Protokoll der Sitzung vom 12.12.2019

Einen Dialog mit anderen Kulturen bejahen wir ausdrücklich. Wir wenden uns aber gegen die vorrangige Förderung multikultureller Projekte. Aufgabe der Kulturpolitik muss es sein, Bestehendes zu bewahren

[Torsten Schneider (SPD): Max und Moritz!]

sowie die Weiterentwicklung zu ermöglichen. Je unideologischer die Kulturförderung organisiert ist, desto besser ist das für die Freiheit der Kultur.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Hören Sie doch einfach zu! Sie können ein bisschen was lernen. – Insbesondere die Unterzeichner der „Erklärung der Vielen“ haben keinen Alleinvertretungsanspruch. Wer Probleme nicht benennt oder ganze Gruppen von der gesellschaftlichen Diskussion ausschließt, erweist den Feinden der freiheitlich demokratischen Grundordnung einen Bärendienst.

[Beifall bei der AfD – Anne Helm (LINKE): Hetzen Sie nur gegen die Künstler oder hetzen Sie auch gegen andere?]

Dementsprechend unterstützen wir die Förderungen, die das Überlieferte bewahren und dem Neuen einen Raum geben.

[Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Die AfD setzt sich für das Konzerthausorchester, die Musikschulen, die Tanzszene, die Kinder- und Jugendtheater sowie die Zentral- und Landesbibliothek Berlin ein.

[Torsten Schneider (SPD): Aha!]

Den Antrag der Koalition zur kolonialen Vergangenheit hat die AfD-Fraktion als eindimensional und verzerrend abgelehnt.

(Regina Kittler)

[Regina Kittler (LINKE): Weil sie koloniale Amnesie hat!]

Statt rückwärtsgewandt zu agieren, sollten Impulse für die Zukunft zwischenstaatlicher Kontakte gegeben werden. Der Großstadtrolle Berlins müssen wir in Kunst und Kultur gerecht werden. Neue Anforderungen warten auf Reflexion vonseiten der Künstlerinnen und Künstler.

[Torsten Schneider (SPD): Genau!]

Machen Sie den Weg frei für eine unideologische Kulturpolitik! – Danke!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Anne Helm (LINKE): In braun, oder wie? – Zuruf von Regina Kittler (LINKE) – Torsten Schneider (SPD): Das war Satire!]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt Herr Dr. Juhnke das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein komplexes, großes Thema und wenig Zeit! Ich werde mich also auf wenige Anmerkungen – fünf, um genau zu sein – beschränken. Die erste ist, dass wir in der Kulturpolitik normalerweise dieselbe Zielrichtung haben. Das heißt, ein Mehr an Geld ist auch ein Mehr an Kultur. Im Grundsatz ist das eine gute Sache. Hier gibt es aber Dinge, die wir am Haushalt kritisieren. Das ist vor allem das schon erwähnte Thema Dekolonisierung. Wir haben den Antrag abgelehnt; die Debatte haben wir auch verfolgt. Hier sind 2 Millionen Euro im Einzelplan Kultur und Europa eingestellt, die man für andere Dinge sinnvoller als für diese ideologische Symbolpolitik aufwenden könnte.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP]

Ich denke zum Beispiel an den Bereich der Literatur, an die Ausfinanzierung der Literaturhäuser oder auch an wenig Geld, das man in die Hand nehmen könnte bzw. müsste, um etwa eine Teilzeitstelle beim Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler zu finanzieren, die der bildenden Kunst durchaus helfen würde.

Damit komme ich zum zweiten Punkt, nämlich zum wichtigen Thema Arbeitsräume, also Ateliers, aber auch Probebühnen und Ähnliches. In diesem Bereich herrscht viel Not in der Stadt. Ursprünglich hieß es, es sollen 2 000 neue Ateliers geschaffen werden. Der aktuelle Stand hinsichtlich der Ziele ist, dass man versucht, wenigstens bis zum Jahr 2021 2 000 Ateliers zu sichern. Nun haben wir kurz darüber debattiert. In der Tat, um das noch einmal aufzugreifen, braucht man keine Glaskugel, um zu erkennen, dass dieses Ziel nicht erreicht werden

wird. Wir haben – Stand Mitte des Jahres – im Moment beim Arbeitsraumprogramm 1 300 Ateliers und Arbeitsräume. Das heißt, dass noch 700 fehlen. Da könnte man sagen: Das ist ja in zwei Jahren zu schaffen. – Man muss aber wissen, dass man schon mit einem Grundbestand von 850 begonnen hat. Das heißt, es wurden in den vergangenen Jahren lediglich 450 geschaffen. Wenn man dann noch berechnet, dass im Jahr etwa 350 Ateliers verloren gehen, dann glaube ich nicht, dass das, was Sie sich in Ihren heutigen Reden wieder auf die Fahnen geschrieben haben, wirklich zu einer großen Entlastung führen wird.

