Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Ja, ich bin jetzt auch zu Ende!

Also nein!

Ich gestatte die Zwischenfrage.

Gut! – Dann hat Frau Bayram jetzt das Wort.

Vielen Dank, Herr Kollege! – Ich würde mich jetzt wirklich auf Ihren Antrag berufen, worin Sie einen Plan fordern. Können Sie mir sagen, ob Sie ernsthaft davon ausgehen, dass – wenn wir heute den Auftrag, dass der Senat einen Plan erstellen soll, den er wahrscheinlich auch schon ohne uns hat – das ab morgen für die Wohnungslosen in Berlin sozusagen wirkt? Ist das Ihr Ernst?

Ich fordere, wenn Sie meinen Antrag gelesen hätten – –

[Canan Bayram (GRÜNE): Habe ich!]

Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales – das ist Ihr Senat – wird beauftragt, morgen einen Notstandsplan zu entwerfen und natürlich dem Parlament nach Möglichkeit vorzulegen

[Stefan Ziller (GRÜNE): Morgen steht da gar nicht!]

oder in den nächsten Tagen zu entwerfen, denn der jetzige Plan ist zu wenig. Sie haben doch nur 820 Plätze. Was wollen Sie? Sie brauchen 3 000 Plätze.

[Canan Bayram (GRÜNE): Damit geben Sie zu, dass der Senat einen Plan hat!]

Nein, er hat keinen Plan, deswegen soll er einen machen! Das ist doch der Sinn.

[Beifall bei der AfD – Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Sozialismus ist nicht immer sozial!]

Vielen Dank! – Frau Radziwill hat jetzt für die Fraktion der SPD das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Meine Damen, meine Herren! Es gibt hier auch viele Genossinnen und Genossen in unseren Reihen. Auch die begrüße ich ganz besonders.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU]

Sehr gerne! – Ja, dieses Thema Wohnungslose und Obdachlose eignet sich in der Form, wie Sie es heute in Ihrem Antrag eingebracht haben, überhaupt nicht als Feigenblatt, um sich sozial zu zeigen. Es eignet sich auch nicht dafür, ein menschenverachtendes Gedankengut hinter bestimmten schönen, guten Sachen zu verstecken.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Bäh, bäh, bäh!]

Es ist ein kurzer Antragstext mit einer langen Begründung, und es lohnt sich, diese Begründung bis zum Ende zu lesen. Denn dort steht im letzten bzw. vorletzten Absatz das, was die AfD eigentlich will. Dort steht, dass die Obdachlosen Störer sind. Da steht, dass die Obdachlosen im Kern weggesperrt werden sollen.

[Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

Ich zitiere:

Wir regen daher an, unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von dem Zwangsmittel des Verbringungsgewahrsams … Gebrauch zu machen.

Ich kann nur sagen: Da kann man ja fast bedauern, dass es im Parlament keinen Verbringungsgewahrsam gibt.

Frau Radziwill! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Vallendar?

Nein! Gestatte ich nicht. – Ich wiederhole meinen letzten Satz – ich glaube, er ist nicht gut verstanden worden, da Sie dazwischenkamen.

[Heiterkeit bei der LINKEN]

Ich wollte ergänzen, dass man ja bedauern kann, dass es im Parlament keinen Verbringungsgewahrsam für Sie gibt!

[Heiterkeit bei Torsten Schneider (SPD) – Zuruf von der AfD: Sie missachten den Wähler!]

Beispielsweise die Kantine wäre ein geeigneter Ort.

Wenn man diesen Antrag weiter liest, so steht dort, dass in Berlin die Obdachlosenhilfe privatisiert ist. Auch das stimmt in der Form nicht. Wir haben den Grundsatz des Subsidiaritätsprinzips. Demnach kann auch der Staat in Zusammenarbeit mit Wohlfahrtsverbänden, unter anderem mit Trägern, bestimmte Sachen verabreden, und so funktioniert es auch.

Sie schreiben in Ihrer ausgiebigen Begründung, dass bestimmte Plätze nicht ausreichend sind usw. Keiner von uns hat gesagt, dass hier die Welt in Ordnung ist und es ausreicht. Im Gegenteil! Ich war diejenige, die bei der letzten Plenarsitzung ausdrücklich nach der Anzahl der Kältehilfeplätze gefragt hat. Die interessante Formulierung ist aber folgende: Der Vorgängersenator für Soziales hat in der Vorbereitung seine Aufgaben nicht ordentlich erledigt. – Wir sagen, dass wir mindestens 1 000 Plätze wollen, und das werden wir auch in dieser Kältehilfesaison erreichen. Eine Größenordnung von 850 ist schon sehr beachtlich. Selbstverständlich muss die Zahl noch weiter erhöht werden.

Gucken wir uns jetzt einmal unseren Koalitionsvertrag an! Da haben wir eine ganze Menge guter Sachen fest vereinbart. Und wenn Sie sich all das durchlesen, werden Sie feststellen: Einen Plan, so, wie Sie ihn hier beschreiben, brauchen wir definitiv nicht, und schon gar nicht, um Obdachlose als Störer zu bezeichnen oder wegzusperren. Wir werden sicher diesen Antrag noch im Ausschuss vertieft beraten, aber ich will die letzte Minute noch verwenden, um darzustellen, was wir alles im Koalitionsvertrag durchzusetzen vorhaben.

