Protokoll der Sitzung vom 16.01.2020

Sehen wir uns die Chronologie an! Es ist übrigens ein Stück weit eine Schande, dass wir überhaupt darüber sprechen müssen, wie wir die Leute schützen können, die für unseren Schutz da sind. Das ist in der Tat eine Schande. Die 7 000 Angriffe im letzten Jahr sind ja schon thematisiert worden. Es ist eine stete Steigerung in den letzten drei Jahren gewesen. Es wurden immer mehr Angriffe – immer mehr Angriffe. Wann ist es eigentlich in den parlamentarischen Fokus gerückt? Seit wann beraten wir überhaupt intensiv darüber? – Das waren die SilvesterAngriffe im vorvorletzten Jahr, die massiv zugenommen haben mit den gesamten Auswirkungen. Und jetzt – das ist vielleicht auch für Sie hochinteressant – haben wir ein Bild, wie diese Regierung mit diesem Phänomen umgeht.

(Niklas Schrader)

Man hatte die Silvester-Angriffe massiver Art. Der Senat musste handeln, und es gab dann eine Debatte über Böllerverbotszonen, aber in dem Antrag der Koalition stand nicht ein Wort zu den Übergriffen. Der Antrag lautete: „Menschen, Tiere und Gebäude schützen!“ Die Begründung für die Böllerverbotszonen waren, wie gesagt, nicht exzessive Gewaltausbrüche und Respektlosigkeit gegenüber Rettungskräften.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das sind doch Menschen!]

Nein, die Begründung war: Feinstaubbelastungen!

[Gunnar Lindemann (AfD): Hört, hört!]

Das zeigt, in welche Richtung Sie agieren. Sie sehen die Probleme, oder Sie wollen sie nicht sehen. Aber Sie wollen sie auch nicht benennen. Und wenn wir eine Herausforderung, ein Problem haben, dann müssen wir das benennen. Wir müssen Ross und Reiter benennen, wir müssen die Klientel benennen, linksextremistische und andere Gewaltbereiche und Klientele müssen wir nennen. Ross und Reiter, bitte, nicht Augenwischerei! Das ist eine Forderung, die ich an Sie Stelle.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Gunnar Lindemann (AfD): Bravo! – Benedikt Lux (GRÜNE): Dafür brauchen wir Sie nicht!]

Wir haben ja am Montag im Innenausschuss eine Bilanz zur Silvesternacht gezogen, und ich war schon ein bisschen erschrocken, inwieweit der Senator versucht hat, eine positive Bilanz zu ziehen. Wir haben es vorhin noch mal gehört. Demnach seien diese Böllerverbotszonen ein riesiger Erfolg gewesen. Das waren sie nicht, mitnichten. Was passiert denn in so einer Böllerverbotszone? Es gibt einen Verdrängungseffekt. Halbe Spielplätze wurden fast weggesprengt fünf Meter neben diesen Verbotszonen. Das hat gar nichts gebracht.

Aber welchen Aufwand hatten wir? Welchen Aufwand hatten wir in dieser Silvesternacht? Wir hatten 900 reguläre Polizeikräfte im Einsatz, 900 regulär; dazu 2 000 zusätzliche Polizeikräfte. 3 000 Polizeikräfte sind in der Hauptstadt unseres Landes notwendig, um die Silvesterfeierlichkeiten abzuwickeln. Schauen Sie mal nach München, wie das da aussieht.

Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Luthe von der FDP zulassen.

Ja, selbstverständlich!

Dann halten wir bitte an.

Vielen Dank, Herr Kollege! Sie haben gerade die sogenannten Böllerverbotszonen angesprochen. So wie der Senator das dargestellt hat, hat es innerhalb dieser Zonen in der Tat nahezu keine Straftaten, keine Verstöße etc. gegeben. Würden Sie mir zustimmen, dass das weniger mit dem Papier einer Verbotszone zu tun hat, sondern vielmehr mit der Polizeipräsenz auf Berlins Straßen? Wäre nicht mehr Polizeipräsenz genau der richtige Weg – entgegen mehr Papier?