Nun soll es ein Kulturraumprogramm richten; da gibt es verschiedene Modelle, wie das organisiert und angebunden werden soll. Ich warne in dem Zusammenhang ganz ausdrücklich vor zu viel Staatsnähe. Wir haben funktionierende Mechanismen; das bezieht sich auch auf die Vergangenheit. Ich denke da an das Atelierprogramm oder andere Programme, die auch durchaus aus der Künstlerszene heraus betrieben werden. Von daher, glaube ich, sollte man sich hier davor hüten, eine allzu starke staatliche Lenkung vorzusehen. Das scheint auch ein kleiner Duktus der Kulturpolitik in dieser Legislaturperiode zu werden.

Die dritte Bemerkung: Die Digitalisierung ist ein Thema, das sich zunächst nicht kulturaffin anhört. Einiges ist auch eingestellt worden in den Haushalt; das will ich gar nicht verhehlen. Ich glaube aber, dass wir hier noch längst nicht dort sind, wo wir sein müssen. Wir reden hier über ganz wichtige Fragen wie die Sicherung des Kulturguts für die Zukunft, die digitale Infrastruktur, die Erreichbarkeit neuen Publikums. Das sind ganz wesentliche Dinge, die wir dort lösen müssen. Da wird es wahrscheinlich mit dem, was der Haushaltsentwurf vorsieht, nicht getan sein.

Der Entwurf ist im Übrigen auch nicht hinreichend – das ist meine vierte Anmerkung – in einigen Fragen. Die Koalition hat in der Tat später auch eine Korrektur vorgenommen. Das ist lobenswert, und das unterstützen wir. Es entsprach auch unseren Änderungsanträgen. Ich denke da zum Beispiel an den Runden Tisch Tanz, den man dann – den großen Ankündigungen folgend – auch ausfinanziert hat, aber auch an das Konzerthausorchester, das jetzt die Wertschätzung erfährt, die seinem Stellenwert entspricht, sowie an den Umgang mit Einnahmeausfällen bei der Schaubühne – das sind richtig vernünftige Sachen. Warum nicht gleich so? – Im Entwurf war es jedenfalls nicht enthalten. Ich kann mir auch noch weitere Dinge vorstellen, aber die Zeit ist, wie gesagt, kurz. Deshalb will ich das gar nicht im Einzelnen ausführen.

Die Sache ist nur: Wie das von der Technik her gemacht wurde, das kritisiere ich. Im Haushalt haben wir eine riesengroße pauschale Minderausgabe. Nun ist diese kein Hexenwerk, sie ist auch nichts Neues. Grundsätzlich ist

(Dr. Dieter Neuendorf)

es auch legitim. Aber wenn wir von 7,5 Millionen Euro reden, dann ist das ein ungedeckter Scheck, der in den Kulturhaushalt eingestellt wird. Ich erinnere daran, dass wir im letzten Haushalt 0,25 Millionen Euro hatten. Es ist nun also schon eine deutlich höhere Summe. Ich beziehe sogar ein, dass man die mit der Steuerschätzung zusammenhängenden Änderungen, die in letzter Minute kommen, mit einberechnet hat, sodass da eine pauschale Minderausgabe vielleicht nicht vollkommen von der Hand zu weisen ist. Aber mit Blick auf diese Größenordnung finde ich, dass die Grenze der Seriosität überschritten ist.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Stefan Förster (FDP)]

Die letzte Bemerkung: Meine Auffassung von Kulturpolitik ist die, dass Mittel nicht nach der gesellschaftlichen Ausrichtung eines kulturellen Akteurs oder des Hauses vergeben werden sollten.

[Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Das entspräche nicht meinem Verständnis von Kunstfreiheit, und wir haben auch vielen Anwandlungen dieser Art bisher widerstanden. Aber auch der umgekehrte Einfluss ist schädlich. Bei mir mehren sich in letzter Zeit Künstlerstimmen, die bei diesem Senat Angst haben, nicht mit Fördermitteln bedacht zu werden, wenn sie nicht bestimmte Themen bedienen, die gerade en vogue sind.

[Zuruf von der AfD: Hört, hört!]

