Protokoll der Sitzung vom 28.11.2019

Man sieht auch an der Art und Weise, wie Sie das eingebracht haben und hier sofort zur Abstimmung stellen, dass Sie kein Interesse haben und es nicht wirklich ernst mit einer gemeinsamen Entschließung meinen. So etwas ist möglich. Das haben wir hier im Haus auch schon öfter praktiziert. Wir haben eine Resolution verabschiedet gegen Hass und Intoleranz, in der übrigens auch politische Gewalt verurteilt wird, gegen Antisemitismus und andere. Da hat man sich aber vorher zusammengesetzt und hat einen Text zusammen ausgearbeitet, den dann alle zusammen mittragen können.

[Marc Vallendar (AfD): Uns hat nie einer gefragt!]

Diesen Weg haben Sie hier nicht gewählt. Es zeigt, dass Sie hier nicht an einer gemeinsamen Resolution interessiert sind. Wenn Sie es ernst gemeint hätten, seien wir einmal ehrlich, dann hätten Sie doch hier auch nicht einen solchen Text vorgelegt, der an intellektueller Einfältigkeit wirklich nicht zu überbieten ist.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Da wird gleichgesetzt Links und Rechts und alles andere, dass es nur so schlackert.

[Marc Vallendar (AfD): Extremismus ist gleichzusetzen, ob rechts oder links!]

Mit dieser Analyse werden Sie bei der Bekämpfung von politischer Gewalt nicht weit kommen und auch nicht mit einer solchen Floskelmaschine, die Sie während Ihrer Rede hier angeworfen haben, Herr Dregger.

[Zuruf von Burkard Dregger (CDU)]

Da haben wir auch eine inhaltliche Differenz.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Nein! – Ich finde, wir haben eine inhaltliche Differenz. So wenig, wie Sie hier die Unterschiede dieser verschiedenen Bereiche zur Kenntnis nehmen, so wenig werden Sie auch wirksame Instrumente gegen Phänomene finden wie Angriffe auf Polizeibeamte oder Ähnliches.

[Beifall bei der LINKEN]

Deshalb ist es schade darum. Man könnte sachlich und konstruktiv über dieses Thema reden. Ich bin auch gern bereit, das mit Ihnen zu tun. Aber das ist hier offensichtlich von Ihnen nicht gewollt. Es ist ein bisschen traurig, dass sich bei der CDU-Fraktion seit Jahren nichts daran geändert hat. Vor einigen Jahren hat uns Ihr Abgeordneter, Herr Juhnke, in der Aktuellen Stunde vorgeworfen, wir würden nachts mit dem Benzinkanister durch die Stadt ziehen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ihr macht es ja nicht selbst! Ihr lasst es machen!]

Da gab es große Aufregung, zu Recht. Seitdem versuchen Sie es immer wieder mit solchen Anwürfen, auch mit solchen Entschließungen. Ohne Erfolg. Sie können das auch gerne weitermachen. Das ist Ihr gutes Recht. Aber haben Sie Verständnis, dass wir heute nicht auf einen Nenner kommen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Das war es schon?]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt das Wort der Abgeordnete Luthe. – Bitte schön!

[Kurt Wansner (CDU): Ist denn die Rede freigegeben?]

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle bejahen den demokratischen Kampf, den Kampf der Meinungen und Argumente. Aber dieser Kampf beruht stets auf der Achtung vor den Überzeugungen des politischen Gegners, so falsch wir persönlich diese auch jeweils finden mögen. Wohin es führt, wenn der Kampf dieses Fundament verlässt, wenn er in blinden Hass, in Feindschaft, Bedrohung, Beleidigung, gar Gewalt gipfelt, haben wir in der bewegten Geschichte dieser unserer Stadt immer wieder erfahren müssen. Es wird Zeit, daraus zu lernen, Geschichte nicht mit neuen oder alten Begriffen, Akteuren und Taten zu wiederholen, sondern neu zu gestalten. Wer Feuer legt, wer Steine von Hausdächern wirft, wer gar aus kruden, vermeintlich politischen Motiven mordet, der ist schuldig.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) und – Dr. Turgut Altuḡ (GRÜNE)]

Wer angesichts des Wissens um die deutsche Geschichte Menschen aufgrund ihrer politischen Überzeugung ungleiche Rechte zubilligt, ist mitschuldig. Wer glaubt, im Namen seiner politischen Meinung in die Grundrechte seiner Mitbürger eingreifen zu dürfen, ist mitschuldig. Wer sich als Vertreter unserer Demokratie klammheimlich oder sogar offen über Straftaten zulasten des jeweiligen politischen Gegners freut, ist mitschuldig.