Wir hatten ja da sogar eine missverständliche Aussage. Zum einen hieß es, es sei ein voller Erfolg gewesen und hätte etwas gebracht. Zum andern hieß es, nein, es gab aber doch Übergriffe, es gab Platzverbote, es gab Sicherstellungsmaßnahmen. Also da gab es eine gewisse Diskrepanz zwischen den Aussagen von Senator und Polizeipräsidentin, das habe ich zumindest so vernommen. – Aber vollkommen richtig, eine hohe Polizeipräsenz bringt etwas, um etwas durchzusetzen. Die Frage ist: Warum müssen wir es überhaupt durchsetzen? Was ist der ausschlaggebende Grund dafür, dass wir diese Maßnahmen ergreifen müssen? Soweit ich mich erinnere, ist es schon immer verboten gewesen, Rettungskräfte anzugreifen. Es ist schon immer verboten gewesen, irgendwelche Sachbeschädigungen und Körperverletzungsdelikte zu begehen. Wenn wir so weitermachen, dann können wir irgendwann mal Zonen einrichten, um Verbote zu verbieten oder irgendwas in dieser Art. Das wird wahrscheinlich so eine nächste Maßnahme sein. Aber dort, Herr Kollege, stimme ich Ihnen zu.

3 000 Polizeikräfte, dazu insgesamt 1 500 Einsatzkräfte der Berliner Feuerwehr, davon 600 Ehrenamtliche. Die Einsätze in der Silvesternacht betrafen in einer einzigen Nacht das Kontingent der Einsätze eines gesamten Monats. Das muss man sich übrigens auch auf der Zunge zergehen lassen. 3 000 Notrufe, 2 000 Einsätze, 24 Verletzte durch Angriffe, insgesamt 47 Angriffe. Und wenn ich noch mal auf Sie zurückkomme, Herr Schrader: Wenn Sie in der Bilanz sagen, die Zahlen sind zurückgegangen, dann finde ich das unerträglich. Wissen Sie, was die richtige Bilanz ist? Jeder einzelne verletzte Polizist, jede einzelne verletzte Sicherheitskraft, jeder einzelne verletzte Feuerwehrmann ist eine verletzte Person zu viel!

[Beifall bei der AfD]

Sowohl SPD als auch Linkspartei haben von dem Vorfall gesprochen, als mit Schreckschusswaffen in das Feuerwehrfahrzeug geschossen wurde. Und massiv haben Sie übrigens dann auch wieder die Schreckschusswaffendebatte angebracht. Wir hatten es ebenfalls am Montag im

Innenausschuss. Ich finde diese Debatte vollkommen fehl am Platz, weil sie in die falsche Richtung geht. Herr Senator, Sie haben gesagt, Sie finden es erschreckend, dass die Zahl der kleinen Waffenscheine sich nahezu verdoppelt. Und jetzt frage ich Sie: Wenn jemand sich an die Polizei wendet, zum Platz der Luftbrücke fährt, da einen kleinen Waffenschein beantragt, mit diesem kleinen Waffenschein zu Frankonia oder einem anderen Geschäft geht, sich eine registrierte Schreckschusswaffe kauft, dann ist das ein rechtstreuer Bürger, der sich einfach Sorgen macht um sein subjektives Sicherheitsgefühl. Denken Sie, dass von diesen Menschen, die sich an Recht und Gesetz halten, auf legalem Weg eine Schreckschusswaffe besorgen, eine Gefahr ausgeht? Das denke ich nicht. Aber genau diese Menschen wollen Sie mit eventuellen Verschärfungen des Waffenrechts Repressalien unterwerfen.

Wissen Sie, gegen wen Sie vorgehen müssen? Gegen die Subjekte, gegen die Menschen, die sich illegalerweise solche Waffen besorgen. Das sind die Menschen, die Straftaten begehen.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Das sind die Menschen, die auf Rettungskräfte schießen, das ist das Problem und nicht umgekehrt.