Der Senator wird diese direkte Einflussnahme natürlich zurückweisen. Das ist sicherlich auch richtig, weil da ausreichend indirekte Möglichkeiten bestehen.

Kommen Sie zum Ende, Herr Abgeordneter! Ihre Zeit ist schon reichlich überschritten.

Hier wird nichts angezeigt. Einen Satz noch! – Es gibt ausreichend indirekte Möglichkeiten, hier Einfluss zu nehmen. Das sind Signale und Sorgen, über die wir uns Gedanken machen sollten. Es ist schön, wenn mehr Geld da ist. Das ist ein warmes Bad, aber in dieser Form ist dieses warme Bad doch irgendwann toxisch für die Kultur und Kunst in dieser Stadt. Wir sind da, die Kulturfreiheit gemeinsam zu verteidigen. Das sollte unsere vornehmste Aufgabe sein. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Bangert.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Juhnke! Sie sind nicht auf der Höhe der Zeit, sonst wüssten Sie nämlich, dass die pauschale Minderausgabe im Kulturbereich im Einzelplan 08 weg ist. In den Haushaltsberatungen ging es auch darum, wie wir Kulturförderung strukturell und systemisch neu ausrichten können. Das beschert uns Aufwüchse, allein die Umstellung der Kulturmiete auf die sogenannte SILB-Miete rund 30 Millionen Euro. Auch die Tariferhöhungen schlagen hier zu Buche, 2020 15 Millionen und 2021 21 Millionen Euro. Im Bereich der institutionellen Förderung kommt das Geld bei den Beschäftigten an.

Für den Bereich der Konzept- und Projektförderung gilt das nicht. Gerade in der überjährigen Förderung gelingt die Schaffung sozialversicherungspflichtiger Jobs nur unzureichend. Insofern ist die Kritik der konzeptgeförderten Ankerinstitutionen und freien Gruppen berechtigt. Dort werden die Mittelaufwüchse durch die allgemeine Teuerung in der Stadt aufgefressen. Um diese Ungerechtigkeiten künftig auszugleichen, steht uns die Diskussion über eine Reform der Förderinstrumente und Fördersystematik noch bevor.

Die Beratungen des vorliegenden Haushalts haben gezeigt, welch große Wertschätzung der Kultur seitens der Politik entgegengebracht wird, bis auf wenige in diesem Haus, die wir daran erkennen, dass sie ein gestörtes Verhältnis zu Rettungsdecken haben und die Freiheit der Kunst infrage stellen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Dr. Susanne Kitschun (SPD)]

Dem sind die Vielen in diesem Haus einmal mehr entgegengetreten, und Sie können sicher sein, dass wir uns auch künftig bei derartigen Angriffen vor unsere Kultureinrichtungen stellen werden.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Meine Kollegin Regina Kittler und mein Kollege Frank Jahnke haben schon die inhaltlichen Schwerpunkte der Koalition ausgeführt. Meiner Fraktion war es darüber hinaus wichtig, den Diversitätsfonds und den Tanz zu stärken, die renommierten Literaturfestivals Open Mike und Zebra abzusichern. Apropos Tanz: Ein zentrales Thema unserer Koalition ist Partizipation, konkret: Wir gestalten Kulturpolitik im Dialog mit den Kulturschaffenden. Einige Verfahren wurden durchgeführt, z. B. die Entwicklung der Alten Münze und das Kulturraumbüro. Sicher, es hakt noch etwas, aber wir kommen voran.

Beispielhaft möchte ich den Runden Tisch Tanz nennen, der dafür steht, wie ein Dialog zwischen Verwaltung, Politik und der Berliner Tanzszene auf Augenhöhe geführt werden kann. Es war mir eine große Freude, daran teilzunehmen. Ich möchte allen Beteiligten danken, der Verwaltung für die Offenheit und das konstruktive

(Dr. Robbin Juhnke)

Vorgehen sowie der Tanzszene für das enorme Engagement, die Fachkompetenz und ihr solidarisches Verhalten untereinander.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Dr. Susanne Kitschun (SPD)]

Nun beginnen wir mit der Umsetzung der Ergebnisse. Wir erproben neue Förderinstrumente, stärken dezentrale Tanzorte und gehen an die konzeptionelle Erarbeitung eines Hauses für Tanz, eines Tanzarchivs und Tanzvermittlungszentrums. Dafür haben wir einen Tanztitel geschaffen, in dem 2020 knapp 1,5 und 2021 1,6 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Ja, es ist erst ein Anfang, die Berliner Tanzszene strukturell und qualitativ weiterzuentwickeln und zu stärken.