Protokoll der Sitzung vom 12.12.2019

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Also, die Kiffer-Corner, die Sie da einrichten wollen – – Aber was ich ganz schön fand: Wenn man den Kollegen aus den anderen Fraktionen zuhört, merkt man doch, dass es dann, wenn es um Gesundheitspolitik geht, in diesem Haus immer wieder etwas heißer hergeht, denn die Gesundheitspolitik ist die große Leidenschaft, die wir sehr gerne seit Jahren betreiben. Auch für mich ist Gesundheitspolitik eine ganz große Leidenschaft, und da macht es auch besonders Spaß, sich in dieser Stadt um die Gesundheitsversorgung zu kümmern. Vorhin kam sehr oft das Wort „Dreiklang“. Diesen Dreiklang haben wir auch in der Gesundheitspolitik in Berlin. Auf der einen Seite haben wir die Wissenschaftsmedizin mit der Charité, auf der anderen Seite haben wir die Startup-Unternehmen, die Tag für Tag neue Ideen entwickeln, um die Ge

(Catherina Pieroth-Manelli)

sundheitsversorgung zu verbessern. Und als dritten Klang dieser Klangschalentherapie haben wir die Krankenhäuser als Nahversorger.

Herr Isenberg! Sie feiern das als Erfolg, dass in den Krankenhäusern jetzt mehr Geld in die Investitionen geht, aber das ist kein Erfolg, denn wenn Sie zum Beispiel bei einem Auto jahrelang nichts investieren, können Sie nicht ankommen und sagen: Jetzt haben wir aber mal einen Ölwechsel gemacht, und damit ist schon wieder alles gut. – Sie haben die Krankenhäuser kaputtgespart,

[Beifall bei der FDP]

und jetzt hätten Sie viel mehr investieren müssen, um die Krankenhäuser zukunftssicher zu machen und um die beste Gesundheitsversorgung in dieser Stadt zu ermöglichen.

[Torsten Schneider (SPD): Was haben Sie denn beantragt? 50 Millionen! Das ist heuchlerisch!]

Weil dort oben auch Gäste sitzen: Sie haben das hier so hingestellt, als ob die FDP 50 Millionen Euro für irgendwelche Privatkliniken haben will. Was sind denn für Sie öffentliche Krankenhäuser? Natürlich haben wir einen Krankenhausplan, und in diesem Krankenhausplan sind auch Krankenhäuser in freier Trägerschaft drin. Das sind doch keine schlechten Krankenhäuser, oder wollen Sie mir sagen, die DRK-Kliniken oder die anderen Kliniken sind schlecht, die sich Tag für Tag um die Gesundheit der Menschen kümmern?

Ich sage Ihnen dort oben auf den Rängen mal, was wir mit den 50 Millionen Euro machen wollten. Wir wollten in den Zimmern Toiletten einbauen. Es gibt in den Krankenhäusern Zimmer, wo noch nicht einmal eine Toilette drin ist. Da liegt man im Vierbettzimmer und hat keine sanitäre Einrichtung.

[Beifall bei der FDP]

Wir wollten die Vierbettzimmer zu Zweibettzimmern umbauen, damit man mehr Privatsphäre hat. Das sind doch alles Maßnahmen, die unmittelbar den Patienten zugutekommen.

[Beifall bei der FDP]

Uns hier so hinzustellen, als ob wir eine Klientelpolitik machen, ist einfach eine Unverschämtheit.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Thomas Isenberg (SPD) – Zurufe von der FDP]

Während der Senat ja tatsächlich ein Koma-Patient ist, wenn es darum geht, die Krankenhäuser auszustatten und zu finanzieren, ist die FDP hier die einzige Partei, die noch 50 Millionen Euro zusätzlich ermöglicht hätte. Das haben Sie abgelehnt. Das ist das Geld, das den kranken Patienten in unserer Stadt fehlt. Dafür sollten Sie sich eigentlich schämen.

[Beifall bei der FDP – Georg Pazderski (AfD): Die kaufen Elektrobusse!]

Eine gute Gesundheit fängt nun mal in gut ausgestatteten Krankenhäusern an. Es reicht nicht, ein Krankenhaus zu erhalten. Wir wollen die besten Geräte für die medizinische Versorgung, und auch die Krankenhaushygiene hängt natürlich am Geld. Wenn ich Leute in Vierbettzimmer lege, dann können sich dort Keime viel schneller ausbreiten als in anderen Stationen.

Und hinsichtlich der Digitalisierung mit Blick auf die Zukunft machen Sie gar nichts.

[Torsten Schneider (SPD): Das alles mit 50 Millionen Euro!]

Da höre ich vom Senat gar nichts, was da an Investitionssummen möglich oder nötig wäre. Da kommt nichts.

Und der Pflegemangel ist doch dadurch verursacht, dass Sie jahrelang die Krankenhäuser kaputtgespart haben und auf Kosten der Pflege die Krankenhäuser in Schuss gehalten wurden.

[Marcel Luthe (FDP): Auf dem Rücken der Menschen!]

Wenn Sie jetzt mit Personaluntergrenzen kommen und glauben, Sie können den Pflegemangel damit beseitigen, möchte ich Ihnen ein Beispiel geben: Fragen Sie eine Neunjährige, welcher Arzt mehr Personen behandelt, der Arzt, der vier Krankenschwestern hat, von denen zwei krank sind und zwei weitere die ganze Arbeit machen und dabei ihr Bestes geben, oder der Arzt, der vier Krankenschwestern hat, zwei krank, und alle nach Hause schickt, weil er mit zwei Krankenschwestern nicht behandeln darf, und so die Patienten gar nicht versorgt. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Frage normalerweise eine Neunjährige beantworten könnte. Im Berliner Bildungssystem ist das wahrscheinlich nicht der Fall.