[Beifall bei der AfD]

Herr Zimmermann! Eines muss ich Ihnen noch sagen. Wer trägt denn eigentlich die Verantwortung für diesen Bereich? Das kann doch wohl nicht wahr sein, dass Sie hier stehen als Vertreter der größten Regierungsfraktion und uns wirklich erzählen wollen, dass Sie keine Verantwortung tragen im Rahmen dieser Übergriffe. Damit machen Sie sich eigentlich nur lächerlich, Herr Kollege, ganz ehrlich.

[Beifall von Marcel Luthe (FDP)]

Danke, Herr Kollege Luthe!

[Beifall bei der AfD]

Und was ist übrigens noch ein probates Mittel, um ein Stück weit Anerkennung für unsere Rettungskräfte und Sicherheitskräfte zu bekommen: eine komplette Änderung der Anerkennungskultur. Im Rahmen einer Anerkennungskultur kann man auch der Bevölkerung diesen Respekt dementsprechend – –

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Dr. Albers, eine Phrase! Die rot-rote Koalition von 2001 bis 2011 hat sämtliche Anerkennungsmerkmale in der Berliner Polizei unter dem Innensenator Körting gestrichen. Unsere Fraktion war es, die nach 25 Jahren einen Antrag eingebracht hat zur Etablierung und Einführung einer Ehrenmedaille für besondere Leistungen im Polizei- und Feuerwehrdienst.

[Beifall bei der AfD]

Diese Ehrenmedaille ist das erste Mal im letzten Jahr in der Philharmonie durch den Innensenator verliehen worden. Im Übrigen wusste er noch nicht mal, dass es den Antrag gibt. Aber ich bin stolz darauf, dass wir das durchgesetzt haben. Am kommenden Montag werden Sie sie das zweite Mal verleihen. Herr Senator, ich freue mich, dass Sie unseren Vorschlägen mitunter auch folgen. Das ist ein guter Weg. Machen Sie es häufiger! Dann sind Sie auf einem viel besseren Weg. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Kollege Lux das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Polizei und Rettungskräfte schützen uns alle. Wer sie angreift, greift uns alle an. Vor allem die zunehmenden Attacken auf Feuerwehr und Rettungskräfte erreichen eine neue Qualität. Deswegen ist es gut, dass wir heute in der Aktuellen Stunde darüber reden. Trotz aller unterschiedlichen Bewertungen ist es doch gemeinsames Anliegen aller Fraktionen, aller hier in diesem Haus vertretenen Politikerinnen und Politiker, zu diskutieren, was wirklich hilft, um unsere Einsatzkräfte, um die Polizei und die Feuerwehr besser zu schützen.

[Franz Kerker (AfD): Grün abwählen!]

Die Entwicklungen sind in der Tat besorgniserregend: 19 Polizisten pro Tag, die Opfer eines tätlichen Angriffs werden, 7 000 im Jahr 2019, Tendenz zu 2018 leicht steigend. Und nicht nur an den Hotspots, die wir alle kennen, nicht nur bei schwierigen Versammlungen, nicht nur beim Fußball, sondern auch im Alltag. Eine etwas ältere Studie vom Kriminologischen Institut Niedersachsen hat herausgefunden, dass die meisten Angriffe auf Polizisten gerade in unvorhergesehenen Alltagssituationen geschehen, häufig von alkoholisierten jungen Männern. Es gibt ganz viele unterschiedliche Situationen, in denen es dazu kommt.

Bei der Polizei war das länger bekannt. Nur sie darf unmittelbaren Zwang anwenden; sie verkörpert das Gewaltmonopol; sie verkörpert die Stärke des Rechtsstaats und nicht das Recht des Stärkeren. Dass es hier in bestimmten Situationen zu Konflikten kommen kann, das liegt auf der Hand. Man kann darüber streiten, ob es früher besser war. Wenn man sich mit älteren Einsatzkräften von der Polizei unterhält, dann hört man auch, Sie kennen die Bilder aus den Geschichtsbüchern, der Berliner Geschichte, dass es früher durchaus zu größeren, heftigeren Auseinandersetzungen in unserer Stadt kam. Wir können froh sein, dass es mit der erfolgreichen Deeskalationsstrategie der Berliner Polizei gelungen ist, Großveranstaltungen wie den 1. Mai nachhaltig zu befrieden.