(Niklas Schrader)

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Sie alle sind schuldig daran, den Begriff der Politik, den Begriff des Politischen zu missbrauchen und damit die Axt an die Wurzel unseres demokratischen Staatswesens zu legen. Es gibt keine politisch motivierte Gewalt, denn wer zur Gewalt greift, verlässt den Bereich des Politischen und wird zum Straftäter.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) und – Dr. Turgut Altuḡ (GRÜNE)]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Vielen Dank, Herr Kollege Luthe, für das Zulassen der Zwischenfrage! Herr Kollege! Wir hatten jetzt in den letzten beiden Sitzungen des Innenausschusses den Phänomenbereich Neukölln, Rechtextremismus, 55 Straftaten. In der Folge gab es vollkommen richtige Maßnahmen, besondere Aufbauorganisationen und Ähnliches, massive polizeiliche Maßnahmen. Der Kollege Zimmermann sprach gerade von einem Zerrbild, das die Union quasi herstellen würde, im Rahmen der Bekämpfung des Extremismus. Wir beide haben herausgearbeitet, dass nur wir beide Opfer von über 100 Straftaten binnen zwei Jahren wurden. In dem Kontext keine besondere Aufbauorganisation, keine besonderen Ermittlungen. Im Gegenteil! Alle Verfahren wurden nach § 117 Abs. 2 StPO eingestellt.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Frage!]

Herr Woldeit! Kommen Sie bitte zu Ihrer Frage.

Teilen Sie die Einschätzung des Kollegen Zimmermann, dass hier ein Zerrbild geschaffen wird?

Herr Kollege Woldeit! Die Einschätzung kann ich durchaus teilen, aber in anderer Hinsicht als der Kollege Zimmermann das womöglich meint. Wir müssen in der Tat stets von Fakten sprechen. Wenn wir uns die Statistiken, die ich bekanntlich sehr schätze, zu politisch motivierten Gewaltdelikten anschaue, dann stellen wir fest, dass diese

erstens im letzten Jahr – insofern kann ich überhaupt keinen Erfolg dieses Senats sehen – wieder um knapp 18 Prozent angestiegen sind. Ich kann feststellen, dass wir nur da, wo es eben halt eigentlich ein Aufrechnen, so wie es der Kollege Zimmermann betreibt, aber auch so, wie Sie es gerade andeuten, lieber Kollege Woldeit, nicht geben kann, weil wir all diese Taten verurteilen müssen.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall bei der CDU]

Richtig ist aber, dass wir statistisch 125 Fälle sogenannter rechtspolitisch motivierter Gewalt, die eben halt für mich keine politische Motivation, sondern eben das Gegenteil von Politik ist, haben, und fast das Dreifache von linksmotivierten Gewaltdelikten. Insofern ist es ein Zerrbild, Herr Zimmermann, aber vielleicht nicht das, was Sie damit meinen.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Wir müssen uns aber damit befassen, welche Ursachen für diese Taten bestehen, wie wir diese Ursachen gemeinsam bekämpfen können. Aufgabe unseres Staatswesens ist es, die Taten dieser Straftäter zu verhindern. Wenn das schon nicht gelingt, das ist in Berlin leider sehr häufig der Fall, dann müssen wir sie zumindest aufklären und verurteilen. Beides gelingt in Berlin in der Tat nur sehr ungenügend. Etwa ein Drittel der vermeintlich politisch motivierten Delikte wird tatsächlich aufgeklärt. Zwei Drittel derer, die den Deckmantel des angeblich Politischen für ihre Straftaten verwenden, können dies ungestört weiter tun. Wir können diese, unsere Stadt nicht verbessern, wenn wir nicht auf ihre Schwächen und Fehler hinweisen. wenn wir nicht kritisieren, ob das ein Mietenthema ist, ob das ein Verkehrsthema ist, ob es eine Frage von sozialer oder auch objektiver Gerechtigkeit ist. Wir können nichts verbessern, wenn wir es nicht kritisieren. Wir müssen uns aber dabei bewusst sein, dass es sich bei dieser Kritik immer nur um eine politische Kritik handeln darf, wollen wir das verbindende Element, unser Miteinander, nicht verlieren, politisch, also mit Worten, sachlich, gern auch polemisch, aber nicht mit Taten, hasserfüllt mit dem Ziel, dem Gegenüber seine Meinung aufzuzwingen oder ihn gar zu vernichten.

Diese Debatte, dieser Antrag bietet die Chance, als ganzes Haus eine Bitte zu formulieren. Lassen wir uns alle nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass, gegen andere Menschen, gegen Russen oder Amerikaner, Israelis oder Araber, gegen Alternative oder Konservative, gegen schwarz oder weiß. Lernen Sie, miteinander in dieser Stadt zu leben und nicht gegeneinander.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wansner?