[Beifall bei der FDP]

Die Liste des Versagens wäre lang. Leider leuchtet hier die rote Lampe für mich auf. Deshalb mache ich Schluss. Und weil das vor Weihnachten meine letzte Rede hier an diesem Pult ist und wir uns erst im neuen Jahr hoffentlich in frischer Gesundheit wiedersehen, wünsche ich Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Carsten Ubbelohde (AfD) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Wir kommen zu einer zweiten Rederunde. Hier beginnt wiederum die Fraktion der SPD, und das Wort hat Frau Abgeordnete Çağlar. – Bitte!

(Florian Kluckert)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist uns erneut gelungen, den Haushalt für Frauen und Gleichstellung substanziell zu verstärken. Der Großteil darin sind Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen: Frauenhäuser, Beratungsstellen, Zufluchtswohnungen. Es geht also hauptsächlich darum, Schutzräume zu schaffen und das Hilfesystem auszubauen. Immer mehr Mittel für Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen sind notwendig. Dies sollte uns alle nachdenklich stimmen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Richtig!]

Unsere Gesellschaft hat ein ernsthaftes Problem mit Gewalt gegen Frauen. Fast die Hälfte der in Deutschland getöteten Frauen wird von ihrem Lebensgefährten ermordet. 2018 wurde jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht. Die Anzahl der bekannten Fälle von partnerschaftlicher Gewalt gegen Frauen liegt jährlich im sechsstelligen Bereich. Vorsätzliche gefährliche Körperverletzung, Bedrohungen, Freiheitsberaubung – all dies geschieht tagtäglich. Der Großteil der Taten wird in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen. In die überregionale Berichterstattung schaffen es meistens nur die Fälle, bei denen die vermeintliche Herkunft des Täters polarisiert.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wild?

Nein, bitte nicht! – Die Realität zeigt jedoch, dass Gewalt gegen Frauen in allen Gesellschaftsschichten vorkommt. Bildungsgrad oder soziale Schicht machen keinen Unterschied. Wer nur dann den Mund aufbekommt, wenn das soziale Umfeld in die Propaganda passt, macht sich mitschuldig an der Verharmlosung der Gesamtproblematik. Dies ist einer der Gründe, warum der Frauentag als gesetzlicher Feiertag wichtig ist. Es braucht diesen Tag, um auf Problemlagen aufmerksam zu machen.

Es gibt aber auch in unserer aufgeklärten und modernen Zeit unheimlich viele Missstände, die es zu beseitigen gilt. Wir müssen eingreifen, finanziell unterstützen, Regeln aufstellen und strukturelle Hindernisse überwinden. Dies funktioniert nur mithilfe der unzähligen Beschäftigten und ehrenamtlich tätigen Menschen im Antigewaltbereich, denen ich von dieser Stelle aus abschließend meinen Dank ausrichten möchte. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat die Kollegin Schmidt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Gäste! Als erstes Bundesland erhält Berlin eine Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul

Konvention. Diese Stelle ist mit 65 000 Euro pro Jahr finanziert. 150 000 Euro pro Jahr werden für die Umsetzung der Reservierungsquote eingestellt. Frauen sind in landeseigenen Unternehmen immer noch stark unterrepräsentiert. Für die technische Ausbildung bewerben sich nur ca. 15 Prozent Frauen. Eine echte Gleichstellung muss sich jedoch in allen Berufen widerspiegeln; da kann es keine Frauen- und Männerberufe mehr geben.

Die weibliche Genitalverstümmelung ist leider immer noch ein Thema. Allein in Berlin sind nach Angaben von Terre des Femmes 4 000 Mädchen und Frauen von dieser unmenschlichen Praktik betroffen; 700 Mädchen sind jährlich davon bedroht. Bereitgestellt werden nun 120 000 Euro pro Jahr für eine weitere Stelle und dafür, Change Agents einzustellen, die in der Community arbeiten und Aufklärung betreiben.

Die Online- und Telefonberatung Papatya e. V. setzt sich gegen Zwangsverheiratung ein. In 2018 hat die Beratungsstelle 1 014 Beratungskontakte online, telefonisch und persönlich gehabt. 360 junge Menschen waren akut von Zwangsverheiratung betroffen, 45 Prozent davon waren minderjährig. Um die Arbeit von Papatya e. V. noch mehr zu unterstützen, wird es auch hier eine weitere Stelle geben.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Wir brauchen eine Dunkelfeldstudie dazu!]

Ja, die kannst du ja kriegen, aber nicht heute!

[Heiterkeit bei der Koalition – Zurufe von der AfD]

Ja, du darfst doch nachher bestimmt auch noch was sagen, mein Gott! – Auch die Beratungsarbeit der Projekte Gewalt gegen Frauen werden wir mit ca. 1 Millionen Euro stärken und die Teams unterstützen, damit Frauen, denen Gewalt, egal in welcher Form, angetan wird, sofort Kontaktpersonen zur Verfügung haben.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Jasper-Winter?

[Frank-Christian Hansel (AfD): Die ist aber nicht von der AfD!]

In unserer Stadt leben ungefähr 200 000 Frauen mit Behinderung. In vielen Lebensbereichen haben sie aufgrund ihres Frauseins immer noch schlechtere Chancen und

werden zugleich wegen ihrer Behinderung benachteiligt und diskriminiert.

Zu guter Letzt erhält das Projekt Perspektivwechsel von TIO e. V. eine Regelfinanzierung. Bei TIO e. V. lernen Schülerinnen und Schüler unter Betreuung behinderter Menschen, was es bedeutet, in einem Rollstuhl zu sitzen oder blind zu sein.