Protokoll der Sitzung vom 16.01.2020

Priorität der Fraktion der FDP

Tagesordnungspunkt 27

Zielorientiertes Klimamonitoring einrichten, um die Berliner Klimaziele zuverlässig zu erreichen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2355

In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP und hier der Kollege Henner Schmidt. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Die Lage beim Klimaschutz ist insgesamt trüb. Die selbst vorgegebenen Klimaziele werden mit den derzeit vorliegenden Maßnahmen weder weltweit erreicht noch in der EU, noch in Deutschland und natürlich auch nicht in Berlin. – Wie reagieren wir darauf? In Berlin überbietet man sich mit immer drastischeren Begriffen – Klimanotstand, Klimanotlage –, und man legt ganze Wolken von Maßnahmenplänen vor, exemplarisch dafür das BEK. Wir brauchen aber nicht nur Ideen-Brainstormings und die Entwicklung von Maßnahmen, wir brauchen jetzt endlich auch eine gezielte Umsetzung koordinierter Maßnahmenprogramme in unserer Stadt.

[Beifall bei der FDP]

Derzeit wird über eine ganze Reihe von Fragen ziemlich locker und leichtfertig hinweggegangen – erste Frage: Wie weit sind denn die Klimaziele in den einzelnen Sektoren in Berlin noch entfernt? Wie groß ist denn die Lücke aktuell wirklich? – Zweitens: Welcher Teil dieser Lücke wird denn durch die bisher vorgeschlagenen Maßnahmen überhaupt schon geschlossen? – Im BEK steht nichts darüber, wie viel es tatsächlich dazu beiträgt. – Drittens natürlich: Was kosten solche Maßnahmen eigentlich, und wie lange braucht es, um sie umzusetzen? – Es ist ganz wesentlich, darüber zu reden. Es macht erstens keinen Sinn, über Klimaziele zu reden, wenn man gar nicht weiß, wo man eigentlich steht – und das wissen wir derzeit nur aus immer schon veralteten Berichten. Zweitens macht es keinen Sinn, irgendwelche Maßnahmen willkürlich nach dem Zufallsprinzip anzufangen, denn die finanziellen Mittel von Privaten und vom Staat sind begrenzt. Sie müssen auf die Ansätze fokussiert werden, die am effizientesten sind.

[Beifall bei der FDP]

Wenn wir zum Beispiel über mehrere Milliarden Euro Ausgaben in der Gebäudesanierung sprechen, dann müssen wir wissen, was wirklich am meisten bewirkt. – Natürlich spielt auch Zeit eine wichtige Rolle. Jede Maßnahme, die heute wirkt, hat schon zehn Jahre Effekt gehabt gegenüber einer Maßnahme, die erst 2030 kommt. Leider wird aber in Berlin alles Mögliche irgendwie angefangen und gemacht. Das ist Aktivismus, das ist keine seriöse Klimapolitik.

[Beifall bei der FDP – Daniel Buchholz (SPD): Konkrete Vorschläge?]

Unser Antrag zeigt deshalb einen klaren und effektiven Ansatz auf – erstens: Wir wollen Transparenz zum Stand der Erreichung der Klimaziele auf einer jederzeit für alle zugänglichen Onlineplattform, dass jeder sehen kann: Wo stehen wir heute? – Das ist wichtig. Ich weiß aus beruflicher Erfahrung, es ist eben etwas anderes, ob man Maßnahmen sammelt und dann schaut, ob man das Ziel erreicht, oder ob man ganz klar sagt: Da ist ein Ziel, so viel fehlt noch. – Das treibt die Leute an, wirklich innovative Ideen zu entwickeln und die Lücke wirklich zu schließen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man die Maßnahmen auch einheitlich bewertet: Was bringt denn diese einzelne Maßnahme an Emissionssenkung, und was kostet das? Wie lange dauert das? – Das ist derzeit unklar, übrigens auch bei den Maßnahmen der Klimanotstandsinitiative. Man muss schon diskutieren, wie sich die Erhöhung der Landegebühren für Flugzeuge oder mehr veganes Essen in den Mensen z. B. mit der Einführung von Elektrobussen oder der Absenkung der Raumtemperatur in öffentlichen Gebäuden vergleichen lässt. Auf dieser Basis muss eine klare Priorisierung stattfinden. Auf der kann dann ein echtes Projektmanagement aufsetzen. Es ist ein echtes Problem, dass der Senat bis heute immer noch meint, er könne dieses ganze Maßnahmenportfolio ohne gesonderte Organisation und ohne echtes Projektmanagement betreiben, nicht nur beim BEK, sondern mit dem gesamten Maßnahmenportfolio, das dahintersteht. Das wird so nicht funktionieren. Wir brauchen eine zentrale Stelle, bei der das nachgehalten, koordiniert und gemanagt wird.

[Beifall bei der FDP]

Richtig ist – das werden die Redner der Koalition sicherlich auch sagen –, dass man allein mit Projektmanagement und Monitoring noch nicht genug erreicht.

[Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

Aber die Umsetzung von Maßnahmen und Erreichung der Ziele funktioniert erst dann, Kollege Buchholz, wenn man ein Projektmanagement und ein Monitoring hat, und ein ordentliches Projektmanagement muss erst einmal kommen.

[Beifall bei der FDP]

Deshalb ist Klimaschutz eine Managementaufgabe der Senatsverwaltung für Klimaschutz. Deshalb heißt sie ja auch so, und dazu braucht sie die nötigen Werkzeuge. Wir brauchen keine alarmierenden Erklärungen. Wir brauchen viele gute Maßnahmen, die effizient und zielgerichtet umgesetzt werden. Den wesentlichen systematischen Ansatz, wie man das machen kann, zeigt unser Antrag auf. Dafür bitte ich Sie heute um Ihre Unterstützung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Daniel Buchholz das Wort. – Bitte schön!

Meine Damen, meine Herren! Verehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Antrag der FDP, Kollege Schmidt, liest sich zunächst einmal sehr gut. Da muss man mal ein Kompliment aussprechen.

[Beifall bei der FDP]

Ein zielorientiertes Klimamonitoring einrichten, um die Berliner Klimaziele zuverlässig zu erreichen, ist absolut korrekt. Vor allem ein Lob für den ersten Satz – das hätte ich nicht erwartet von der Berliner FDP-Fraktion –,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Die wollen ja mit den Grünen!]

den ich gern zitiere:

Berlin muss seine Anstrengungen im Klimaschutz verstärken, um die selbst gesetzten Klimaziele vollumfänglich zu erreichen.

Sehr richtig, Herr Schmidt! Dann müssen Sie aber in Ihrem Antrag noch ein bisschen weitergehen. Sie haben sich von den Forderungen der Volksinitiative Klimanotstand Berlin genau eine ausgesucht, nämlich die zu Monitoring, also zur Frage, wie schnell erfasse ich den bisherigen Stand der Umsetzung, und was muss ich mir bei Monitoring noch vornehmen. Aber Sie haben selbst in Ihrer Rede gesagt: Der große Pferdefuß ist doch die Frage, was wirklich passiert. Sie unterstellen ein bisschen, wir hätten ein Erkenntnisproblem auf der Berliner Ebene, auf der deutschen Ebene und auf der internationalen Ebene. Herr Kollege Schmidt, wir haben ein Umsetzungsproblem auf allen Ebenen beim Klimaschutz, und Sie müssten erst einmal einen Antrag bringen, wie Sie das auf allen Ebenen ändern wollen. Das würde ich mir mal wünschen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Paul Fresdorf (FDP): Man müsste regieren, um das zu tun!]

Sie schreiben, es gibt die CO2-Berichterstattung mitunter leider mit erheblicher Verzögerung durch die Statistikämter. Das finden wir genauso misslich wie Sie. Das Problem ist nur, dass das eine nach internationalen Standards erstellte CO2-Statistik ist, die bundesweit erstellt wird. Wir warten, genau wie Sie, immer sehnlichst auf die Zahlen, die wir dann teilweise erst mit zwei Jahren Verzögerung bekommen. Schön ist das nicht. Da bin ich absolut bei Ihnen.

Sie haben gesagt, Sie wollen eine Verschärfung des BEK, des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms, und eigentlich auch des Energiewendegesetzes. Lieber Kollege Schmidt! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der

FDP-Fraktion! Bitte nehmen Sie das dann aber auch ernst. Wir werden Sie und alle anderen daran messen, was Ihre Maßstäbe sind, wenn wir in Kürze Änderungsvorschläge vom Senat und den Koalitionsfraktionen zur Verschärfung der Klimaziele bekommen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Um Gottes willen!]

Da werden Sie sich nicht damit herausmogeln können, indem Sie sagen: Wir müssen erst einmal ein paar Zahlen aufschreiben, und daraus folgt dann irgendwas in der Zukunft. Es ist leider teilweise auch die Intention des Antrags zu sagen: Wir müssen erst einmal ganz neu schauen. – Der Kollege Freymark hat in der letzten Umweltausschusssitzung gesagt, er braucht erst mal eine Enquete-Kommission zum Thema Klimaschutz und zur Umsetzung des Klimaschutzes.

