch gesagt –, da sie durchaus zum Erfolg beitragen können oder könnten, aber sie müssen nicht Vorsitzende sein, und sie sollen es eben auch nicht mehrheitlich sein.

Neben den Politikern muss man bei der Zusammensetzung eines Aufsichtsrats darauf achten – vor allen Dingen hier –, mehr Mitglieder mit Sachkenntnis zum Flughafenbetrieb und zum ganzen Handling aufzunehmen – jemanden von einer anderen Flughafengesellschaft, der mit derartigen Bauvorhaben schon Erfahrung hat und sich nicht mit möglichen Märchen beim Baufortschritt abspeisen lässt. Klar, solche Leute kosten Geld. In der Privatwirtschaft können selbst fachfremde Gewerkschaftsfunktionäre – da gucke ich mal in die Mitte und nach links – im Jahr beim DAX-Konzern rund 200 000 Euro verdienen. Das geht natürlich bei einem Projekt der öffentlichen Hand nicht. Dennoch: Wir brauchen kompetente Aufsichtsräte, die dann auch anständig zu bezahlen sind.

Im Ergebnis: Wir stimmen dem Antrag der Kollegen der CDU zu – einer CDU, die allerdings das Desaster auf Berliner Seite mit dem ehemaligen Senator Henkel im Aufsichtsrat natürlich mit zu verantworten hat. Davon kommen Sie auch wahrscheinlich nicht so schnell wieder runter. Wir wollen aber auch einen Schritt weitergehen und werden noch in dieser Wahlperiode eine parlamentarische Initiative starten, nämlich eine Art Amtshaftung einführen, also einen unabhängigen Amtsankläger institutionalisieren, der dann auch Steuerverschwendung ahnden kann.

[Beifall bei der AfD]

Wegen des BER haben wir das in unser Wahlprogramm geschrieben, und da sollten Sie übrigens gerne öfters mal reinschauen, dann lernen Sie das ein oder andere vielleicht auch noch dazu, ohne immer nur zu hetzen, wie wir das heute Morgen wieder erlebt haben.

[Beifall bei der AfD – Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Das mit der Amtshaftung ist juristisch, und das wissen wir, nicht ganz so einfach, wie man sich das wünschen würde, aber es kann und darf nicht dabei bleiben, dass Politiker durch immer neue Projektanforderungen ein Bauvorhaben erweitern, verändern, damit verzögern und für den Steuerzahler verteuern, und dies, ohne im Grundsatz strukturell zur Verantwortung gezogen werden zu können. Das muss aufhören, um die Sensibilität für das, was man verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern nennt, zu schaffen. Dazu muss man gesetzliche

Instrumente schaffen, um hier Schlussstriche zu ziehen, damit man gar nicht mehr in die Überlegung hineinkommt, so etwas Unverantwortliches zu machen.

[Beifall bei der AfD]

Versäumen Sie es nicht, mit dem Umbau des Aufsichtsrats und Ihrem Rücktritt endlich ausreichend Luftfahrtexperten in das Gremium zu holen! Es ist die letzte Chance dieses Senats!

Unabhängig davon fordern wir, dass alle im Berliner Abgeordnetenhaus und im Brandenburger Landtag vertretenen Parteien je einen Sitz mit Beobachterstatus erhalten, natürlich ohne Stimmrecht und ohne Vergütung, also Zugang zum Kontrollgremium bekommen, um durch ihre Teilnahmemöglichkeit die Gelegenheit zu erhalten, Informationen aus erster Hand zu bekommen. Dann müssen Sie auch nicht immer mit irgendwelchen neuen Geschichten herumdrucksen. Dabei geht es selbstverständlich nicht um eine Aufblähung des Gremiums – darum kein Stimmrecht –, aber glauben Sie mir, diese neue Art der Transparenz würde sicher einen disziplinierenden Effekt haben.

Also, machen Sie Ihre eigenen Kapazitäten frei, Herr Müller, nehmen Sie sich Zeit für die Entwicklung eines Konzeptes für ein bedarfsgerechtes Berliner Flughafensystem, denn Berlin braucht für seine wirtschaftliche Entwicklung dringend mehr direkte internationale Flugverbindungen und ein vernünftiges System. Dafür wird ein Flughafenkonzept benötigt, das auch in zehn, fünfzehn und 25 Jahren dem wachsenden Bedarf gerecht werden kann. Geben Sie sich einen Ruck! Denken Sie in der richtigen, unserer Stadt würdigen Dimension! Wenn Sie es nicht tun, wir sind erstens angetreten, genau dieses zu tun, und zweitens, um zu bleiben, um das auch in den nächsten Wahlperioden zu machen. – Danke!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Schatz das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Was für ein Theater, und angesichts der Rede, lieber Kollege Evers, müsste man sagen: Haben Sie es nicht eine Nummer kleiner? Sie kommen hier wenige Monate, nachdem die CDU nicht mehr im Senat sitzt, mit einem Antrag an, der nicht einer gewissen Komik entbehrt. Ich habe mal nachgeschaut, und vielleicht für die Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht dabei waren in der letzten Legislaturperiode,

[Zuruf von Oliver Friederici (CDU)]

empfehle ich Ihnen die Plenarprotokolle vom 25. Oktober 2012 und vom 8. Mai 2014. Da haben wir etwa über

ähnlich lautende Anträge gesprochen, wo die CDU – namentlich Herr Friederici

[Oliver Friederici (CDU): Hier!]

und Herr Evers, die hier beide unter diesem Antrag mit unterschrieben haben – wortreich erklärt hat, weshalb das Ansinnen, das Sie hier selber vortragen, den Aufsichtsrat mit Expertinnen und Experten zu besetzen, völliger Unsinn ist – und meiner Kollegin Jutta Matuschek, die damals das Wort für die Partei Die Linke hatte, beigestimmt haben, wenn sie argumentiert hat, dass natürlich öffentliche Unternehmen auch öffentlich zu verantworten sind. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie sind an dieser Stelle einfach furchtbar inkonsequent!

[Beifall bei der LINKEN– Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Ich habe mich an Ihrem Text entlanggehangelt, und dann steht hier: „fordert die CDU seit Jahren“. Angesichts dessen kommt mir das alte Konrad-Adenauer-Zitat wieder in den Kopf: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? –, das Sie hier wieder mit neuem Leben erfüllen.

[Zuruf von Oliver Friederici (CDU)]

Und natürlich ist es auch furchtbar inkonsequent – der Name Henkel ist hier schon mehrfach gefallen, er war seit vier Jahren im Aufsichtsrat –, wenn Sie seit vielen Jahren der Meinung sind, dass da Expertinnen und Experten hingehören, warum hat der Parteivorsitzende damals der Berliner CDU nicht einfach seinen Rücktritt aus dem Aufsichtsrat erklärt und gesagt, ich möchte, dass da Expertinnen und Experten hinkommen? Mir ist Derartiges nicht bekannt geworden.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Ein Generalist!]