(Marcel Luthe)

Lassen Sie uns als Repräsentanten aller Berliner dies immer wieder beherzigen und ein Vorbild sein. Verteidigen wir die Freiheit, arbeiten wir für den Frieden, achten wir das Recht und dienen wir der stets subjektiven Gerechtigkeit – gewaltfrei. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Abgeordnete Lux. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die rot-rot-grüne Koalition lehnt jede Form von Gewalt ab. Wir verteidigen die weltoffene Gesellschaft. Gewalt und menschenfeindliche Angriffe werden von uns konsequent bekämpft, das nicht nur sprachlich, sondern wir handeln auch. Wir stärken die Polizei und die Justiz, die Prävention, soziale Arbeit, Opferhilfe und den Opferschutz. Unsere Bilanz, die kann sich sehen lassen. 800 zusätzliche Polizisten und Polizistinnen in den nächsten zwei Jahren, mehr Staatsanwälte und Richterinnen, wir haben auch den polizeilichen Staatsschutz, der zuständig ist für die Verfolgung von Extremismus, nahezu verdoppelt. Wir haben auch den Verfassungsschutz – obwohl man ihn hinterfragen kann, darf und muss – nicht angetastet und haben dort geringfügig die Anzahl der Stellen erhöht. Wir werden für die subjektive Sicherheit einen Beitrag leisten, indem es mehr mobile Wachen geben wird, auch die kiezorientierten Beamtinnen und Beamten werden wiederkommen. Wir zeigen mehr Präsenz in den Kiezen durch die Polizei.

Aber wir nehmen auch die Zivilgesellschaft mit, die in dem vorliegenden Antrag gar nicht adressiert ist, die aber im Sinne einer mündigen und aufgeklärten Bürgerinnen- und Bürgergesellschaft, in einer weltoffenen Gesellschaft notwendiger Bestandteil von Gewaltprävention ist. So stärken wir die Gewaltschutzambulanzen, die Deradikalisierungsprogramme und Prävention, wir stärken den Opferschutz und erhöhen den Fonds für Opfer von extremistischer Gewalt.

Zum vorliegenden Antrag haben wir in der Sache gleich schon am 24. November 2916 hier im Abgeordnetenhaus gesprochen und politisch motivierte Gewalt verurteilt, dann erneut am 13. Februar 2017 im Innenausschuss und am 9. März 2017 wieder hier im Plenum. Wir haben am 4. Mai 2017 unter dem Stichwort „1. Mai in Berlin – Dank an die Polizei für den besonnenen Einsatz, keine Toleranz für Linksextremisten“ eine längere Debatte abgehalten, wir haben am 22. Juni 2017 hier den Antrag „Kein parlamentarischer Rückhalt für linke Gewalt“ besprochen – in diesem Fall wieder linke Gewalt –, alles

Oppositionsanträge, die auf links adressiert haben, keiner, der auf rechts adressiert hat. Auch das spricht für sich. Am 22. Januar 2018 haben wir einen Antrag thematisiert „Silvesternacht 2017: Keine Toleranz von Angriffen auf und Gewalt gegenüber unseren Einsatzkräften“ und überall und immer wieder haben wir deutlich gemacht, dass wir hinter der Polizei stehen, dass wir hinter allen stehen, die sich gegen Gewalt einsetzen, die für Weltoffenheit in dieser Gesellschaft kämpfen. Deswegen bin ich meinem Vorredner sehr dankbar, dass er das Verbindende gesucht hat, das Friedliche in dieser Gesellschaft, dass er nicht dem schleichenden Gift erlegen ist, wie es hier andere sehen und versuchen, die Gesellschaft zu spalten.

Ich muss trotzdem um Verständnis bitten, dass wir diesem in der Tat und objektiv sehr dünnen Antrag von nicht einmal vier oder fünf Zeilen nicht zustimmen können. Er fällt hinter die Vereinbarungen des rot-rot-grünen Koalitionsvertrags zurück, wo wir sehr deutlich machen, dass wir für den Schutz vor Übergriffen, Gewalt und Terror sorgen, dass wir jede Form von Extremismus und Fanatismus ablehnen. Deswegen sind wir dort deutlich konsequenter, deutlich anhaltender und handeln nicht nur durch Bekenntnisse, sondern durch Taten. – Vielen Dank liebe Kolleginnen und Kollegen!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die antragstellende Fraktion hat die sofortige Abstimmung beantragt. Ich frage deshalb: Wer dem Antrag der Fraktion der CDU auf Annahme einer Entschließung – Resolution gegen Gewalt – Drucksache 18/2324 – zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion, die AfD-Fraktion und eine fraktionslose Abgeordnete. Wer stimmt gegen diese Resolution? – Das ist die gesamte Koalition. Damit ist diese Entschließung nicht angenommen.

[Marcel Luthe (FDP): Das nach diesen Worten! Das ist wirklich schäbig!]