[Zuruf von Danny Freymark (CDU)]

Herr Freymark, wir haben das Wortprotokoll. Da steht das wörtlich von Ihnen drin. – Da können wir Ihnen nur sagen: Die Zeit, um Jahre abzuwarten, haben wir nicht. Wir können nicht warten. Wir müssen jetzt handeln. Das sollten wir auch gemeinsam verabreden. Ich freue mich, wir haben in zwei Wochen, spätestens am 30. Januar, hier im Plenum alle zusammen die Verantwortung, uns als Parlamentsfraktionen dazu zu verhalten, was die Initiative Klimanotstand Berlin eingefordert hat. Ich bin sehr gespannt, was die FDP-Fraktion und die CDU-Fraktion zu diesen Forderungen sagen. Ich bin sehr gespannt, was die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion damit machen werden. Sind Sie wirklich bereit, Klimaschutz ernst zu nehmen und bei der Umsetzung zu helfen? Es reicht nicht, nur zu sagen, wir haben ein Erkenntnisproblem. Das haben wir nicht. Es ist für die CO2-Bilanz des Landes Berlin nicht so relevant, ob die Zahlen ein oder zwei Jahre alt oder erst gestern erstellt worden sind. Seien wir doch mal ehrlich, Herr Schmidt: Es ist viel relevanter, was Sie und wir als Parlamentarier verabreden, was wir wirklich umsetzen wollen.

Also noch einmal: sehr guter Ansatz im FDP-Antrag. Dafür noch einmal mein ausdrückliches Lob, auch was die Zustandsbeschreibung angeht, aber was die Umsetzung angeht, was das gemeinsame Handeln und auch was die Bereitstellung finanzieller und personeller Ressourcen durch das Abgeordnetenhaus angeht, müssen Sie noch ordentlich nachlegen. Wir freuen uns darauf und werden das gemeinsam mit Ihnen kritisch, aber auch konstruktiv im Umweltausschuss besprechen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Freymark das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will erst einmal danke sagen an die FDP-Fraktion für eine gute Initiative.

[Sibylle Meister (FDP): Gern geschehen!]

Die Berliner CDU hatte in ihrem Papier „Berlin 2040 – Auf dem Weg zur nachhaltigen Metropole“ genau das aufgegriffen und gefragt: Wie können wir unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit die ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimensionen stärker zeigen, und wie kann man Beteiligung ermöglichen? Ich finde die Idee, ein Klimamonitoring zu beschreiben, einzusetzen und digitalisiert darzustellen, sehr gut. Ich will auch die drei, vier Gründe nennen, weswegen ich glaube, dass auch Herr Buchholz sich hat hinreißen lassen zu sagen: Das ist sehr gut. Ich habe in der Schule gelernt „sehr gut“ ist mindestens versetzt, wenn nicht gar mit Belobigung. Deswegen bin ich mal gespannt auf die Zustimmungswerte für diese Initiative aus der Koalition. Ich schätze Herrn Schmidt aber auch so ein, dass er Änderungsanträge wohlwollend prüfen wird. Demnach wünsche ich Ihnen jetzt erst einmal viel Erfolg bei dem Herausarbeiten der Dinge, die noch nicht gut genug sind und dann beim Einbringen der Änderungsanträge. Das ist vielleicht eine ganz große Stunde des Parlamentarismus, dass auch Oppositionsanträge hier eine stärkere Rolle spielen.

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP]

Warum ist es so wichtig, das transparenter zu machen und sogar mit einem Monitoring zu versehen? – Punkt 1: Wir haben viele Ziele. Die sind definiert im Koalitionsvertrag, durch Parlamentsanträge und auch durch Senatshandeln. Das sichtbarer zu machen – für uns sowieso, aber auch für alle Menschen außerhalb dieses Gebäu- des –, kann das nur richtig sein.

Das Zweite ist die Datenerhebung. Herr Buchholz hat das angesprochen. Die ist zu veraltet. Es gibt eine ganz wunderbare Pressemitteilung. Da lässt sich Frau Pop zitieren mit der Aussage: Sie ist sehr zufrieden mit den CO2Entwicklungen aus dem Jahr 2016, abgegeben vor wenigen Monaten. – Wenn der Senat eine Bewertung auf der Grundlage von drei Jahre alten Daten abgibt, dann ist das zu wenig.

Wenn wir dann an die soziale Dimension im Bereich der Nachhaltigkeit denken, müssen wir die Menschen mitnehmen. Das ist immer so leicht dahergesagt. Wir wissen, dass es ganz viele Leute gibt, die diesen Klimawandel vielleicht sogar leugnen oder ihn zumindest kritisch sehen, die kein Geld dafür ausgeben wollen. Wenn wir das alles wollen, dann müssen wir es auch sichtbarer machen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Ronald Gläser (AfD)]

Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Wir haben auf Bundesebene ein Klimapaket. Bis heute, so erfahre ich, hat zwischen dem Senat und dem Bund kein einziges Gespräch stattgefunden, um das Klimapaket des Bundes, das übrigens mit immensen finanziellen Mitteln verbunden ist, für Berlin nutzbar, aber auch transparent zu machen.

[Paul Fresdorf (FDP): Nein!]

Der entscheidende Punkt ist: Wir können vom Bund so viel Unterstützung für Berlin generieren, dass es doch toll wäre, wenn wir das – erstens – tun würden und – zweitens – diese Maßnahmen dann auch sichtbarer und transparent machen würden. Wenn wir mal ganz weit in die Zukunft schauen,