Wir wollen die Leitlinien der Wohnungslosenpolitik gemeinsam endlich voranbringen und weiterentwickeln. Wir wollen ein umfassendes Konzept zur Prävention und zum Schutz von Wohnraum bzw. zur Verhinderung des Verlusts von Wohnraum vorbringen. Wir wollen mit den Betroffenen in der Kältehilfe die Plätze weiter aufstocken. Und aus meiner Sicht brauchen wir die Plätze nicht nur vom 1. November bis 31. März, sondern wir müssen diesen Zeitraum wesentlich erweitern. Ich kann mir vorstellen beispielsweise von Oktober bis April. Wir müssen und wollen auch die ganzjährige Unterbringung und Vermittlungseinrichtung bedarfsgerecht ausbauen – auch das ist sehr wichtig – und das Verbinden mit Beschäftigungsinitiativen. Ich denke, das ist auch eine ganz neue Argumentation. Auch die Anzahl der Plätze zum Beispiel für Frauen und Ältere werden wir erhöhen. Auch das ist jetzt schon in dieser Kältehilfesaison erfolgt.

Das Hilfesystem hier funktioniert. Es muss weiter ausgebaut werden. Daran arbeiten wir. Dafür brauchen wir nicht Ihren merkwürdigen Plan. – Danke!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Die Fraktion der AfD hat eine Kurzintervention angemeldet. – Herr Vallendar, bitte, Sie haben das Wort!

Sehr geehrte Kollegin Radziwill! Erst einmal möchte ich mich dagegen verwahren, dass Sie unsere AfD-Abgeordneten in Verbringungsgewahrsam bringen wollen. Sie haben anscheinend keinerlei Ahnung von juristischen Fachbegriffen oder von dem Polizei- und Ordnungsrecht, halten hier aber eine Rede und machen uns Vorwürfe, nach dem Motto, wir wollten die Obdachlosen wegsperren. Es gibt den Fachbegriff des Störers. Das heißt aber auch, ein Störer kann auch derjenige sein, der sich selbst stört, indem er sein Leben gefährdet, indem er in kalten Nächten draußen schläft.

[Zuruf Canan Bayram (GRÜNE)]

Wenn dann die Polizei nicht handelt und diese Leute nicht von der Straße holt und sie an einen warmen Platz zum Schlafen bringt – auch gegen ihren Willen –, ist das verantwortungslos. Das, was Sie hier machen, ist verantwortungslos. Wenn 3 000 Obdachlose draußen schlafen, wir aber nur 820 Plätze haben und es draußen minus 20 Grad sind: Dann wollen Sie nichts tun? Dann wollen Sie die Polizei nicht handeln lassen? Ich finde das absolut daneben. Wenn Sie uns vorwerfen, unmenschlich zu sein: Das ist unmenschlich!

[Beifall bei der AfD]

Frau Radziwill! Möchten Sie erwidern? – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Ich glaube, ich habe den wunden Punkt bei Ihnen getroffen. Sie müssen noch ein bisschen Schularbeiten machen. Viel Spaß! Im Ausschuss werden wir das noch vertieft beraten.

Was wir hier machen, ist eine sehr verantwortungsvolle Politik. Die Kältehilfe wird ausgebaut. Und was wir hier brauchen, ist mehr Prävention. Wir sind die größte Metropole zwischen Paris und Moskau, gerade in den Wintermonaten kommen auch vermehrt Menschen, die Schutz und Hilfe bei uns suchen, und deshalb wird auch das Programm ausgebaut werden. Ihre Kritik müssen Sie in erster Linie an Ihre, mit Ihnen häufig klatschenden CDU-Kollegen richten, denn dort wurden in der vergangenen Legislaturperiode weder von dem Innensenator noch dem Sozialsenator gemeinsame Anstrengungen durchgeführt.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf von rechts: Dann hätten Sie es zur Chefsache machen müssen!]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt Herr Penn das Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder Obdachlose, erst recht jeder Kältetote, ist einer zu viel. Das, denke ich, ist unstrittig in diesem Haus. Deshalb hat der vorangegangene Senat, konkret der bisherige Sozialsenator Mario Czaja, in der letzten Legislaturperiode die Mittel für die Obdachlosenhilfe um mehr als 1 Million Euro erhöht.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Im Winter 2015/2016 wurden über 150 Plätze geschaffen. Für den laufenden Winter wurden Voraussetzungen für weitere Plätze geschaffen, allein bei der Kältehilfe für die Erhöhung von 500 auf 800 Plätze. Ebenso wurde der Beitrag pro Schlafplatz erhöht.

Im Wahlprogramm der Berliner CDU haben wir uns zum Ausbau der Kooperation mit der Berliner Kältehilfe bekannt und für die Würdigung ehrenamtlicher Helfer ausgesprochen. Das war und ist uns als Christdemokraten eine Herzensangelegenheit. Dies zeigt im Übrigen auch der Einsatz der CDU-Fraktion in der vorangegangenen Legislaturperiode für die Einsetzung eines Ausschusses für bürgerschaftliches Engagement.