(Karsten Woldeit)

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Neu sind die Angriffe auf Brandbekämpfer und Rettungskräfte. Über 500 000 Einsätze leisten sie pro Jahr, in denen Berlinerinnen und Berliner gerettet werden. Trotzdem kommt es zu immer mehr Angriffen auf Feuerwehrleute und Rettungsdienst, 200 im letzten Jahr. Wie kaputt muss man eigentlich sein, um die anzugreifen, die uns retten – ohne Ansehen unserer Person?

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU, der LINKEN und der FDP]

Die Berlinerinnen und Berliner – auch das möchte ich hier noch mal deutlich sagen – schätzen die Arbeit von Rettungsdiensten, Feuerwehr und Polizei. Feuerwehrleute stehen immer auf Platz 1, und die Polizistinnen und Polizisten sind unter den ersten fünf Plätzen der beliebtesten Berufe im öffentlichen Dienst. Auch deswegen erwarten alle Berlinerinnen und Berliner von uns zu Recht, dass wir unsere Einsatzkräfte schützen, dass sie Rückhalt haben. Das heißt auch, Einsatzkräfte sind nicht allein, wenn sie Opfer von Angriffen werden, und das heißt auch, dass die Täterinnen und Täter sich des Abscheus fast aller anderen sicher sein können. Es gibt kein Verständnis, keine Erklärung, keinen Rabatt, keine Silvesternacht für Angriffe gegen unsere Polizei.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Also, wer schützt diejenigen, die uns schützen? Und was hilft wirklich? Statt die Worte, die alles nur beklagen, kann man nüchtern sagen: Der Rechtsstaat hilft unserer Polizei, die Justiz. Angriffe auf Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste sind keine Bagatellen und werden streng verfolgt. Wissen Sie was noch hilft? – Die rot-rot-grüne Regierung, die erfolgreich gehandelt hat für mehr Schutz und mehr Sicherheit für unsere Einsatzkräfte.

[Zuruf von der AfD: Ist ja lächerlich!]

Fünf neue Einsatztrainingszentren für die Ausbildung unserer jungen Polizistinnen und Polizisten, wo sie Eigensicherung und Selbstverteidigung lernen, aber auch Deeskalation.

[Zuruf von Franz Kerker (AfD)]

Die rechtliche und psychosoziale Hilfe haben wir gestärkt, wenn Polizei und Feuerwehrleute Opfer von Gewalt werden. Wir haben über 800 neue zusätzliche junge fitte Polizistinnen und Polizisten in unsere sehr gute Berliner Polizeiausbildung in den nächsten zwei Jahren übernommen. Wir haben auch die Schießtrainer, bei denen viele jahrelang weggeschaut haben, wenn sie im Rauch geschossen haben, mit mehr als 3 Millionen Euro entschädigt. Wir arbeiten an einer der größten Polizeirechtsreformen, die mehr Sicherheit, mehr Bürgerrechte und mehr Rechtsstaatlichkeit in das Gesetz einführen wird und natürlich auch die Bodycam enthalten wird, weil sie deeskalieren und für mehr Sicherheit sorgen kann. Wir

arbeiten daran, das Waffenrecht zu verschärfen. Es kann doch nicht sein, dass jede Küchenhilfe eine rote Karte braucht und alle drei Monate eine Fortbildung, aber man ohne Weiteres Schreckschusspistolen, Reizgas und Signalwaffen kaufen kann – wofür der AfDler gerade übrigens noch Werbung gemacht hat, für ein spezielles Geschäft. Das möchte ich im Wortprotokoll sehen, bei welchem Geschäft er den Kauf von Waffen empfohlen hat. Auch das sagt vieles über Sie von rechtsaußen aus.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]